TE UVS Tirol 2002/10/14 2001/12/127-12

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Veröffentlicht am 14.10.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Siegfried Denk über die Beschwerde des Herrn M. B., XY, vertreten durch Mag. M. K., Rechtsanwalt in XY, über die Beschwerde gemäß Art 129 Abs 1 Z 2 B-VG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Bundespolizeidirektion Innsbruck wie folgt:

 

I.

 

Gemäß § 67c Abs 3 AVG iVm Art 129 Abs 1 Z 2 B-VG wird dem Antrag des Beschwerdeführers auf Fällung folgenden Erkenntnisses: ?Der Beschwerdeführer ist durch seine Festnahme am 29.09.2001 durch Organe der Bundespolizeidirektion Innsbruck in Innsbruck, Fussballstadion XY, und seine nachfolgende Anhaltung bis 23:45 Uhr in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit bzw in seinem Recht keiner unmenschlichen oder niedrigen Behandlung unterworfen zu werden bzw in seinem Recht nicht entgegen der einschlägigen Bestimmungen festgenommen und angehalten zu werden, verletzt worden. Diese Festnahme bzw Anhaltung war rechtswidrig?, insoferne stattgegeben, als festgestellt wird, dass diese Festnahme und Anhaltung bis 23.00 Uhr rechtswidrig war. Im Übrigen wird der Antrag als unbegründet abgewiesen.

 

II.

 

Gemäß § 79a AVG iVm der Aufwandersatzverordnung des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol, BGBl II Nr 499/2001, wird dem Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz im folgenden Umfang stattgegeben:

 

Schriftsatzaufwand: Euro 610,00

Verhandlungsaufwand: Euro 755,00

Stempelmarkenaufwand: Euro 13,08

zusammen: Euro 1.378,08

 

Die belangte Behörde (Bundespolizeidirektion Innsbruck) hat den Geldbetrag von Euro 1.378,08 an den Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsanwaltes innerhalb einer Frist von 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

III.

 

Der Antrag der belangten Behörde (Bundespolizeidirektion Innsbruck), ihr Aufwandersatz zu Leisten, wird als unbegründet abgewiesen.

Text

Der Beschwerdeführer brachte die Beschwerde vom 9.11.2001, welche am 12.11.2001 beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol eingelangt ist, ein und führte darin folgendes aus:

 

?Durch den ausgewiesenen Vertreter wird gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt innerhalb offener Frist Beschwerde gemäß Art 129a, Abs 1, Z 2 B-VG an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Tirol wegen Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten und einfach gesetzlichen Rechten erhoben.

 

1. Sachverhaltsdarstellung

 

Der Beschwerdeführer besuchte am 29.09.2001 das Fußballspiel zwischen dem FC Tirol Innsbruck und dem SV Wüstenrot Salzburg im ?Tivoli Neu? in Innsbruck.

 

In der Halbzeitpause hat er sich aus der Nordtribüne in den nördlich gelagerten ?Freibereich? begeben, wo sich die Imbissstände, die Abgänge zu den WC?s etc befinden.

 

Als er dann zu seinem Platz zurückkehren wollte, musste er wahrnehmen, dass es offenkundig zu einem Brand gekommen ist, bei dem ? wie sich erst später herausstellte ? WC-Papierrollen in Brand gesetzt wurden und eine entsprechende Rauchentwicklung festgestellt werden musste.

 

Er versuchte sofort unterstützend die Situation gemeinsam mit anderen Fans zu beruhigen.

 

Plötzlich ist dann jedoch der sogenannte Fankontaktbeamte RevInsp. S. zum Beschwerdeführer gekommen und hat ihn beiseite geholt. Er hat dann behauptet, er hätte mit der Brandentwicklung etwas zu tun, er konkret habe die Brandstiftung zu verantworten. Er wurde dann verhaftet und haben insgesamt rund 10 Beamte die Verhaftung durchgeführt, indem sie ihn umringt und abgeführt haben.

