TE UVS Tirol 2003/02/17 2002/23/229-3

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Veröffentlicht am 17.02.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Albin Larcher über die Beschwerde des Herrn C. A., I., vertreten durch Dr. R.S., Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, gegen die Bundespolizeidirektion Innsbruck als belangte Behörde wegen Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf persönliche Freiheit nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:

I.

Gemäß § 67c Abs 3 AVG iVm Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG wird dem Antrag des Beschwerdeführers Folge gegeben und festgestellt, dass der Beschwerdeführer dadurch, dass er am 17.11.2002 in die Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck verbracht worden ist, insoweit in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurde, als diese Verbringung ohne Vorliegen einer dem § 8 UbG entsprechenden Bescheinigung erfolgte.

II.

Gemäß § 79a AVG iVm der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl 855/1995 idgF wird dem Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz der Aufwendungen Folge gegeben. Die belangte Behörde hat dem obsiegenden Beschwerdeführer Ersatz für den Schriftsatzaufwand in Höhe von EUR 610,45 und den Verhandlungsaufwand in Höhe von EUR 755,80 zu leisten.

 

Der Gesamtbetrag von EUR 1.366,25 ist binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides zu Handen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers anzuweisen.

Text

Mit Beschwerde vom 03.12.2002 brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor:

 

?Beschwerde

gemäß Artikel 129a Abs 1 Z 2 B-VG, §§ 67a AVG

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Tirol wegen Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit sowie der Rechte nach dem Unterbringungsgesetz.

1. Sachverhalt:

Herr A. befand sich am 07.11.2002 in der Wohnung Innsbruck, G-straße, die er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Frau M. G.-P. bewohnt. Aufgrund eines Anrufes von Frau G.-P. wurde Herr A. von Beamten des Wachzimmers Hötting von dieser seiner Wohnung in das Wachzimmer Hötting verbracht und ebendort dem Polizeiarzt Dr. P. vorgeführt. Diese Vorführung erfolgte weil seitens der einschreitenden Beamten eine Fremdgefährdung nicht ausgeschlossen wurde, obwohl andererseits in der Meldung des Wachzimmers Hötting folgendes vermerkt war: ?eine konkrete Bedrohung durch A. fand nach Aussage von G.-P. am 07.102.2002 jedoch nicht statt; und waren die in der Wohnung anwesenden drei Kinder (elf, zwölf und sechs Jahre) ?eher nicht verängstigt und machten einen relativ ruhigen Eindruck? (aus der Meldung des Wachzimmers Hötting vom 07.12.2002 - Beilage). Herr A. wurde in weiterer Folge von Dr. P. im Wachzimmer Hötting gesehen und in die Psychiatrische Klinik eingewiesen. Nach Aussage von Herrn A. fand jedoch keinerlei Gespräch oder Exploration durch Dr. P. statt, dieser habe ihn lediglich angeschaut und daraufhin die Unterlagen auszufüllen begonnen. In der ärztlichen Bescheinigung nach § 8 UbG hatte Dr. P. insoweit folgerichtig auch keine psychische Krankheit bei der Untersuchung festgestellt: es finden sich im Abschnitt ?Hinweise auf eine psychische Krankheit bei der Untersuchung? keinerlei deskriptive Angaben, darüber hinaus wird nicht einmal ein einziges der am Vordruck vorgesehenen Kästchen angekreuzt. Unter dem Punkt ?Hinweise auf psychische Krankheit lt Auskunftspersonen? finden sich dann folgende Einträge:

a)

Heute um ca 17.15 Uhr Fremdgefährdung in der Wohnung

b)

