TE UVS Niederösterreich 1993/07/07 Senat-MD-92-481

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Veröffentlicht am 07.07.1993
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, dahingehend Folge gegeben, als

1.

die zu Punkt 1 verhängte Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle 6 Tage) auf

S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage)

und

2.

die zu Punkt 2 des Straferkenntnisses verhängte Geldstrafe von gleichfalls S 6.000,--

(Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle 6 Tage) auf

S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage),

3.

die in Punkt 3 des Spruches der Behörde erster Instanz verhängte Strafe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage) auf S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage),

4.

die zu Punkt 4 verhängte Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage) aus S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) und

5.

die zu Punkt 5 des Spruches des Straferkenntnisses verhängte Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Tage) auf S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage)

herabgesetzt wird.

 

Gemäß §64 VStG, BGBl Nr 52/1991 hat der Berufungswerber einen Betrag von insgesamt S 1.300,-- als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu bezahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist ist der Strafbetrag zu entrichten (§59 Abs2 AVG).

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 24.8.1992, Zl 3-*****-91, wurde über Herrn A****** K** in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Beauftragter der Firma B Warenhandel AG mit dem Sitz in *** N****** wegen insgesamt fünf Übertretungen nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz eine Geldstrafe von insgesamt S 24.000,-- (im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Tagen) verhängt.

 

Angelastet wurde ihm, dafür verantwortlich zu sein, daß am 24. Juli 1991 in der B Filiale in W **, L**********straße **,

1.

Vermerke mit den Namen der für die Erstehilfeleistung ausgebildeten Personen nicht an den gemäß §81 Abs3 AAV  angeführten Stellen ersichtlich waren und eine verzeichnete

Dienstnehmerin nicht mehr im Betrieb beschäftigt war, daß

2.

die zulässige Belastung der Fächer an Regalen und Schränken nicht angeschrieben war, wodurch der Bestimmung des §63 Abs3 AAV zuwidergehandelt wurde, daß

3.

die brandhemmende Türe vom Verkaufsraum ins Lager nicht selbstschließend war und somit der Vorschrift des §22 Abs5 AAV nicht entsprochen wurde, daß

4.

Keine Person nachweislich in Erster Hilfeleistung ausgebildet war, wie das in §81 Abs5 AAV zwingend vorgeschrieben sei, und daß

5.

das Verkaufspersonal nicht nachweislich über die Gefahren von Druckgaspackungen und deren Anwendung unterrichtet war und dadurch der Verpflichtung des Punktes 4 des Beschweides vom 6.8.1984, Zl MBA 10-*******/1/84 nicht gefolgt wurde, weshalb die angeführten Strafen gemäß der Bestimmung des §31 Abs2 AnschG zu verhängen gewesen sein.

 

Dadurch erhob der Beschuldigte  durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung, die sich gegen eine behauptete Doppelbestrafung hinsichtlich der Punkte 1 und 4 des Straferkenntnisses richtet, eine Überbelastung der Regale sei von vornherein auszuschließen und man könne sich nicht vorstellen, daß die brandhemmende Tür durch einen Keil offen gehalten wurde. Des weiteren würden die Mitarbeiter der Filiale ständig durch den Filialleiter über die Gefahren der Druckgaspackungen und deren Anwendung unterrichtet und seien bis dato keine derartigen Beanstandungen erfolgt.

Zum Beweis für das gesamte Vorbringen werde die Durchführung eines Lokalaugenscheines und die Einvernahme des Beschuldigten beantragt. Im übrigen werde die Geldstrafe der Höhe nach  bekämpft und vorgebracht, daß die grundlegenden Bestimmungen des §19 Abs1 VStG bei der Strafbemessung nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden seien. Bei richtiger Ausübung des der Strafbehörde eingeräumten Ermessens hätte die Bezirkshauptmannschaft xx zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß mit einer Geldstrafe von höchstens S 500,-- je Delikt das Auslangen gefunden werden hätte können und werden aus all diesen Gründen die Anträge auf ersatzlose Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses, allenfalls Rückverweisung zur neuerlichen Entscheidung und Verhandlung an die Strafbehörde erster Instanz oder auf Abänderung des angefochtenen Straferkenntnisses dahin gestellt, daß die verhängte Geldstrafe auf S 500,-- je Delikt schuldangemessen herabgesetzt werde.

 

Nach Kenntnis des Vorbringens der Berufungsgründe hat das am Verfahren mitbeteiligte Arbeitsinspektorat beantragt, das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz vollinhaltlich zu bestätigen.

