TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/25 96/14/0131

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Veröffentlicht am 25.09.2001
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §67 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Dr. Urtz, über die Beschwerde der I GmbH in L, vertreten durch Rechtsanwälte Haslinger/Nagele und Partner OEG, in 4020 Linz, Landstrasse 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 26. Juli 1996, 268/4-8/Se-1996 betreffend Haftung und Zahlung für Lohnsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zug einer Lohnsteuerprüfung stellte der Prüfer fest, die Beschwerdeführerin habe an die Erben des im Jahr 1992 verstorbenen Geschäftsführers Dipl.-Ing. HR entsprechend den Bestimmungen des Dienstvertrages ein Jahresgehalt als Abfertigung gezahlt und diese mit dem festen Steuersatz gemäß § 67 Abs 3 EStG 1988 versteuert. Im Dienstvertrag werde ua bestimmt, "wenn Sie (Dipl.-Ing. HR) als Geschäftsführer aktiv oder in Pension ableben, erhalten Ihre allfällige Witwe bzw unterhaltsberechtigten Erben zusammen insgesamt durch 12 Monate ab Ihrem Ableben monatlich einen Brutto-Gehaltsbezug resp Brutto-Pensionsbezug, wie Sie ihn zuletzt bezogen haben; in dieser Zahlung ist die nach dem Gesetz gebührende Abfertigung inbegriffen und abgegolten". Der Prüfer vertrat unter Hinweis auf den anzuwendenden Kollektivvertrag (idF nur: KV) und die Bestimmungen des AngG die Ansicht, nur die Hälfte des gezahlten Betrages sei als gesetzliche Abfertigung iSd § 67 Abs 3 EStG 1988 anzusehen, weswegen der Rest entsprechend den Bestimmungen des § 67 Abs 6 leg cit zu versteuern sei. Geschäftsführer fielen nämlich nicht unter den Anwendungsbereich des KV, weswegen hinsichtlich des Anspruches auf Abfertigung im Todesfall § 23 Abs 6 AngG zur Anwendung komme. Demzufolge hätten die Erben nur auf die Hälfte der von der Beschwerdeführerin gezahlten Abfertigung Anspruch, weswegen nur dieser Teil nach § 67 Abs 3 EStG 1988 versteuert werden könne.

Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und zog die Beschwerdeführerin gemäß § 82 EStG 1988 zur Haftung für die unterlassene Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer von rund 660.000 S heran.

In der Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die Bestimmungen des KV seien anwendbar, weil Dipl.-Ing. HR noch vor seinem Tod seine Funktion als Geschäftsführer zurückgelegt habe. Aufgrund seiner schweren und unheilbaren Krankheit habe er zwölf Tage vor seinem Tod gegenüber seinem Mitgeschäftsführer, Dipl.-Ing. JF, die Zurücklegung seiner Funktion als Geschäftsführer bekannt gegeben. Dies sei nach einhelliger Lehre gesellschaftsrechtlich zulässig. Als Beweis für die erfolgte Zurücklegung der Funktion als Geschäftsführer werde eine diesbezügliche, von Dipl.-Ing. JF verfasste Gedächtnisnotiz beigelegt. Von der Zurücklegung der Funktion als Geschäftsführer sei die Beendigung des Dienstverhältnisses zu unterscheiden, das erst durch den Tod von Dipl.-Ing. HR beendet worden sei. Da Dipl.- Ing. HR zum Zeitpunkt seines Todes nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei, komme § 13 Z 4 KV als Spezialnorm zu § 23 AngG zur Anwendung. Danach erhöhe sich der Anspruch gemäß § 23 Abs 6 AngG auf die volle Abfertigung, weswegen diese zur Gänze nach § 67 Abs 3 EStG 1988 zu versteuern sei.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung vertrat das Finanzamt - so weit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof von Relevanz - die Ansicht, Dipl.-Ing. HR sei zum Zeitpunkt seines Todes noch Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gewesen.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz behauptete die Beschwerdeführerin, Dipl.-Ing. RH habe kurz vor seinem Tod seine Funktion als Geschäftsführer zurückgelegt.

