Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Dr. Giefing über die Berufung des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vertreten durch Herrn ***, Rechtsanwalt in ***, vom 6.2.2006, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 23.1.2006, Zl. 300-254-2005, wegen Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG in der heutigen Verhandlung zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
Mit angefochtenem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 23.1.2006, Zl. 300-254-2005, wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der *** m.b.H mit Sitz in *** und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ eines Arbeitgebers zu verantworten, dass das Unternehmen am 24.11.2004 auf der Baustelle in *** die Arbeitsleistung der drei ungarischen Staatsangehörigen *** sen., *** jun. und *** in Anspruch genommen habe, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne Betriebssitz im Inland und ohne Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung beschäftigt worden sind. Der Berufungswerber wurde gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm.
§ 18 Abs. 1 AuslBG wegen unberechtigter Inanspruchnahme von Ausländern nach § 28 Abs. 1 Z 1 erster Strafsatz AuslBG zu einer Geldstrafe von 1000 Euro pro beschäftigtem Ausländer (also insgesamt 3000 Euro) und zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 72 Stunden pro beschäftigtem Ausländer verurteilt.
Dagegen erhob der Beschuldigte rechtzeitig Berufung mit der Begründung, dass es sich bei *** sen., *** jun. und *** um Gesellschafter der Bau *** (einer ungarischen Personengesellschaft) handelt, denen aufgrund ihrer Gesellschafterstellung keine Arbeitnehmereigenschaft nach dem AuslBG zukomme, sondern sie vielmehr als selbständig Erwerbstätige anzusehen seien.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat über die Berufung erwogen:
Die österreichische Firma *** m.b.H., deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschuldigte ist, beauftragte im Wege eines schriftlich abgeschlossenen "Werkvertrages" vom 23.11.2004 die im ungarischen Firmenbuch eingetragene Firma Bau***, mit Firmensitz in H-*** mit der Abtragung eines beschädigten Blechdaches auf einer Baustelle in A-***.
Die ungarische Firma Bau *** bestand (zu dem für die Beurteilung der Rechtsfragen maßgeblichem Tatzeitpunkt) aus drei Gesellschaftern:
den laut Firmenbuch zur Firmenzeichnung Berechtigten *** sen. (geb. ***), *** (geb. ***) sowie dem Sohn des ***, *** (geb. ***). *** sen. ist Maurermeister in Ungarn (ein in Deutsch übersetzter Meisterbrief befindet sich im Verwaltungsakt), über die berufliche Ausbildung und Tätigkeit der beiden anderen ungarischen Gesellschafter bestehen keine näheren Informationen.
Am 24.11.2004 reisten die drei ungarischen Gesellschafter der erwähnten *** nach Österreich ein und waren alle drei Gesellschafter mit der Demontage des durch einen Sturm beschädigten Blechdaches auf der Baustelle in A-*** beschäftigt. Bei diesen Arbeiten verunglückte *** jun. (geb. *** tödlich.
In der Folge wurde der Berufungswerber von der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg wegen Inanspruchnahme der ungarischen Arbeiter nach § 18 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b AuslBG zur Zahlung von insgesamt 3000 Euro bestraft, weil für diese Arbeiter keine Beschäftigungsbewilligung eingeholt worden ist.
Dieser nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem UVS als erwiesen angenommene Sachverhalt wurde im Verwaltungsverfahren von den Verfahrensparteien nicht in Streit gestellt.
§ 18 Abs. 1 erster Satz AuslBG lautet:
"Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, bedürfen, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, einer Beschäftigungsbewilligung."
§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. b AuslBG lautet:
"Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz in Inland beschäftigt wird, in Anspruch nimmt, ohne dass für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung [...] erteilt wurde."
Die hier als Bauspenglerei zu wertende Tätigkeit der drei ungarischen Staatsangehörigen ist vom Übergangsarrangement des EU-Beitrittsvertrages mit Ungarn mitumfasst, sodass für diese Tätigkeit grundsätzlich eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich wäre (vgl. § 32a Abs. 6 iVm. 18 Abs. 11 AuslBG)
Voraussetzung für die Strafbarkeit des Beschuldigten nach § 18 AuslBG ist die Inanspruchnahme von aus einem ungarischen Unternehmen (mit ausschließlichem Betriebssitz in Ungarn) entsandten Arbeitern. Die Inanspruchnahme der Arbeitsleistung des selbständigen ungarischen Unternehmers (dh. dem ungarischen Arbeitgeber der entsandten ungarischen Arbeiter) selbst, ist nicht strafbar. Dies ergibt sich bereits aus der EG-Dienstleistungsfreiheit.