Hat Lebensgefährtin bedroht (Messer), Wohnungseinrichtung zertrümmert

 c) Fremdgefährdung, Alkoholabusus

Unter der Rubrik ?Ernste und erhebliche Gefährdung? finden sich wiederum keine Angaben zu gefährdenden Verhaltensweisen bei der Untersuchung. Schließlich wird unter dem Punkt ?Genaue Angaben der objektiven und konkreten Gefährdung - durch wen wurde diese festgestellt?? noch einmal wiederholt: ?Fremdgefährdung mit Messer, Wohnungszertrümmerung, Alkoholabusus?. Es zeigt sich hier also deutlich, dass eine Exploration von Herrn A. durch Dr. P. nicht stattgefunden hat (keine diesbezüglichen Angaben in der Bescheinigung). Darüber hinaus wird auch offensichtlich, dass hier die Angaben von Dritten unrichtig wiedergegeben werden: Die Einträge ?heute um ca 17.15 Uhr Fremdgefährdung in der Wohnung?, ?hat Lebensgefährtin bedroht (Messer)? sind durch die Aussagen der vor Ort einschreitenden Beamten keineswegs gedeckt: im Gegenteil, eine konkrete Bedrohung fand, nicht nur um ?17.15 Uhr?, sondern überhaupt am gesamten Tag der Einweisung (vgl Meldung Wachzimmer Hötting) nicht statt. Und schon gar nicht gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass A. mit einem Messer seine Lebensgefährtin bedroht habe - weder am 07.11.2002 noch zu einem früheren Zeitpunkt.

Dr. P. hatte einen ?Alkoholabusus? festgestellt. Bei der Aufnahme an der Universitätsklinik Innsbruck hingegen - Herr A. war bereit sich bis zur Klärung der Situation aufnehmen zu lassen - wurden 0,0 Promille Alkohol in der Atemluft festgestellt. Darüber hinaus muss es einem Amtsarzt, der regelmäßig nach § 8 UbG Bescheinigungen ausstellt bekannt sein, dass eine Alkoholkrankheit (?Alkoholismus?) nach einhelliger Lehre und Rechtssprechung keineswegs eine Unterbringungsvoraussetzung iSd Gesetzes darstellen (dazu mwN Kopetzki, Unterbringungsrecht II, S 497 - Wien ; New York 1995). Schließlich wurde in der amtsärztlichen Untersuchung auch keine Angabe darüber gemacht, ob und welche Alternativen zur Unterbringung versucht wurden.

Beweis: Meldung des Wachzimmers Hötting (Beilage)

Ärztliche Bescheinigung nach § 8 UbG vom 07.12.2002 (Beilage)

 

2. Beschwerde:

Durch den oben geschilderten Sachverhalt wurde Herr A. in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit insoweit verletzt, als er ohne rechtmäßige Bescheinigung iSd § 8 UbG in die Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck verbracht wurde.

 

3. Zuständigkeit:

Die Überprüfung von sicherheitspolizeilichen Maßnahmen, die einer allfälligen Unterbringung vorangehen, fällt in den Zuständigkeitsbereich der Unabhängigen Verwaltungssenate (§ 88 Abs 1 iVm § 46 SicherheitspolizeiG; UVS Oberösterreich vom 05.07.1993, GZ VwSen 420028/29/GF/La; VwGH vom 28.01.1994, GZ 93/11/0035-10, 93/11/0036-9).

 

4. Begründung:

Eine Person darf gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im Einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet. In einer parlamentarischen Anfrage zur ?Handhabung des Unterbringungsgesetzes durch Polizeiärzte? stellte der Bundesminister für Inneres fest, dass ein Gespräch von nicht mehr als fünf Minuten für eine gute Exploration - auch für einen erfahrenen Amtsarzt - zu kurz ist: ?Für das Feststellen einer psychischen Erkrankung braucht es demnach eines längeren Gespräches? (95.000/2302-SL 1 V/98 vom 07.12.1998).

