TE UVS Tirol 2003/03/06 2002/22/188-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.03.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Josef Hauser über die Berufung des Herrn S. S., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Bruno P., 9900 Lienz, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 16.09.2002, Zl. VK-1270-2002, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung wie folgt:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber spruchgemäß nachfolgender Sachverhalt zur Last gelegt:

 

?Tatzeit: 11.04.2002, 08.25 Uhr

Tatort: Gemeinde Kals a.Gr., auf der Kalser Landesstraße, bei Strkm.

3,3, Richtung Kals a.Gr.

Fahrzeug: Lkw, LZ-xx

 

1. Sie sind über die Fahrbahnmitte gefahren bzw. haben die Fahrbahnmitte sogar überschritten und haben somit den rechten Fahrbahnrand in einer unübersichtlichen Rechtskurve nicht eingehalten. Dadurch wurde 2. die Lenkerin des entgegenkommenden Pkws, Kennzeichen LZ-yyy, zum Auslenken ihres Fahrzeuges genötigt, wodurch sie an der Leitschiene streifte, wodurch an ihrem Fahrzeug Sachschaden entstand. Obwohl sie somit durch ihr Verhalten mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang standen, haben sie es unterlassen, sofort anzuhalten und 3. ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1.

§ 7 Abs 2 StVO

2.

§ 4 Abs 1 lit a StVO

3.

§ 4 Abs 5 StVO?

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Berufungswerber Geldstrafen in der Höhe von insgesamt Euro 370,00, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von insgesamt 124 Stunden, verhängt und gleichzeitig Verfahrenskostenbeiträge festgesetzt.

 

Dagegen wurde vom Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, die Zeugin Irmgard O. habe im gegenständlichen Verfahren als Zeugin behauptet, dass ihr der Berufungswerber kurvenschneidend entgegen gekommen sei und die dortige Linkskurve (aus der Sicht des Beschuldigten gesehen) so unübersichtlich sei, dass der Lkw plötzlich da gewesen sei. Tatsächlich handle es sich jedoch im gegenständlichen Fall, aus der Fahrtrichtung des Berufungswerbers gesehen, um eine scharfe Rechtskurve, sodass auch von einem Kurvenschneiden keine Rede sein könne. Im Übrigen habe der Berufungswerber keinerlei Erinnerung an ein außergewöhnliches Ereignis oder einen außergewöhnlichen Vorfall. Er befahre diese Strecke monatelang fast täglich und sei ihm daher bekannt, dass im Bereich dieser Kurve gerade in den Morgenstunden starker Berufsverkehr herrsche und sei er dementsprechend mit geringer Geschwindigkeit und ordnungsgemäß rechts unterwegs gewesen. Wenn ihm irgendetwas Außergewöhnliches aufgefallen wäre, hätte er mit Sicherheit angehalten, zumal diesbezüglich keinerlei Nachteile für ihn zu erwarten gewesen wären, da für Lkws das Bonus-Malus-System nicht gilt. Dementsprechend wurde beantragt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Die Berufungsbehörde hat am 06.03.2003 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. Dabei wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des Berufungswerbers und der Zeugin Irmgard O.. Weiters wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt und in den Akt der Berufungsbehörde.

 

Die Zeugin Irmgard O. hat im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung angegeben, ihre Aussage vor der Erstbehörde, wonach ihr der Lkw kurvenschneidend und in einer Linkskurve (aus der Sicht des Beschuldigten) entgegen gekommen sei, müssten missverstanden worden sein. Es sei richtig, dass es sich im gegenständlichen Fall um eine Linkskurve aus ihrer Sicht und dementsprechend um eine Rechtskurve aus der Sicht des Berufungswerbers handle. Die Zeugin gab weiters an, dass sie, nachdem sie den Lkw gesehen habe, einfach versucht habe, zwischen Lkw und Leitschiene ?durchzukommen?. Es sei auch nicht so gewesen, dass sie ihr Auto gravierend verreißen hätte müssen, auch sei sie nicht besonders bzw. sichtlich erschrocken. Ihr Fahrzeug habe durch die Berührung mit der Leitschiene auf der rechten Seite von vorne bis hinten eine Schleif- bzw. Kratzspur aufgewiesen; wesentliche Eindellungen seien nicht erfolgt. Sie selbst habe das Ausmaß des Schadens erst in einer Ausweiche nach der Linkskurve festgestellt, nachdem sie zuvor weiter gefahren sei. Von jenem Standort aus, an dem sie angehalten habe, sei die gegenständliche Kurve nicht mehr einsehbar. Eine Kollision mit dem Lkw des Berufungswerbers habe jedenfalls nicht stattgefunden. Die Zeugin gab weiters an, dass der Berufungswerber die Streifung ihres Fahrzeuges mit der Leitschiene vermutlich nicht habe bemerken können. Sie glaube aber, dass der Berufungswerber aufgrund der Gesamtsituation bemerken hätte müssen, dass es für sie zur Leitschiene hin ?knapp? geworden sei.

 

Der Berufungswerber beteuerte im Zuge seiner Einvernahme bei der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, dass er sich ? bezogen auf die gegenständliche Fahrt ? an keine Besonderheiten erinnern könnte, die ihn zu einem Anhalten veranlasst hätten.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat erwogen wie folgt:

 

Die Erstbehörde führt in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses richtig aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Voraussetzung für die Meldepflicht nach § 4 StVO nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens ist. Der Tatbestand ist schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte.

 

Dass dem Berufungswerber im gegenständlichen Fall diese objektiven Umstände zum Bewusstsein gekommen sind bzw. zum Bewusstsein hätten kommen müssen, kann nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. So gibt die Zeugin Irmgard O. selbst an, dass sie weder ihr Fahrzeug wesentlich verrissen habe noch sichtlich erschrocken sei. Weiters gibt die Zeugin an, dass sie nach der Begegnung mit dem Lkw des Berufungswerbers weiter gefahren sei und erst in einer Ausweiche, welche von der gegenständlichen Kurve aus nicht mehr eingesehen werden kann, angehalten habe. Darüber hinaus glaubt die Zeugin selbst, dass der Berufungswerber die Streifung des Fahrzeuges der Zeugin mit der Leitschiene nicht bemerken habe können.

 

Der Verantwortung des Berufungswerbers, er habe bei der gegenständlichen Fahrt nichts Außergewöhnliches wahrgenommen, kann daher nicht entgegen getreten werden. Ebenso steht nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Berufungswerber beim Befahren der dortigen Rechtskurve (aus Sicht des Berufungswerbers) über die Fahrbahnmitte gefahren ist, zumal die Zeugin Irmgard O. angibt, sie habe ihr Fahrzeug nicht gravierend verreißen müssen.

 

Insgesamt kann aus der Aussage der Zeugin Irmgard O. nicht abgeleitet werden, dass der Berufungswerber an die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden hätte denken müssen. Vielmehr gesteht die Zeugin selbst ein, dass der Berufungswerber lediglich merken hätte müssen, dass es für sie zur Leitschiene hin ?knapp? werde. Allein darauf kann aber die Bestrafung des Berufungswerbers nicht gestützt werden.

 

Dementsprechend war ? zumindest im Zweifel ? zugunsten des Berufungswerbers und daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Lenkerin, zum Auslenken, genötigt, Streifung, Leitschiene, bemerken, können
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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