Die belangte Behörde hielt der Beschwerdeführerin den Inhalt eines Vermerkes über eine Besprechung zwischen einem Organwalter des Finanzamtes, der bevollmächtigten Vertreterin der Beschwerdeführerin und Dipl.-Ing. JF vor. Danach sei bis zum Tod von Dipl.-Ing. HR die Gesellschafterversammlung weder schriftlich noch mündlich von der von Dipl.-Ing. JF verfassten Gedächtnisnotiz über die Zurücklegung der Funktion als Geschäftsführer informiert worden. Es lägen auch keine Gesellschafterbeschlüsse betreffend Abberufung oder Rücktritt von Dipl.-Ing. HR in seiner Funktion als Geschäftsführer vor. Es sei auch nicht über Gehaltsveränderungen aufgrund der Zurücklegung der Funktion als Geschäftsführer gesprochen worden. Anlässlich des Todes von Dipl.-Ing. HR sei von der Beschwerdeführerin in einer Tageszeitung eine Anzeige geschaltet worden, worin vom "Ableben unseres Generaldirektors Dipl.-Ing. HR, Geschäftsführender Gesellschafter" gesprochen worden sei. Dieser Text stehe der Behauptung entgegen, Dipl.-Ing. HR habe Wochen vor seinem Tod seine Funktion als Geschäftsführer zurückgelegt. Weiters ersuchte die belangte Behörde mitzuteilen, welche Ansprüche der Witwe bzw den unterhaltsberechtigten Erben nach dem Tod von Dipl.-Ing. HR aufgrund des Dienstvertrages zustünden.

In der Vorhaltsbeantwortung führte die Beschwerdeführerin aus, Dipl.-Ing. JF habe den weiteren Gesellschafter-Geschäftsführer, Dipl.-Ing. HK, umgehend über das Gespräch mit Dipl.-Ing. HR informiert. Über Gehaltsveränderungen sei nicht gesprochen worden, weil aus der damaligen Situation die nur mehr kurze Lebensdauer von Dipl.-Ing. HR erkennbar gewesen sei. Die Ansicht, der Text der Anzeige widerspreche der Behauptung, Dipl.- Ing. HR hätte Wochen vor seinem Tod die Funktion als Geschäftsführer zurückgelegt, könne nicht beigepflichtet werden, weil zwischen der Zurücklegung dieser Funktion und dem Todestag lediglich zwölf Tage vergangen seien. Der Witwe seien die im Dienstvertrag vereinbarten Beträge gezahlt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie hielt zunächst fest, es sei allein strittig, ob die Erben von Dipl.-Ing. HR lediglich einen Abfertigungsanspruch nach dem AngG oder nach dem KV gehabt hätten. Die Beschwerdeführerin behaupte, für Dipl.-Ing. HR habe zum Zeitpunkt seines Todes der KV gegolten, weil er vor seinem Tod seine Funktion als Geschäftsführer zurückgelegt habe. Das einzige Beweismittel dafür sei eine von Dipl.-Ing. JF verfasste Gedächtnisnotiz. Gegen die Zurücklegung der Funktion als Geschäftsführer würde ua Folgendes sprechen:

Die Gedächtnisnotiz sei weder von Dipl.-Ing. HR unterschrieben worden, noch trage sie ein Erstellungsdatum. Ihre Beweiskraft sei daher in Frage zu stellen.

Es sei unglaubwürdig, dass ein Geschäftsführer (Generaldirektor) eines großen Unternehmens (rund 800 Mitarbeiter) seinen Rücktritt bloß mündlich gegenüber einem anderen Geschäftsführer erkläre und nicht selbst eine derartige Erklärung unterfertige.

Die Gesellschafterversammlung sei weder schriftlich noch mündlich vom Rücktritt des Dipl.-Ing. HR von seiner Funktion als Geschäftsführer informiert worden.

Die Beschwerdeführerin habe der Gedächtnisnotiz keine Bedeutung beigemessen, weil sie einerseits in der Tageszeitung eine Anzeige geschaltet habe, worin vom Tod ihres Generaldirektors gesprochen werde, anderseits die beantragte Löschung des Dipl.- Ing. HR als Geschäftsführer im Firmenbuch mit seinem Tod begründet worden sei.