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat festgestellt, dass ohne einer dem § 8 iVm § 3 UbG entsprechenden amtsärztlichen Untersuchung die Ausstellung einer amtsärztlichen Bescheinigung unrechtmäßig ist. Ohne eine ?medizinische Untersuchung, die diesen Namen verdient? ist die Ausstellung der Bescheinigung durch den Amtsarzt wie auch die nachfolgende Verbringung in das psychiatrische Krankenhaus rechtswidrig (UVS-02/P/13/22/98 vom 19.01.1999, S 14). Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass ein bloßes Ankreuzen formelhafter Bescheinigungen nicht genügt, um die im § 8 zweiter Satz UbG normierte Begründungspflicht, die eine Nachvollziehbarkeit der Bescheinigung und damit deren Überprüfbarkeit sicherstellen soll, zu erfüllen (VwGH 2000/11/0320 vom 27.11.2001, VwGH 99/11/0327 vom 08.08.2002). ?Es ist insbesondere festzuhalten, aus welchem Verhalten und welchen medizinischen Zustandsbildern sich die psychische Krankheit erschließen lässt, worin die ernste und erhebliche Gefahr besteht und welche Alternativen geprüft bzw kontaktiert wurden? (VwGH 2000/11/0320 vom 27.11.2001).

Der Oberste Gerichtshof hat festgehalten, dass eine amtsärztliche Bescheinigung, die keinen Hinweis darüber erhält, ob der an einer psychischen Krankheit Leidende nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt ausreichend behandelt oder betreut werden kann, rechtswidrig ist und das Begehren von Schadenersatz rechtfertigt (1 Ob 251/00v vom 27.02.2001, S 15).

Aus alldem wird ersichtlich, dass eine iSd Unterbringungsgesetzes rechtsgültige amtsärztliche Bescheinigung nicht vorlag. Im Gegenteil: vorliegende ?Bescheinigung? ist ohne Untersuchung zustande gekommen und schon allein von daher rechtswidrig. Zudem ist ein Alkoholabusus - selbst wenn ein solcher vorgelegen sein soll (was aber nicht nachvollziehbar ist) - keine psychische Krankheit iSd 3 3 UbG. Die Ausführungen zur Fremdgefährdung lassen sich nicht auf eine Tatsachenfeststellung rückführen und über das Nicht-Vorliegen einer Alternative zur Einweisung werden keine Aussagen getroffen.

Aus den dargelegten Gründen ergeht daher der Antrag, dass erkannt werde: Der Beschwerdeführer ist dadurch, dass er am 07.11.2002 in die Univ.-Klinik für Psychiatrie Innsbruck verbracht worden ist, insoweit in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden, als die Unterbringung ohne Vorliegen einer rechtsgültigen § 8 UbG-Bescheinigung und daher rechtswidrig erfolgte.

Des Weiteren wird gem § 79a AVG beantragt, der belangten Behörde den Kostenersatz aufzuerlegen, wobei Kostenzuspruch für alle regelmäßig anfallenden Kosten begehrt wird.?

 

Mit der am 23.12.2002 beim Unabhängigen Verwaltungssenat eingelangten Gegenschrift der Bundespolizeidirektion Innsbruck führte diese wie folgt aus:

?Aktenvorgang

 

Am 07.11.2002 um 17.55 Uhr wurde die Funkstreife Heinrich 20 der Bundespolizeidirektion Innsbruck in die G.straße beordert, da dort der Beschwerdeführer die Wohnungseinrichtung zertrümmern soll. Ein weiteres Wachzimmer wurde ebenfalls in Kenntnis gesetzt und 2 weitere Sicherheitswachebeamte rückten zum Einsatz aus. Am Einsatzort wurden die Beamten von Frau M. G.-P. erwartet, die den Sicherheitswachebeamten gegenüber äußerte, dass sich ihr Lebensgefährte - der Beschwerdeführer - in der Wohnung befindet und betrunken bzw sehr aggressiv sei. Der weitere Sachverhalt sei dem UVS auch aufgrund der Meldung des Wachzimmers Hötting vom 07.11.2002 bekannt. Was den Beschwerdeführer anbelangt darf angeführt werden, dass auch im Bericht der Beamten des Wachzimmers Hötting angeführt ist, dass bei der Untersuchung vom diensthabenden Amtsarzt Dr. P. eine akute Fremdgefährdung festgestellt wurde, weswegen der Beschwerdeführer vom Amtsarzt in die psychiatrische Klinik eingewiesen wurde. Die Einlieferung erfolgte mit der Rettung unter Eskortierung durch eine Streife des Wachzimmers Hötting. Maßnahmebeschwerde - Würdigung

