TE UVS Tirol 2006/11/13 2006/22/2827-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.11.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl   über die Berufung der M. M.-U.-T.-Entsorgung GmbH, XY-Straße 2, K., vertreten durch Dr. T. T., Mag. M. K., Mag. H. B., Rechtsanwälte in K., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 29.09.2006, Zl 4-U-794/54, betreffend den Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes nach § 79 Abs 3 GewO 1994 wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Text

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 10.02.2000, Zl 2.1-473/7, wurde die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der gegenständlichen Klärschlammkompostieranlage erteilt. Entsprechend dem Projekt bzw der Betriebsbeschreibung war die Anlage für eine Klärschlammmenge von maximal 1.500 m3 jährlich bemessen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 20.03.2001, Zl 2.1-473/24, wurde die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der Klärschlammkompostieranlage (Erweiterung) erteilt. Entsprechend dem Projekt bzw der Betriebsbeschreibung wurde die Anlage für eine Klärschlammenge von maximal 4.000 m3 jährlich bemessen. Der Mietenquerschnitt der beiden Hauptrotten wurde mit 2,25 m2 (Dreiecksmieten mit einer Fußbreite von 3 m und einer Höhe von 1,5 m) sowie bei Verwendung eines so genannten Mietenstreuers mit 5,25 m2 (Trapezmieten mit einer Fußbreite von 5m und einer Höhe von 1,5 m) festgelegt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 31.03.2003, Zl 4-U-794/6, vom 24.07.2003, Zl 4-U-794/17, und vom 19.07.2004, Zl 4-U-794/24, wurden zur Vermeidung bzw Minimierung von aufgetretenen Geruchsbelästigungen aus der gegenständlichen Betriebsanlage gemäß § 79 Abs 1 GewO 1994 andere bzw zusätzliche Auflagen vorgeschrieben. Sämtliche vorgenannten Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 03.04.2006, Zl 4-U-794/4, wurden (neuerlich) gemäß § 79 Abs 1 GewO 1994 die nachstehend angeführten zusätzliche Auflagen vorgeschrieben:

1. Der Klärschlamm-Input darf pro Jahr 1.200 m3 und pro Quartal 400 m3 (jeweils mit ca 30 Prozent Trockensubstanz) nicht überschreiten. Die Menge ist demgemäß in etwa gleichmäßig auf die 12 Monate pro Jahr zu verteilen.

2. Der Mietenquerschnitt darf ein Ausmaß von 3 m Fußbreite und 1,5 m Höhe nicht überschreiten (wie im Projekt vorgesehen).

3. Die Kennzeichnung der Haupt- und Nachrottemieten hat dann zu erfolgen, wenn die Miete in voller Länge aufgesetzt ist (mit entsprechender Datumsangabe), um die mindestens 6 Wochen dauernde Verweilzeit der Haupt- und Nachrotten nachvollziehbar überprüfen zu können.

4. Die Lüftungsaggregate für die Hauptrottenbelüftung sind schalltechnisch so zu verkleiden, dass der vorherrschende Umgebungsgeräuschpegel beim nächstgelegenen Nachbarn in seiner Höhe und seinem Frequenzspektrum nicht angehoben wird.

 

Mit Berufungserkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 16.08.2006, uvs-2006/11/1148-3, wurden die oben angeführten Auflagen 1. und 2. behoben sowie der Bescheid bezüglich der Vorschreibung der Auflage 4. behoben und die Angelegenheit insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Imst zurückverwiesen. Die Vorschreibung der Auflage Punkt 3. ist infolge Zurückziehung der Berufung in Rechtskraft erwachsen.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 29.09.2006, Zl 4-U-794/54, wurde die Berufungswerberin aufgefordert, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides, gemäß § 79 Abs 3 GewO 1994 ein Sanierungskonzept vorzulegen. Das Sanierungskonzept habe geeignete Maßnahmen zu umfassen, durch welche gewährleistet werde, dass der nächstgelegene Nachbar, nämlich die Bewohner des Wohnhauses der Familie S. in S., XY-Siedlung 2, nicht unzumutbar belästigt werden. Dementsprechend sei durch geeignete Maßnahmen eine Reduktion der Geruchsimmissionen bei den genannten Nachbarn auf maximal 10 Prozent der Geruchsjahresstunden gemäß Geruchsimmissionsrichtlinie des Landes Nordrhein-Westfahlen (GIRL) zu bewirken. Gegen diesen Bescheid hat die rechtsfreundlich vertretene Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben und darin ausgeführt wie folgt:

 

?In der umseits näher bezeichneten Rechtssache erstattet die Berufungswerberin durch ihren ausgewiesenen und bevollmächtigten Vertreter gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 29.9.2006, zugestellt am 3.10.2006, binnen offener Frist nachstehende

BERUFUNG:

Der Bescheid wird seinem gesamten Inhalte nach bekämpft, im Einzelnen wird dazu ausgeführt wie folgt:

 

1) Durch das Berufungserkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol steht Zweifels ohne fest, dass die von der Bezirkshauptmannschaft Imst mit Bescheid vom 3.4.2006 erteilten Auflagen derartig gravierend sind, dass damit in die Substanz der Betriebsanlage eingegriffen würde, sodass solche Auflagen nicht zulässig sind, sondern in diesen Fällen die Behörde ein Sanierungskonzept vorzuschreiben hat. Damit ist aber in keiner Weise die Frage geklärt, ob und inwieweit überhaupt von der Anlage der Fa M. Belästigungen ausgehen, die berechtigterweise zu Anrainerbeschwerden führen bzw bei denen allenfalls sogar eine Gesundheitsgefährdung besteht. Im vorliegenden Fall wurde im angefochtenen Bescheid als Ziel des vorzulegenden Sanierungskonzeptes vorgegeben, dass durch geeignete Maßnahmen eine Reduktion der Geruchsemissionen bei den definierten Nachbarn auf maximal 10 Prozent der Geruchsjahresstunden gemäß Geruchsemissionsrichtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen bewirkt wird, um eine Gesundheitsgefährdung dieser Nachbarn zu vermeiden.

 

Um ein solches Sanierungsziel vorschreiben zu können, müsste aber zunächst einmal eindeutig feststehen, dass derzeit das Maß von 10 Prozent der Geruchsjahresstunden tatsächlich überschritten wird.

 

Die Behörde hat seit den letzten Untersuchungen und der letzten mündlichen Verhandlung diesbezüglich aber keinerlei Veranlassungen mehr getroffen, sodass sich die Situation nach wie vor so darstellt, dass für den vorliegenden Bescheid schlichtweg jegliche Tatsachengrundlage fehlt.

 

Das Verfahren zur Feststellung des eigentlichen Problems, nämlich der behaupteten Geruchsbelästigung über ein gewisses Ausmaß hinaus, ist nach wie vor mangelhaft und kann daher keine Grundlage dafür sein, dass dem Anlagenbetreiber ein aufwendiges Sanierungskonzept vorgeschrieben wird. Für die gegenständliche Anlage ist ein Sanierungskonzept nicht notwendig, da die Geruchsbelastung unter den Grenzwerten liegt und die von der Behörde behauptete Überschreitung nur auf völlig unzulässige und mangelhafte Messergebnisse zurückzuführen ist.

 

2) Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass selbst der im Bescheid zitierte Amtssachverständige kein einschlägiger Gutachter im Bereich der olfaktorischen Feststellungen ist. Umso weniger ist er dazu befugt oder in der Lage, andere Personen einzuschulen. Tatsächlich hat eine solche Einschulung gar nicht stattgefunden, sondern wird jetzt erstmals die Behauptung aufgestellt, die Ergebnisse der anderen Probanden wären durch den Amtssachverständigen geprüft worden. Eine solche Vorgangsweise ist sicherlich nicht möglich, da es ja damit eine einzige Person in der Hand hätte, die eigene Wahrnehmung zum Maßstab aller anderen Wahrnehmungen zu machen.

 

Aus diesem Grund hat die Berufungswerberin bereits mehrfach angeregt, dass hier ein standardisiertes Verfahren mit ausgebildeten und zertifizierten Sachverständigen stattfinden muss, damit die von diesen gesammelten Eindrücke tatsächlich objektivierbar sind. Es geht hier immerhin um eine behördliches Verfahren, dessen Ergebnis eminente wirtschaftliche Auswirkungen auf die Betreiberin haben kann, sodass der bloße Eindruck ungeschulter Personen, ein Geruch werde festgestellt oder nicht, sicherlich keinerlei Grundlage für eine Entscheidung sein kann.

