Gemäß §8 Unterbringungsgesetz iVm §67c Abs3 AVG wird die Verbringung der Berufungswerberin in das Landesnervenkrankenhaus H am 12.4.1994 um 22.29 Uhr für rechtswidrig erklärt. Der Bund hat der Beschwerdeführerin gemäß §79a AVG einen Kostenersatz in Höhe von S 8.573,-- (S 8.333,-- Schriftsatzaufwand, S 240,-- Stempelgebühren) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu leisten.
Betreffend Frau J W wurde folgende Beschwerde durch K H, Verein für SachWschaft und Patientenanwaltschaft, als
Patientenanwalt gemäß §14 Abs1 UbG eingebracht:
"Gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt führte ich innerhalb offener Frist Beschwerde gemäß Artikel 129a Abs1 Z2 §§67a AVG an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Tirol wegen Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit sowie der Rechte nach dem UbG.
1. Sachverhalt
Frau J W kam am 12.4.1994 über die UnivKlinik für Psychiatrie I mit §8 UbG-Bescheinigung zur stationären Aufnahme ins PKH H. Vom dortigen diensthabenden Oberarzt wurde Frau W aufgrund der nicht ausreichenden Unterbringungsvoraussetzungen an die UnivKlinik zurückgeschickt, worauf Frau W neuerlich mit derselben §8 UbG-Bescheinigung (und der Erwähnung, daß diese 12 Stunden lang gelte) wiederum ins PKH H überstellt wurde. Im Zuge der Erstellung der §8 UbG-Bescheinigung durch den diensthabenden Polizeiarzt Dr.T (Bundespolizeidirektion I) wurde laut Angaben von Frau W eine persönliche Untersuchung durch Dr.T nicht vorgenommen.
Beweis: Eintragung in die KG, betreffend Frau J W vom 14.4.1994 durch OA Dr. M M, PKH H; Aussage J W 2. Beschwerde
Durch den oben geschilderten Sachverhalt wurde Frau W in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit insoweit verletzt, als sie ohne ihr Verlangen und ohne vom zuständigen Polizeiarzt untersucht worden zu sein (§8 UbG) zweimal von der UnivKlinik für Psychiatrie I ins PKH H überstellt worden war.
3. Zur Zuständigkeit:
Die Überprüfung von sicherheitspolizeilichen Maßnahmen, die einer allfälligen Unterbringung vorangehen, fällt in den Zuständigkeitsbereich der unabhängigen Verwaltungssenates (§88 Abs1 iVm §46 Sicherheitspolizeigesetz; Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 5.7.1993, GZ VwSen-420028/29/Gf/La; Erkenntnis des VwGH vom 28.1.1994, GZ 93/11/0035-10, 93/11/0036-9).
4. Begründung:
a) Eine Person darf gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.
b) Die rechtswirksame Gültigkeit der gegenständlichen §8 UbG-Bescheinigung muß bezweifelt werden, da eine persönliche Untersuchung durch den einschreitenden Polizeiarzt nicht erfolgt (Kopetzki UbG, Rz 224).
c) Auch unter Außerachtlassung von Punkt b) war jedenfalls die zweite Überstellung ins PKH H rechtswidrig: Von einer 12-stündigen Wirksamkeit einer §8 UbG-Bescheinigung kann nicht ausgegangen werden. nach Beendigung der Amtshandlung (nämlich der ersten zwangsweisen Überstellung ins PKH H) war die Wirksamkeit der Bescheinigung jedenfalls erSt und kann ein späterer Anlaßfall - schon wegen der Veränderlichkeit der bescheinigten Tatsachen - nicht mehr herangezogen werden. Dies gilt umsomehr nach Wegfall der Regel des §49 Abs1 letzter Satz KAG (Kopetzki, aaO, Rz 228).
Aus den dargelegten Gründen ergeht daher der Antrag, daß erkannt werde:
Die Beschwerdeführerin ist dadurch, daß sie gegen ihren Willen am 12.4.1993 zweimal von der UnivKlinik für Psychiatrie I ins PKH H überstellt worden ist, insoweit in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden, als zum ersten eine rechtsgültige §8 UbG-Bescheinigung nicht vorlag und zum zweiten jedenfalls die zweite Überstellung ins PKH H ohne gesetzlich vorgeschriebene §8 UbG-Bescheinigung und daher rechtswidrig erfolgte."
