TE UVS Wien 1995/09/07 08/28/1457/94

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Veröffentlicht am 07.09.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Zotter über die Berufung des Herrn Gerhardt P vom 22.11.1994 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 27.9.1994, Zl MA 4/5-PA-194047/4/0, wegen Übertretung des § 1 Abs 3 iVm § 4 Abs 1 des Parkometergesetzes, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 100,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Begründung:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:

"Sie haben das mehrspurige Kraftfahrzeug Marke Volvo mit dem behördlichen Kennzeichen TA-8 am 21.6.1994 um 11.28 Uhr in Wien, B-gasse in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültig entwerteten Parkschein gesorgt zu haben, da der Parkschein fehlte. Demnach haben Sie die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 1 Abs 3 in Verbindung mit § 4 Abs 1 Parkometergesetz, LGBl für

Wien

Nr 47/1974, in der geltenden Fassung.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe

verhängt:

Geldstrafe von S 500,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden gemäß § 4 Abs 1 Parkometergesetz

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, in der geltenden Fassung, zu zahlen:

S 50,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 550,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

In der dagegen erhobenen Berufung wird der im Strafverfahren festgestellte Sachverhalt nicht bestritten. Bekämpft wird die Ansicht, daß die Kennzeichnung eines umfangreichen Gebietes als Kurzparkzone durch Verkehrsschilder an den Einfahrtsstraßen ausreichend sei und weiters, daß die Feststellung, daß bei Anwendung der für einen Fahrzeuglenker im Straßenverkehr nötigen Aufmerksamkeit

der Bestand der Kurzparkzone erkannt hätte werden müssen. Diese Auffassung trage weder den Gegebenheiten des Verkehrs noch den Anforderungen des Rechtsstaates Rechnung. Es liege in der Natur der Sache, daß Hinweise auf Parkverbote von einem Fahrzeuglenker im Fließverkehr nur dann beachtet und defacto wahrgenommen würden, wenn er einen Parkplatz suche. Dies gelte noch mehr für Zusatzschilder, die eine erhöhte Aufmerksamkeit erforderten. Die Rechtsmeinung der erstinstanzlichen Behörde verlange hingegen, daß ein Fahrzeuglenker sämtliche von ihm passierten Parkverbote mit Zusatztafeln registriere

und im Langzeitgedächtnis speichere, damit er lange Zeit und viele Kilometer später, vielleicht nach ein oder mehrmaligem Parken in einer Garage oder auf einem Parkplatz erkennen könne, daß er sich in einem Gebiet befinde, das an seinen Einfahrtsstraßen als Kurzparkzone

gekennzeichnet sei. Eine solche Form der Kundmachung mag bei formaler

Betrachtung als erfolgt gelten, könne aber den Normadressaten auch bei Anwendung der im Straßenverkehr nötigen Aufmerksamkeit nicht erreichen, weil diese während der Teilnahme am Fließverkehr und ohne Parkabsicht auf derartige Verbote nicht gerichtet sein könne und weil

die geforderte Speicherfähigkeit die Kapazität des menschlichen Gehirns sicher überfordere. Die dahinterstehende Rechtsmeinung sei daher auch mit den Erfordernissen des Rechtsstaates nicht in Einklang

zu bringen. Einer formal kundgemachten Norm, deren Inhalt zu erforschen qualifizierte juristische Befähigung, profunde verfassungsrechtliche Kenntnisse und einen geradezu archivarischen Fleiß erfordere, habe der Verfassungsgerichtshof mit Recht den Normcharakter abgesprochen. Gleiches müßte für eine Norm gelten, deren Kenntnisnahme eine, mit den Erfordernissen des Fließverkehrs nicht vereinbare und die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns kraß überfordernde Aufmerksamkeit erfordere, damit sie zur Kenntnis genommen werden könne. Die erstinstanzliche Behörde habe diese Einwände nicht zur Kenntnis genommen und sich auf zwei Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes berufen, die vielleicht im Einzelfall gerechtfertigt gewesen wären. Deren extensive Auslegung bei der weitflächigen Kennzeichnung von Kurzparkzonen sei aber mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen gewiß nicht vereinbar. Die Berufung erfolge ausschließlich zur Durchsetzung rechtsstaatlicher Grundsätze.