 

Dazu kommt noch, dass die Untersuchungsergebnisse klar und deutlich zeigen, dass hier keine entsprechende Verteilung über das Jahr gesehen stattgefunden hat, sodass das Ergebnis in keiner Weise aussagekräftig ist. Durch eine willkürliche Festlegung der Messtermine lässt sich das Ergebnis in jede Richtung verändern. Es wäre daher durchaus möglich gewesen, für die Betreiberin ein deutlich besseres Ergebnis zu erzielen, wenn zu anderen Zeitpunkten gemessen worden wäre.

 

Da auch im angefochtenen Bescheid von Geruchsjahresstunden die Rede ist, kann eben nur der Zeitraum eines Kalenderjahres als aussagekräftiger Messzeitraum herangezogen werden. Man stelle sich vor, es würde eine Sanierung stattfinden und die Behörde könnte dann ganz einfach die Messungen wiederum zu anderen Zeitpunkten durchführen und damit das Ergebnis verändern. In einem rechtsstaatlichen Verfahren kann es auf Zufälligkeiten nicht ankommen, sondern sind natürlich auch die Interessen der Betreiberin entsprechend zu wahren. Es ist nach sachlichen Grundsätzen vorzugehen, wozu sicher gehört, das einerseits taugliche Sachverständige verwendet werden, andererseits diese Sachverständigen sich dann auch an klare Regeln halten und damit zu aussagekräftigen Ergebnissen kommen.

 

Auf die entsprechenden Ausführungen in der Berufungsschrift vom 6.4.2006 wird ausdrücklich nochmals verwiesen, sodass nicht sämtliche Argumente nochmals wiederholt werden müssen.

 

Es sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass auch die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass laut dem medizinischen Amtssachverständigen die auftretenden Geruchsemissionen zu Gesundheitsschädigungen führen können, in keiner Weise durch Fakten untermauert ist. Es wurde bereits ausgeführt, dass in keiner Weise feststeht, von welcher Geruchszusammensetzung der Sachverständigen ausgeht, bei welchen Gerüchen es sich um solche handelt, die als ekelerregend bezeichnet werden können und hat sich ja bereits im Verfahren ergeben, dass der medizinische Sachverständige selbst an keiner einzigen Messung teilgenommen hat, sodass er gar nicht wissen kann, von welcher Art von Gerüchen hier konkret die Rede ist.

 

Fragen der Gesundheitsgefährdung sind natürlich ernst zu nehmen, umso mehr kann aber erwartet werden, dass die Behauptung einer Gesundheitsgefährdung durch objektive Fakten untermauert wird. Es kann nicht so weit gehen, dass die Behauptung über eine Gesundheitsgefährdung schon deshalb für die Behörde relevant ist, weil sie von einem medizinischen Sachverständigen aufgestellt wird. Die Behörde hat auch hier kritisch zu hinterfragen, welche Grundlagen diesem Sachverständigen für seine Beurteilung zur Verfügung stehen und aufgrund welcher fachlich anerkannten Methoden er zu seinem Schluss gekommen ist. Dies alles fehlt dem bisherigen Verfahren, sodass sich die Betreiberin gegen die erhobenen Vorwürfe bislang auch in keiner Weise zur Wehr setzen kann. Wenn nicht klar ist, wie die Sachverständigen zu ihren allgemein gehaltenen Aussagen kommen, so kann auch deren fachliche Richtigkeit nicht geprüft und hinterfragt werden. Dies kann aber aufgrund der bloßen Behauptungen der Sachverständigen bislang auch die Behörde nicht. Damit ist es ihr aber auch verwehrt, aus diesen nicht näher fundierten Äußerungen rechtliche Schlüsse zu ziehen.

