TE UVS Burgenland 2004/08/29 F01/06/03029

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Veröffentlicht am 29.08.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag Obrist über die Berufung des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vom 31 07 2003, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 16 07 2003, Zl EU-10-09-522-10, betreffend Aufforderung zur Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme, zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Text

Mit Eingabe vom 16 10 2002 ersuchte der Gendarmerieposten *** die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung um Überprüfung der Verkehrszuverlässigkeit und amtsärztliche Untersuchung des Berufungswerbers. Es wurde ausgeführt, dass dieser am 21 09 2002 kurz vor Mitternacht einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW in provozierender Weise und Kenntnis, dass sich ein Gendarmeriekraftfahrzeug hinter ihm befand, gelenkt habe. Er sei mit weitaus überhöhter Geschwindigkeit durch die Ortsgebiete von *** (70 km/h), *** (80 km/h) und *** (90 km/h) sowie im Freiland (140 km/h) gefahren. Nach der Anhaltung habe er sich äußerst aggressiv verhalten und einem Beamten bei der Kontrolle der Ausrüstungsgegenstände diese entgegengeschleudert. Außerdem hätten Beamte des Gendarmeriepostens am 08 10 2002 im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft im Betrieb des Berufungswerbers (Werkstätte) eine gewerberechtliche Überprüfung durchführen wollen. Dieser habe ihnen den Zutritt verwehrt, sei wieder äußerst aggressiv gewesen und habe den Beamten gedroht, dass ein Unglück passiere, wenn sie nicht binnen 2 Minuten das Grundstück verlassen.

 

Mit Aktenvermerk vom 24 10 2002 leitete die Bezirkshauptmannschaft daraufhin gemäß § 7 Abs 3 Führerscheingesetz (FSG) das Ermittlungsverfahren ein. Gleichzeitig wurde der Akt der Amtsärztin mit dem Ersuchen um Erstellung eines Gutachtens über die geistige Eignung des Berufungswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B übermittelt. Mit Ladung vom 07 11  und vom 26 11 2002 sowie vom 02 01 2003 wurde er daraufhin ersucht, zur amtsärztlichen Untersuchung  zu erscheinen. In den Ladungen wurde er weiters aufgefordert, einen Lichtbildausweis, alkoholspezifische Leberwerte sowie einen bestimmten Geldbetrag mitzubringen. Dem hat der Berufungswerber keine Folge geleistet.

 

Aufgrund einer Beschwerde des Berufungswerbers musste der Akt dann der zuständigen Fachabteilung des Amtes der Landesregierung vorgelegt werden. Nach Rücklangen des Aktes wurde die Amtsärztin neuerlich um Erstellung eines Gutachtens über die geistige Eignung des Berufungswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B ersucht. Wiederum wurde er deswegen vorgeladen, wobei nunmehr in der Ladung vom 20 05 2003 bei den mitzubringenden Unterlagen ? abgesehen von den schon vorher verlangten Unterlagen ? eine verkehrspsychologische Stellungnahme verlangt wurde. Am 23 05 2003 unterzog sich der Berufungswerber einer amtsärztlichen Untersuchung und  legte alkoholspezifische Leberwerte vor, welche  nach den Feststellungen der Amtsärztin im unteren Normbereich liegen. Wie einem Aktenvermerk der Ärztin weiter zu entnehmen ist, weigerte sich der Berufungswerber, die geforderte verkehrspsychologische Untersuchung durchführen zu lassen. Es sei ihm mitgeteilt worden, dass aufgrund der Vorgeschichte bei ihm Bedenken hinsichtlich der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung bestünden. Am 14 07 2003 habe er telefonisch mitgeteilt, dass er derzeit keine verkehrspsychologische Stellungnahme beibringen werde.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufungswerber daraufhin gemäß § 17 Abs 1 Z 2 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) aufgefordert, bis spätestens 15 09 2003 eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen.

