TE UVS Wien 2008/10/20 ANL/8/5063/2008

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Veröffentlicht am 20.10.2008
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Betreff

Dauer von Prüfintervallen nach der ElektroschutzV bei P-filialen

Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Burda über die Berufung der P-AG, vertreten durch die P-gesellschaft m.b.H., gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 12. Bezirk, vom 10. Juni 2008, Zl. MBA 12 - 320/08, mit welchem festgestellt worden ist, dass die Beschaffenheit der geänderten Betriebsanlage, in welcher die P-AG das Gewerbe ?Werbemittelverteiler? und das Handelsgewerbe ausübt, den Voraussetzungen des § 359 Abs 8 GewO 1994 entspreche, wie folgt entschieden:

Der vorliegenden Berufung wird Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 ? AVG insofern geändert, als der erste Satz des Auflagenpunktes 26 nunmehr zu lauten hat:

?Die elektrische Anlage ist binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides und sodann alle zehn Jahre durch eine Elektrofachkraft wiederkehrend überprüfen zu lassen.?

Die der Äußerung der Berufungswerberin vom 15. September 2008 beigelegte Fotodokumentation sowie das ?Kurzgutachten? bilden einen integrativen Bestandteil dieses Berufungsbescheides.

Text

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Behörde erster Instanz die Änderung der im Spruch näher bezeichneten Betriebsanlage in einem Feststellungsverfahren gemäß § 359b GewO 1994 ?genehmigt? und unter einem gemäß § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 iVm § 93 Abs 3 AschG eine Reihe von Aufträgen vorgeschrieben.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde lediglich der Auflagenpunkt Nr. 26 bekämpft und dazu vorgebracht, dass sich für die gegenständliche Betriebsanlage aus den einschlägigen Bestimmungen der Elektroschutzverordnung ein 10-jähriges Prüfintervall für die elektrischen Anlage ergebe. Der Berufungsantrag lautete dahingehend, Auflagenpunkt Nr. 26 so abzuändern, als dieser lauten solle: ?Die elektrische Anlage ist binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides und sodann alle zehn Jahre durch eine Elektrofachkraft wiederkehrend überprüfen zu lassen.?

Begründend wurde ausgeführt, dass die gegenständlichen P-räumlichkeiten Büroräumlichkeiten gleichzusetzen seien, da vom Arbeitsablauf sowie von der Organisation aus betrachtet eine ähnliche Bürotätigkeit zu verrichten sei wie in Banken und Versicherungsanstalten. Von der Tätigkeit her betrachtet bestehe kein Unterschied. Es werden Papier und Geld umgeschichtet, verteilt, ausgehändigt bzw. elektronisch erfasst und eingescannt. Die Ausstattung der Räumlichkeiten entspreche dem eines der heutigen Zeit entsprechend durchschnittlich eingerichteten Büros. Es handle sich nicht um ein Verteilzentrum von Gütern, in welchem Aufzüge, Förderbänder, Kartiermaschinen mit hohen elektrischen Anschlusswerten zur Verteilung von Gütern benötigt werden. Der Berufung angeschlossen war eine Liste, welche die in der gegenständlichen P-filiale zur Verwendung kommenden elektrischen Geräte anführte.

Der gewerbetechnische Amtssachverständige der Magistratsabteilung 36, technische Gewerbeangelegenheiten, behördliche Elektro- und Gasangelegenheiten, Feuerpolizei und Veranstaltungswesen, teilte mit Schreiben vom 11. August 2008 mit, dass im eingereichten Änderungsprojekt das Vorhandensein von Rollbehältern erwähnt werde und überdies sich an der Außenwand im Freien ein elektrisch beleuchtetes Werbeschild befinde, welches witterungsbedingt Feuchtigkeit ausgesetzt sei, sodass sich daraus ein fünfjähriges Prüfintervall für die elektrische Anlage ergebe.

Dazu führte die berufungswerbende Partei mit Telefax vom 15. September 2008 aus, dass die Antragstellerin nunmehr eine Fotodokumentation habe erstellen lassen, aus welcher sich ergebe, dass in den Innenbereichen, in denen Rollbehälter für Briefe bzw. Pakete bewegt werden, keine büromäßige Elektroinstallationen ausgeführt seien. Im Rangierbereich der Rollbehälter für Briefe sei lediglich eine Reinigungssteckdose in 30 cm Höhe geschützt situiert. Für den Bereich der Rollbehälter für Pakete gelte, dass dort keine Elektroinstallation vorhanden sei bzw. sich diese in einem geschützten Bereich oder in Stahlschränken gesichert untergebracht befinde. Das Werbeschild befinde sich grundsätzlich in keinem für Arbeitnehmer zugänglichen Bereich und sei dieses nach den einschlägigen Vorschriften spritzwasser- und staubgeschützt installiert worden.

