TE UVS Wien 1999/01/19 02/P/13/22/98

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.01.1999
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Betreff

Die Ausstellung der amtsärztlichen Bescheinigung, dass die Voraussetzungen zur Unterbringung gemäß § 8 UbG vorliegen, und die nachfolgende Verbringung des Beschwerdeführers in das psychiatrische Krankenhaus wird für rechtswidrig erklärt, da eine amtsärztliche Untersuchung unterblieben ist.

Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Helm über die Beschwerde des Herrn Jörg T, vertreten durch RAe, gemäß § 129a Abs 1 Z 2 B-VG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die unrechtmäßige Ausstellung der Bescheinigung des Amtsarztes, dass die Voraussetzungen der Unterbringung gemäß § 8 UbG vorliegen, und durch die nachfolgende Verbringung des Beschwerdeführers in das psychiatrische Krankenhaus B am 25.2.1998, gegen die Bundespolizeidirektion Wien als belangte Behörde, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 2.10.1998 gemäß § 67c Abs 4 AVG entschieden und die Entscheidung am 9.10.1998 öffentlich verkündet:

Die Maßnahme wird wegen des Unterbleibens einer vorangegangenen, dem § 8 iVm § 3 UbG entsprechenden amtsärztlichen Untersuchung für rechtswidrig erklärt.

Der Bund (BMI) als Rechtsträger der belangten Behörde hat dem Beschwerdeführer binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution S 8.400,-- für Schriftsatzaufwand, S 10.400,-- für den Verhandlungsaufwand und S 180,-- für Stempelgebühren, zusammen somit S 18.980,--, zu leisten.

Text

Begründung:

1. Am 6.4.1998, sohin rechtzeitig, erhob der Einschreiter durch seine rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG, in welcher er wie folgt vorbringt:

"I. Sachverhalt:

1) Der Beschwerdeführer bewohnt mit seinem Vater das Haus S-platz, Wien. Am Morgen des 25.2.1998 suchte er die Toilette in dem von seinem Vater bewohnten Stockwerk auf. Dabei kam es zu einem Streit zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater, woraufhin dieser den Beschwerdeführer mit seiner Waffe bedrohte. In der Folge wurde die Polizei verständigt, die sowohl den Beschwerdeführer als auch dessen Vater festnahm. Im Wachzimmer O wurde der Beschwerdeführer dem Amtsarzt vorgeführt. Aufgrund der vom Amtsarzt ausgestellten Bestätigung über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Unterbringung wurde der Beschwerdeführer ohne ausreichende Untersuchung und Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Unterbringung iSd UbG per Krankentransport in das psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien, B, gebracht.

Beweis:

./A Krankengeschichte des Beschwerdeführers

Beizuschaffendes Polizeiprotokoll

PV

II. Zur Zuständigkeit des UVS:

1) Als Akt unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt kann die Vorführung vor den Arzt und die anschließende Verbringung in eine Anstalt durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit Beschwerde an den UVS gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG bekämpft werden (Kopetzky, Unterbringungsrecht II 540). Nach der Rechtsprechung des VwGH liegt eine Unterbringung im Sinne des UbG nämlich erst vor, wenn eine in eine Anstalt eingelieferte Person durch Anstaltspersonal Einschränkungen in ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen wird (VwGH 28.1.1994, JBl 1994, 770).

Sämtliche Akte vor der Aufnahme in die Anstalt unterliegen daher nicht der Legaldefinition der "Unterbringung" im Sinne des § 2 UbG, weshalb für die Überprüfung dieser Akte keine Zuständigkeit der Außerstreitgerichte gemäß § 18 UbG besteht. Die Unterbringung vorangegangen sicherheitsbehördlicher Maßnahmen fallen somit in die Zuständigkeit der UVS.

2) Um eine Person gegen ihren Willen in eine Anstalt zu verbringen, ist gem § 8 UbG die Bescheinigung eines im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arztes oder eines Polizeiarztes über die Voraussetzungen der Unterbringung notwendig. Diese Bescheinigung hat die Verbringung in eine Anstalt zwingend nach sich zu ziehen. Die Bescheinigung stellt somit nicht etwa ein - der Prüfung durch die Behörde unterliegendes - Gutachten dar, da mit ihrer Ausstellung die Entscheidung über die Einlieferung bereits verbindlich getroffen ist. Voraussetzung für die Einlieferung ist nicht das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen, sondern die Ausstellung der Bescheinigung. Der Arzt entscheidet somit über die Einlieferung in die Anstalt.

