TE UVS Tirol 2007/03/08 2006/19/3231-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2007
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Barbara Glieber über die Berufung von Herrn L. B. Z., Rum, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. H. F., 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 10.11.2006, Zahl VK-26589-2006, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 ff Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung insoferne Folge gegeben als die Geldstrafe auf Euro 20,00, Ersatzfreiheitsstrafe 8 Stunden, herabgesetzt wird. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG wird der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens mit Euro 2,00, neu bemessen.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten

Folgendes zur Last gelegt:

Tatzeit: 21.10.2006 um 17.15 Uhr

Tatort: Rum in der Schulstraße bei der Kreuzung Bahnhofstraße in Richtung Westen

Fahrzeug: Lastkraftwagen, XY

Sie haben als LenkerIn eines Kraftfahrzeuges den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet. Dies wurde bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO festgestellt. Sie haben die Zahlung einer Organstrafverfügung verweigert, obwohl Ihnen eine solche angeboten wurde.

Der Beschuldigte habe dadurch eine Übertretung nach § 134 Abs 3d Z 1 iVm § 106 Abs 2 KFG begangen und wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 35,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden), verhängt.

 

In der dagegen vom rechtsfreundlich vertretenen Berufungswerber erhobenen Berufung führte dieser folgendes aus:

Das Straferkenntnis vom 10.11.2006 wird zur Gänze, daher sowohl wegen Schuld als auch wegen der Strafhöhe, angefochten.

1. Zur Nichtverwendung des Sicherheitsgurtes:

Der Beschuldigte stellt - fallweise gemeinsam mit seinem Bruder - für die Firma M. die Zeitungsständer mit den Sonntags- und Feiertagsausgaben des Kurier und der Kronenzeitung auf. Bereits am Samstag bzw am jeweiligen Tag vor dem Feiertag werden die Ständer aufgestellt und in der Folge nach Vorliegen der druckfrischen Exemplare befüllt. In weiterer Folge müssen diese Zeitungsständer wiederum eingesammelt werden.

Bei dieser Tätigkeit muss das beladene Fahrzeug in einem Zeitraum von rund 80 Minuten ca. 83 Mal angehalten werden, um die Zeitungsständer aufzustellen (bzw zu befüllen und wieder einzusammeln). Müsste bei dieser Tätigkeit der Sicherheitsgurt verwendet werden, so wäre der Beschuldigte gezwungen, sich durchschnittlich alle 50 Sekunden anzugurten bzw den Sicherheitsgurt wieder zu entfernen. Letzteres ist unzumutbar. Abgesehen davon ist die Verwendung von Sicherheitsgurten bei einer derartigen Tätigkeit auch im Sinn der Sicherheit der Kfz-Insassen nicht erforderlich, zumal auf den jeweils zurückgelegten kurzen Wegstrecken bis zum nächsten Anhalten keine hohen Geschwindigkeiten erreicht werden können. Die Verpflichtung, bei dieser Tätigkeit einen Sicherheitsgurt zu verwenden, wäre eine reine Schikane, derartiges lässt sich dem KFG nicht entnehmen.

Aufgrund dieser Umstände ist die Bestrafung des Beschuldigten zu Unrecht erfolgt.

2. Zur Höhe der Strafe:

Der Beschuldigte bezieht derzeit ein Einkommen von rund Euro 612,00 monatlich. Aufgrund dieses Einkommens ist die verhängte Strafe erheblich überhöht.

Es werden daher gestellt die nachfolgenden ANTRÄGE

1. Der Berufung Folge zu geben, die verhängte Strafe ersatzlos aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

2. in eventu: Die Gesamtstrafe auf ein schuldangemessenes Ausmaß von Euro 15,00 herabzusetzen.

 

Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:

A) Sachverhalt

Zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt und einen Auszug aus dem tiris vom 06.03.2007 sowie durch Einvernahme von Herrn L. B. Z. und Herrn Rev. Insp. R. F.