 

Auf dem Wachzimmer XY, auf das er dann gemeinsam mit anderen Verhafteten gebracht wurde, wurde vom dort anwesenden diensthabenden Beamten, bei dem es sich offenkundig um Bezirksinspektor E. F. gehandelt haben soll, massiv auf den Beschwerdeführer eingewirkt. Es wurde behauptet, dass es zahlreiche, zum Teil Schwerverletzte gäbe und er die Brandstiftung bzw die daraus resultierenden Verletzungen zu verantworten hätte.

 

Der Beschwerdeführer wurde dann in die Bundespolizeidirektion XY, überbracht. Trotz der Tatsache, dass sein ausgewiesener Vertreter sich zwischenzeitig ebenfalls dort hinbegeben hatte, wurde diesem nicht erlaubt, ein persönliches Gespräch mit dem Beschwerdeführer zu führen.

 

Darüber hinaus wurde die Verhaftung nicht aufgehoben, obwohl keinerlei Verdachtsmomente konkret vorhanden waren, die eine Verhaftung bzw die Aufrechterhaltung gerechtfertigt hätten.

 

Der Beschwerdeführer hat sich gegenüber den diensthabenden Beamten ausgewiesen, sein anwesender Rechtsvertreter hatte ihn identifiziert und war sohin keinerlei Haftgrund mehr gegeben.

 

Darüber hinaus konnten durch andere anwesende Fans Zeugen namhaft gemacht werden, die bestätigten, dass der ausgelöste Brand nicht durch den Beschwerdeführer verursacht worden war, sondern vielmehr durch Umstände, die jedenfalls nicht von den Fans zu verantworten waren. Konkret sei es so gewesen, dass nach dem mit dem Ordnerdienst abgesprochenen Abbrennen von bengalischen Feuern diese bengalischen Feuer, so wie es seit Jahren üblich ist, auf die Asphaltdecke hinter dem unmittelbaren Spielfeld geworfen wurden und dort an sich verglühen hätten sollen. Die dort diensthabenden Ordner haben jedoch teilweise die noch brennenden bengalischen Feuer in jenen Bereich ?gestoßen?, in dem vorher die Papierrollen entsorgt worden waren. Vorauszuschicken ist noch, dass es sich bei den Papierrollen um die Reste einer zwischen den Fangruppen und dem Ordnerdienst des FC Tirol Innsbruck abgesprochene Aktion gehandelt hatte. Es wurden damals ca 2.000 WC-Papierrollen von der Tribüne auf den Bereich hinter das Spielfeld, zum Teil auch auf das Spielfeld geschleudert, wovon sie dann allerdings von den Ordnern wiederum weggeräumt worden waren. Allerdings wurden die Papierrollen in einen holraumartigen Bereich unterhalb der eigentlichen Zuschauertribüne geräumt. Gerade dorthin wurden dann allerdings die noch glühenden restlichen Feuerwerkskörper gestoßen, sodass es zwingend zum Brand kommen musste, der jedoch nicht von den Fans zu verantworten war. Insbesondere hatte der Beschwerdeführer mit diesen Vorgängen überhaupt nichts zu tun.

 

Als Besonderheit ist auch noch anzumerken, dass vorhandene Feuerlöscher offenkundig leer waren bzw nicht in Betrieb gesetzt werden konnten. Auch die herbeigerufenen Kräfte der Feuerwehr Innsbruck waren nicht dazu in der Lage, den an sich ursprünglich nur als Glimmbrand vorhandenen Brandherd zu löschen, da ein eingesetzter Wasserschlauch verbarst bzw nicht in Betrieb gesetzt werden konnte.

 

Durch diese Vorgänge kam es dann erst zur Brandentwicklung, sie ist jedenfalls nicht von irgendwelchen Fans, insbesondere aber nicht vom Beschwerdeführer verursacht worden. Dieser hat weder bengalische Feuer abgebrannt, noch befand er sich zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Brandes im Innenbereich der Tribüne.