3) Da die Bescheinigung des Arztes auch nicht als Bescheid zu qualifizieren ist (dazu Kopetzky, Unterbringungsrecht II 545) besteht eine Rechtschutzmöglichkeit des Betroffenen nur dann, wenn die ärztliche Bescheinigung als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt verstanden wird und so einer rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegt. Wäre eine Überprüfung der ärztlichen Bescheinigung nicht möglich, wäre § 8 UbG verfassungswidrig, da eine andere Rechtschutzmöglichkeit gegen die Verbringung in die Anstalt nicht besteht. Von der rechtlichen Wirkung her verschmilzt somit die Vorführung vor den Amtsarzt mit der Ausstellung der Bescheinigung und die nachfolgende Überbringung in die Anstalt zu einem einheitlichen und insgesamt der Sicherheitsbehörde zuzurechnenden Akt unmittelbarer behördlichen Befehls- und Zwangsgewalt.

III. Beschwerdelegitimation:

1) Der Beschwerdeführer wurde durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

Die Überbringung in die Anstalt erfolgte am 25.2.1998, wo der Beschwerdeführer bis zum 27.2.1998 festgehalten wurde. Die 6-wöchige Beschwerdefrist ist daher gewahrt.

IV. Beschwerdegründe:

1) Art 1 Abs 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit und Art 5 EMRK gewährleisten jedermann das Recht auf persönliche Freiheit. Art 1 Abs 1 PersFrG schützt den einzelnen vor gesetzwidriger Entziehung seiner körperlichen Bewegungsfreiheit. Ein Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit liegt vor, wenn im Zuge einer Amtshandlung unter Anwendung physischen Zwanges persönliche Ortsveränderungen entweder überhaupt unterbunden oder auf bestimmte, auf alle Seiten hin begrenzte Örtlichkeiten oder Gebiete, die nicht verlassen werden dürfen, eingeschränkt werden. Die Verbringung in das psychiatrische Krankenhaus erfolgte gegen den Willen des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer wurde durch die Anwendung von Zwangsmaßnahmen zu einer Ortsveränderung gezwungen und in der Folge dort festgehalten. Durch die Verbringung des Beschwerdeführers in das psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien wurde der Beschwerdeführer daher in seiner persönlichen Freiheit beschränkt.

2) Der Gesetzgeber kann Eingriffe in das Recht auf persönliche Freiheit vorsehen, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist, so gem Art 2 Abs 1 Z 5 PersFrG wenn Grund zur Annahme besteht, dass eine Person wegen einer psychischen Erkrankung sich oder andere gefährdet. Auf dieser Grundlage beruht die Beschränkung des Rechts auf persönliche Freiheit gem § 8f UbG. Gemäß § 9 Abs 1 letzter Satz UbG ist der Betroffene freizulassen, wenn eine Bescheinigung des Amtsarztes nicht ausgestellt wird. Mit dieser Verpflichtung korrespondiert ein entsprechendes subjektives Recht. Die Ausstellung der Bescheinigung ist daher ein in die subjektive Rechtsspähre des Betroffenen eingreifender Akt (mwN Kopetzky, Unterbringungsrecht II 544).

3) In der Bescheinigung gem § 8 UbG sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt diese Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet. Gemäß § 3 UbG liegen die Voraussetzungen vor, wenn eine Person, die an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet, nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ärztlich behandelt oder betreut werden kann.

4) Die Bescheinigung des Amtsarztes setzt ganz konkrete Anhaltspunkte im Verhalten des Betroffenen voraus, aus denen sich der Schluß auf das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen im Sinne des § 3 UbG ergeben muss (Vgl UVS Steiermark 17.6.1996, RdM 1997/7). Anstatt zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 3 UbG tatsächlich gegeben sind, berief sich der Amtsarzt lediglich darauf, dass der Beschwerdeführer auf einer Fahndungsliste stehe und prüfte nicht das Vorliegen konkreter Anhaltspunkt einer Gefährdung. Hätte er diese Prüfung vorgenommen, so hätte er erkennen müssen, dass die Ausstellung der Bestätigung nicht gerechtfertigt war.

5) Dem Beschwerdeführer wurde vom psychiatrischen Krankenhaus B eine Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen diagnostiziert.

