TE UVS Wien 1995/07/03 03/08/1562/94

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Veröffentlicht am 03.07.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Pipal

über die Berufung des Herrn Gerhard I gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Meidling, vom 30.3.1994, Zl Pst 4122/Ml/93, wegen Übertretung des § 99/2c iVm § 76a/1 StVO entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung in der Schuldfrage keine Folge

gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die Tatumschreibung lautet:

"Sie haben am 21.10.1993 um 9.45 Uhr in Wien, M-Straße, zwischen S-gasse und Z-gasse, Richtung P-gasse, als Lenker des PKW's mit dem Kennzeichen AM-2 mit besonderer Rücksichtslosigkeit die Fahrgeschwindigkeit in einer Fußgängerzone überschritten, weil die gefahrene Geschwindigkeit trotz der nassen Straßenverhältnisse und des regen Fußgängerverkehrs ca 30 km/h betrug."

Die übertretene Verwaltungsvorschrift lautet: § 99 Abs 2 lit c in Verbindung mit § 76a Abs 6 zweiter Satz zweiter Fall StVO 1960. Der Berufung wird hinsichtlich der Strafhöhe insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf S 700,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herabgesetzt wird.

Dementsprechend verringert sich der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG auf S 70,--. Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

1. Der gegenständlichen Berufung liegt folgendes erstinstanzliche Verfahren zugrunde:

Die Bundespolizeidirektion Wien erließ gegenüber dem Berufungswerber ein Straferkenntnis vom 30.3.1994 mit dem Spruch:

"Sie haben am 21.10.1993 um 9.45 Uhr in Wien, M-Straße zwischen S-gasse und Z-gasse, Richtung P-gasse als Lenker des PKW AM-2 mit besonderer Rücksichtslosigkeit die Fahrgeschwindigkeit in einer Fußgängerzone überschritten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 99/2 c iVm § 76/1 StVO.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling 1.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Stunden gemäß § 99/2 c StVO. Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG und gemäß § 5 Abs 9 Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO zu zahlen: 100,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich S 200,-- angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 1.100,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges

zu ersetzen (§ 54d VStG)."

Dieser Vorwurf ergab sich auf Grund einer am Tag der Tat abgefaßten Anzeige eines Sicherheitswachebeamten, wonach der Angezeigte eine Fahrgeschwindigkeit von mindestens 30 km/h gehabt habe, was auf Grund

der Vorbeifahrt auf einer Wegstrecke von ca 70 m geschätzt worden sei; durch die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung und auf Grund der nassen Straßenverhältnisse sei der rege Fußgängerverkehr gefährdet worden.

Nach Erlassung einer Strafverfügung wurde in dem fristgerechten Einspruch vorgebracht, der Berufungswerber habe am angegebenen Tag die Fußgängerzone befahren, dabei jedoch größte Rücksicht walten lassen.

Hierauf bekräftigte der Meldungsleger in einem Bericht seine Anzeigeangaben.

Der Beschuldigte gab bei seiner Vernehmung am 2.3.1994 an, er habe keine Eile gehabt und sich den Verkehrsverhältnissen in der Fußgängerzone angepaßt, wobei er nicht schneller oder langsamer als die anderen Fahrzeuglenker gefahren sei; der Polizeibeamte habe seine

Fahrgeschwindigkeit auf einer Fahrtstrecke von nur 70 m geschätzt, laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei für eine vorschriftsmäßige Geschwindigkeitsschätzung jedoch ein Streckenabschnitt von mindestens 100 m erforderlich. Nach Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses wurde in einer fristgerechten Berufung die Verwaltungsübertretung bestritten.

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 76a Abs 6 zweiter Satz zweiter Fall StVO 1960 dürfen die Lenker von Fahrzeugen in einer Fußgängerzone nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren.

Nach § 99 Abs 2 lit c dieses Gesetzes begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, zB beim Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes

oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, insbesondere Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei welcher der Berufungswerber folgendes aussagte:

"Ich kann mich an den konkreten Tatzeitpunkt heute nicht mehr erinnern, bin mir jedoch sicher, daß ich noch nie in einer Fußgängerzone mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren bin, sondern mit Schrittgeschwindigkeit, dh ca 4-10 km/h.

Beim Einfahren in die Fußgängerzone auf Höhe der S-gasse kann ich schon aus dem Grund nicht mit 30 km/h gefahren sein, weil man an dieser Stelle über eine Fahrbahnschwelle fahren muß. Weiters beträgt die von ONr 68 einsehbare Strecke lediglich ca 35 bis 40 m. Vor der für den Fahrzeugverkehr bestimmten Einfahrt in die Fußgängerzone kann man nur über Hauszufahrten in die Fußgängerzone gelangen."