Durch die Behördenleitung der BPD Innsbruck wurde, wie in derartigen Fällen üblich die von der Beschwerde betroffene Stelle, im Gegenstande der amtsärztliche Dienst, beauftragt eine Stellungnahme des von der Beschwerde betroffenen Arztes zu veranlassen sowie eine Würdigung durch Herrn Chefarzt Dr. F. einzuholen. Von Dr. P. wurde eine Stellungnahme abgegeben, diese liegt dem Konvolut bei. Zusammenfassend geht diesbezüglich die BPD Innsbruck auf Grund der Stellungnahme des betroffenen Arztes davon aus, dass dieser den Beschwerdeführer nach den vorgeschriebenen Untersuchungsparametern untersucht hat und nicht wie vom Beschwerdeführer behauptet wird, sofort nur den Bescheid geschrieben hat. Auf Grund dieser Gesamtsituation und der dem Amtsarzt vorliegenden Informationen konnte Dr. P. jedoch nicht ausschließen, dass sich Herr A. in einer psychischen Ausnahmesituation befand ohne entsprechende Verhaltensreserve und der Schritt zu einer Gewalttat nur mehr kurz sei. Aus diesem Grunde wurde der Beschwerdeführer zu seinem und zum Schutze seiner Lebensgefährtin in die Psychiatrie eingewiesen. Eine andere Vorgangsweise, wird vom Amtsarzt angeführt, sei auf Grund der gegebenen Vorfälle nicht ratsam gewesen. Daher wurde die Einweisung nach dem Unterbringungsgesetz durchgeführt. In der Stellungnahme des Vorgesetzten des Dr. P. wird davon ausgegangen, dass DR. P. in diesem Falle korrekt gehandelt hat.

Was den Aspekt ?Begründung? des Beschwerdeführers anbelangt darf angeführt werden, dass auf Seite 2 der ärztlichen Bescheinigung (Pkt 1.2) sehr wohl die Hinweise auf eine psychische Krankheit laut Auskunftsperson sind, die sich im Wesentlichen auch sinngemäß mit den Angaben der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers decken. Diesbezüglich darf ausdrücklich auf den Bericht des Wachzimmers Hötting verwiesen werden: ?Sie teilte uns mit, dass sich ihr Lebensgefährte in ihrer Wohnung befindet und betrunken bzw sehr aggressiv ist, sowie Gegenstände in der Wohnung herumwirft. Sie gab weiters an, dass sie A. nicht mehr in ihrer Wohnung haben wolle, da sie sich bedroht und nicht mehr sicher fühlt.? Bezug nehmend auf den zweiten Absatz der Begründung des Beschwerdeführers darf auf die Stellungnahme verwiesen werden, die von Dr. P. abgegeben wurde und worin angeführt ist, dass er ein langes und intensives Gespräch führte. Dies gilt sinngemäß auch für den 3. Punkt der Begründung. Was den Aspekt andere Maßnahme anbelangt, kann angeführt werden, dass eine derartige Maßnahme bereits getroffen wurde - Wegweisung nach § 38a SPG. Wie in der Stellungnahme von Dr. F. angeführt, liegt die Entscheidung über die Indikation einer Transport Parere ausschließlich bei dem die Untersuchung führenden Arzt. Im Gegenstande war wohl davon auszugehen, dass eine Einweisung nach § 8 UbG unabdingbar notwendig war, weswegen die Entscheidung wie angeführt getroffen wurde. Eine Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch behördliche Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der BPD Innsbruck kann nicht erkannt werden. Die BPD Innsbruck stellt daher Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.?