 

In der am 27.5.1993 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft xx durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung verwies der Vertreter des Arbeitsinspektorates darauf, daß in den Punkten 1 und 4 der zur Last gelegte Tatbestand seitens des  Beschuldigten unbestritten bliebe, zu Punkt 2 wurde ergänzend ausgeführt, daß der beanstandete Tatbestand schon zweimal zu rechtskräftigen Strafbescheiden führte und hinsichtlich der übrigen Punkte  3 und 5 kein der Anzeige zuwiderlaufendes stichhaltiges Beweisvorbringen erstattet wurde. Im übrigen  werde auf sämtliches aktenkundiges Vorbringen verwiesen und könne seitens des Arbeitsinspektorates einer geringfügigen Herabsetzung der verhängten Geldstrafe deshalb zugestimmt werden, da der Beschuldigte offensichtlich keine einschlägigen Vorstrafe habe und bei der Strafzumessung seine allgemein bekannten Einkommensverhältnisse als Filialleiter gleichfalls Berücksichtigung zu finden hätten.

.

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich hat hiezu

folgendes erwogen:

 

Vorweg ist der Beschuldigte darauf hinzuweisen, daß der im vorliegenden Rechtsmittel gestellte Antrag auf Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses und Rückverweisung an die erste Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung mangels Geltung der Bestimmung des §66 Abs2 AVG im Verwaltungsstrafverfahren rechtlich ins Leere geht.

 

Der Berufung kommt den Grunde nach keine Berechtigung zu.

 

Insoweit der Berufungswerber behauptet, hinsichtlich der Punkte 1 und 4 - der Sachverhalt blieb unbestritten - des bekämpften Straferkenntnisses sei eine unzulässige Doppelbestrafung erfolgt, kann dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt werden.

 

Die Subsidiarität im Verwaltungsstrafverfahren erfaßt jene Fälle, in der sie entweder das Gesetz selbst ausdrücklich anordnet oder jedenfalls das Verhältnis zweier Delikte (oder verschiedener Erscheinungsformen desselben Deliktes) erkennen läßt, daß die eine Strafvorschrift (oder die eine Erscheinungsform) nur für den Fall Anwendung finden soll, daß nicht eine andere Strafvorschrift (oder eine andere Erscheinungsform desselben Deliktes) eingreift.

 

Da jedoch die Bestimmung des §81 Abs3 AAV und die Vorschrift des §81 Abs5 AAV verschiedene Materienbereiche regelt und eine Übertretung nach einer dieser Gesetzesbestimmungen nicht zwingend einen Verstoß gegen den anderen Rechtsbereich bedingt, Tatbestände sich nicht ausschließen und daher verschiedene zu sanktionierende Straftatbestände darstellen, war zu Recht von der Anwendung des Kumulationsprinzips gemäß §22 VStG auszugehen und eine Strafe wegen der in den Punkten 1 und 4 des Straferkenntnisses angelasteten Unterlassungen zu verhängen.

 

Wenn hinsichtlich des Punktes 2 des erstinstanzlichen Bescheides vorgebracht wird, daß es trotz mehrfacher Inspektionen durch das Arbeitsinspektorat zu keiner Beanstandung in dieser Hinsicht gekommen sei, ist der Einschreiter darauf hinzuweisen, daß gerade dieser Tatbestand am 9. Juli 1990, Zl ********-2/90, am 8. Mai 1990, Zl ********-2/90 sowie am 5 Mai 1989, Zl ********2/89 zur Anzeige gebracht wurde, wobei die beiden letztgenannten Strafanzeigen zu rechtskräftigen Strafbescheiden führten.

 

Wenn der Punkt 3 des Straferkenntnisses dahingehend bekämpft wird, daß sich der Einschreiter nicht vorstellen könne, daß die brandhemmende Türe durch einen Keil offen gehalten war, da bei gegenständlicher Tür eine Magnetschließeinrichtung installiert worden sei, ist dieses durch keinerlei taugliche Beweisanbote erhärtete Vorbringen nicht geeignet, die Unrichtigkeit des angezeigten Sachverhaltes durch die meldungslegende Behörde zu erschüttern. Hinsichtlich des Punktes 5 des Bescheides ist der Beschuldigte darauf hinzuweisen, daß auch im Rechtsmittelverfahren keinerlei Nachweise über die behauptete Unterweisung vorgelegt werden konnten und auch der Stellungnahme des Rechtsmittelwerbers kein Nachweis beigelegt wurde.

 

Aus all diesen Erwägungen und unter Verwertung der allgemeinen Lebenserfahrungen wird seitens des erkennenden Senates die Richtigkeit der angelasteten Taten bzw Unterlassungen im Rahmen der freien Beweiwürdigung als erwiesen angenommen, da die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlußfolgerung lieferten.