§ 3 UbG verlangt, dass es im Zusammenhang mit einer psychischen Krankheit zu einer ernsthaften und erheblichen Gefährdung der eigenen oder fremden Gesundheit bzw des eigenen oder fremden Lebens gekommen ist. Diese Schlußfolgerung war beim Beschwerdeführer keinesfalls gerechtfertigt. Die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung war nie kausal für irgendwelche Gefährdungen, was vom Amtsarzt auch von einem ex-ante Standpunkt hätte erkannt werden müssen. Die logische Folge davon war, dass die Unterbringung zwei Tage später vom Außerstreitgericht für unzulässig erklärt und gemäß § 20 Abs 2 UbG aufgehoben wurde.

6) Schließlich verlangt § 3 UbG eine "ernstliche und erhebliche" Gefährdung. Zwar kam es am 25.2.1998 zu einem Streit zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater, von einer "ernsthaften und erheblichen" Gefährdung der Gesundheit und des Lebens des Vaters konnte dabei jedoch nicht die Rede sein. Auch aus diesem Grund hatte der Amtsarzt die Bestätigung nicht ausstellen dürfen.

7) Die Voraussetzungen für eine Unterbringung gemäß § 8 UbG lagen somit nicht vor. Der Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit des Beschwerdeführers war daher nicht gerechtfertigt."

Der Beschwerdeführer beantragt daher die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und die Feststellung, dass er durch die gegenständliche Unterbringung in seinem Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden sei. Ferner wird Kostenersatz gemäß § 79a AVG beantragt.

Über Aufforderung wurde die in der Beschwerde als Beilage erwähnte Krankengeschichte am 2.9.1998 nachträglich vorgelegt.

2.1. Die Bundespolizeidirektion Wien als belangte Behörde legte am 15.5.1998 auftragsgemäß die Akten des Verwaltungsverfahrens zur Zahl Abg 9-P/98 (Uf 34-0/98) und zur Zahl KR 471/0/98 (Uf 42/0/98, einschließlich Uf 224-0/97, Uf  4-0/98, Uf 2-0/98) vor und erstattete eine Gegenschrift zur AZ: P 1220/a/98. Darin wird ausgeführt:

"I. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (nachfolgend kurz: "BF") war am 7.1.1998 gemäß § 9 Abs 1 UbG in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien gebracht worden (siehe Meldung vom 7.1.1998, AZ: Uf 4-O/98). Ausschlaggebend dafür war eine ernstliche und erhebliche Gefährdung des Lebens bzw der Gesundheit anderer, die ua im Akt AZ: Uf 224-O/97 dokumentiert ist.

Am 8.1.1998 verständigte das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien die belangte Behörde vom Entweichen des Bf. Auf die Wiedereinbringung des Patienten werde Wert gelegt. Es bestehe der Verdacht auf paranoide Schizophrenie, weshalb Fremdgefährdung vorliege (vgl Akt AZ: Uf 34-O/98). Auf Grund dieses Umstandes musste der BF zur Festnahme ausgeschrieben werden. Die Fahndung nach dem BF verlief zunächst erfolglos.

Am 25.2.1998 ersuchte der Vater des BF die Polizei um Intervention, da sein Sohn neuerlich einen Anfall bekommen habe. Um 5.00 Uhr früh habe der BF auf ihn, als er noch im Bett gelegen sei, eingeschlagen. Der Vater habe sich nach einigen Minuten losgerissen und sei davongelaufen.

Die Beamten trafen den BF daraufhin in dessen Zimmer an und stellten durch eine Anfrage fest, dass nach dem BF als entwichenem Geisteskranken gefahndet wurde. Sie veranlaßten in der Folge eine amtsärztliche Untersuchung im Wachzimmer W. Der beigezogene Amtsarzt stellte nach Untersuchung eine ärztliche Bescheinigung gemäß § 8 UbG aus. Der BF wurde um 7.13 Uhr mittels Krankentransports in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien gebracht.

Der Vater des BF wurde nicht festgenommen (vgl zu alldem den Akt Kr 471-O/98).

Beweis: vorgelegter Verwaltungsakt

II. Rechtslage

Der BF erachtet sich durch die behauptetermaßen unrechtmäßige Ausstellung der Bescheinigung gemäß § 8 UbG und durch seine nachfolgende Verbringung in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt  Wien in seinem Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit verletzt.

Gemäß Art 2 Abs 1 Z 5 PersFrG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei oder wegen psychischer Erkrankung sich oder andere gefährde.

Gemäß § 8 UbG darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.

§ 9 Abs 1 UbG zweiter Satz lautet:

"Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffenen Personen in eine Anstalt zu bringen, oder dies zu veranlassen."

Nach Abs 3 dieser Bestimmung haben der Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter möglichster Schonung der betroffenen Person vorzugehen und die notwendigen Vorkehrungen zur Abwehr von Gefahren zu treffen.