Sachverhaltsfeststellungen:

Herr L. B. Z. lenkte am Samstag, den 21.10.2006, um 17.15 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen XY in Rum auf der Schulstraße bei der Kreuzung Bahnhofstraße in Richtung Westen und hatte dabei den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet, da er diesen nicht angelegt hatte. Bei der Anhaltung durch Organe der öffentlichen Sicherheit verweigerte er die Zahlung einer Organstrafverfügung, obwohl ihm eine solche angeboten wurde. Herr Z. führte bei der gegenständlichen Fahrt im Auftrag der M. Zustelldienste durch, wobei diese darin bestanden, dass er Zeitungsständer aufzustellen hatte. Ca. 50 m vor der Anhaltestelle hatte er in der Schulstraße bereits einen Zeitungsständer aufgestellt und befand sich auf dem Weg zum nächsten Aufstellungsort, welcher sich vom Anhalteort gesehen ca 50 m weiter in der Bahnhofstraße befand. Das Verkehrsaufkommen war damals relativ gering. Herr Z. hielt bei dieser Fahrt jedenfalls eine Geschwindigkeit unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h ein. Beifahrer hatte er damals keinen.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben des Berufungswerbers selbst, welche durch den Zeugen Rev. Insp. R. F. im Wesentlichen bestätigt wurden.

 

A) Rechtsgrundlagen:

Im gegenständlichen Fall sind folgende gesetzlichen Bestimmungen maßgeblich:

1. Kraftfahrgesetz 1967 - KFG 1967, BGBl Nr 267, in der hier maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl I Nr 117/2005:

Personenbeförderung § 106

1) Mit Kraftfahrzeugen und Anhängern dürfen Personen nur befördert werden, wenn deren Sicherheit gewährleistet ist. Sie dürfen, unbeschadet der Bestimmungen des Abs 11, und, sofern bei der Genehmigung nichts anderes festgelegt worden ist, nur auf den dafür vorgesehenen Sitz- oder Stehplätzen und nur so befördert werden, dass dadurch nicht die Aufmerksamkeit oder die Bewegungsfreiheit des Lenkers beeinträchtigt, seine freie Sicht behindert oder der Lenker oder beförderte Personen sonst gefährdet werden. ...

2) Ist ein Sitzplatz eines Kraftfahrzeuges mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet, so sind Lenker und beförderte Personen, die einen solchen Sitzplatz benützen, je für sich zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes verpflichtet, sofern nicht Abs 5 Anwendung findet. Die Verletzung dieser Pflicht begründet, jedoch nur soweit es sich um einen allfälligen Schmerzengeldanspruch handelt, im Fall der Tötung oder Verletzung des Benützers durch einen Unfall ein Mitverschulden an diesen Folgen im Sinn des § 1304 ABGB. Das Mitverschulden ist so weit nicht gegeben, als der Geschädigte (sein Rechtsnachfolger) beweist, dass die Folge in dieser Schwere auch beim Gebrauch des Sicherheitsgurts eingetreten wäre.

3)

Der Abs 2 gilt nicht

1.

bei ganz geringer Gefahr, wie etwa beim Einparken oder langsamen Rückwärtsfahren, oder bei besonderer Verkehrslage, die den Nichtgebrauch des Sicherheitsgurts rechtfertigt,

....

§ 134

Strafbestimmungen

....

(3d) Wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges oder als mit einem Kraftfahrzeug beförderte Person

1.

die im § 106 Abs 2 angeführte Verpflichtung, oder

2.

die im § 106 Abs 7 angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, begeht, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 35 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen.

....