 

Darüber hinaus wäre es für die einschreitenden Polizeibeamten ein Leichtes gewesen, bei Einvernahme der Zeugen bzw bei Abspielen des offenkundig vorhandenen Videos, das die Geschehnisse auf der Nordtribüne festgehalten haben soll, nachzuprüfen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich irgendwelche Tathandlungen gesetzt hat. Die damals diensthabenden Polizeibeamten in der Bundespolizeidirektion Innsbruck wurden darüber hinaus vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers persönlich davon in Kenntnis gesetzt, dass es Zeugen für obige Schilderungen gibt und insbesondere die Brandursache nicht in einem allfälligen Fehlverhalten der Fans, sondern im ?Hineinstoßen? der noch glühenden Feuerwerkskörper in die Papierrollen-Reste lag. Darüber hinaus wurde auch darauf verwiesen, dass die Zeugen in der Bundespolizeidirektion Innsbruck persönlich anwesend waren und diese zu einer sofortigen Aussage bereit wären. Diese Information erfolgte um ca 20:30 Uhr an den diensthabenden Oberstleutnant Reischl bzw den diensthabenden Beamten Mag. G. Trotz dieser Kenntnisse wurde die Haft über den Beschwerdeführer erst gegen ca 23:45 Uhr wieder aufgehoben.

 

Beweis:

PV,ZV C. A., XY

Akt I-680/01 Bundespolizeidirektion XY

ZV M. M., Adresse wird noch bekannt gegeben,

ZV Mag. M. K., XY

ZV Mag. M. K., Adresse wird noch bekannt gegeben.

 

2. Beschwerdelegitimation

 

Die Verhaftung des Beschwerdeführers erfolgte am 29.09.2001. Die sechswöchige Beschwerdefrist ist daher jedenfalls gewahrt.

 

Die Beschwerdelegitimation ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer durch die Ausübung unmittelbarer polizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

 

3. Beschwerdegründe

 

Die einschreitenden Organe der Bundespolizeidirektion Innsbruck waren zur Verhaftung nicht berechtigt, da keinerlei qualifizierte Gründe für eine allfällige Verhaftung vorlagen. Weder gab es einen konkreten Tatverdacht, noch waren Gründe gegeben, die eine Verhaftung des Beschwerdeführers ansonsten notwendig gemacht hätten.

 

Selbst wenn aber eine Verhaftung ursprünglich gerechtfertigt gewesen wäre, so wäre der Beschwerdeführer spätestens nach Aufnahme seiner Personalien sowie der Tatsache, dass Beweise, die jeglichen Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer eindeutig widerlegen, vorliegen, dieser auf freien Fuss zu setzen gewesen. Jede Anhaltung, die über einen Zeitraum von ca 20:30 Uhr hinausgeht, erfolgte ohne jedwede Rechtsgrundlage und insbesondere auch unter Verletzung des Grundsatzes der Anwendung gelinderer Mittel bei der Erforschung einer allfälligen Straftat.

 

Insgesamt bestand daher keinerlei Legitimation für die einschreitenden Polizeibeamten, den Beschwerdeführer in seiner Freiheit einzuschränken.

 

Darüber hinaus wurde die Verhaftung selbst so durchgeführt, dass sie den Beschwerdeführer in seinem Recht, keiner unmenschlichen und erniedrigen Behandlung unterworfen zu werden, verletzt.

 

Der Beschwerdeführer war freiwillig dazu bereit, mit den Polizeibeamten mitzugehen, ein ?Abführen? durch 10 Polizisten mitten aus dem Stadion war jedenfalls nicht erforderlich. Die Festnahme und Wegbringung des Beschwerdeführers wurde von zahlreichen anwesenden Zuschauern mitverfolgt, darunter befanden sich viele Bekannte und Freunde des Beschwerdeführers, sodass die gesamte ?Aktion? für ihn ganz besonders erniedrigend war.

