TE Vwgh Erkenntnis 2001/8/9 99/16/0453

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Veröffentlicht am 09.08.2001
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Index

22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;
27/04 Sonstige Rechtspflege;

Norm

GEG §2 Abs3;
GGG 1984 §20;
ZPO §41 Abs1;
ZPO §43 Abs1;
ZPO §64 Abs1 Z1;
ZPO §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zehetner, über die Beschwerde des J in P, vertreten durch Dr. Gottfried Forsthuber, Rechtsanwalt in Baden, Kaiser-Franz-Joseph-Ring 5, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Eisenstadt vom 23. November 1999, Jv 3094-33/98, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gertrude M., Tochter des am 14. März 1993 verstorbenen Josef R., erhob am 24. März 1993 beim Landesgericht Eisenstadt Klage gegen die Kinder des vorverstorbenen Sohnes des Josef R., und zwar gegen den Beschwerdeführer auf Zahlung eines Betrages von S 14,331.134,-- sowie weitere Leistungen und gegen Gerhard W. auf Zahlung eines Betrages von S 6,184.570,--. Inhaltlich handelte es sich bei den geltend gemachten Beträgen um Pflichtteilsergänzungsansprüche. Mit Beschluss vom 24. März 1993 wurde Gertrude M. als klagender Partei Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO gewährt.

Mit Urteil vom 25. November 1996 wurde das gegen Gerhard W. erhobene Klagebegehren abgewiesen und der Beschwerdeführer schuldig erkannt, Gertrude M. einen Betrag von S 6,998.153,26 samt Zinsen zu bezahlen; das gegen den Beschwerdeführer erhobene Zahlungsmehrbegehren sowie die gegen ihn gerichteten weiteren Leistungs-, Duldungs- und Unterlassungsbegehren wurden abgewiesen. Gegen dieses Urteil erhoben der Beschwerdeführer und Gertrude M. Berufung. Mit Berufungsurteil vom 30. April 1997 gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung von Gertrude M, soweit sich diese auf die Abweisung des gegen Gerhard W. erhobenen Klagebegehrens und auf die Abweisung der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Leistungs-, Duldungs- und Unterlassungsbegehren bezog, keine Folge, gab im Übrigen den beiden Berufungen dahin Folge, dass das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde. Im darauf folgenden zweiten Rechtsgang wurde sowohl vom Gericht als auch von den Parteienvertretern nur noch der Beschwerdeführer als alleiniger Beklagter bezeichnet. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 2. September 1998 brachte der Beschwerdeführer vor, die klagende Partei habe (weitere) anrechnungspflichtige Vorempfänge vom Erblasser Josef R. im Umfang von insgesamt S 4,400.000,-- erhalten. Weiters wurde ausgeführt, "dass der Zweitbeklagte dem Erstbeklagten seine Kostenforderungen gegen die Klägerin abgetreten habe und diese Klagsforderung compensando eingewendet" werde. Hierauf schlossen die Prozessparteien folgenden Vergleich:

"1. Die beklagte Partei verzichtet ausdrücklich auf jedweden Kostenersatz sowohl hinsichtlich des Erstbeklagten als auch hinsichtlich des Zweitbeklagten aus diesem Verfahren.

2. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Streitteilen bereinigt und verglichen.

3. Die beklagte Partei verpflichtet sich, der klagenden Partei einen Kostenbeitrag von S 30.000,-- binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen.

4. Die Parteien halten fest, dass sie sämtliche in ihrem jeweiligen Besitz befindlichen Aufzeichnungen des Erblassers, jeweils die Streitteile betreffend, vernichten werden.

5. Der Beklagtenvertreter bestätigt ausdrücklich die Richtigkeit der behaupteten Abtretung der Prozesskostenforderung des Zweitbeklagten Gerhard  W. zum Inkasso.

Mit Zahlungsauftrag vom 12. Oktober 1998 wurde dem Beschwerdeführer und Gerhard W zur ungeteilten Hand ein Betrag von Gerichtsgebühren und Kosten in Höhe von S 453.854,-- vorgeschrieben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem gegen den Zahlungsauftrag erhobenen Berichtigungsantrag teilweise Folge gegeben. Der Zahlungsauftrag wurde gegenüber Gerhard W. aufgehoben. Gegenüber dem Beschwerdeführer wurde der Gesamtbetrag auf S 174.012,-- vermindert, das war die Hälfte von 62 % von 70 % des Ausgangsbetrages von S 801.438,--. In der Begründung des Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz am 25. November 1996 70 % des Streitgegenstandes den Beschwerdeführer betroffen habe. Hinsichtlich des Beschwerdeführers sei die Klage zu 38 % der 70 % rechtskräftig abgewiesen und zu 62 % der 70 % an das Erstgereicht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden. Vor Vergleichsabschluss habe der Streitgegenstand somit S 8,875.345,76 (62 % der 70 % des den Beschwerdeführer betreffenden Streitgegenstandes) betroffen. Mit dem Vergleich vom 2. September 1998 habe der Beschwerdeführer auf die ihm von Gerhard W. abgetretenen und seine eigenen Kostenforderungen verzichtet und sich zudem noch zur Zahlung eines Kostenbeitrages von S 30.000,-- verpflichtet. Da weder aus dem Wortlaut des Vergleiches noch aus den von den Parteien abgeforderten Erklärungen mit Sicherheit zu erkennen sei, in welchem Verhältnis der gebührenpflichtige Gegner der gebührenbefreiten Partei die Kosten oder die in § 64 Abs 1 Z 1 ZPO genannten Beträge zu ersetzen habe, sei zumindest die Hälfte des auf die zuletzt strittigen 8,8 Millionen S entfallenden Anteils der Gebühren einzuheben.