Der Witwe sei von der Beschwerdeführerin eine Pension gezahlt worden, obwohl sie aufgrund des Dienstvertrages nur dann auf eine solche Anspruch habe, falls Dipl.-Ing. HR als Geschäftsführer aktiv oder in Pension ablebe.

In freier Beweiswürdigung sei daher davon auszugehen, Dipl.- Ing. HR sei bis zu seinem Tod Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gewesen. Somit seien die Abfertigungsbestimmungen des KV nicht anwendbar, weswegen nur die Hälfte der gezahlten Abfertigung nach § 67 Abs 3 EStG 1988 zu versteuern sei. Der Rest des gezahlten Betrages sei nach § 67 Abs 6 EStG 1988 zu versteuern.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Unter § 67 Abs 3 EStG 1988 fallen nur jene Abfertigungen, die ua aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder eines KV geleistet werden.

Strittig ist, ob die Erben von Dipl.-Ing. HR einen Abfertigungsanspruch nach dem AngG oder nach dem KV hatten. Im ersten Fall hätten die Erben gemäß § 23 Abs 6 AngG nur auf die Hälfte der gezahlten Abfertigung Anspruch. Nur dieser Teil fiele somit unter die Begünstigung des § 67 Abs 3 EStG 1988. Im zweiten Fall hätten die Erben jedoch nach § 13 Z 4 KV Anspruch auf die volle Abfertigung, weswegen die gesamte gezahlte Abfertigung unter § 67 Abs 3 EStG 1988 fiele.

Für die Anwendung des KV ist Voraussetzung, dass Dipl.-Ing. HR zum Zeitpunkt seines Todes nicht mehr Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gewesen ist. Diese Frage war eine von der belangten Behörde auf der Tatsachenebene zu lösende Sachverhaltsfrage. Nach § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist. In den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangt, obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen sind oder gegen die Denkgesetze oder das allgemeine menschliche Erfahrungsgut verstoßen (vgl zB das hg Erkenntnis vom 25. Jänner 2001, 95/15/0134).

Die belangte Behörde hat nur die Hälfte der von der Beschwerdeführerin gezahlten Abfertigung nach § 67 Abs 3 EStG 1988 versteuert, weil sie in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangt ist, Dipl.-Ing. HR sei bis zu seinem Tod Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gewesen. Es widerspricht nicht den Denkgesetzen, wenn die belangte Behörde der nach Vornahme einer Lohnsteuerprüfung erstmals im Berufungsverfahren aufgestellten Behauptung, Dipl.-Ing. HR habe zwölf Tage vor seinem Tod gegenüber seinem Mitgeschäftsführer, Dipl.-Ing. JF, die Zurücklegung seiner Funktion als Geschäftsführer bekannt gegeben, trotz des hiefür vorgelegten Beweismittels keinen Glauben geschenkt hat. Denn abgesehen davon, dass das vorgelegte Beweismittel nur in einer undatierten, von Dipl.-Ing. JF verfassten Gedächtnisnotiz bestanden hat, durfte die belangte Behörde aus den bereits dargestellten Gründen unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Verhältnisse unbedenklich zu dem von ihr gezogenen Schluss gelangen.

Die Beschwerdeführerin behauptet, die belangte Behörde hätte insofern Verfahrensvorschriften verletzt, als sie Dipl.-Ing. JF zum Inhalt der Gedächtnisnotiz nicht befragt habe. Mit diesen Ausführungen wird keine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgezeigt. Wie der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde vorgehalten, ist Dipl.-Ing. JF bei einer Besprechung zwischen einem Organwalter des Finanzamtes und der bevollmächtigten Vertreterin der Beschwerdeführerin anwesend gewesen, wobei er die ihm gebotene Gelegenheit zur Stellungnahme genutzt hat. Die Beschwerdeführerin hat in der Folge im Administrativverfahren auch keinen Antrag gestellt, Dipl.-Ing. JF als Zeugen zu vernehmen. Schließlich wird in der Beschwerde nicht dargetan, was Dipl.-Ing. JF vorgebracht hätte. Die Beschwerdeführerin hat es somit auch unterlassen, die Relevanz des der belangten Behörde angeblich unterlaufenen Verfahrensmangels aufzuzeigen.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 25. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1996140131.X00

Im RIS seit

23.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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