 

Hinsichtlich des nunmehr festgestellten Sachverhalts ist vorauszuschicken, dass sich die gegenständliche Beschwerde ausschließlich gegen die amtsärztliche Bescheinigung des Dr. P. vom 07.11.2002 richtet. Die Beschwerdebehörde sieht zudem auch keinen Grund, die Vorgehensweise der Beamten des Wachzimmers Hötting hinsichtlich ihres Einschreitens in der Wohnung der Zeugin M. G.-P. sowie der daraus resultierenden Wegweisung gem § 38a SPG und Vorführung zum diensthabenden Amtsarzt in irgendeiner Weise zu beanstanden, zumal der Beschwerdeführer im Zuge seiner Parteienvernehmung selbst angab, korrekt von den Beamten behandelt und von diesen über die jeweiligen Amtshandlungen, insbesondere auch über die Vorführung zum Amtsarzt, informiert worden zu sein. Ein weiteres Eingehen erübrigt sich daher.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die vorliegende Beschwerde, die Gegenschrift der BPD Innsbruck, die Meldung des Wachzimmers Hötting vom 07.11.2002, die ärztliche Bescheinigung des Amtsarztes Dr. P. vom 07.11.2002 sowie dessen Stellungnahme vom 13.12.2002, die Stellungnahme des Chefarztes des Polizeiärztlichen Dienstes, Dr. F., vom 17.12. sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers Christian A. und des Amtsarztes Dr. P., weiters der Zeugen M. G.-P., GI Kn. sowie RI E. in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.01.2003.

Hinsichtlich der gerügten Untersuchung durch den Amtsarzt und der daraus folgenden Verbringung des Beschwerdeführers in die Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck steht nachstehender Sachverhalt als erwiesen fest:

Nach erfolgter fernmündlicher Verständigung traf der diensthabende Amtsarzt, Dr. P., am 07.10.2002 gegen 19.00 Uhr im Wachzimmer Hötting ein. Nach einer ersten mündlichen Berichterstattung durch den Zeugen GI Kn. folgte ein ca 15 min langes Gespräch des Amtsarztes mit dem Beschwerdeführer. Diese Feststellungen gründen sich zweifelsfrei in der ärztlichen Bescheinigung, aus der hervorgeht, dass Dr. P. sowohl den Untersuchungsbeginn mit 19.15 Uhr als auch das Ende der Untersuchung mit 19.30 Uhr festgehalten hat sowie in den übereinstimmenden Angaben der Zeugen Kn. und E.r. Bestätigt wird dies aber auch durch die Aussage des Beschwerdeführers, wonach der Amtsarzt nach seiner Ankunft um ca 19.00 Uhr insgesamt zwischen 15 und 30 min geblieben ist. Weiters steht fest, dass im Zuge der Untersuchung ein Gespräch geführt wurde an dem sowohl der Amtsarzt als auch der Beschwerdeführer aktiv teilgenommen hatten. Die diesbezüglich anderslautenden Behauptungen des Beschwerdeführers sind unklar und widersprüchlich. In der mündlichen Verhandlung gibt er zunächst an, es sei überhaupt nicht mit ihm geredet worden, auf Vorhalt führt er dann wieder aus, er habe nur auf die Fragen des Amtsarztes antworten können und sei von einem Beamten mittels eindeutiger Geste aufgefordert worden ansonsten still zu sein. An der Richtigkeit der übereinstimmenden und glaubwürdigen Aussagen des Amtsarztes sowie der Zeugen Kn. und E., die sich ständig in der, zumindest mittelbaren, Nähe aufhielten, vermögen diese Behauptungen jedenfalls keine Zweifel zu erwecken. Dass ein längeres Untersuchungsgespräch stattgefunden hat, steht somit als erwiesen fest.