Nach § 3 UbG darf in einer Anstalt nur untergebracht werden, wer an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet (Z 1) und nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann (Z 2). Der die Bescheinigung nach § 8 UbG ausstellende Polizeiamtsarzt kam zu dem Ergebnis, dass beim BF die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorlegen. Dies auf Grund der von ihm vorgenommenen Untersuchung des BF, der vom Vater des BF geschilderten Vorkommnisse desselben Tages und des Umstands, dass der BF aus dem Psychiatrischen Krankenhaus entwichen war und infolge des von den behandelnden Ärzten gestellten Ersuchens auf Wiedereinbringung zur Festnahme ausgeschrieben worden war.

Die Richtigkeit der Auffassung des untersuchenden Amtsarztes wird überdies durch die bereits früher gegen den BF geführten Amtshandlungen (Körperverletzungen und Sachbeschädigungen zum Nachteil seines Vaters (vgl die Akten AZ: Uf 224-O/97, Uf 2-O/98 ua) und Überstellung des BF in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien (vgl den Akt AZ: Uf 4-O/98) gestützt.

Die Ausstellung der Bescheinigung gemäß § 8 UbG war daher ebensowenig rechtswidrig wie die Verbringung des BF in das Krankenhaus."

Die Bundespolizeidirektion Wien beantragt daher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

2.2. Der Beschwerdeführer erstattete dazu eine Stellungnahme, in welcher er insbesondere ausführt, dass die Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers keineswegs kausal für irgendwelche Gefährdungen gewesen sei. Der Amtsarzt habe sich im wesentlichen auf eine frühere Einlieferung des Beschwerdeführers berufen.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat hiezu eine öffentliche mündliche Verhandlung für den 2.10.1998 anberaumt, zu der Dr B, MA 15, als psychiatrischer Sachverständiger mit dem Auftrag geladen wurde, bei der Verhandlung ein Gutachten darüber zu erstellen, ob die ärztliche Bescheinigung gemäß § 8 UbG im Einklang mit den Erkenntnissen der psychiatrischen Wissenschaft erfolgt ist. Insbesondere wurde er um Beantwortung der Frage ersucht, ob aufgrund der zum Untersuchungszeitpunkt verfügbaren Tatsachenangaben und der Untersuchungsergebnisse hinsichtlich des Beschwerdeführers sowohl der Verdacht auf Schizophrenie als auch die Befürchtung einer Selbst- oder Fremdgefährdung aus medizinischer Sicht gerechtfertigt war.

Geladen wurden und ladungsgemäß erschienen sind weiters der Beschwerdeführer sowie sein ausgewiesener Vertreter, die Zeugen RvI W und RvI Z sowie der Vater des Beschwerdeführers, Herr Hubert T, und der Polizeiamtsarzt Dr S.

Verlesen wurden die vom Beschwerdeführer beigebrachte Krankengeschichte sowie der Akt betreffend den Vorfall vom 7.1.1998 unter der Zahl KR 471-O/98 (Uf 224-0/97, Uf 4-0/98, Uf 2-0/98), insbesondere die Niederschrift vom 22.10.1997, Aussage von Hubert T, ferner den AV der Ärztin Dr J vom 22.10.1997, ferner die ärztliche Bescheinigung der Dr Hermine O, Bericht vom 4.12.1997, Bezirkspolizeikommissariat O, Bericht vom 19.12.1997, Meldung vom 4.1.1998 Wachzimmer O, Meldung vom 7.1.1998, ärztliche Bescheinigung vom 7.1.1998.

Ferner wird der Polizeiakt betreffend den gegenständlichen Vorfall (Uf 34-0/98 und Uf 42-0/98, letzterer auch KR 471-0/98 zugeordnet) verlesen, beginnend mit dem AV über das Entweichen aus dem Psychiatrischen Krankenhaus vom 8.1.1998, Personenfahndungsblatt, Bericht vom 21.2.1998 Bezirkspolizeikommissariat O, Bericht vom 6.3.1998, Meldung vom 25.2.1998 Wachzimmer K-straße, ärztliche Bescheinigung vom 25.2.1998, Widerruf einer Personenfahndung (FAX vom 3.3.1998).