 

 

Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer durch die Amtshandlung in seinem Recht ohne Vorliegen qualifizierter Gründe nicht festgenommen zu werden bzw angehalten zu werden, verletzt.?

 

Die Bundespolizeidirektion Innsbruck führt in ihrer Gegenschrift vom 11.1.2002 folgendes aus:

 

?Durch gefertigten Behördenleiter wird in Beilage ein Konvolut oa Angelegenheit betreffend samt einer Gegenschrift der Bundespolizeidirektion Innsbruck auftragsgemäß in Vorlage gebracht.

 

Aktenvorgang

 

Am 29.9.2001 fand in Innsbruck das Fussballmeisterschaftspiel Austria Salzburg gegen FC Tirol statt.

Um 16.28 Uhr, kurz vor Beginn der 2. Spielhälfte wurden am Gang, lt Anzeige des Wachzimmer XY, vom nämlichen Tage, auf der untersten Ebene der Zuschauertribüne Nord bengalische Feuer gezündet. Es konnte vorerst nur starker oranger Rauch festgestellt werden, durch die einschreitenden Beamten wurde jedoch in Folge bemerkt, dass zwischen dem Fussballtor und der untersten Ebene ein Brand entstand. Laut Bericht der SWB lagen mindestens 10 bengalische Feuerwerkskörper einerseits und andererseits Dosen, die eine starke Rauchentwicklung verursachten, auf den Boden. Gleichzeitig entzündete sich das auf dem Boden liegende Toilettenpapier, das von den Fans der Nordtribüne in Richtung Spielfeld in der 1. Spielhälfte geworfen wurde. Dadurch entstand ein Glimmbrand, der sich in kürzester Zeit über die gesamte Länge ausbreitete und somit eine noch stärkere Rauchwolke entstehen ließ. Vorerst durch Ordnungskräfte und in weiterer Folge durch Kräfte der Berufsfeuerwehr Innsbruck, die zugezogen wurden, gelang es den Brand zu löschen. Durch die starke Rauchentwicklung musste ein Teil der Tribüne auf der untersten Ebene geräumt werden, die Löschung des Brandes gelang der Berufsfeuerwehr nach ca 20 Minuten. Die Bematen der Sicherheitswache wurden durch 2 Zeugen darauf aufmerksam gemacht, dass aus einer Tasche, die sich im Nahfeldbereich befand, bengalische Feuerwerkskörper zuvor entnommen wurden. Der Sicherheitswachebeamte BezInsp. E. F. begab sich mit dem Fanbetreuer RevInsp. E. T. zu dieser Stelle und konnte dort eine blauschwarze Adidastasche am Boden liegend festgestellt werden. In der Tasche befanden sich 4 bengalische Stäbe, die sichergestellt wurden. Vorerst konnten keine weiteren Zeugen durch die Beamten ausfindig gemacht werden. Gegen 16.50 Uhr kamen die Zeugen S. und P. mit dem Fanbetreuer M. S. zu BezInsp. E. F. und gaben diese an, dass sie 3 Burschen identifizieren könnten. (Es handelt sich dabei um G. geb. M. P. sowie R. B. ? beider Personale im Akt.)

 

R. wurde von BezInsp. F. angehalten und zur Legitimierung aufgefordert, gleichzeitig wurde G. und B. M. vom RevInsp. S. angehalten und zur Legitimierung aufgefordert. B. wurde von den Zeugen P. und S. beschrieben und RevInsp. S. konnte den B. M. ausforschen und zum Zwecke der Gegenüberstellung zu den Zeugen bringen, die ihn eindeutig wiedererkannten. Da die 3 Personen G., B. und R. unmittelbar nach Begehung einer gerichtlichen strafbaren Handlung, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, glaubwürdig von den beiden Zeugen S. und P. beschuldigt wurden, wurden sie am 29.9.2001 um 17.05 Uhr beim Nordausgang für festgenommen erklärt. R. wurde mittels angeforderter Funkstreife P. ins Wachzimmer nach Überprüfung der Identität am Wohnsitz verbracht.