In der Beschwerde gegen diese Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt, dass er zur Zahlung eines Gebührenbetrages von S 174.012,-- herangezogen wurde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In den Fällen des § 70 ZPO sowie bei persönlicher Gebührenbefreiung aus anderen Gründen ist der Gegner gemäß § 20 GGG zur Zahlung der Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, verpflichtet, soweit ihm die Kosten des Rechtsstreites auferlegt sind oder soweit er die Kosten durch Vergleich übernommen hat. Im Zweifel ist die Hälfte der Gebühr einzuheben. Eine gleichartige Bestimmung enthält § 2 Abs 3

GEG.

Nach § 70 ZPO sind die im § 64 Abs 1 Z 1 ZPO genannten Beträge, von deren Bestreitung die Partei einstweilen befreit ist, unmittelbar beim Gegner einzuheben, soweit diesem die Kosten des Rechtsstreites auferlegt worden sind oder er sie einem Vergleich übernommen hat.

Im § 41 Abs 1 ZPO ist der für das Zivilprozessrecht maßgebliche Grundsatz enthalten, dass die vollständig unterliegende Partei ihrem Gegner sämtliche durch die Prozessführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu ersetzen hat. Diejenige Partei, die zur Gänze obsiegt hat, erhält also alle von ihr angesprochenen erstattungsfähigen Kosten (vgl Fasching, Lehrbuch2, Rz 464). Im Falle eines teilweisen Sieges ist nach § 43 Abs 1 ZPO eine Kostenteilung zwischen den Parteien vorzunehmen.

In § 20 GGG bzw § 2 Abs 3 GEG ist die Zahlungspflicht des Gegners der gebührenbefreiten Partei insoweit vorgesehen, als ihm die Kosten des Rechtsstreites auferlegt sind. Dies bedeutet, dass den Gegner der befreiten Partei - im Falle einer Kostenentscheidung des Gerichts - stets eine Zahlungspflicht nur insofern treffen kann, als er zumindest teilweise unterlegen ist. Auch die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 20 GGG durch Art I Z 4 des Bundesgesetzes BGBl Nr. 646/1987 gehen davon aus, dass die Zahlungspflicht von einem (teilweisen) Unterliegen abhängig ist. So soll sich danach das Ausmaß der Gebührenpflicht nach dem Ausmaß des Unterliegens richten (vgl Ausschussbericht, 454 BlgNR 16. GP). Im Falle eines gänzlichen Obsiegens des Gegners der befreiten Partei ist damit eine solche Zahlungspflicht jedenfalls ausgeschlossen.

Bei verständiger Würdigung des Zusammenhanges der in Rede stehenden Bestimmungen kann aber für den Fall des Abschlusses eines Vergleichs nichts anderes gelten: Im Beschwerdefall hat die Klägerin weder durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien noch durch den Vergleich auch nur einen Teil ihrer in der Klage geltend gemachten Ansprüche erstritten. Vielmehr hat sie im Rahmen des Vergleichs auf sämtliche geltend gemachten Ansprüche verzichtet. Es würde dem Sinn der Bestimmungen der ZPO über die Kostentragung - worauf die Bestimmungen über die Zahlungspflicht hinsichtlich Gebühren und Kosten erkennbar Bezug nehmen - widersprechen, sollte der zur Gänze obsiegenden Partei eine solche Zahlungspflicht auferlegt werden. Dem in Rede stehenden Satzteil "soweit er die Kosten durch Vergleich übernommen hat" kann dabei nur der Sinn beigelegt werden, dass die Zahlungspflicht davon abhängig ist, ob der Gegner der befreiten Partei ihn - auf Grund nur teilweisen Obsiegens - treffende Kosten im Vergleich übernommen hat. Aus dem Wortlaut des oben wiedergegebenen Vergleichs ergibt sich, dass die Verfahrenshilfe genießende Klägerin im Ergebnis zur Gänze unterlegen ist. Kosten des Rechtstreites konnten dem Beschwerdeführer daher nicht auferlegt werden. Die Tatsache, dass er unter dem von den Vergleichsparteien gewählten Titel eines Kostenbeitrages eine Zuwendung von S 30.000,-- gemacht hat kann in diesem besonders gelagerten Beschwerdefall nicht zu einer Anwendung des § 20 GGG führen.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 9. August 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999160453.X00

Im RIS seit

15.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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