3.1. Aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der geladenen Zeugen, des Gutachtens des Sachverständigen Dr B sowie aufgrund des verlesenen Akteninhalts wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer hat seit geraumer Zeit wiederkehrende, heftige Auseinandersetzungen mit seinem Vater, in dessen Haus er wohnt, wobei zumindest vom Beschwerdeführer Gewalt oder Drohung mit Gewalt eingesetzt wird. Diese Konflikte stehen im Zusammenhang mit psychopathologischen Auffälligkeiten, welche zumindest in der Persönlichkeit des Sohnes (BF) in Erscheinung treten. Aus Anlaß eines solchen Vorfalles war der Beschwerdeführer bereits am 7.1.1998 gemäß § 9 Abs 1 Unterbringungsgesetz in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien verbracht worden. Am 8.1.1998 verständigte das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien die belangte Behörde vom Entweichen des Beschwerdeführers. Laut Amtsvermerk vom 8.1.1998 wurde seitens des Krankenhauses (Dr C) auf Wiedereinbringung Wert gelegt und bestand Verdacht auf paranoide Schizophrenie sowie dadurch verursachte Fremdgefährdung. Ausdrücklich festgehalten ist in diesem Amtsvermerk, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen Angehaltenen im Sinne des Unterbringungsgesetzes handle, und er bei einer Aufgreifung dem Polizeiamtsarzt vorzuführen sei. Gleiches ergibt sich aus dem Personenfahndungsblatt.

Vor der verfahrensgegenständlichen Unterbringung ereignete sich wiederum eine heftige Auseinandersetzung, bei der der Vater seine Faustfeuerwaffe gegen den Sohn richtete, um sich nach eigener Aussage vor der Zufügung von Verletzungen durch den Beschwerdeführer zu schützen.

Am 25.2.1998 um 5.35 Uhr, wurde die Besatzung des Stkw P/1, RvI Z und RvI W, von der Funkstelle an die Adresse des Beschwerdeführers beordert, wobei als Einsatzgrund angegeben wurde, dass der Sohn den Vater schlage. Beim Eintreffen der Polizeibeamten gab der Vater des Beschwerdeführers, der Zeuge Hubert T, an, er sei um 5.00 Uhr in seinem Bett gelegen, als der Beschwerdeführer plötzlich in sein Zimmer gekommen sei und auf ihn eingeschlagen habe. Er habe sich nach einigen Minuten losreißen können, sei davongelaufen und habe die Polizei verständigt. Beim Eintreffen der Polizeibeamten verhielt sich der Beschwerdeführer nicht aggressiv, sondern legte ein sehr unauffälliges, jedoch nervöses Verhalten an den Tag und gab an, dass ihm sein Vater nur Schwierigkeiten mache. Aufgrund seines Verhaltens konnten die Polizeibeamten keine Anzeichen einer Selbst- oder Gemeingefährdung erkennen. Aufgrund der Angaben des Vaters wurde eine EKIS-Anfrage gemacht, aus der sich ergab, dass nach dem Beschwerdeführer wegen seines Entweichens aus dem Psychiatrischen Krankenhaus Wien gefahndet wurde und dass eine amtsärztliche Untersuchung durchzuführen sei. Es wurde daher bereits über Funk ins Wachzimmer W der Amtsarzt bestellt. Amtsarzt Dr S erschien im Wachzimmer, kurz nachdem die Polizeibeamten mit dem Beschwerdeführer und dessen Vater dort eingetroffen waren. Er ging mit dem Beschwerdeführer in ein Zimmer und fragte ihn, was los sei. Dieser teilte mit, dass ihn sein Vater schon zum wiederholten Male mit der Waffe bedroht habe und dass er das nicht einsehe. Hierauf begab sich der Amtsarzt in das Nebenzimmer zum Vater des Beschwerdeführers und wechselte mit diesem einige Worte. Dabei ersuchte dieser den Amtsarzt, mit seiner geschiedenen Frau zu telefonieren, damit er von dritter Seite ein Bild über die Vorgänge zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater erhalte. Dr S hielt kurz Rücksprache mit der Mutter des Beschwerdeführers, wobei er lediglich in Erfahrung brachte, dass der Beschwerdeführer von der Psychiatrie weggelaufen sei. Nach diesem kurzen Gespräch kehrte der Amtsarzt zum Beschwerdeführer zurück und wünschte ihm lediglich gute Besserung. Der Kontakt zwischen dem Amtsarzt und dem Beschwerdeführer beschränkte sich auf die festgestellten Äußerungen; über den hiefür erforderlichen Zeitbedarf von maximal einer Minute fand keine weitere Untersuchung statt. In seiner Bescheinigung gemäß § 8 Unterbringungsgesetz vermerkte Dr S unter der Rubrik Außenanamnese und Sachverhaltsdarstellung: "In der Früh kam es in der Wohnung zum Streit zwischen Sohn und Vater. Der Vater gibt an, vom Sohn geschlagen worden zu sein. Nach Rücksprache mit der Mutter scheint der Sohn von der Psychiatrie weggelaufen, (handschriftliche Ergänzung:) ist auf der Fahndungsliste." Unter der Rubrik "Gefährdung des Lebens/der Gesundheit anderer" sind alle Punkte angekreuzt, nämlich "unbestimmte Drohungen", "Tätlichkeiten" und "sonstige aktuell andere Personen gefährdende Verhaltensweisen". Unter der Rubrik "vorläufige Diagnose (laut Schema)" ist vermerkt: "susp Schizo?" (Verdacht auf Schizophrenie). Unter der Rubrik "Welche Alternativen zur Unterbringung wurden versucht?" ist nichts vermerkt. In der Spalte "Hinweise auf eine psychische Krankheit bei der Untersuchung", welche sich in die Abschnitte "Störung", "Auffallende Stimmungslage", "Auffallende Affektlage", "Auffälligkeiten", "Sonstiges" und "Auffälligkeiten des körperlichen Zustandes" untergliedert, ist nichts angekreuzt und kein Vermerk angebracht. Insbesondere sind auch keine Auffälligkeiten in der aktuellen Beziehung zum Arzt vermerkt. Letztlich wird durch Ankreuzen im Formular bescheinigt, dass eine ärztliche Untersuchung gemäß § 8 UbG durchgeführt wurde und dass die Voraussetzungen zur Unterbringung vorliegen.