Als Ergänzungsantrag zur gegenständlichen Beschwerde wurde ein Zuspruch der Kosten beantragt. Dieser Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Frau J W war am 5.4. bis 12.4.1994 stationär an der Universitätsklinik für Psychiatrie in I, wobei ihr Status der einer Nicht-Untergebrachten auf der Station FA1 war. Am 12.4.1994 um 16.30 Uhr wurde die Funkstreife "R" im Zuge des Funkstreifendienstes vom Wachzimmer Innere Stadt in die M-straße beordert, da sich dort Frau E W, Pensionistin, wohnhaft I, M-straße, von ihrer Tochter (der Beschwerdeführerin J W) bedroht fühle. E W gab an, daß ihre Tochter J sie am nämlichen Tag um 16.00 Uhr angerufen und heftig beschimpft hätte. Die Tochter sei psychisch krank und immer wieder in psychiatrischer Behandlung, wonach bei Gericht bereits die Beiziehung eines SachWs über die Entziehung des Sorgerechtes für das Kind S W von Frau J W beantragt wurde. Dies sei der Beschwerdeführerin, nämlich Frau J W, am gegenständlichen Tag bekannt gemacht worden, wobei sich Frau J W zum Zeitpunkt der Amtshandlung freiwillig in psychiatrische Behandlung begeben habe, jedoch drohte, sofort nach Hause zu fahren, damit man ihr das Kind nicht nehmen könne. Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes fuhren die Sicherheitswachebeamten in die Klinik I und nahmen dort im Beisein der diensthabenden Stationsärztin Dr. B mit Frau J W Kontakt auf. Dr. B befürwortete unter den gegebenen Umständen eine amtsärztliche Untersuchung, die von Dr.T am gleichen Tag um 19.00 Uhr vorgenommen wurde. Anschließend erfolgte die Einweisung von Frau J W durch Dr.T, dem diensthabenden Polizeiart der Polizeidirektion I, wegen Fremdgefährdung in das Landesnervenkrankenhaus H. Der Amtsarzt Dr.T gibt an, daß Frau W seit längerer Zeit wegen Polytoxikomanie sich in psychiatrischer Behandlung befindet und am 12.4.1994 wurde von der psychiatrischen Klinik I der Amtsarzt aufgefordert, weil die Patienten auf der offenen Station nicht gehalten werden konnte, da sie mangelnde Krankheitseinsicht zeigte. Dr.T nahm um 19.00 Uhr eine ärztliche Untersuchung der Patientin J W vor, worüber auch eine ärztliche Bescheinigung gemäß §8 Unterbringungsgesetz ausgefüllt wurde. Diese Bestätigung enthält die Diagnose des untersuchenden Arztes sowie einen Hinweis auf aktuell andere Personen gefährdende Verhaltensweisen. Eine entsprechende Unterbringung wurde empfohlen. Nach eingehendem Studium der Krankheitsgeschichte, Feststellung der Identität und der direkten Visite folgte eine Überstellung in das Landesnervenkrankenhaus H. Von seiten des Krankenhauses H werden die Unterbringungsvoraussetzungen negiert, sodaß die Patientin an die psychiatrische Klinik nach I rücktransferiert wurde, wobei der erste Transport von der Klinik I in das landesnervenpsychiatrische Krankenhaus nach H um 19.16 Uhr am 12.4.1994 erfolgte. Hierauf erfolgte der Rücktransport der Beschwerdeführerin um 20.45 Uhr vom psychiatrischen Krankenhaus H in die Klinik nach I. Anschließend um 22.29 Uhr wurde die Beschwerdeführerin wiederum von der psychiatrischen Klinik I zum psychiatrischen Kranhaus nach H gebracht. Vor dieser zweiten Überstellung erfolgte keine Untersuchung und wurde auch für diese Verbringung keine ärztliche Bescheinigung nach §8 Unterbringungsgesetz vorgelegt.
Gemäß §8 Unterbringungsgesetz darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.
Hinsichtlich der ersten Verbringung der Berufungswerberin liegt eine Bescheinigung nach §8 Unterbringungsgesetz seitens des Polizeiarztes Dr.T vor. Diese Bescheinigung weist eine Diagnose sowie den Hinweis auf eine Fremdgefährdung durch die Berufungswerberin auf. Die Verbringung der Berufungswerberin um
19.16 Uhr von der Klinik I in das psychiatrische Krankenhaus H am 12.4.1994 erfolgte daher rechtmäßig.
Nachdem die Unterbringungsvoraussetzungen seitens des psychiatrischen Krankenhauses des Landes Tirol in H bei der Beschwerdeführerin nicht für gegeben erachtet wurden, wurde sie von dem psychiatrischen Krankenhaus H wiederum in die psychiatrische Klinik nach I gebracht. Der zweite Transport der Berufungswerberin am 12.4.1994 um 22.29 Uhr von der Klinik in I in das psychiatrische Krankenhaus in H erfolgte ohne eine entsprechende Bescheinigung nach §8 Unterbringungsgesetz.
§8 UbG enthält keine ausdrückliche Regelung, wie die Bescheinigung sein darf, um eine Grundlage für die Überstellung des Kranken in eine Anstalt zu bilden. Nach §49 Abs1 letzter Satz KAG durfte sie nicht älter als eine Woche sein. Aus den §§8 und 9 legcit ergibt sich, daß die Beiziehung eines Arztes, Untersuchung und Ausstellung der Bescheinigung sowie die Überstellung ein Vorgang sind, der sich in einem Zug abwickelt. Die Untersuchung des bzw. der Betroffenen und Ausstellung der Bescheinigung werden daher der Überstellung grundsätzlich unmittelbar voranzugehen haben. Hinsichtlich der zweiten Verbringung der Beschwerdeführerin liegt eine §8 UbG-Bescheinigung nicht vor. Aus diesem Grunde war diese Verbringung rechtswidrig. Es wird daher gemäß §67c Abs3 AVG ausgesprochen, daß die Beschwerdeführerin dadurch, daß sie am 12.4.1994 um 22.29 Uhr von der Klinik I in das psychiatrische Krankenhaus H gebracht wurde und zwar ohne entsprechende Bescheinigung nach §8 Unterbringungsgesetz in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurde.