RS UVS Oberösterreich 2003/08/29 VwSen-280657/2/Ga/He

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Veröffentlicht am 29.08.2003
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Rechtssatz

Gemäß § 77a Abs.1 ASchG hat in Arbeitstätten mit bis zu 50 Arbeitnehmern die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung in Form von (regelmäßigen sowie anlassbezogenen) Begehungen durch eine Sicherheitsfachkraft und durch einen Arbeitsmediziner zu erfolgen (sogen. Begehungsmodell).

Gemäß Abs.2 leg.cit. haben die regelmäßigen Begehungen gemäß Z1 dieser Vorschrift in Arbeitsstätten mit 1 bis 10 Arbeitnehmern mindestens einmal in zwei Kalenderjahren, sowohl durch eine Sicherheitsfachkraft als auch durch einen Arbeitsmediziner, nach Möglichkeit gemeinsam, zu erfolgen. Diese Begehungen haben sich auf alle Aspekte von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in der Arbeitsstätte, einschließlich aller dazugehörigen Baustellen und auswärtigen Arbeitsstellen, zu beziehen.

Auf welche Weise nun diese Präventiv-Betreuung in, wie hier, kleinen Arbeitsstätten durchgeführt werden kann, regelt § 78 ASchG:

So kann nach Abs.1 dieser Vorschrift der Arbeitgeber für die sicherheitstechnische Begehung betriebseigene oder externe Sicherheitsfachkräfte gemäß § 73 bestellen (Z1) oder aber (allerdings nur bei nicht mehr als 250 AN des ganzen Unternehmens) sich für die Heranziehung eines Präventionszentrums des zuständigen Trägers der Unfallversicherung gemäß § 78a entscheiden (Z2) oder die Betreuung selbst nach Maßgabe des § 78b "Unternehmermodell" in die Hand nehmen (Z3).

Abs.2 leg.cit. sieht die ersten beiden Wahlmöglichkeiten (Z1: Begehung mit bestellten Fachkräften; Z2:

Inanspruchnahme eines Präventionszentrums) analog auch für die arbeitsmedizinische Betreuung/Begehung vor.

In Entsprechung dieser Neuregelung fügte die Novelle BGBl I Nr. 12/1999 dem bezüglichen Straftatbestand des § 130 Abs.1 Z27 ASchG einen Halbsatz an, sodass der im Berufungsfall als erfüllt angenommene Straftatbestand nunmehr (in seinem hier maßgeblichen Teil) lautet:

Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 ?

bis 7.260 ?, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 ?

bis 14.530 ? zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz (...) gemäß Z27 dieser Vorschrift "die Verpflichtung zur Bestellung oder zur Beiziehung von Sicherheitsfachkräften oder von Arbeitsmedizinern verletzt (...) oder nicht dafür sorgt, dass sie ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen, sofern kein Präventionszentrum gemäß § 78 Abs.1 in Anspruch genommen wurde".

Ihrem Wortlaut nach ist diese Anpassung des in Rede stehenden Straftatbestandes eine Bedingung für die Strafbarkeit des - in selbständigen Alternativen - erfassten Fehlverhaltens. Die Gesetzesmaterialien (1449 Blg. NR XX. GP) führen hiezu aus:

"Die gesetzliche Verankerung der Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Präventionszentrums des zuständigen Unfallversicherungsträgers sowie die Ausweitung des Unternehmermodells erfordert auch die Anpassung der Strafbestimmungen. In der Ergänzung zu Z 27 wird im Sinne des Art VI letzter Satz BGBl. Nr.450/1994 klargestellt, dass der Arbeitgeber für den Fall der Inanspruchnahme eines Präventionszentrums nicht für die nicht erfolgte Bestellung von Präventivfachkräften verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann."

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Nichtinanspruchnahme eines Präventionszentrums als wesentliches, weil die Bedingung der Strafbarkeit einlösendes Sachverhaltselement. Daher muss eine zur Verjährungsunterbrechung taugliche Anlastung die Erfüllung einer der drei selbständigen Tatbestandsalternativen (nicht bestellt oder nicht beigezogen oder (trotz Bestellung/Beiziehung) nicht für die Aufgabenerfüllung gesorgt zu haben) und zugleich auch der weiteren tatbestandlichen Voraussetzung, dass nämlich kein Präventionszentrum gemäß § 78 Abs.1 und 2 ASchG in Anspruch genommen worden sei, umfassen. Letzteres allerdings nur, wenn es sich um ein als Arbeitgeber involviertes Unternehmen mit nicht mehr als 250 AN handelt, weil nur solchen (kleineren) Arbeitgebern die Inanspruchnahme eines Präventationszentrums überhaupt zugänglich ist. Dass der vorliegend bekämpfte Tatvorwurf die Erfüllung dieser Strafbarkeitsbedingung nicht enthält (und auch die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses sich damit nicht auseinander setzt), vermag für sich das Bestimmtheitsgebot des § 44a VStG im Berufungsfall noch nicht zu verletzen, weil die Strafbarkeitsbedingung wegen der Größe der involvierten Arbeitgeberin (österreichweit etwa 2.500 AN) für diese von vornherein keine Rechtswirkung enthalten konnte.