 

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass bislang in keiner Weise feststeht, dass es zu erheblichen Geruchsbelästigungen kommt, die mit irgendeiner Grenzwertüberschreitung verbunden sind. Weiters steht in keiner Weise fest, ob und welche Gesundheitsgefährdung davon ausgeht und warum dies der Fall sein soll. Damit fehlt aber jegliche Grundlage zur Vorschreibung schärferer Auflagen, womit auch nicht beurteilt werden kann, ob die Vorlage eines Sanierungskonzeptes erforderlich ist. Dies wurde von der Oberbehörde bislang nur angenommen, weil die vorgeschriebenen Auflagen jedenfalls über das gesetzlich zulässige Maß hinausgehen und anstatt solcher Auflagen dann gleich schon ein Sanierungskonzept zu beschließen wäre. Dabei wird aber immer zugrunde gelegt, dass die im Bescheid angeführte Problematik tatsächlich in dieser Schärfe besteht, was aber bislang in keiner Weise nachgewiesen ist. Umgekehrt steht aber fest, dass bei einer anderen zeitlichen Verteilung der Messungen schon mit den bisherigen mangelhaften Erhebungsergebnissen jedenfalls ein für die Betreiberin günstiges Ergebnis herausgekommen wäre, womit sich jegliche Diskussion über weitere Auflagen erledigen würde.

 

Es wird daher gestellt der BERUFUNGSANTRAG:

Der vorliegenden Berufung in sämtlichen Punkten Folge zugeben und

den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.?

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 359a GewO 1994 können Entscheidungen in I. Instanz in Verfahren betreffend Betriebsanlagen unmittelbar beim Unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden.

Gemäß § 67h Abs 1 AVG gilt in den Angelegenheiten des § 67a Abs Z der § 66 mit der Maßgabe, dass der Unabhängige Verwaltungssenat dann gemäß § 66 Abs 4 in der Sache zu entscheiden hat, wenn die belangte Behörde dem nicht bei der Vorlage der Berufung unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht.

Ein Ausschluss der Befugnis zur Sachentscheidung durch die Erstinstanz ist nicht erfolgt. Der erstinstanzliche Bescheid nimmt Bezug auf eine Betriebsanlage. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (zu einer Sachentscheidung) ist somit grundsätzlich gegeben.

 

Zu berücksichtigen sind dabei nachfolgende Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl 51, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I 2004/10 (AVG):

 

?§ 64

(1) Rechtzeitig eingebrachte Berufungen haben aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

 

§ 66

?

(2) Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

?

(4) Außer dem in Abs 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Schließlich sind im gegenständlichen Fall noch folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, BGBl 194 idF BGBl I 2006/84 (GewO 1994), als maßgebend anzusehen:

 

?§ 74

(1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl Nr 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

?

§ 77

(1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, dass bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen bestehen.

?

 

§ 79

(1) Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs 1) vorzuschreiben; ... Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

(2) Zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs 2 und 3 geworden sind, sind Auflagen im Sinne des Abs 1 nur soweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind. Auflagen im Sinne des Abs. 1 zur Vermeidung einer über die unmittelbare Nachbarschaft hinausreichenden beträchtlichen Belastung durch Luftschadstoffe, Lärm oder gefährliche Abfälle sind, sofern sie nicht unter den ersten Satz fallen, zugunsten solcher Personen nur dann vorzuschreiben, wenn diese Auflagen im Sinne des Abs 1 verhältnismäßig sind.

(3) Könnte der hinreichende Schutz der gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen nach Abs 1 oder 2 nur durch die Vorschreibung solcher anderer oder zusätzlicher Auflagen erreicht werden, durch die die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändert würde, so hat die Behörde dem Inhaber der Anlage mit Bescheid aufzutragen, zur Erreichung des hinreichenden Interessenschutzes und der Begrenzung der Emissionen von Luftschadstoffen nach dem Stand der Technik innerhalb einer dem hiefür erforderlichen Zeitaufwand angemessenen Frist ein Sanierungskonzept für die Anlage zur Genehmigung vorzulegen; für dieses Sanierungskonzept ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Abs 1) maßgebend. Im Bescheid, mit dem die Sanierung genehmigt wird, hat die Behörde, erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter Auflagen, eine dem Zeitaufwand für die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen entsprechende Frist zur Durchführung der Sanierung festzulegen. § 81 Abs 1 ist auf diese Sanierung nicht anzuwenden.

??

 

In einem Bescheid nach 79 Abs 3 GewO 1994, mit dem der Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes erteilt wird, ist das Sanierungsziel möglichst genau zu umschreiben. Diese Forderung lässt sich aus der Formulierung in § 79 Abs 3 GewO 1994  ??zur Erreichung des hinreichenden Interessenschutzes und der Begrenzung der Emissionen von Luftschadstoffen nach dem Stand der Technik?? ableiten (vgl die Nachweise bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung 1994(2) (2003) § 79 Rz 25f). Die Behörde erster Instanz wählte dazu folgende Formulierung:

?Dementsprechend ist durch geeignete Maßnahmen eine Reduktion der Geruchsimmissionen bei den genannten Nachbarn auf maximal 10 Prozent der Geruchsjahresstunden gemäß Geruchsimmissionsrichtlinie des Landes Nordrhein-Westfahlen (GIRL) zu bewirken.?