Es wird beantragt, das angefochtene Straferkenntnis sowohl bezüglich der Strafe wie auch bezüglich der Verfahrenskosten aufzuheben. Die Berufung läßt den im angefochtenen Straferkenntnis erhobenen Tatvorwurf zur Gänze unbestritten. Sie wendet sich einerseits gegen die ordnungsgemäße Kundmachung der Gebietsverordnung für den 1. Wiener Gemeindebezirk sowie gegen ein die Strafbarkeit begründendes Verschulden des Berufungswerbers, da die eingerichtete Kurzparkzone auch bei Anwendung der für einen Fahrzeuglenker im Straßenverkehr nötigen Aufmerksamkeit nicht erkannt hätte werden können.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 25 Abs 1 StVO kann die Behörde durch Verordnung für bestimmte

Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes das Parken zeitlich beschränken (Kurzparkzone), wenn und insoweit es zu bestimmten Zeiten aus ortsbedingten Gründen (auch im Interesse der Wohnbevölkerung) oder zur Erleichterung der Verkehrslage erforderlich ist.

Gemäß § 25 Abs 2 leg cit sind Verordnungen nach Abs 1 durch Zeichen nach § 52 Z 13d und 13e kundzumachen; § 44 Abs 1 gilt hiefür sinngemäß. Zusätzlich können Kurzparkzonen mit Bodenmarkierungen in blauer Farbe auf der Fahrbahn oder auf dem Randstein sowie mit blauen

Markierungsstreifen an den im Bereich einer Kurzparkzone vorhandenen Anbringungsvorrichtungen für Straßenverkehrszeichen, Beleuchtungsmasten oder dergleichen gekennzeichnet werden. Gemäß § 44 Abs 1 leg cit sind derartige Verordnungen, sofern sich aus

den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen und treten mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk festzuhalten. Parteien im Sinne des § 8 AVG ist

die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten.

Zu § 25 Abs 1 StVO stellen Benes-Messina in ihrem Kommentar zur Straßenverkehrsordnung unter Anmerkung 1 (Seite 452) fest, daß für den Fall, daß eine solche Verordnung für ein ganzes Gebiet erlassen wird, die Beschilderung der umgrenzenden Straßen genügt. Unter Bezugnahme auf RV82/1 heißt es weiter: "Für die Kundmachung einer Kurzparkzonenverordnung ist wie bisher die Anbringung der betreffenden Straßenverkehrszeichen vorgesehen; diese Anbringung der Straßenverkehrszeichen ist allein für die gehörige Kundmachung maßgebend" (Seite 454).

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.6.1963, B5/63, Slg 4493 festgestellt, daß sich § 25 Abs 1 nicht nur auf Straßen oder

Straßenstellen sondern auch auf ganze Gebiete bezieht (siehe auch VwGH vom 25.6.1964, 6/63, KJ1964, 75). Der Gesetzgeber geht sohin davon aus, daß die Kundmachung von Verordnungen, die sich auf Straßen

innerhalb eines bestimmten Gebietes beziehen durch die entsprechenden

Verkehrszeichen zu erfolgen hat und dadurch eine gehörige

Kundmachung

erfolgt.

Was die verfahrensgegenständliche Kurzparkzonenverordnung im 1. Wiener Gemeindebezirk anlangt, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem jüngsten Erkenntnis vom 10. März 1995, B291/94-9 ua festgestellt, daß diese Kurzparkzonenverordnung gehörig kundgemacht wurde, indem gemäß § 25 Abs 2 in Verbindung mit § 44 Abs 1 StVO 1960 die den Beginn und das Ende einer Kurzparkzone anzeigenden Vorschriftszeichen gemäß § 52 Z 13d und 13e StVO 1960 bei jeder Einfahrt bzw jeder Ausfahrt in die bzw aus der Kurzparkzone des 1. Bezirkes angebracht wurden. Der erkennende Senat schließt sich sohin den Bedenken des Berufungswerbers, daß die verfahrensgegenständliche Kurzparkzonenverordnung nicht ordnungsgemäß kundgemacht sei, nicht an.

Eine durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Verordnung ist für den

Normunterworfenen nach Maßgabe ihres Inhaltes so lange rechtswirksam,

bis sie aufgehoben ist. Einem Fahrzeuglenker bleibt es nicht überlassen, zu beurteilen, für welche Sachlage er ein Verbot nicht einzuhalten braucht (VwGH 26.11.1970, 1175/70, ZVR 1971/172). Zu den Aufgaben des KFZ-Lenkers gehört auch die Sorgfalt der Beachtung der Verkehrszeichen (OGH vom 18.6.1975, 8OB135/75, ZVR 1976, 45). Das Übersehen eines nach der StVO vorschriftsmäßig angebrachten Vorschriftszeichens durch den Lenker eines KFZ stellt zweifellos ein fahrlässiges Verhalten dar (VwGH 27.4.1979, 962/79). Der erkennende Senat ist nicht der Ansicht, daß dem Berufungswerber ein Schuldausschließungsgrund deswegen zuzubilligen ist, weil die ordnungsgemäß kundgemachte Kurzparkzone aus den von ihm angeführten Gründen angeblich nicht erkennbar sei. Denn es ist dem Berufungswerber als Fahrlässigkeit vorwerfbar, daß er, obwohl er bei Einfahrt in die Kurzparkzone das Verkehrszeichen Kurzparkzone-Anfang passiert hat, beim Abstellen des Fahrzeuges davon ausgegangen ist, daß sich der Abstellort nicht in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone befindet, zumal er ein das Ende der Kurzparkzone kennzeichnendes Verkehrszeichen in der Zwischenzeit nicht passiert hat.