 

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung. Im Bescheid werde detailliert angeführt, wie oft amtshandelnde Gendarmeriebeamte gegen ihn eingeschritten seien. Dabei sei es immer wieder zu aggressiven Bemerkungen bzw. Vorhaltungen der Beamten gekommen, was ihn immer wieder herausgefordert habe. Eine sachliche Verhandlung hätte keine Aufregung verursacht. Es sei ihm unverständlich, wie dadurch eine verkehrspsychologische Untersuchung vorgeschrieben werden könne.

 

Hierüber wurde Folgendes erwogen:

 

Zu den Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung gehört uA, dass die betreffende Person verkehrszuverlässig ist und dass sie zum Lenken eines Kraftfahrzeuges gesundheitlich geeignet ist. Sind diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben, ist eine Lenkberechtigung zu entziehen bzw einzuschränken.

 

Die Verkehrszuverlässigkeit wird in § 7 Abs 1 FSG definiert und enthält Abs 3 dieser Bestimmung eine demonstrative Übersicht über jene Delikte, die als ?die Verkehrssicherheit gefährdend? angesehen werden müssen. Nach § 7 Abs 3 Z 3 FSG ist dies dann der Fall, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder wenn es sich um Verstöße mit besonderer Rücksichtslosigkeit handelt. Als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten.

 

Die Verkehrszuverlässigkeit einer Person stellt eine Charaktereigenschaft dar und ist die Frage, ob diese noch gegeben ist oder nicht, im Wege der Lösung einer Rechtsfrage ohne Heranziehung von Sachverständigen-Gutachten zu beurteilen.

 

Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist gemäß § 24 Abs 4 FSG hingegen ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen oder die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Im Anlassfall wurde vom Führerscheinreferat der Bezirkshauptmannschaft zwar formal ein Ermittlungsverfahren gemäß § 7 Abs 3 FSG ? also ein solches auf Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit des Berufungswerbers ? eingeleitet, wobei allerdings keine weiteren Schritte in diese Richtung gesetzt wurden, sondern der Akt der Amtsärztin zwecks Erstellung eines Gutachtens über die gesundheitliche Eignung des Berufungswerbers überlassen wurde. Wie sich aus dem oben dargestellten Sachverhalt ergibt, entstanden ursprünglich keine Bedenken im Hinblick auf die verkehrspsychologische Eignung des Berufungswerbers und wurde die Beibringung einer diesbezüglichen Stellungnahme nicht gefordert. Erst acht Monate nach dem Vorfall wurde der Berufungswerber erstmals dazu aufgefordert. Die diesbezüglichen Bedenken wurden dabei nicht auf ein Untersuchungsergebnis der Amtsärztin gestützt, sondern allein auf den Sachverhalt, der der Behörde von der Einleitung des Verfahrens an bekannt war. Dies sind, wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, die folgenden Umstände:

 

Im Jahr 1995 wurde dem Berufungswerber die Lenkberechtigung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet für drei Monate entzogen. Im Jahr 1996 erfolgte eine neuerliche Entziehung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Freiland auf die Dauer von zwei Wochen. Mit Bescheid vom 23 04 2001 wurde eine Entziehung von drei Monaten wegen eines Alkoholdeliktes vom 15 04 2001 (Atemluftalkoholgehalt: 0,78 mg/l) ausgesprochen. Mit den Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 21 09 2002 sei schließlich mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgeblichen Vorschriften verstoßen worden. Außerdem habe der Berufungswerber nach dem Bericht des Gendarmeriepostens *** innerhalb kürzester Zeit zwei Mal ein äußerst aggressives Verhalten gezeigt.

 

Diese verkehrsauffällige Vorgeschichte lasse auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung schließen. Warum diese Bedenken erst acht Monate nach dem letzten Vorfall (bzw sieben Monate ab dem Zeitpunkt, in dem die Behörde davon Kenntnis erlangte) entstanden, ist dem angefochtenen Bescheid bzw dem Akt nicht zu entnehmen.

 

Das FSG und auch die FSG-GV enthalten keine Definition des Begriffes ?mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung?. Nach § 17 Abs 1 Z 2 FSG-GV ist die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs 2 FSG im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken. Mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn einem Lenker innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren die Lenkberechtigung dreimal entzogen wurde, oder wenn ein Lenker wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs 1 lit b oder c StVO bestraft wurde.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich daraus, dass von einer mangelnden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nur bei einem Verhalten gesprochen werden kann, bei dem es zu relativ schwer wiegenden Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften gekommen ist oder das bereits innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu mehreren Vorentziehungen geführt hat (vgl VwGH vom 30 09 2002, Zl 2002/11/0120).

