Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Klaus Stühlinger über die Berufung von Frau Janet K, Wr. Neudorf, geb. am 22.09.1964, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Christian K und Dr. Wolfgang V, aus W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 01.08.1997, GZ.:
15.1 1996/5887, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
Auf Grundlage des der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz in Verbindung mit durch die Berufungsbehörde ergänzend durchgeführten Erhebungen ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher bezeichneten Straferkenntnis vom 01.08.1997 waren über Frau Janet K wegen Übertretung des § 4 Abs 1 der Spielzeugkennzeichnungsverordnung 1994, BGBl. Nr. 1029, auf Rechtsgrundlage des § 74 Abs 5 Z 2 LMG zwei Geldstrafen von jeweils S 300,--, im Uneinbringlichkeitsfall jeweils 10 Stunden Ersatzarrest, verhängt worden, da sie als zur Vertretung nach außen Berufene und somit im Sinne des § 9 VStG strafrechtlich Verantwortliche der Firma BIPA-Parfumeriewaren GesmbH mit dem Hauptsitz in Wr. Neudorf, Industriezentrum 3, Objekt 16, in der Filiale Nr. 613 in L, K-straße 243, am 06.08.1996 die Waren
1.)
Musical T.V. Phone und
2.)
Tomy First Fun Rise`n Shine Rabbit
in Verkehr gebracht hätte, obwohl diese Waren der Spielzeugkennzeichnungsverordnung nicht entsprochen hätten, da die Kennzeichnung in deutscher Sprache, deutlich sicht- und lesbar, gefehlt hätte.
Weiters wurden auf Rechtsgrundlage des § 45 Abs 2 LMG Untersuchungskosten von zweimal S 650,--, somit S 1.300,--, zur Bezahlung vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, welche zunächst damit begründet wird, eine Übertretung der Spielzeugkennzeichnungsverordnung könne nicht gemäß Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes, sondern, wenn überhaupt, wegen Übertretung des Bundesgesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb 1984 (UWG) bestraft werden; im übrigen würde der Sachverhalt bestritten und darauf hingewiesen, daß die Berufungswerberin für die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht verantwortlich sein könnte, da laut der Berufung angeschlossener Bestellungsurkunde vom 03.04.1996 für die Filiale Leoben Herr Alfred M als verantwortlicher Beauftragter bestellt worden wäre; dieser habe dieser Bestellung zugestimmt und, wie sich aus der Bestellungsurkunde ergäbe, die Verantwortung für die Einhaltung aller, diese Filiale in L betreffenden gesetzlichen Bestimmungen übernommen, auch sei er mit den entsprechenden Kompetenzen und Berechtigungen ausgestattet worden. Ergänzende Erhebungen der Berufungsbehörde haben ergeben, daß die BIPA Parfumerien Gesellschaft m.b.H. am Standort L nur über eine einzige weitere Betriebsstätte verfügt, sodaß hinsichtlich des Umfanges der Bestellung des Herrn Alfred M zum verantwortlichen Beauftragten keine Zweifel bestehen.
Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen. Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Weiters sind gemäß § 25 Abs 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.
Der im § 45 Abs 2 AVG genannte Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist in Zusammenhalt mit den bereits erwähnten Grundsätzen der Unmittelbarkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheitsforschung zu sehen. Voraussetzung für eine gesetzmäßige Beweiswürdigung ist ein ausreichend durchgeführtes Ermittlungsverfahren, in welchem die Parteien ihre Rechte geltend machen können. Diese Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde, den Sachverhalt von sich aus festzustellen, begründet als Folgewirkung die Tatsache, daß ein verwaltungsstrafrechtlicher Schuldspruch nur dann erfolgen kann, wenn der in Frage stehende Sachverhalt als absolut sicher festzustellen ist. Voraussetzung dafür wiederum ist eine entsprechende Beweissicherung bzw. die Möglichkeit, eine solche durchzuführen.
Die Spielzeugkennzeichnungsverordnung BGBl. Nr. 1029/1994 wurde aufgrund des § 32 des Bundesgesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) erlassen, beinhaltet verschiedene Verpflichtungen der Kennzeichnung von Spielzeug und sind Verstöße gegen Bestimmungen dieser Verordnung als Übertretungen des UWG zu bestrafen. Die Spielzeugverordnung BGBl. Nr. 823/1994, die auf Rechtsgrundlage des § 29 des Lebensmittelgesetzes 1975 erlassen worden ist, hat nicht nur einen anderen Regelungsinhalt, sondern jenen Zusammenhang mit Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes, von welchem die Erstinstanz offensichtlich ausgegangen ist. Bereits daraus ergibt sich, daß für von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Graz in Rechnung gestellte Untersuchungskosten keine Rechtsgrundlage haben können. Gemäß § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind gemäß § 9 Abs 2 leg. cit. berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Bei einer Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten in diesem Sinn für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens ist es nicht erforderlich, jede einzelne Anordnungsbefugnis anzuführen; wenn zum Beispiel ausgeführt ist, daß der verantwortliche Beauftragte ermächtigt ist, die zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erforderlichen Anordnungen zu treffen, ist damit auch die erforderliche Überwachung der getroffenen Anordnungen umfaßt (VwGH 24.11.1992, 88/08/0286). Ist darüberhinaus, wie im konkreten Fall, in der vor dem Tatzeitpunkt liegenden Bestellungsurkunde angeführt, daß der verantwortliche Beauftragte für die Einhaltung aller, die Filiale betreffenden Verwaltungsvorschriften verantwortlich ist, besteht kein Zweifel daran, daß dieser verantwortliche Beauftragte (Filialleiter) mit der Unterzeichnung auch die Verantwortung für die Einhaltung all dieser Bestimmungen übernommen hat und ihm die entsprechende Anordnungsbefugnis zukommt (VwGH 30.07.1992, 91/19/0239). Dies ergibt für den konkreten Fall, daß durch die rechtswirksame Bestellung des Herrn Alfred M am 03.04.1996 die die Filiale L betreffende verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Unternehmen der Gewerbeinhaberin (BIPA Parfumerien Gesellschaft m. b.H.) auf diesen übergegangen ist und eine solche hinsichtlich der Berufungswerberin, die handelsrechtliche Geschäftsführerin dieses Unternehmens ist, nicht besteht, sodaß im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden war.