Aufgrund dieser Bescheinigung und der von Dr S angeordneten Einweisung in das Psychiatrische Krankenhaus B wurde von RvI W der Krankentransport verständigt. Die Krankentransporteure überprüften die Bescheinigung und verbrachten den Beschwerdeführer sodann ins Psychiatrische Krankenhaus.

Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die unbedenkliche Anzeige vom 25.2.1998 sowie die glaubwürdige und nachvollziehbare Darstellung der beiden als Zeugen vernommenen Polizeibeamten. Lediglich die Angabe dieser Zeugen, sie hätten sich um die Dauer der Untersuchung nicht gekümmert oder könnten sich daran nicht mehr erinnern, konnte, wenngleich nicht unplausibel, nicht restlos überzeugen. Zumindest entstand der Eindruck, die beiden Zeugen würden keine besondere Anstrengung unternehmen, sich die tatsächliche Untersuchungsdauer ins Gedächtnis zu rufen; dies könnte aber auch auf eine generelle Haltung der beiden Zeugen zurückzuführen sein, dass sie Dinge, die nicht in ihren Kompetenzbereich fallen, auch nichts angehen.

Was den Inhalt der Auseinandersetzungen zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Vater anbelangt, so können eindeutige Feststellungen nicht getroffen werden, zumal es für Außenstehende kaum zu beurteilen ist, bei welchen der vorgetragenen Motive und Konfliktthemen es sich um tatsächliche Konfliktursachen oder um bloße Rationalisierungen handelt. Obwohl der Vater des Beschwerdeführers in seiner Beziehung zu letzterem zweifellos Teil jenes Problemkomplexes ist, der sich in der psychischen Erkrankung seines Sohnes manifestiert, erschienen dem erkennenden Senat nur jene Angaben zweifelhaft, die sich auf die Gründe und den Verlauf der Auseinandersetzungen mit seinem Sohn bezogen. Hingegen waren sowohl seine sonstigen Angaben, soweit sie sich auf die Vorgänge nach dem Eintreffen der Polizei bezogen, als auch seine Wiedergabe von ärztlichen Aussagen über den Zustand seines Sohnes vor dem Vorfall durchaus glaubhaft. Für den Beschwerdeführer selbst gilt im wesentlichen dasselbe. Soweit sich seine Aussagen auf sein Verhältnis zum Vater beziehen, sind sie mit äußerster Vorsicht zu behandeln. Im übrigen aber war seiner überlegten und folgerichtigen Darstellung durchaus Glauben zu schenken. Anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer während der gesamten Verhandlungsdauer durchaus ruhig und besonnen wirkte, so wie er auch auf die beiden einschreitenden Polizeibeamten, die ihn als unauffällig beschrieben, offensichtlich gewirkt hatte. Lediglich bei der Einvernahme seines Vaters als Zeugen waren ihm Emotionen anzumerken, die aber angesichts des Vorgefallenen absolut normal wirkten und sich im normalen Rahmen hielten. Andererseits steht aber auch aufgrund der vorangegangenen, aktenkundigen Vorfälle fest, dass der Beschwerdeführer wiederholt durch Drohungen und Aggressionen gegenüber seinen Vater auffällig geworden ist und wegen einer diagnostizierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen (paranoide Schizophrenie) bereits behandelt und am 7.1.1998 in Zusammenhang mit Fremdgefährdung zwangsweise untergebracht wurde. Er wurde in der Folge jedoch nicht im Sinne des Unterbringungsgesetzes angehalten. Auch nach dem verfahrensgegenständlichen Vorfall wurde am 27.2.1998 laut Krankengeschichte die Unterbringung von der Gerichtskommission für unzulässig erklärt. Es könnte sich bei ihm somit um einen jener nicht seltenen Psychiatriepatienten handeln, die nach Auffälligkeiten eine Medikation erhalten und sich danach wieder unter Kontrolle haben, sodass der Grund für ihre weitere Anhaltung fortfällt, die aber nach ihrer Entlassung die weitere ärztliche Betreuung verweigern, die Medikation unterlassen und sohin wieder rückfällig werden. Jedenfalls waren bei seiner Vernehmung keinerlei Anzeichen fehlenden Realitätsbezuges oder auffallende Abweichungen im sozialen Verhalten erkennbar.