B. und G. wurden von der Funkstreife ebenfalls in das Wachzimmer Pradl eskortiert. Durch die Sicherheitswache wurde mit den diensthabenden Konzeptsbeamten in der Polizeidirektion Innsbruck Kontakt aufgenommen und ordnete dieser (Mag. G.) an, dass die festgenommenen G., R. und B. unverzüglich in das Polizeigefangenenhaus zu überstellen und dort getrennt zu verwahren seien. Die Überstellung erfolgte um 18.20 Uhr bis 20 Uhr mit der Funkstreife P. und einem weiteren Streifenfahrzeug. Durch den kriminaltechnischen Dienst und einem Brandermittler wurde eine Spurensicherung im Stadion durchgeführt.

 

Die weitere Amtshandlung wurde im Auftrag des Journalbeamten von Kriminalbeamten der Abteilung für Staats-, Personen- und Objektschutz die ebenfalls beim Spiel Dienst versehen hatten durchgeführt (Oberstlt. Karl Ritscher).

 

Nach Durchführung der Einvernahmen und Kontaktaufnahme mit dem diensthabenden Journalstaatsanwalt wurden die Verdächtigen entlassen. In weiterer Folge wurden umfangreiche Erhebungen durch die Kriminalbeamten der Abteilung für Staats-, Personen- und Objektschutz, und der Akt am 11.1.2002 unter Anzeigenerstattung gegen B. M., F. H., G.P., R. B. und M. M. sowie weiterer unbekannter Täter in Vorlage gebracht.

 

Maßnahmenbeschwerde ? Würdigung:

 

Durch die Behördenleitung der Bundespolizeidirektion Innsbruck wurde, wie in derartigen Fällen üblich, das Zentralinspektorat der Sicherheitswache (der Dienstaufsicht im Haus betraute Organisationseinheit) beauftragt, eine Würdigung des Organverhaltens durchzuführen. Durch die betroffenen Sicherheitswachebeamten wurden Stellungnahmen eingeholt ? diese liegen dem Konvolut bei. Eine Würdigung durch die vorgesetzten Offiziere ergab, dass kein Fehlverhalten eines Beamten der Bundessicherheitswache evident erscheint (Organverhalten).

 

Wenn nunmehr vom Rechtsfreund des Beschwerdeführers, was den materiellen Aspekt der Festnahme anbelangt, angemerkt wird, dass auf Grund von ungenügenden Ermittlungen vor Ort sein Mandant über einen längeren Zeitraum angehalten wurde, wird durch die Bundespolizeidirektion Innsbruck die Ansicht vertreten, dass die Ermittlungen sehr wohl schnellstmöglich und zielstrebig durchgeführt wurden.

 

Der Beschwerdeführer war auf Grund von glaubhaften Angaben dringend tatverdächtig, weswegen die Festnahme und Anhaltung auch durchgeführt wurde.

 

Eine Verletzung seiner verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte durch polizeiliche befehls- und Zwangsgewalt kann durch die Bundespolizeidirektion Innsbruck nicht erkannt werden.

 

Die Bundespolizeidirektion Innsbruck stellt daher den Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

Es wird weiters folgender Kostenantrag gestellt:

Ersatz für den Vorlageaufwand der belangten Behörde als ob siegende Partei Euro 41,00

Ersatz für den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde als ob siegende Partei Euro 203,00

Ersatz für den Verhandlungsaufwand der belangten Behörde als ob siegende Partei (sollte eine Verhandlung durchgeführt werden) Euro 254,00.?