In der GIRL (in der Fassung vom 21.09.2004), die zweifellos in Bezug auf die Feststellung und Beurteilung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen den Stand der Technik normiert, werden die Immissions(grenz)werte (IW) für Wohn und Mischgebiete mit 10 Prozent, bezogen auf die Überschreitungshäufigkeit an Jahresstunden bei der Geruchsschwelle, festgelegt (vgl GIRL Punkt 3.1 und die Tabelle 1). In seiner Gutachtensergänzung vom 30.01.2006 weist der umwelttechnische Amtssachverständige des Amtes der Tiroler Landesregierung, Abteilung Waldschutz, DI E., darauf hin, dass der ermittelte Wert von 11,5 Prozent an Geruchsstundenhäufigkeit bei der Messstelle ?S.?

lediglich einen Mittelwert über alle erhobenen Messwerte darstellt. Dieser Wert ist jedoch aufgrund der Ungleichgewichtung an Begehungen

nicht als Jahresmittel repräsentativ. In dieser Ergänzung ist weiters ausgeführt, dass sich für das Sommerhalbjahr Werte von ca 13 bis 14 Prozent und im Winterhalbjahr von ca 4 bis 5 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit ergeben haben.

In einer Besprechung vom 24.10.2006 bestätigte der umwelttechnische Amtssachverständige DI E. die Annahme der Berufungsbehörde, dass das nunmehr vorgeschriebene Sanierungsziel mit seinen gutachterlichen Aussagen nicht in Einklang zu bringen ist. Ginge man nämlich davon aus, dass sowohl Sommer- als auch Winterhalbjahr gleich 6 Monate sind, ergäbe dies im gegenständlichen Fall einen Jahresmittelwert von jedenfalls kleiner als 10 Prozent und läge daher bezogen auf eine Jahresbetrachtung keine Grenzwertüberschreitung nach der GIRL vor. Auch der medizinische Sachverständige stellt in seiner gutachterlichen Aussage anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2006 (siehe Verhandlungsniederschrift Seite 3 oben) offenkundig auf den in der GIRL angegebenen Grenzwert von 10 Prozent (allerdings bezogen auf die Überschreitungshäufigkeit an Jahresstunden ? so) ab und erklärt, ?deshalb sei die derzeitige Geruchsbelästigung (in den Sommermonate wie oben angeführt ca 13 bis 14 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit) für den nächstgelegenen Nachbar als unzumutbar zu beurteilen.? Tatsächlich lässt sich aus den Aussagen im Gutachten DI E. grundsätzlich keine Überschreitung des Grenzwertes nach der GIRL ableiten.