Der Polizeiamtsarzt Dr S konnte nicht glaubhaft darstellen, dass er den Beschwerdeführer länger als die von diesem angegebenen 15 Sekunden untersucht habe. Zum einen konnte oder wollte er sich an den gegenständlichen Fall nicht mehr erinnern, was jedenfalls gegen eine länger dauernde Untersuchung spricht. Zum anderen ist in seiner Aussage von Fällen die Rede, "wo die Notwendigkeit zur Unterbringung gleich klar ist", dazu zählen unter anderem Drohungen gegen andere Personen. In derartigen Fällen stelle er die psychische Erkrankung als Ursache für dieses Verhalten anhand der Vorgeschichte fest. Er nimmt weiters an, dass er die im Vordruck angekreuzten Umstände, aus denen er auf Gefährdung des Lebens und der Gesundheit anderer geschlossen habe, dem zuvor erhobenen Sachverhalt entnommen habe. Ferner nimmt der Zeuge an, dass er im gegenständlichen Fall eine ausführliche Untersuchung nicht für notwendig erachtet habe, weil er schon aufgrund der Abgängigkeitsmeldung, des Verdachts auf paranoide Schizophrenie und des gegenständlichen Vorfalles, aufgrund dessen die Amtshandlung stattgefunden hatte, vom Vorliegen eines Schubes in der Erkrankung, der Fremdgefährlichkeit und der Behandlungsbedürftigkeit des Beschwerdeführers ausgehen habe müssen. Soweit der Zeuge Dr S angibt, es komme nicht vor, dass er mit einem Probanden, der grundsätzlich gesprächsfähig sei, überhaupt nicht spreche, und die Aussage des Beschwerdeführers, wonach er nur 15 Sekunden mit ihm gesprochen habe, könne nur im Falle völlig fehlender Gesprächsbereitschaft zutreffen, ist dies aus mehreren Gründen nicht glaubwürdig und nur aus dem Wunsch des Zeugen heraus verständlich, um das Eingeständnis eines von ihm begangenen Fehlers herumzukommen.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Amtsarzt unter der Rubrik "Auffälligkeiten in der aktuellen Beziehung zum Arzt" keinerlei Eintragungen vorgenommen hat, obwohl er selbst zumindest nicht in Abrede stellt, dass bei Gesprächsverweigerung eine derartige Eintragung vorzunehmen wäre, was durch das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen auch eindeutig bestätigt wurde. Zusätzlich legt der Umstand, dass in der Rubrik betreffend Gefährdung des Lebens/der Gesundheit anderer in der ärztlichen Bescheinigung die Zeile "sonstige aktuell andere Personen gefährdende Verhaltensweisen" ebenfalls angekreuzt war, ohne dass andere Verhaltensweisen als Drohungen und Tätlichkeiten aus der Anzeige abgeleitet werden könnten und ohne dass das Ankreuzen dieses Kästchens vom Amtsarzt befriedigend erklärt werden konnte, den Schluß auf eine äußerst nachlässige Vorgangsweise nahe. Der Umstand, dass bei der vorläufigen Diagnose nur der dem Amtsarzt im vorhinein bekanntgegebene Verdacht auf Schizophrenie mit Fragezeichen vermerkt war und sich in der Spalte "Hinweise auf eine psychische Krankheit bei der Untersuchung" überhaupt kein Vermerk findet und keine der vorhandenen Fallmöglichkeiten angekreuzt wurde, führt in Verbindung mit den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen über die Unwahrscheinlichkeit einer Gesprächsverweigerung durch den Beschwerdeführer beim gegenständlichen Vorfall zu dem Schluß, dass eine medizinische Untersuchung, die diesen Namen verdient hätte, nicht vorgenommen wurde. Dieser Schluß ist unbeschadet der dem Sachverständigengutachten zu entnehmenden Tatsache zu ziehen, dass auch ohne Untersuchung aufgrund der bereits vorliegenden Informationen für den Amtsarzt ausreichend schlüssige und deutliche Hinweise für das Vorliegen einer psychischen Erkrankung und resultierenden Fremdgefährdung vorlagen. Der zuständige Polizeiamtsarzt war, wie sich seiner Aussage entnehmen läßt, offenbar ebenfalls dieser Meinung und zog daraus den Schluß, eine Unterbringung könne aus medizinischer Sicht auch ohne regelrechte Untersuchung verantwortet werden.