Voraussetzung für die Strafbarkeit der Inanspruchnahme betriebsentsandter ungarischen Arbeiter ist weiters, dass diese Arbeiter in einem Beschäftigungsverhältnis zum ungarischen Unternehmer stehen. Wenn sie selbständig tätig werden - dh. nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen - ist die Inanspruchnahme der ungarischen Arbeiter nicht nach dem AuslBG strafbar.
Die Frage aber, ob den Gesellschaftern der ungarischen ***, Arbeitnehmereigenschaft zukommt oder ob sie nach als gewerblich Selbständige anzusehen sind, ist aus folgenden Gründen nach österreichischem Recht zu ermitteln:
Nach Art. 6 des für Österreich und Ungarn geltenden Übereinkommens über vertragliche Schuldverhältnisse, BGBl. III Nr. 166/1998, zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 3/2005, sind zwar auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einem anderen Staat entsandt ist. Die Abgrenzung der von diesem Übereinkommen nicht definierten Verweisungstatbestände "Arbeitsvertrag" und "Arbeitsverhältnis" folgt aber den Strukturvorstellungen des österreichischen Rechts (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage vor Inkrafttreten des Übereinkommens anwendbaren Bestimmung des § 44 IPRG, Schwimann, Grundriß des IPR 137; WBl 1988, 91; unzutreffend Schnorr, Ausländerbeschäftigungsgesetz [1998], Rz 2 zu § 18).
Für die Beurteilung, ob Gesellschafter einer (wenn auch ungarischen) Personengesellschaft Arbeitnehmereigenschaft iS des AuslBG zukommt, ist nach österreichischem Recht § 2 Abs. 4 AuslBG heranzuziehen, wonach für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis nach § 2 Abs. 2 AuslBG, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgeblich ist. Eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, es wird durch den Gesellschafter ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung ausgeübt.
Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber einen Antrag an die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gestellt, festzustellen, dass die drei Gesellschafter einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausgeübt haben. Dieser Antrag wurde im Instanzenzug mit Bescheid vom 4.5.2006 vom AMS Burgenland rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen mit der Begründung, dass bereits ein Verfahren vor dem UVS Burgenland anhängig sei und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Feststellungsbescheid des AMS nach § 2 Abs. 4 AuslBG unzulässig wäre, wenn die strittige Frage im Rahmen eines anderen Verwaltungsverfahrens entschieden werden könne.
Es oblag daher nach zutreffender Auffassung des Arbeitsmarktservice dem UVS Burgenland, zu beurteilen, ob die in Rede stehenden drei ungarischen Gesellschafter einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausgeübt haben.
Die ungarischen Gesellschafter wurden weder anlässlich der Anzeige im erstinstanzlichen Verfahren einvernommen noch konnten sie in der Folge im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland, zur Frage, ob sie einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung haben, einvernommen werden. Die Gesellschafter *** sen. und *** erschienen trotz ausgewiesener Ladung an ihre ungarische Adresse nicht zur mündlichen Verhandlung vor dem UVS. Auch der schriftlich an sie gerichteten Aufforderung, den ungarischen Gesellschaftsvertrag vorzulegen, kamen sie nicht nach. Es konnte daher im Verfahren vor dem UVS nicht festgestellt werden, ob die ungarischen Gesellschafter tatsächlich - wie in der Berufung behauptet - einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Bau *** zum Zeitpunkt der Tat hatten, sodass für die einzelnen Gesellschafter nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit von einem Beschäftigungsverhältnis zur ungarischen ***T ausgegangen werden konnte.
Der UVS verkennt dabei nicht, dass nach § 2 Abs. 4 dritter Satz AuslBG den Nachweis, dass die Gesellschafter einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft haben, grundsätzlich der Antragsteller selbst vor dem AMS zu erbringen hat. Diese Beweislastumkehr kann aber nicht auch für die hier vorliegende Berufung vor dem UVS gelten, setzt doch diese Bestimmung im § 2 Abs. 4 AuslBG verfassungskonform voraus, dass der Antragsteller für jene Gesellschaft das verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Organ ist, bei der die von ihm zur Arbeitsleistung herangezogenen Personen Gesellschafter sind. Eine Beweislastumkehr auch im vorliegenden Fall auf die Weise, dass der Beschuldigte den Nachweis zu erbringen hätte, dass ungarische Gesellschafter einer - ihm hinsichtlich der Stellung der Gesellschafter unbekannten - ungarischen Gesellschaft einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung dieser Gesellschaft hätten, würde dem § 2 Abs. 4 AuslBG einen verfassungswidrigen - nämlich dem rechtsstaatlichen Gebot der Unschuldsvermutung und dem eines fairen Verfahrens widersprechenden - Inhalt unterstellen, weil ein solcher Nachweis durch den Beschuldigten ohne Mitwirkung der ungarischen Gesellschafter - welche zur Mitwirkung auch nicht gehalten sind - von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.