TE UVS Wien 2004/10/29 01/11/8210/2004

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Veröffentlicht am 29.10.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat durch das Mitglied Dr. Leitner über die Beschwerde der Frau Yulan Z; chinesische Staatsangehörige, geb.: 24.9.1967, gegen die Verhängung und Dauer der  Schubhaft der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, zu Zahl III-1.117.545-FrB/04, vertreten durch Rechtsanwalt, zu der am 16.10.2004 um 10.55 Uhr mitgeteilten und durch Verfügung der erkennenden Behörde am 27.10.2004 aufgehobenen Schubhaft gemäß § 61 Abs 1 des Fremdengesetzes 1997 auf Basis des § 67a Abs 1 Zi 2 AVG in Verbindung mit § 72 Fremdengesetz ? ohne Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gem § 73 Abs 2 Zi 1 und 2 FrG 1997 und § 67d Abs 2 Zi 3 AVG ? entschieden:

Die Schubhaft wird gemäß § 67c Abs 3 AVG in Verbindung mit §§ 61, 72 und 73 Fremdengesetz sowie unter Einbeziehung des § 27 Ehegesetz 1938 für rechtswidrig erklärt.

Gemäß § 79a Abs 1 und Abs 2 AVG in Verbindung mit der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003, ist die belangte Behörde schuldig, der beschwerdeführenden Partei zH der ausgewiesenen Vertretung den Pauschalbetrag von Euro 660,80 für Schriftsatzaufwand zu ersetzen. Zahlbar binnen 14 Tagen ab Zustellung der Bescheidausfertigung bei sonstiger Exekution.

Die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) war aufgrund der Verfügung vom 27.10.2004 zu enthaften.

Text

1.] Mit Bescheid vom 12.10.2004 wurde zu III-1.117.545-FrB/04 gegen die Bf von der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, als belangte Behörde, die Schubhaft verhängt. Der Spruch des Bescheides führt aus, dass die Schubhaft gemäß § 61 FrG 1997 zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nach §§ 33 und 34 FrG, zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 FrG, zur Zurückschiebung nach § 55 FrG und zur Abschiebung nach § 56 FrG anzuordnen war. In der Begründung des Bescheides, worin der Beginn der Schubhaft nicht vermerkt ist, wird angeführt, dass die Bf in Wien aufgegriffen wurde (ein näherer Ort und Zeit des Aufgreifens fehlen). Die belangte Behörde stellte hiezu fest, dass sich die Bf seit 5 Jahren in Österreich aufhält und am 4.12.2002 mit dem Österreicher Kurt Konrad P eine Scheinehe eingegangen ist. Dies wäre im Zuge von Ermittlungen festgestellt worden. Sie habe mittlerweilen auf Basis dieser rechtsmissbräuchlich eingegangenen Ehe ebenfalls ihre beiden Kinder nach Österreich bringen lassen. Deswegen wäre die Schubhaft angemessen und verhältnismäßig. 1.1.] Dagegen wendet sich die an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gerichtete Beschwerde vom 22.10.2004, worin die Feststellungen der belangten Behörde, es handelt sich um eine rechtsmissbräuchlich eingegangene Scheinehe, als unwahre Behauptung zurückgewiesen wird. Die Ausführungen und Feststellungen der belangten Behörde, soweit sie sich mit dem chinesischen Ex-Gatten der Bf befassen, könnten letzterer nicht zugerechnet werden. Hingegen wäre die Ehe mit Herrn P aufrecht und rechtsgültig. Der Vorwurf und die darauf gründende Schubhaft wären unhaltbar.

2.] Mit Verfahrensanordnung vom 22.10.2004 wurde die belangte Behörde aufgefordert, den Verwaltungsakt vorzulegen und ihr die Möglichkeit eingeräumt eine Stellungnahme abzugeben. Am 25.10.2004 wurde der bezughabende Verwaltungsakt vorgelegt:

dieser beginnend mit einem Antrag der Bf auf Niederlassungsbewilligung an die BPD Wien vom 21.1.2003. Auf diesem ist orange unterlegt ?Verdacht auf Scheinehe" festgehalten. Dem Antrag ist eine chinesische Scheidungsurkunde mit beglaubigter Übersetzung angeschlossen, wonach am 16.9.2002 vor dem Volkgericht im Kreise Q die Bf rechtskräftig geschieden worden ist.