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat erwogen:

 

Beweis aufgenommen wurde durch die Einvernahme des Beschwerdeführers, der Zeugen Mag. M. K. (gleichzeitig Vertreter des Beschwerdeführers), Bez.Insp. E. F., H. S., T. P., Rev.Insp. M. S., B. G., Mag. M. K., sowie durch Verlesen der Akten des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol und der Bundespolizeidirektion Innsbruck.

 

Die Zeugen P. G., B. R. und M. M. haben sich der Zeugenaussage entschlagen.

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist von jenem Sachverhalt auszugehen, wie er in der Gegenschrift der Bundespolizeidirektion Innsbruck dargestellt ist. Dies war deshalb möglich, weil in der zu dieser Gegenschrift abgegebenen Stellungnahme des Beschwerdeführers der Sachverhalt an sich nicht bestritten wird. Lediglich ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer um 23.00 Uhr aus der Verwahrungshaft entlassen wurde (AV der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 29.9.2001).

 

Aus dem vorgelegten Akt ergibt sich, dass die Bundespolizeidirektion Innsbruck eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck gemacht hat, in der der Beschwerdeführer der fahrlässigen Herbeiführung einer Gemeingefährdung im Sinne des § 177 StGB verdächtigt ist. Aus dem gesamten Beschwerdeverfahren ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, wonach dem Beschwerdeführer Verwaltungsübertretungen angelastet worden wären. Daher kommt § 35 VStG nicht zur Anwendung.

 

Aus einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 22.4.2002 ergibt sich, dass der Journaldienst habende Staatsanwalt Dr. W. S. von Insp. S. der Bundespolizeidirektion Innsbruck am 29.9.2001 um ca 22.35 Uhr telefonisch kontaktiert worden ist. Insp. S. habe dem Journaldienst habenden Staatsanwalt mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer unter anderem wegen Verdacht der Brandstiftung nach § 179 Abs 1 StGB festgenommen worden sei. Nach Schilderung des gegenständlichen Sachverhaltes durch Insp. S. wäre für den Journaldienst habenden Staatsanwalt ein dringender Tatverdacht hinsichtlich einer Brandstiftung keinesfalls gegeben. Er habe daher keinen Haftantrag gestellt, sondern Anzeige auf freiem Fuss beantragt. Das gegenständliche Telefonat habe zwischen 5 und 10 Minuten gedauert. Weiters führte der Journaldienst habende Staatsanwalt aus, dass die gegenständliche Verhaftung durch die Polizei aus eigenem Antrieb erfolgt wäre, und es hätte dafür weder einen Antrag seinerseits noch ? so weit hier bekannt ? einen Haftbefehl eines Untersuchungsrichters.

 

Dieser Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu würdigen:

 

Gemäß § 175 Abs 1 StPO kann der Untersuchungsrichter auch ohne vorangegangene Vorladung die Vorführung oder vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen anordnen, wenn der Verdächtige auf frischer Tat betreten oder unmittelbar nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt wird.

 

Gemäß § 177 Abs 1 StPO kann die vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen zum Zwecke der Vorführung vor den Untersuchungsrichter auch durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden:

1.

In den Fällen des § 175 Abs 1 Z 1 sowie

2.

In den Fällen des § 175 Abs 1 Z 2 bis 4 und Abs 2, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr in Verzug nicht tunlich ist.

 

Gemäß § 452 Z 1a StPO hat der Richter des Bezirksgerichtes bei allen Vorerhebungen im Allgemeinen die für die Untersuchungsrichter erteilten Vorschriften zu beobachten, jedoch unter nachstehenden Beschränkungen, dass im Fall des § 175 Abs 1 Z 1 der Verdächtige festgenommen und für den unbedingt erforderlichen Zeitraum, längstens aber 6 Stunden, angehalten werden darf, wenn seine Identität sonst nicht festgestellt werden kann.