Dennoch aber war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, weil, wie sogleich zu begründen sein wird, eine ausreichende Anordnungsbefugnis der als verantwortliche Beauftragte bestellten Filialleiterin für den spezifischen und hier allein angesprochenen Bereich der Präventiv-Betreuung im Zweifel nicht angenommen werden durfte. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die Vorschrift gemäß § 83 Abs.7 ASchG, wonach betriebseigene Präventivfachkräfte bzw. deren Leitung unmittelbar dem Arbeitgeber oder der für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften sonst verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Person zu unterstellen sind.

Mit der dem AI von der als Arbeitgeberin involvierten B GesmbH übermittelten Bestellungsurkunde vom 16.11.2000 (betr. die Einsetzung der Berufungswerberin zur verantwortlichen Beauftragten - räumlich abgegrenzt für die Filiale und dort sachlich abgegrenzt für "2. Einhaltung aller Arbeitnehmervorschriften") wird der Berufungswerberin für den angeführten Zuständigkeitsbereich "ausdrücklich die Befugnis (übertragen), eigenverantwortlich sämtliche Anordnungen zu treffen, um die Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen sicherzustellen."

Dem ersten Anschein nach umfasst diese in offener Formulierung zugewiesene Anordnungsbefugnis (§ 9 Abs.4 VStG) auch den Spezialbereich der Präventiv-Betreuung (iSd 7. Abschnittes des AschG). Eine so umfassende Reichweite der Anordnungsbefugnis scheint jedoch nach Ausweis des vorgelegten Strafverfahrensaktes nicht gedeckt.

Der Aktenlage gemäß sind bestimmte, betriebseigene Präventivfachkräfte für bestimmt aufgezählte Konzernfirmen (darunter die B GesmbH) durch die Konzernleitung selbst zwar bestellt gewesen, dies, wie aus der im Akt einliegenden bzgl. Mitteilung vom 14. September 1999 an das AI hervorgeht, mit dem Zusatz, dass die genannten Personen für die sicherheitstechnische bzw. arbeitsmedizinische Betreuung "sämtlicher Arbeitsstätten vorgen. Konzernfirmen, österreichweit, verantwortlich" seien. Gleichzeitig war die Erreichbarkeit der so bestellten Fachkräfte über die Konzernzentrale in N festgelegt. Aus der nämlichen Mitteilung geht weiters hervor, dass der tatsächliche Einsatz jener Fachkräfte für regelmäßige Begehungen dem Grunde nach durch die Konzernleitung selbst schon angeordnet gewesen war, auch für Kleinarbeitsstätten wie die in Rede stehende Filiale.

Die von § 83 Abs.7 ASchG zwingend vorgesehene, nach Meinung des Tribunals: mit zweifelsfreier Ausdrücklichkeit vorzunehmende Unterstellung (arg.: "sind unmittelbar ... der verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Person zu unterstellen") jener betriebseigenen Fachkräfte in die besondere Anordnungsbefugnis der vorliegend statt des Arbeitgebers (bzw. des Organs gem. § 9 Abs.1 VStG) belangten Filialleiterin kann weder der zit. Mitteilung noch dem Strafakt sonst entnommen werden.

Damit aber kann in der Zusammenschau keine Rede davon sein, dass die Berufungswerberin als Filialleiterin die zur Sicherstellung der Präventiv-Betreuung in dieser Filiale erforderlichen Anordnungen selbständig und eigenverantwortlich hatte treffen können. Vielmehr war sie darin (sowohl in der Schaffung von Grundlagen als auch der faktischen Durchführung) von Maßgaben (nicht einmal der eigenen Gesellschaft, sondern) der Konzernleitung abhängig, zuletzt, weil die persönliche Unterstellung der Fachkräfte in die Haftung der für die Filiale in B L bestellt gewesenen verantwortlichen Beauftragten offenbar nicht vorgenommen worden war.