Von der beantragten Durchführung eines Lokalaugenscheines konnte Abstand genommen werden, da sich die Behörde aufgrund der bisher vorliegenden Beweise ein klares  Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen konnte (vgl VwGH 25.6.1953, 2771/52 slg 2046A). Da die Beweislage für das dem Berufungswerber angelastete Verhalten ausreicht, konnte auch von der Einvernahme des Beschuldigen als Partei Abstand genommen werden (vgl VwGH 3.6.1987, 85/10/0093, 0094) und befreit der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Trotz gebotener Gelegenheit hat der Beschuldigte am Verfahren nicht genügend mitgewirkt (vgl VwGH 23.10.1986, 86/02/0008 uva).

 

Im gegenständlichen Fall war die Schuldform der Fahrlässigkeit beim Beschuldigten anzunehmen, da der Täter in objektiver Hinsicht die Anwendung jener Sorgfalt, zu der er nach den Umständen des einzelnen Falles verpflichtet war, außer Acht gelassen hat, und ihn in subjektiver Hinsicht sowohl die Zumutbarkeit als auch die Befähigung zur Sorgfaltsübung traf, der er durch Unterlassung seiner Kontroll- und Informationspflicht nicht nachgekommen ist.

 

Gemäß §19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Überdies ist nach dieser Gesetzesbestimmung im ordentlichen Verfahren auf Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, Bedacht zu nehmen. Auch das Ausmaß des Verschuldens ist besonders zu berücksichtigen und bei Bemessung von Geldstrafen sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Strafhöhe zugrunde zu legen. Mildernd wurde von der Behörde erster Instanz bei der Strafbemessung gewertet, daß der Beschuldigte bisher verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist, als erschwerend wurde kein Faktum der Strafzumessung zugrundegelegt.

 

Hinsichtlich der Höhe der verhängten Strafen - ausgehend von dem nun als erwiesen anzunehmenden Sachverhalt - kommt vorliegendem Rechtsmittel teilweise Berechtigung zu:

 

Unter Zugrundelegung der in §19 VStG normierten Kriterien für die Strafzumessung hat die erstinstanzliche Behörde je Delikt Geldstrafen verhängt, die im unteren Bereich  der gesetzlichen Strafdrohung liegen.

 

Bei der Strafzumessung wurden weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe der  Beurteilung zugrundegelegt.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Verstöße gegen die höchstpersönlichen Rechte der Arbeitnehmer, wie Leben und Gesundheit, mit aller Strenge zu ahnden.  Die gleichen Beurteilungskriterien gelten auch für die Nichteinhaltung von Auflagen im Betriebsanlageverfahren, die dem Schutz der Arbeitnehmer dienen. Dieser beträchtliche Unrechtsgehalt im Zusammenhang mit den vom Gesetzgeber geschützten Interessen war von der Berufungsbehörde bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.

 

Aus dem gesamten Akteninhalt ist kein Umstand ersichtlich, der die Annahme verfehlt sehen läßt, daß der Beschuldigte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht.

 

Die Gutmachung des verursachten Schadens und Verhinderung von nachteiligen Folgen im Sinne des §34 Z15 StGB ist bei sogenannten "Ungehorsamsdelikten" nicht tatbildmäßig, da bei solchen Übertretungen schon das Zuwiderhandeln gegen ein Verbot Strafe nach sich zieht, darüberhinaus von dem Beschuldigten kein Beweis angeboten werden konnte, daß er nachteilige Folgen verhindert hätte. Wenn weiters als Milderungsgrund die Mitwirkung an der vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes (§34 Z16 StGB) ins Treffen geführt wird, ist dem entgegenzuhalten, daß diese Behauptung durch kein aktives Tun des Täters bewiesen wurde.

Der Milderungsgrund im Sinne des §34 Z18 StGB (Wohlverhalten des Beschuldigten nach der Tat) konnte ebenfalls keine Berücksichtigung finden, weil das Wohlverhalten seit Begehung einer Übertretung überdies längere Zeit angedauert haben müßte, um einen Strafmilderungsgrund darzustellen, wobei ein Zeitraum von rund 2 Jahren nicht genügt (vgl VwGH 28.9.1988, 88/02/109).

 

Unter Berücksichtigung der amtsbekannt üblichen Einkommensverhältnisse des Beschuldigten in seiner Funktion als Filialleiter konnte die Berufungsbehörde eine Herabsetzung der Geldstrafen, wie aus dem Spruch ersichtlich, vertreten. Diese nunmehr verhängte Höhe der Bestrafung erweist sich auch unter Berücksichtigung des gesetzlichen Strafrahmens als tat- und schuldangemessen und geeignet, sowohl einerseits dem Beschuldigten die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens klarzumachen, als auch anderseits ihn in Zukunft von einschlägigen weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Zusätzlich wird ein generalpräventiver Zweck erfüllt.

 

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden:

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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