 

Aus den dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol vorliegenden Akten ergibt sich, dass die Bundespolizeidirektion Innsbruck am 19.3.2002 eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen Verdacht der fahrlässigen Herbeiführung einer Gemeingefährdung betreffend den Beschwerdeführer gemacht hat. Eine solche Straftat ist gem. § 177 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen und gem. § 9 StPO vor dem Bezirksgericht als dem zuständigen Gericht zu verhandeln. Daher entsprechen die diesbezüglichen Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde nicht der Rechtslage. Es war daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 452 StPO vorlagen. In § 452 Z 1 StPO wird auf § 175 Abs 1 Z 2 und 3 StPO verwiesen.

 

Im bezirksgerichtlichen Verfahren (s.VfSlg 3875/1960, 5232/1966) darf die vorläufige Verwahrung einer Person, die eines den Bezirksgerichten zur Aburteilung zugewiesenen Vergehens verdächtigt ist, zum Zwecke der Vorführung vor den Richter ausnahmsweise auch durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vernommen werden, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr in Verzug nicht tunlich ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist Verdunklungsgefahr dann zu bejahen, wenn es wirklich zu einem Verdunklungsversuch kam oder konkrete Anhaltspunkte darauf hinweisen, dass ein Versuch, die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen, unternommen werden würde (vgl VfSlg. 3770/1960, 1965, 1960, 1971, 6910, 1972). Dass der Beschwerdeführer eine Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung bereits versucht habe, behauptet die belangte Behörde selbst nicht. Bestimmte Umstände, die darauf hindeuteten, dass solche Versuche bevorstehen, brachte die belangte Behörde gleichfalls nicht vor. Aber auch die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung stellt noch keinen Haftgrund nach § 175 Abs 1 Z 3 StPO dar (vgl VfSlg. 3770/1960, 3780/1960).

 

Sohin verbleibt lediglich der Fall des § 452 Z 1a StPO. Wie sich aus der Aussage des Zeugen Rev.Insp. M. S. ergibt, ist ihm aufgrund der Personenbeschreibung der Beschwerdeführer eingefallen. Er hat den Beschwerdeführer gekannt. Er ist auch deswegen zu ihm hingegangen und hat zu ihm gesagt, er müsse was abklären. Er solle mitkommen. Die Verhaftung hat dann Bez.Insp. E. F. ausgesprochen. Da sohin die Identität des Beschwerdeführers von Anfang an nicht strittig war, bestand auch kein Haftgrund. Demgemäß wurde der Beschwerdeführer durch seine Festnahme und Anhaltung bis 23.00 Uhr im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

 

Mit diesem Ergebnis im Einklang steht auch das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 20.9.2002, Zahl 8 U 27/02d, mit dem der Beschwerdeführer gemäß § 259 Z 3 StPO von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe das Vergehen der fahrlässigen Gemeingefährdung nach § 177 Abs 1 StGB begangen, wegen fehlenden Schuldnachweises freigesprochen worden ist.

 

Die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/58, die gemäß B-VG, BGBl Nr 59/1964, im Verfassungsrang steht, bestimmt in ihrem Art 3, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Geht man sowohl von der Schilderung der belangten Behörde als auch von der Schilderung des Beschwerdeführers aus, verhielt sich der Beschwerdeführer im Verlaufe der Amtshandlung in keiner Weise gewalttätig, sondern offenbar vollkommen ruhig und ließ sich auch widerstands- und anstandslos abführen. Wenn er dabei von Beamten eskortiert worden ist, so kann darin keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unterlassung einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nicht gesehen werden, wobei dem Beschwerdeführer ohne weiteres zugestanden werden kann, dass er diese Vorgangsweise subjektiv als unangenehm empfunden haben mag (vgl zB VfGG 1.12.1992, B 539/89, ua).

 

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 79a AVG.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Festnahme, Anhaltung, 23, Uhr, rechtswidrig
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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