Diese, hier als maßgebend festzustellende Sachlage war rechtlich dahin zu beurteilen, dass die strafrechtliche Haftung für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften jedenfalls hinsichtlich der Präventiv-Betreuung der AN in der nämlichen Filiale beim eigentlich verantwortlichen Arbeitgeber verblieben ist. Im Ergebnis war die Berufungswerberin im Umfang des die Einhaltung der Präventiv-Betreuung sanktionierenden Straftatbestandes des § 130 Abs.1 Z27 AschG für den örtlichen Bereich ihrer Filiale nicht als Täterin belangbar, weshalb schon aus diesem Grund das gegen sie gerichtete Straferkenntnis aufzuheben und die Einstellung des Verfahrens zu verfügen war.

Dieses Ergebnis lässt sich auch aus dem Blickwinkel der beruflichen Position einer Filialleiterin (zumal einer Kleinfiliale) plausibel ableiten. Wenn unstrittig ist, dass es aus der Sicht der Grundsätze des ASchG (jedenfalls seit der Anpassung an EU-Standards) zu den arbeitnehmerschutzmäßigen Kernaufgaben einer Unternehmensführung gehört, aus der regelmäßigen Handhabung der Präventivdienste Aufschlüsse zu gewinnen und Schlussfolgerungen für das ganze Unternehmen zu ermöglichen, dann ist auf der Hand liegend die Prävention gerade keine typische Angelegenheit, die sinnvoller Weise - als selbstverantwortliche Führungsaufgabe - an eine Filialleitung übertragen werden kann (das Freihalten von Notausgängen in einer Filiale; vgl. etwa VwGH 7.4.1995, 94/02/0470; VwGH 9.6.1995, 95/02/ 0046, mit Vorjudikatur). Dies macht einsichtig, dass eine auch auf die "Prävention" erstreckte Anordnungsbefugnis für Fälle wie hier hätte besonders angeführt werden müssen. Ohne verlässliche Einlösung aber der daher gesetzlich angeordneten unmittelbaren (dienstrechtlichen) Unterstellung der Präventivkräfte (auch) unter die verantwortliche Beauftragte wäre die angesprochene besondere Anordnungsbefugnis und ihre Nutzanwendung in Konstellationen wie im Berufungsfall nicht denkmöglich. Es hätte daher die Beschreibung der der Filialleiterin zur Absicherung ihrer (begrenzten) strafrechtlichen Haftung zugewiesenen Anordnungsbefugnis unmissverständlich hervorheben müssen, dass diese in besonderer Weise auf die jeweils von ihr herangezogenen und ihr insoweit direkt unterstellten, betriebseigenen Präventivfachkräfte erstreckt ist.

Der klare Wortlaut der Unterstellungsvorschrift gemäß § 83 Abs.7 ASchG sowie die ständige (hier sinngemäß anwendbare) Judikatur zur Ausdrücklichkeit von Zustimmungsnachweis und Anordnungsbefugnis iS des § 9 Abs.4 VStG sprechen, wie oben ausgeführt, gegen die Zulässigkeit bloß konkludenter und bloß generell- abstrakter (die verantwortliche Person, der unterstellt werden soll, nicht individualisierender) Unterstellungsvorgänge.

Für den Fall aber, dass von der Zulässigkeit konkludenter Unterstellungsakte ausgegangen würde und wollte man die der Berufungswerberin als Filialleiterin nach Ausweis der Aktenlage allein verbliebene Möglichkeit, wenigstens die Initiative für eine Terminvereinbarung via Konzernzentrale mit den Präventivfachkräften ergreifen zu können, als solchen konkludenten Unterstellungsakt werten, dann wäre für die Bestätigung des Tatvorwurfs an die Berufungswerberin als haftbare verantwortliche Beauftragte dennoch nichts gewonnen. Zwar wäre dann die Tätereignung der Berufungswerberin vom angefochtenen Straferkenntnis zutreffend angenommen worden, der spruchgemäße Tatvorwurf jedoch litte unter einem - wesentlichen, vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht sanierbaren - Bestimmtheitsmangel. Diesfalls nämlich wäre das angelastete Verhalten unmissverständlich als Erfüllung der selbständigen Tatbestandsalternative des § 130 Abs.1 Z27 ASchG ("nicht dafür gesorgt, dass sie (die bestellten Präventivfachkräfte) ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen") vorzuwerfen gewesen, was jedoch sowohl im angefochtenen Straferkenntnis als auch in der ersten Verfolgungshandlung (lt. Aktenlage die am 28.5.2002 hinausgegebene AZR vom selben Tag) unterblieben, d. h. ein wesentliches Tatbestandsmerkmal in den Vorwurf nicht aufgenommen gewesen ist.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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