Selbstredend und sohin in der Berufung zu Recht vorgebracht, ist ein Vorgehen nach § 79 Abs 3 GewO 1994 nur dann zulässig, wenn ein genehmigter Gewerbebetrieb zu einer unzumutbaren Belästigung bzw Gesundheitsgefährdung von Nachbarn führt. Die Behörde I. Instanz ist gegenständlich davon ausgegangen, dass der Grenzwert nach der GIRL von 10 Prozent, bezogen auf die Überschreitungshäufigkeit an Jahresstunden, bei der Messstelle ?S.? nicht eingehalten wurde und schrieb diesen Wert als Sanierungsziel vor, obwohl nach den vorliegenden gutachterlichen Aussagen des umwelttechnischen Sachverständigen dieser Grenzwert bei einer erforderlichen Jahresbetrachtung jedenfalls unterschritten ist. Damit hat sie jedoch ein Sanierungsziel vorgeschrieben, das so keine Grundlage in den bisherigen Aussagen der beigezogenen Sachverständigen hat. Eine allfällige Sanierung dieses Mangels durch die Berufungsbehörde scheidet jedoch aus, zumal die Berufungsbehörde nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH 22.02.1996, 95/06/0031) trotz ihrer Berechtigung, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung hin abzuändern, auf die Beurteilung der Sache beschränkt bleibt. Sache des Berufungsverfahrens ist immer die Angelegenheit, die Gegenstand des Verfahrens bzw den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bildet. Die Berufungsbehörde ist daher nur im Rahmen der von der erstinstanzlichen Behörde behandelten Sache zu einer Spruchänderung berechtigt. Sache des erstinstanzlichen Verfahrens war der Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes, verbunden mit der spruchgemäßen Vorschreibung eines konkreten Sanierungszieles. Die Vorschreibung eines allenfalls anderen Sanierungszieles durch die Berufungsbehörde würde daher einer unzulässigen Auswechslung der Sache gleichkommen und war daher spruchgemäß zu entscheiden. Nur ergänzend wird seitens der Berufungsbehörde auf das weitere Ergebnis der Besprechung mit dem umwelttechnischen Sachverständigen DI E. vom 24.10.2006 hingewiesen, wonach die Splittung in Sommerhalb- und Winterhalbjahr aus technischer Sicht dem medizinischen Sachverständigen die Grundlage für eine Beurteilung dahingehend  schaffen sollte, ob eine ?bloß? ca sechsmonatige, dafür aber erhebliche Grenzwertüberschreitung im Lichte einer (allenfalls durchzuführenden) Einzelfallbeurteilung nach Punkt 5. der GIRL (siehe dazu auch die entsprechende ?Begründung und Auslegungshinweise? zur GIRL) aus medizinischer Sicht zu einer erheblichen Belästigung bzw Gesundheitsgefährdung für die Nachbarn führt. Zu Punkt 5. der GIRL (?Beurteilung im Einzelfall?) führen die ?Begründung und Auslegungshinweise? aus, dass in jenen Fällen, in denen Gerüche nur an wenigen Tagen im Jahr auftreten, dann aber gehäuft und/oder sie wegen der besonderen Witterungsverhältnisse (zB Hochsommer), ihrer Intensität und/oder Unüblichkeit besonders geeignet sind, erhebliche Belästigungen hervorzurufen, die der Beurteilung zugrunde liegenden Werte gegenüber den Immissionswerten verringert (zB um die Hälfte) werden können. Dies könnte aus technischer Sicht dazu führen, dass bereits eine Überschreitung eines Wertes von 5 Prozent der Geruchsjahresstunden uU als Sanierungsziel angesetzt werden könnte. Um diese zu beurteilen, müsste jedoch der medizinische Sachverständige eingehend mit dieser Frage befasst werden. Aus technischer Sicht würde er eine Ganzjahresbetrachtung einer Betrachtung eines näher zu definierenden ?Sommerhalbjahres? vorziehen.

 

Es erscheint daher der Berufungsbehörde in Einklang mit dem umwelttechnischen Sachverständigen unumgänglich, dass ein medizinischer Sachverständiger, aufbauend auf dem Gutachten des umwelttechnischen Sachverständigen DI E. vom 06.10.2005 samt Ergänzung vom 30.01.2006 in Form eines Gutachtens, mithin schlüssig und nachvollziehbar, bezogen auf die in der GIRL (oder sonstigen einschlägige Regelwerke - vgl etwa die vom umwelttechnischen Sachverständige angesprochenen Bewertungskriterien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) formulierten Ansätze (hier insbesondere die Grenzwertfestlegung in Bezug auf die Überschreitungshäufigkeit an Jahresstunden oder eine, besonders zu begründende Beurteilung im Einzelfall) eine Aussage trifft, ob nun aus medizinischer Sicht eine (erhebliche) Belästigung (welcher Art) oder gar Gesundheitsgefährdung für die Nachbarn vorliegt. Je nach Ergebnis wird die Behörde in der Folge, allenfalls in Zusammenarbeit mit diesen Sachverständigen, ein zur Wahrung des Interessensschutzes hinreichendes Sanierungsziel festlegen müssen.

 

Gebührenrechtlicher Hinweis:

Für die Vergebührung der Berufung ist eine Gebühr von Euro 13,00 bei der Bezirkshauptmannschaft Imst einzuzahlen.

Schlagworte
Damit, hat, sie, jedoch, ein, Sanierungsziel, vorgeschrieben, das, so, keine, Grundlage, in, den, bisherigen, Aussagen, der, beigezogenen, Sachverständigen, hat, Sanierungskonzept
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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