Was die Geltungsvoraussetzung der Abgabepflicht in einer bestimmten Kurzparkzone anbelangt, ist diese niemals in deren Kennzeichnung durch die auf die Entgeltpflicht hinweisenden Schilder, sondern - im gegenständlichen Fall - in der ordnungsgemäßen Kundmachung der Verordnung des Wiener Gemeinderates vom 28. Februar 1986, mit der für

das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorgeschrieben wird, im Amtsblatt der Stadt Wien Nr 12/1986 gelegen. Insbesondere im Hinblick auf diese bereits in der höchstgerichtlichen Judikatur geklärten Fragen ist festzuhalten, daß die Kenntnis der in dieser Weise publizierten, auf einer im Landesgesetzblatt kundgemachten Abgabenvorschrift beruhenden

normativen Anordnung, einem (im vorliegenden Fall in Wien wohnhaften)

Kraftfahrer zuzumuten ist (vgl hiezu Erkenntnis des VwGH vom 27.5.1993, Zl 83/17/0074, wonach die Kenntnis ordnungsgemäß kundgemachter Abgabenvorschriften des Parkometergesetzes einem Kraftfahrer zuzumuten ist).

Die Verpflichtung zur Entrichtung der Parkometerabgabe nach § 1 Abs 3

des Wiener Parkometergesetzes setzt das Abstellen eines mehrspurigen Fahrzeuges in einer Kurzparkzone voraus. Da im gegenständlichen Fall der Berufungswerber unstrittigerweise das im Spruch des angefochtenen

Straferkenntnisses angeführte mehrspurige Fahrzeug in einer wie dargelegt ordnungsgemäß kundgemachten Kurzparkzone abgestellt hat, war er zur Entrichtung der Parkometerabgabe verpflichtet. Durch die Nichtentrichtung hat er die Abgabe verkürzt, weshalb er sich tatbestandsmäßig und rechtswidrig verhalten hat.

Nach § 4 Abs 1 des Parkometergesetzes genügt zur Strafbarkeit des dort umschriebenen Verhaltens Fahrlässigkeit. Der Begriff der Fahrlässigkeit weist drei Komponenten auf, und zwar die objektive Sorgfaltspflicht, die subjektive Befähigung zur Einhaltung dieser Sorgfaltspflicht und schließlich die Zumutbarkeit der Sorgfaltsanwendung (VwGH 27. Mai 1981, Zl 1256/80). Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber, indem er es unterließ, einen Parkschein ordnungsgemäß zu entwerten, jene Sorgfalt außer acht

gelassen, zu der er nach den diesbezüglichen Verordnungsbestimmungen verpflichtet war.

Der Akteninhalt und insbesondere das Berufungsvorbringen bieten keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Berufungswerber nach seinen persönlichen Verhältnissen im gegenständlichen Zeitpunkt nicht fähig gewesen wäre, die objektiv gebotene Sorgfalt einzuhalten oder den von

ihm verursachten Erfolg vorauszusehen, oder daß ihm rechtmäßiges Verhalten in der konkreten Situation unzumutbar gewesen wäre. Der Berufungswerber hat daher durch die Verletzung der für ihn bestehenden und ihm auch zumutbaren Sorgfaltspflicht, somit fahrlässig, die Abgabe verkürzt.

Eine Herabsetzung der Strafe kam aus folgenden Gründen nicht in Betracht:

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das durch die Strafdrohung geschützte Interesse an der ordnungsgemäßen und fristgerechten Steuerentrichtung, wurde doch die Abgabe im vorliegenden Fall in ihrer gesamten Höhe verkürzt. Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering.

Das Verschulden des Berufungswerbers konnte nicht als geringfügig angesehen werden, weil nicht erkennbar ist, daß die Verwirklichung des Tatbestandes bei gehöriger Aufmerksamkeit nur schwer hätte vermieden werden können.

Aus diesen Gründen erscheint die verhängte Strafe - gemessen an der gesetzlichen Strafobergrenze - selbst unter Bedachtnahme auf die nach

der Aktenlage bestehende verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit nicht zu hoch, zumal weitere Milderungsgründe nicht vorlagen. Erschwerungsgründe waren nicht zu berücksichtigen.

Auch bei Annahme ungünstiger Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse ist die Strafe nicht überhöht. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens

stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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