Ohne Begründung, woraus dieser Verdacht herleite, wurden am 15.3.2003 Erhebungen bei der Bf im Hinblick auf den Verdacht einer Scheinehe geführt, jedoch bestätigt, dass eine aufrechte Ehe und Lebensgemeinschaft mit dem Österreicher P vorliege. Auf Blatt 44 war die Bf hiezu einvernommen worden, 18.6.2003, und war ihr aus dem Umstand, dass sie den Namen ihres Gatten nicht darlegen konnte und sonstige Details (offenkundig aufgrund von Sprachschwierigkeiten) nicht benennen konnte, der Vorwurf gemacht, es handle sich um eine Scheinehe. Dieser Verdacht wurde jedoch durch die Aussage des Ehegatten (Blatt 55), vom 25.7.2003, nicht bestätigt und entschieden bestritten. Dennoch führte die belangte Behörde weiter Erhebungen im Hinblick auf den Verdacht einer Scheinehe und begründete die Abweisung des Niederlassungsantrages vom 21.1.2003, mit Bescheid vom 16.12.2003 (Blatt 58 ff) dahingehend, dass die Bedingung des § 49 Abs 1 FrG 1997 nicht erfüllt wäre, als die Behörde von keinem ?Angehörigen von Österreichern" ausgehen könne, da seitens der belangten Behörde eine Scheinehe ?festgestellt" wäre. Aufgrund fristgerechter Berufung durch die ausgewiesene Vertretung wurde von der Sicherheitsdirektion des Bundeslandes Wien zur Zahl: SD 138/04 am 3.2.2004 der Bescheid wegen erheblicher Verfahrensmängel nach § 66 Abs 2 AVG behoben und zurückverwiesen (Blatt 74ff).

Ein Erhebungsbericht vom 1.10.2004 (Seite 81) befasst sich mit ?dem Nachweis einer Scheinehe des chinesischen Ex-Gatten" der Bf, basierend ausschließlich auf polizeilichen Erhebungen. Tags davor (wenn auch chronologisch nachgereiht, Blatt 83), ist eine Niederschrift mit dem Gatten der Bf, worin dieser ? ohne Begründung für den Widerruf seiner ursprünglichen Einvernahme (Blatt 55) ? für die belangte Behörde aussagte, er habe mit der Bf eine ?Habsburgerehe" eingegangen.

Der ehemalige chinesische Gatte der Bf war aufgrund einer Anhaltemeldung vom 17.9.2004 einvernommen worden und hatte dabei den Vorwurf der belangten Behörde einer Scheinehe bestritten.

Auf Blatt 96 findet sich eine Anhaltemeldung der Bf mit 10.55 Uhr des 16.10.2004, wo sie in einem chinesischen Restaurant arbeitend aufgegriffen wurde. In der Niederschrift selben tags bestreitet die Bf das Vorliegen einer Scheinehe, weiters wurde ihr seitens der belangten Behörde der Verdacht der Urkundenfälschung vorgeworfen, weil sie sich in einer anderen Wohnung angemeldet hatte. Abweichend zur Chronologie findet sich auf Blatt 102 eine Ermächtigung nach § 71 Abs 1 FrG für das Betreten von drei näher genannten Räumlichkeiten, um der Bf habhaft zu werden. Selben Datum mit 12.10.2004 wurde auch der beschwerdeggstdl. Schubhaftbescheid zur Zahl: III-1.117.545- FrB/04 ausgestellt, auf diesem Bescheid ist weder der Beginn der Schubhaft, noch der Ort der Aufgreifung festgehalten, noch wurden die Gründe im Spruch näher spezifiziert, zumal offenkundig weder eine Zurückschiebung noch eine Ausweisung aus dem Verfahrensgang der belangten Behörde ableitbar ist. Der Bescheid wurde der Bf am 16.10.2004 um 10.55 Uhr zugestellt, ohne Beiziehung eines Dolmetsch, obwohl nachweislich keine Verständigung vorgelegen haben kann, ebenso wenig wurde die ausgewiesene Vertretung verständigt bzw an diese rechtswirksam zugestellt. Die Anhaltemeldung weist dazu aus, dass die Bf keine Beiziehung eines Rechtsbeistandes oder der konsularischen Vertretungsbehörde gewünscht habe, ohne dass dies durch einen Dolmetsch der Bf zur Kenntnis gebracht worden wäre und obwohl ihr in vorigen Niederschriften mangelnde Sprachkenntnisse attestiert, ja vorgeworfen wurden. (Blatt 97).

Im Verfahren ist weiter ein Aufenthaltsverbot mit 16.10.2004 enthalten sowie letztlich die Beschwerde nach § 72 FrG der ausgewiesenen Vertretung.

3.] Die Verhängung der Schubhaft vom 16.10.2004 als auch die Aufrechterhaltung der Schubhaft bis zum 27.10.2004 erweist sich gemäß § 67c Abs 3 AVG in Verbindung mit § 61, 72, 73 FrG sowie § 27 Ehegesetz als rechtswidrig.