Dokumentiert wurde die gegenständliche Untersuchung durch eine, in den Fällen der Unterbringung nach § 8 UbG vom Amtsarzt auszufüllende, Bescheinigung. Weitere Aufzeichnungen, etwa in einem Journalheft, wurden laut Aussage des Dr. P. nicht geführt.

Die gegenständliche Bescheinigung weist insgesamt vier Pkt auf: 1. ?Psychische Krankheit?; 2. ?Ernstliche und erhebliche Gefährdung?;

3. ?Welche Alternativen zur Unterbringung wurden versucht?? sowie 4. ?Genaue Angaben der objektiven und konkreten Gefährdung- durch wen wurde diese festgestellt??.

Zu Pkt 1. ?Untersuchungsergebnis und Begründung? findet sich die Rubrik ?Hinweise auf eine psychische Krankheit bei der Untersuchung? mit einer Auswahl an Parametern. Bejahendenfalls sind diese anzukreuzen und rechts daneben jeweils Art und Ausmaß der Störung oder der Auffälligkeiten zu beschreiben. Unter dieser Rubrik finden sich festgestelltermaßen weder Einträge noch Ausführungen. Zu Pkt 1.2 ?Soweit bekannt, sonstige Hinweise auf eine psychische Krankheit laut Auskunftsperson? ist unter der Rubrik a) ?Art und Ausmaß der berichteten Auffälligkeiten, Zeitpunkt und Umstände des Auftretens? folgende Eintragung ersichtlich: ?Heute um ca 17.55 Uhr Fremdgefährdung in der Wohnung?. Unter c) ?Besonderheiten der Lebenssituation und des sozialen Umfeldes? führte der Amtsarzt aus:

?Hat Lebensgefährtin bedroht (Messer), Wohnungseinrichtung zertrümmert?.

Zu Pkt 1.3 ?Vorläufige Diagnose? wurde vermerkt: ?Fremdgefährdung, Alkoholabusus?.

Zu Pkt 2.2 ?Gefährdung des Lebens/der Gesundheit anderer? ist unter der Rubrik a) ?Gefährdende Verhaltensweisen bei der Untersuchung? der Parameter ?sonstige aktuell andere Personen gefährdete Verhaltensweisen? angekreuzt, Beschreibungen sind hierzu trotz entsprechender Aufforderung in dem Formblatt nicht ersichtlich. Unter der Rubrik b) ?Art und Ausmaß der berichteten Gefährdung, Zeitpunkt und Umstände des Auftretens? führte der Amtsarzt aus:

?siehe oben?.

Schließlich findet sich zu Pkt 4. die Anmerkung: ?Fremdgefährdung mit Messer, Wohnungszertrümmerung, Alkoholabusus.?

Zum Inhalt des Untersuchungsgesprächs konnten aufgrund der Aussagen des Amtsarztes im Zuge seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung folgende Feststellungen getroffen werden: Insbesondere wurden die Vorfälle mit dem Messer und dem Mobiliar besprochen. Dr. P. stützte sich dabei auf den Bericht des Zeugen GI Kn. und ging, unter Bedachtnahme des psychisch labilen Eindrucks den der Beschwerdeführer während des Gesprächs hinterließ, davon aus, dass es zu einer Bedrohung oder bedrohlichen Situation gekommen sei und der Beschwerdeführer als fremdgefährlich einzustufen ist. Auf eine bestimmte psychische Krankheit vermochte er die angeführte Labilität nicht zu stützen und war zudem der Meinung, die (Fremd)Gefährdung allein stelle bereits einen ausreichenden Einweisungsgrund dar. Dafür spricht auch, dass in der Bescheinigung unter der Rubrik ?Hinweise auf eine psychische Krankheit bei der Untersuchung? keinerlei Einträge oder Ausführungen zu finden sind. Der diagnostizierte Alkoholabusus im gegenständlichen Parere war für den Amtsarzt im Übrigen nur ein Zusatzbefund. Alternativen wurden deshalb nicht geprüft, weil der Amtsarzt eine Einweisung für unabdingbar erachtete.