Des Weiteren wurde ausgeführt, dass schon auf Grund der einschlägigen Bestimmungen der Elektroschutzverordnung lediglich ein zehnjähriges Prüfintervall zur Anwendung käme, da in der gegenständlichen Betriebsanlage das Gewerbe ?Werbemittelverteiler? sowie das Handelsgewerbe ausgeübt werden. Es handle sich daher bei der gegenständlichen Betriebsanlage um eine solche, welche dem Handels- und Dienstleistungsbetrieb dient. Eine andere Interpretation würde zu einem wettbewerbsrechtlichen Nachteil gegenüber Banken und Versicherungen führen.

Dazu führte der gewerbetechnische Amtssachverständige der Magistratsabteilung 36, technische Gewerbeangelegenheiten, behördliche Elektro- und Gasangelegenheiten, Feuerpolizei und Veranstaltungswesen, mit Schreiben vom 29. September 2008 zu den von der Berufungswerberin vorgelegten Unterlagen, welche nunmehr einen integrativen Bestandteil des Berufungsbescheides bilden, aus, dass die ursprünglich angenommene mögliche mechanische Beanspruchung durch die Verwendung der Rollcontainer tatsächlich nicht gegeben sein dürfte. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 erstattete die Berufungswerberin dazu noch eine weitere Stellungnahme.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

§ 1 Abs 1 Elektroschutzverordnung 2003 lautet:

?Zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer/innen vor Gefahren durch den elektrischen Strom haben Arbeitgeber/innen dafür zu sorgen, dass sich elektrische Anlagen und elektrische Betriebsmittel stets in sicherem Zustand befinden und Mängel unverzüglich behoben werden. Wenn die Betriebsverhältnisse eine unverzügliche Mängelbehebung nicht zulassen, ist die Gefahr bis zur Mängelbehebung einzuschränken (zB durch Absperren, Kenntlichmachen, Anbringen von Schildern) und sind die betroffenen Arbeitnehmer/innen darüber zu informieren.?

§ 1 Abs 2 Elektroschutzverordnung 2003 lautet:

?Es dürfen nur solche elektrischen Anlagen und elektrischen Betriebsmittel verwendet werden, die im Hinblick auf Betriebsart und Umgebungseinflüsse den jeweiligen betrieblichen und örtlichen Anforderungen entsprechen und auftretenden Beanspruchungen sicher widerstehen können.?

§ 3 Abs 1 Elektroschutzverordnung 2003 lautet:

?Die Zeitabstände der wiederkehrenden Prüfungen von elektrischen Anlagen

im Sinne des Punkt 5.3.3.1 der ÖVE EN 50110-1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet) betragen längstens fünf Jahre.?

§ 3 Abs 2 Z 2 Elektroschutzverordnung 2003 lautet:

?Abweichend von Abs 1 betragen die Zeitabstände längstens zehn Jahre hinsichtlich elektrischer Anlagen in Versicherungen, Banken und anderen Bürobetrieben sowie in Handels- oder Dienstleistungsbetrieben, in denen keine außergewöhnliche Beanspruchung im Sinne des Abs 3 gegeben ist.?

§ 3 Abs 3 Elektroschutzverordnung 2003 lautet:

?In folgenden Fällen hat die Behörde für die Überprüfung von elektrischen Anlagen oder für Teile von elektrischen Anlagen von Abs 1 und Abs 2 Z 2 abweichende Zeitabstände vorzuschreiben:

1. längstens drei Jahre im Fall einer außergewöhnlichen Beanspruchung der elektrischen Anlagen oder von Teilen der elektrischen Anlagen durch mechanische Einwirkungen, starke Verschmutzung, Chemikalien, Feuchtigkeit, Kälte oder Hitze, wie zB in Produktionsbetrieben, Tischler- oder Mechanikerwerkstätten, Bäckerei- oder Friseurbetrieben, Blumenbindereien, Küchen oder in explosionsgefährdeten Bereichen;

2. längstens ein Jahr im Fall einer außergewöhnlichen Beanspruchung der elektrischen Anlage oder von Teilen der elektrischen Anlage durch das Zusammentreffen von mehreren der in Z 1 genannten Einwirkungen.?

Unbestritten ist und ergibt sich bereits aus der Betriebsbeschreibung der gegenständlichen Anlage, dass diese zur Ausübung des Gewerbes ?Werbemittelverteiler? und des Handelsgewerbes dienen soll. Daraus ergibt sich, dass es sich bei der gegenständlichen Anlage um eine solche handelt, welche unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs 2 Z 2 Elektroschutzverordnung fällt, handelt es sich doch bei gegenständlicher P-filiale im Hinblick auf die dort ausgeübten Gewerbe um einen Handels- und Dienstleistungsbetrieb. Daraus ergibt sich aber, dass das Prüfintervall hinsichtlich der elektrischen Anlage gemäß § 3 Abs 2 Z 2 Elektroschutzverordnung 2003 längstens zehn Jahre zu betrage hat, es sei denn, es würde eine außergewöhnliche Beanspruchung im Sinne des Abs 3 leg. cit. vorliegen. Wie sich bereits aus der letzten gutachterlichen Stellungnahme des gewerbetechnischen Amtssachverständigen vom 29. September 2008 ergibt, ist eine solche außergewöhnliche Beanspruchung durch mechanische Einwirkungen im Hinblick auf die in der Betriebsanlage zur Verwendung kommenden Rollcontainer unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin ergänzend beigebrachten Unterlagen vom 15. September 2008 nicht anzunehmen.