Rechtliche Beurteilung:

Die Unterbringung des Beschwerdeführers ohne vorangegangene Untersuchung und nur aufgrund der vorliegenden Informationen mag - dies scheint auch das Sachverständigengutachten nahezulegen - aus medizinischer Sicht verantwortbar gewesen sein; aus rechtlicher Sicht ist sie dies nicht. Gemäß § 8 Unterbringungsgesetz darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet. Die materiellen Unterbringungsvoraussetzungen, die den Gegenstand der Bescheinigung zu bilden haben, ergeben sich aus § 3 Unterbringungsgesetz. Unbeschadet des Vorliegens dieser materiellen Voraussetzungen hatte der Beschwerdeführer auch Anspruch darauf, dass seine Unterbringung nur nach Erfüllung der im § 8 genannten formellen Voraussetzungen durchgeführt wird. Bei diesen Formalvoraussetzungen handelt es sich um die nach § 8 vorzunehmende ärztliche Untersuchung und die Bescheinigung, dass die im § 3 genannten materiellen Voraussetzungen vorliegen. Bei Fehlen einer dieser Voraussetzungen war die Unterbringung gegen den Willen des Beschwerdeführers rechtswidrig.

Nach VwGH 19.11.1986, VwSlg NF 12.302A kann von einer Untersuchung nicht gesprochen werden, wenn auf eine an sich mögliche Exploration (Befragung) des Patienten aus welchen Gründen immer verzichtet wird. Von diesem Verständnis des Begriffes "Untersuchung", welches sich auf den früheren § 49 Abs 4 Krankenanstaltengesetz bezog, ist auch im § 8 Unterbringungsgesetz auszugehen. Die Ausstellung einer Bescheinigung ist ferner rechtswidrig, wenn die erforderliche Untersuchung nicht stattgefunden hat.

Zur Rechtsnatur der Bescheinigung gemäß § 8 UbG ist anzuführen, dass es sich hiebei offensichtlich um keinen Bescheid handelt. Es handelt sich dabei aber auch um kein Gutachten, zumal diese Bescheinigung von der Behörde nicht innerhalb eines Ermessensspielraums zu bewerten ist, sondern die behördliche Entscheidung vorwegnimmt. Da aufgrund der Rechtswirkung dieser Bescheinigung ihre Einstufung als bloße "Formalvoraussetzung" einer Umgehung des verfassungsgesetzlich vorgesehenen Rechtsschutzsystems gleichkäme, indem diese Konstruktion bewirkte, dass der eigentliche Entscheidungsakt jeglicher Kontrolle entzogen wäre, scheidet eine derartige Betrachtungsweise als mit dem rechtsstaatlichen Prinzip nicht vereinbar aus. Vielmehr liegt ein Akt unmittelbarer Befehlsgewalt vor, der den nachfolgenden behördlichen Zwangsakt notwendig nach sich zieht und mit ihm eine Einheit bildet. Dieser Akt ist daher gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG einer Überprüfung durch die unabhängigen Verwaltungssenate zugänglich.

Im Gegenstand hat das Verfahren ergeben, dass die Ausstellung der Bescheinigung wegen des Unterbleibens der vorgeschriebenen amtsärztlichen Untersuchung rechtswidrig war, wodurch die nachfolgende Verbringung in die Anstalt ebenfalls mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 79a AVG iVm der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl Nr 855/1995.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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