Der Meldungsleger machte bei seiner Zeugenaussage folgende Angaben:

"Bei der Einfahrt in die Fußgängerzone M-Straße befindet sich derzeit

eine Abschrägung für den Fahrzeugverkehr, sodaß man meiner Ansicht nach auch mit 30 km/h einfahren kann.

Man kann an der angeführten Stelle eine Wegstrecke von ca 70 m einsehen.

Ich bin seit 1986 im Straßenaufsichtsdienst tätig, seit 1987 im Wachzimmer T-gasse.

Die erlaubte Geschwindigkeit in einer Fußgängerzone beträgt ca 4-6 km/h. Wieviele ähnliche Übertretungen es in dieser Fußgängerzone gibt, kann ich nicht angeben.

Über Befragen des Berufungswerbers:

Ob mein Standort am linken Rand der Fahrbahn oder in der Mitte der M-Straße war, kann ich nicht mehr angeben.

Bei meinen Anzeigen ist eine derartige Übertretung eher ein Einzelfall.

Ob man auch neben der genannten Einfahrt in die Fußgängerzone gelangen kann, hängt davon ab, ob die M-Straße in diesem Bereich verparkt ist.

Ob ich die Geschwindigkeitsschätzung des Fahrzeuges im Vorbeifahren oder im Wegfahren vorgenommen habe, weiß ich nicht mehr, weil ich mich an den Vorfall nicht mehr erinnern kann. Eine Geschwindigkeitsschätzung ist aber nur im Vorbeifahren möglich."

Bei einem hierauf durchgeführten Lokalaugenschein wurde festgestellt,

daß die Angaben in der Anzeige, insbesondere über die eingesehene Wegstrecke von 70 m, plausibel sind.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nimmt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den im Spruch umschriebenen Sachverhalt als erwiesen an.

Bei der Beweiswürdigung waren folgende Erwägungen maßgebend:

Die beiden in der Verhandlung vernommenen Personen konnten sich an den konkreten Vorfall nicht mehr erinnern. Daher stützte sich der Unabhängige Verwaltungssenat Wien bei seiner Entscheidung auf die Anzeige, zumal diese nicht etwa unplausibel ist und noch am selben Tag abgefaßt wurde. Weiters war im konkreten Fall kein Grund ersichtlich, warum der Sicherheitswachebeamte den Berufungswerber fälschlich belasten sollte.

Zur Frage der Zuverlässigkeit einer Geschwindigkeitsschätzung vertritt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die Auffassung, daß eine allgemein gültige Mindestlänge der dafür erforderlichen beobachteten Wegstrecke, zB 100 m, nicht angegeben werden kann. Vielmehr ist diese für eine zuverlässige Schätzung notwendige Wegstrecke ganz entscheidend von der Fahrgeschwindigkeit des Angezeigten abhängig, weiters von den konkreten Umständen der Beobachtung, etwa von den Beleuchtungsverhältnissen und von der Verkehrsdichte.

Im vorliegenden Fall war Schrittgeschwindigkeit, dh ca 5 km/h, vorgeschrieben, während die geschätzte Fahrgeschwindigkeit ca 30 km/h, dh ca das Sechsfache, betrug. Eine derart deutliche Überschreitung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit kann von einem Sicherheitswachebeamten auch auf einer Strecke von ca 70 m zuverlässig geschätzt werden, zumal der Meldungsleger verhältnismäßig

nahe zum Tatfahrzeug stand.

Da zum Tatbestand der übertretenen Verwaltungsvorschrift der Eintritt

eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und diese Bestimmung über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts normiert, kann der Täter zufolge § 5 Abs 1 VStG nur dann straflos bleiben, wenn

er glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung dieser Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Diese Glaubhaftmachung

ist im gegenständlichen Fall nicht gelungen, weil weder vorgebracht wurde noch hervorgekommen ist, daß die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Daher ist die dem Berufungswerber zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient

und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach

sich

gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40-46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Die Tat schädigte in bedeutendem Ausmaß das Interesse an der Verkehrssicherheit.

Mildernd war die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zu werten.

Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, weil weder hervorgekommen noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen ist, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Weiters waren bei der Strafbemessung die überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie die Sorgepflicht für vier

Kinder zu berücksichtigen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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