 2. Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52/1991, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 117/2002:

Schuld

§ 5

(1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Strafbemessung

§ 19

(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

C) Rechtliche Beurteilung:

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht fest, dass der Berufungswerber in Ausübung seiner Tätigkeit als Aufsteller/Belieferer von Zeitungsständern am 21.10.2006 um 17.15 Uhr in Rum in der Schulstraße bei der Kreuzung Bahnhofstraße in Richtung Westen als Lenker des Lastkraftwagens mit dem Kennzeichen XY nicht angegurtet war.

Im zweitinstanzlichen Verfahren machte der Berufungswerber geltend, dass er deshalb nicht angegurtet gewesen sei, weil nur eine ganz geringe Gefahr im Sinne des § 106 Abs 3 Z 1 KFG vorgelegen habe.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Nach eigenen Angaben des Berufungswerbers lenkte dieser das gegenständliche Kraftfahrzeug, ohne den Sicherheitsgurt bestimmungsgemäß zu verwenden, ca 50 m, bevor er angehalten wurde. Insgesamt hätte diese Fahrt bis zum nächsten Standort eines Zeitungsständers ohne Anhaltung ca 100 m betragen. Nach Ansicht der Berufungsbehörde kann jedoch beim Zurücklegen einer Strecke von 100 m nicht mehr von einer ganz geringen Gefahr im Sinne des § 106 Abs 3 Z 1 KFG 1967 gesprochen werden. Eine derartige Fahrt ist nicht vergleichbar mit den in dieser Bestimmung angeführten Situationen des Einparkens oder langsamen Rückwärtsfahrens. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat im übrigen bereits ausgesprochen, dass das Vorwärtsfahren auf einer Strecke von 50 m jedenfalls nicht unter den Begriff der ganz geringen Gefahr fällt (VwGH vom 04.06.1987, Zahl 87/02/0027).

Nachdem somit eine Fahrt von ca 100 m, bei welcher der Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet wurde, nach Ansicht der Berufungsbehörde auch bei geringer Geschwindigkeit und geringem Verkehrsaufkommen nicht unter den Begriff der ganz geringen Gefahr subsumierbar ist, hat der Berufungswerber die ihm angelastete Übertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist auszuführen, dass es sich gemäß § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG um ein Ungehorsamsdelikt handelt. Für derartige Delikte ist vorgesehen, dass dann ohne weiteres von Fahrlässigkeit auszugehen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Eine derartige Glaubhaftmachung ist dem Berufungswerber jedoch nicht gelungen. Vielmehr wurde ein Vorbringen lediglich dahingehend erstattet, dass er eben nicht zur Verwendung des Sicherheitsgurtes verpflichtet war.

Zur Strafbemessung:

Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Im Hinblick auf die nunmehr bekannt gegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten konnte - trotz einschlägiger Strafvormerkungen - mit der im Spruch angeführten Geldstrafe gerade noch das Auslangen gefunden werden. Eine Geldstrafe in dieser Höhe war jedoch jedenfalls erforderlich, um den Beschuldigten, der sich im Übrigen während des zweitinstanzlichen Verfahrens nicht einsichtig zeigte, von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Z., lenkte, am Samstag, den 21.10.2006, um 17.15 Uhr, das, Kraftfahrzeug, auf, der Schulstraße, hatte, dabei, den, Sicherheitsgurt, nicht, bestimmungsgemäß, verwendet, da, er, diesen, nicht, angelegt, hatte, Z., hielt, bei, dieser Fahrt, jedenfalls, eine Geschwindigkeit, unter, der, erlaubten, Höchstgeschwindigkeit, von, 40 km/h, ein, Nach, Ansicht, der Berufungsbehörde, kann, jedoch, beim Zurücklegen, einer, Strecke, von 100 m, nicht, mehr, von, einer, ganz geringen Gefahr, im Sinne, des § 106 Abs 3 Z 1 KFG 1967, gesprochen, werden, Eine, derartige, Fahrt, ist, nicht, vergleichbar, mit, den, in dieser Bestimmung, angeführten, Situationen, des Einparkens, oder, langsamen, Rückwärtsfahrens
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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