 

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus folgendes:

Gem § 8 UbG darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt verbracht werden, wenn ein im öffentlicher Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im Einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet. Gem § 3 UbG darf dabei nur in einer Anstalt untergebracht werden, wer an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich gefährdet und nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann. Daraus ergibt sich nicht nur, dass die Voraussetzungen der psychischen Krankheit und der Gefährdung kumulativ vorliegen müssen sondern auch, dass es im Einzelfall auf den gegebenen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der dadurch verursachten Gefahr ankommt.

Im Rahmen der Untersuchung ist in der Bescheinigung daher insbesondere festzuhalten, aus welchem Verhalten und welchen medizinischen Zustandsbildern sich die psychische Krankheit erschließen lässt, worin die ernste und erhebliche Gefährdung besteht und welche Alternativen geprüft bzw kontaktiert wurden (VwGH 2000/11/0320, 27.11.2001). Ausgehend von der mündlichen Berichterstattung des Zeugen GI Kn. beurteilte der Amtsarzt zunächst das Kriterium der Selbst- oder Fremdgefährdung. Unter Berücksichtigung der ihm geschilderten Gesamtsituation, insbesondere der Vorfälle mit dem abgenommenen Messer und dem Mobiliar, sowie den offensichtlichen Bagatellisierungsversuchen des Beschwerdeführers, wonach es sich dabei bloß um alte Geschichten handle, ist das Bejahen einer akuten Fremdgefährdung für den Unabhängigen Verwaltungssenat schlüssig und nachvollziehbar. Die entsprechenden schriftlichen Hinweise in der angefochtenen Bescheinigung sind somit noch ausreichend und begründet. Gänzlich fehlen jedoch Verweise auf eine psychische Krankheit und Angaben bezüglich des Verhaltens oder medizinischer Zustandsbilder, woraus sich eine solche Krankheit erschließen lässt. Gerade dies stellt jedoch eine zwingende Voraussetzung dar. Die von Dr. P. ins Treffen geführte ?allgemeine psychische Labilität? vermag den gesetzlichen Erfordernissen jedenfalls nicht zu entsprechen, zumal der Amtsarzt in der mündlichen Verhandlung einräumte, er könne diese Labilität nicht auf eine bestimmte psychische Krankheit stützen und sei davon ausgegangen, die Fremdgefährdung allein reiche für die Einweisung aus. Schließlich mangelt es aber auch an der gesetzlich geforderten Prüfung in Frage kommender Alternativen zur Einweisung nach § 8 UbG. Die diesbezügliche Aussage, wonach diese Prüfung von vornherein unterlassen wurde, weil die Einweisung unabdingbar notwendig gewesen sei, vermag nicht als ausreichend iSd gesetzlichen Erfordernisse angesehen zu werden (vgl dazu auch 1 Ob 251/00v, 27.02.2001). Im Ergebnis ist das Vorliegen der kumulativen Voraussetzungen nach § 3 UbG zu verneinen und die Verbringung des Beschwerdeführers in die Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck, mangels rechtmäßiger Bescheinigung iSd § 8 UbG, als Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit zu qualifizieren. Gem § 79a Abs 4 AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Laut § 1 Abs 1 der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl 855/1995, beträgt der Schriftsatzaufwand des Beschwerdeführers EUR 610,45 sowie für den Verhandlungsaufwand EUR 755,80. Der zum damaligen Zeitpunkt diensthabende Amtsarzt Dr. P. setzte den in Beschwerde gezogenen Verwaltungsakt (Einweisung nach § 8 UbG) als Organ des amtsärztlichen Dienstes- einer Stelle der Bundespolizeidirektion Innsbruck, womit sich die Aufwandersatzpflicht für diese Behörde ergibt.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Voraussetzungen, psychische, Krankheit, Gefährdung, kumulativ, vorliegen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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