3.1.] Vorauszuschicken ist, dass der Unabhängige Verwaltungssenat aufgrund der temporären Verzögerung durch Wochenende u Feiertag (26. Okt) sowie in Ansehung des umfangreichen Aktenmaterials und der damit korrelierenden zeitlichen Komponente bis zur BE-Erstellung in Wahrung des Rechts auf Schutz und Achtung der persönlichen Freiheit, gem Art 1 Abs 2 des BVG 1988 BGBl 684, mit Verfügung vom 27.10.2004 die sofortige Enthaftung der Bf anordnete und diese Verfügung mit Fax-Nachweis selben tags um 12.15 Uhr dem BfV und der belangten Behörde zustellte.

3.2.] In der Sache ist die Feststellung zu treffen, dass die belangte

Behörde die zwingende Norm der §§ 27 und 28 iVm § 20-25 des Ehegesetzes, deutsches Reichsgesetzblatt I S 807/1938 nicht beachtet hat. Auf Basis dieser zivilrechtlichen Bestimmung darf sich niemand auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen, solange nicht die Ehe durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist. Es kann somit in Anbetracht der Bestimmung des Ehegesetzes nicht angehen, dass die polizeiliche Behörde selbst außerhalb des gerichtlichen Verfahrens eine aufrechte gültige Ehe als Scheinehe und somit nichtige Ehe qualifiziert.

Die hiezu geführten ?Erhebungen" können das im Ehegesetz ausdrücklich vorgeschriebene unabhängige Gerichtsverfahren nicht ersetzen. Ungeachtet des Umstandes, dass die Begründung für die ?festgestellte Scheinehe" unschlüssig ist, zumal nicht begründet ist,

weswegen der Ehegatte auf Blatt 83 seine ursprünglichen Ausführungen (Blatt 55) widerrufen hatte.

Es ergeht der Hinweis, dass die Abweisung des Antrages auf Bewilligung der Niederlassung (Blatt 58) dieselbe unzulässige Beurteilung der Scheinehe zugrunde legte, ungeachtet des Fehlens des rechtsgestaltenden Aktes durch ein unabhängiges Gericht. Abschließend ist festzuhalten, dass der vorliegende Schubhaftbescheid erhebliche formale Mängel ausweist, als er weder den Zeitpunkt der Schubhaft noch den Ort der Aufgreifung, noch die näheren Gründe für die Erlassung der Schubhaft nach § 61 Abs 1 FrG 1997 ausweist. Weiters wurde der Bescheid ohne Beisein eines Dolmetsches zugestellt und nicht an die ausgewiesene Vertretung, deren Vollmachtsbekanntgabe bereits mit 30.12.2003 aktenkundig ist, zugestellt.

Aufgrund dieser erheblichen Verfahrensmängel und Missachtung zwingender Bestimmungen des Eherechts, ist der bekämpfte Schubhaftbescheid mit Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit behaftet und war daher umgehend aufzuheben.

Auch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Subsidiarität der Schubhaft bei Vorliegen eines gelinderen Mittels nach § 66 FrG 1997 ist die Feststellung zu treffen, dass eine derartige Abwägung nur mit unzureichender Begründung vorgenommen wurde. Die belangte Behörde trifft selbst die Feststellung, dass die Bf seit zumindest 5 Jahren im Bundesgebiet aufhältig ist, seit 2 Jahren in aufrechter Ehe und wurde sie an ihrem

Arbeitsplatz aufgegriffen, wie die vorliegende Anhaltemeldung belegt. Es liegen somit keinerlei Verdachtsmomente dahingehend vor, die Bf habe sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen versucht. Insbesondere ist der Parameter nach § 66 Abs 1 leg cit, nämlich der freiwilligen Zustimmung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, nachweislich erfüllt und musste somit der vorliegende Schubhaftbescheid auch unter diesem Blickwinkel auf Bedenken stoßen.

4.] Kosten:

Gemäß § 79a Abs 1, 2 und 4 AVG ist die beschwerdeführende Partei als obsiegende Partei anzusehen. Es ist aufgrund der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II 334/2003, für die Erstellung des Schriftsatzes der Pauschalbetrag von Euro 660,80 zuzusprechen. Das Mehrbegehren des Vertreters der beschwerdeführenden Partei von Euro 131,20 ist als unbegründet abzuweisen. Der Ersatz der Bundesstempelmarke in der Höhe von Euro 13,-- war nicht zuzusprechen, da die Eingabe ? unzulässigerweise - nicht vergebührt war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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