Was nun das vor der P-filiale angebrachte Werbeschild betrifft, ist auszuführen, dass es höchst unwahrscheinlich erscheint, dass Arbeitnehmer mit diesem Werbeschild Kontakt haben, weshalb dieses Werbeschild von der Teleologie der Elektroschutzverordnung 2003, nämlich Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer vor Gefahren durch den elektrischen Strom, schon im Hinblick auf die Textierung des § 1 Abs 1 leg. cit. nicht erfasst zu sein scheint.

Auch § 3 Abs 3 stellt hinsichtlich einer außergewöhnlichen Beanspruchung der elektrischen Anlage oder von Teilen der elektrischen Anlage darauf ab, dass diese in der Betriebsanlage selbst verwirklicht wird (arg.:

?... durch mechanische Einwirkungen, starke Verschmutzung, Chemikalien, Feuchtigkeit, Kälte oder Hitze, wie z. B. in Produktionsbetrieben, Tischler- oder Mechanikerwerkstätten, Bäckerei- oder Friseurbetrieben, Blumenbindereien, Küchen- oder in explosionsgefährdeten Bereichen?). Bei den im § 3 Abs 3 beispielhaft aufgezählten Betrieben handelt es sich typischerweise um solche, wo Arbeitnehmer in einer Betriebsanlage nicht nur mit elektrischen Arbeitsmitteln, sondern darüber hinaus mit diesen in einer solchen Umgebung tätig werden, wo es zu höheren Verschleißerscheinungen durch Verschmutzung, Chemikalien, Feuchtigkeit, Kälte oder Hitze kommen kann. Es ist schlüssig nachvollziehbar, dass ein Arbeitnehmer in einem Friseurbetrieb davor geschützt sein soll, dass die in der Nähe des Haarwaschbeckens befindliche Trockenhaube nicht ordnungsgemäß funktioniert. Bei der gegenständlichen P-filiale handelt es sich jedoch schon auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes um keinen Betrieb, wie er im § 3 Abs 3 Elektroschutzverordnung beispielhaft aufgezählt ist. Das Werbeschild, welches sich an der Außenfassade der Betriebsanlage befindet, mit welchem die Arbeitnehmer der gegenständlichen P-filiale (außer bei Herunterfallen des Schildes) nicht in Berührung kommen sollten, begründet nach Dafürhalten des erkennenden Senates nicht die Anwendbarkeit des § 3 Abs 3 Elektroschutzverordnung 2003. Im Übrigen haben auch typischerweise Kranken- und Versicherungsanstalten, wie sie im Abs 2 Z 2 Elektroschutzverordnung 2003 genannt sind, vor ihrer Betriebsanlage Werbeschilder, ebenso jeder Supermarkt. Dies zeigt, dass § 3 Abs 3 Elektroschutzverordnung 2003 offenkundig eine andere Teleologie verfolgt, als § 3 Abs 2 Z 2 leg. cit. Insgesamt ergibt sich daraus, dass die gegenständliche Betriebsanlage unter § 3 Abs 2 Z 2 ElektroschutzVO 2003 zu subsumieren ist und § 3 Abs 3 leg. cit. dem nicht entgegensteht.

Im Hinblick auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens einerseits bzw. die rechtlichen Erwägungen andererseits war der Berufung also spruchgemäß Folge zu geben und der bekämpfte Auflagenpunkt wie im Spruch ersichtlich neu zu formulieren.

Es ist darauf hinzuweisen, dass auch dann, wenn ein Bescheid nur hinsichtlich einzelner Auflagen angefochten wird, Berufungsgegenstand dann die ganze Sache ist, wenn der Verfahrensgegenstand nicht teilbar ist. So kann im Hinblick auf die Bestimmungen des § 77 Abs 1 GewO 1994 eine Trennbarkeit von Genehmigungsbescheid und den in diesen erteilten Auflagen nicht angenommen werden (vgl. VwGH vom 15. September 1987, 87/04/0038). Dies hat aus denselben Erwägungen für die Anfechtung einzelner Aufträge, den einem nach § 359b GewO 1994 erlassenen Feststellungsbescheid erteilt werden, zu gelten. Aus diesem Grunde war Berufungsgegenstand der gesamte Bescheid, weshalb der erkennende Senat gemäß § 66 Abs 4 AVG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen ist, die von der Berufungswerberin im Zuge des Berufungsverfahrens ergänzten Pläne zum integrativen Bescheidbestandteil des nunmehrigen Berufungsbescheides zu erklären.

Gemäß § 67d Abs 1 AVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen, da eine solche nicht beantragt und vom erkennenden Senat auch nicht von Amts wegen durchzuführen war.

Zuletzt aktualisiert am
10.11.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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