 

Was die Entziehungen betrifft, sieht die FSG-GV einen 5-jährigen Beurteilungszeitraum vor. Bezüglich straßenverkehrsrechtlicher Übertretungen ist ebenfalls von einem Beurteilungszeitraum von 5 Jahren auszugehen, weil verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen nach Ablauf dieser Zeit getilgt sind (§ 55 Abs 1 VStG). Nur bei Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit dürfen derartig getilgte Strafen aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 7 Abs 5 FSG) im Rahmen der Wertung herangezogen werden. Sohin verbleiben im Anlassfall von den oben geschilderten Entziehungen bzw Delikten die Übertretung des § 99 Abs 1a StVO (vom 15 04 2001) und eine deswegen erfolgte Entziehung der Lenkberechtigung von drei Monaten. Wegen der Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 21 09 2002 wurde der Berufungswerber mit erstinstanzlichem Straferkenntnis vom 02 04 2003, Zl 300-8085-2002, bestraft, wobei der Bescheid noch nicht rechtskräftig ist. Es wurde ihm vorgeworfen, im Zuge einer Fahrt in drei Ortsgebieten sowie auf einer Strecke im Freiland die höchstzulässige Geschwindigkeit erheblich überschritten zu haben. Sohin liegen Übertretungen oder Entziehungen bei denen nach § 17 Abs 1 FSG-GV jedenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung auszugehen wäre (ds drei Entzüge in fünf Jahren oder eine Verweigerung des Alkotestes bzw. der Blutabnahme), nicht vor. Aus dem einen Alkoholdelikt und der daran anschließenden Entziehung der Lenkberechtigung allein kann die mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung auch nach dem ersten Satz des § 17 Abs 1 FSG-GV nicht abgeleitet werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Berufungswerber außerdem die ihm im vorstehend zitierten Straferkenntnis zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen hat, reicht dies nach dem Gesagten zur schlüssigen Begründung des Verdachtes, dass der Berufungswerber nicht willens oder nicht in der Lage ist, sein Verhalten an die Erfordernisse des Straßenverkehrs anzupassen, nicht aus. Nach dem FSG ist in einem solchen Verhalten allenfalls eine d ie Verkehrszuverlässigkeit betreffende Tatsache zu sehen. Erhebliche Überschreitungen der jeweils höchstzulässigen Geschwindigkeit können nach dem bereits oben wiedergegebenen § 7 Abs 3 Z 3 FSG als bestimmte Tatsache gelten, die auf Grund einer durchzuführenden Wertung (§ 7 Abs 4 und Abs 5 FSG) die Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers begründen kann. Das allerdings wurde im Anlassfall nicht geprüft und ist daher  nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

 

Abschließend sei noch auf das von der Bezirkshauptmannschaft zur Begründung ihres Bescheides angeführte aggressive Verhalten des Berufungswerbers anlässlich seiner Anhaltung (indem er den Beamten die Warn- und Erste-Hilfe-Einrichtung entgegenschleuderte) eingegangen. Dieses ist zwar als grob ungehörig zu qualifizieren, kann nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber ebenfalls nicht den Verdacht der mangelnden gesundheitlichen Eignung zum Lenken eines Fahrzeuges begründen (VwGH vom 21 04 1998, Zl 96/11/0170). Dies trifft auch auf den weiters angezogenen Vorfall vom 08 10 2002 zu, der eine gewerberechtliche Überprüfung betraf. Das vom Berufungswerber dabei gesetzte Verhalten mag gesetzwidrig und strafbar gewesen sein, es stand jedoch in keinem näheren Zusammenhang zu kraftfahrrechtlichen oder straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften. Ein Mangel zur Bereitschaft an Verkehrsanpassung wird dadurch also nicht indiziert.

Schlagworte
mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung, Verkehrszuverlässigkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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