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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AuslBG §3 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des am 7. Oktober 1972 geborenen S in W, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 12. August 1999, Zl. Fr-4250c-6/99, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 27. Oktober 1998 einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Niederlassungsbewilligung. Aus den von ihm vorgelegten Unterlagen ergibt sich nach der unbedenklichen Aktenlage, dass er seit 10. Juli 1997 verheiratet ist und seine Ehegattin österreichische Staatsbürgerin ist.
Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn wies den Antrag gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 in Verbindung mit §§ 47 und 49 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab. Sie stützte diese Abweisung einerseits auf eine strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers vom 15. Juli 1997, andererseits aber darauf, dass der Beschwerdeführer mit einem von der französischen Botschaft in Belgrad ausgestellten Visum C eingereist sei und sich in Österreich aufgehalten habe, obwohl das Visum nicht zu diesem Zweck ausgestellt worden sei, und sich der Beschwerdeführer überdies seit Ablauf dieses Visums unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Darin erblickte die Erstbehörde eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997. Ausdrücklich stellte die Erstbehörde fest, der Beschwerdeführer sei seit dem 10. Juli 1997 verheiratet, wobei die Eheschließung in Restjugoslawien erfolgt sei. Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 15. Juni 1998 sei der Ehegattin die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, er arbeite seit 1. März 1999 als Kraftfahrer bei einer Spedition in Feldkirch.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg wies die Berufung mit Bescheid vom 12. August 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den Bescheid der Erstbehörde. In der Begründung vertrat sie die Auffassung, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer in der Berufung zu seinen Gunsten angeführten Beschäftigung sei anzumerken, dass Angehörige von österreichischen Staatsbürgern nur dann gemäß § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG von der Anwendung dieses Gesetzes ausgenommen seien und damit zur Arbeitsaufnahme keiner Bewilligung bedürften, wenn sie über einen Aufenthaltstitel nach dem FrG 1997 verfügten. Gerade ein solcher Aufenthaltstitel fehle dem Beschwerdeführer, seine Beschäftigung erfolge somit unrechtmäßig. Des Weiteren ging die genannte Sicherheitsdirektion davon aus, sowohl der 7-monatige unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet als auch ein bereits im Jahre 1997 erfolgter unrechtmäßiger Aufenthalt und die Verurteilung wegen der Beteiligung an Diebstählen sowie die unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers gegenüber der französischen Vertretungsbehörde zeigten, dass der Beschwerdeführer eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung darstelle. Zwar sei gemäß § 8 FrG 1997 bei der Versagung oder Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung auf die persönlichen Verhältnisse des Fremden und die öffentlichen Interessen Rücksicht zu nehmen, dies könne jedoch nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausschlagen. Da sein Aufenthalt seit 22. Dezember 1998 unrechtmäßig sei, könne lediglich jene Integration zu seinen Gunsten herangezogen werden, die er während der zwei Monate seines rechtmäßigen Aufenthaltes erreicht habe. Diese Integration könne jedoch auf Grund der Kürze nicht als wesentlich angesehen werden. Im österreichischen Bundesgebiet lebe seine Ehefrau, welche die österreichische Staatsbürgerschaft erworben habe, sowie das gemeinsame, am 25. Mai 1997 geborene Kind. Da der Beschwerdeführer "mangels Aufenthaltsrecht" nicht zur Arbeitsaufnahme berechtigt sei, könne seine derzeitige Beschäftigung nicht zu seinen Gunsten gewertet werden. Ihm gegenüber sei jedoch das öffentliche Interesse an der Bewahrung eines geordneten Fremdenwesens zu berücksichtigen. Ein Fremder, der sich "zwischenzeitlich" 7 Monate über die Aufenthaltsregeln hinwegsetze und den weiteren Aufenthalt in Österreich zu erzwingen versuche, verstoße gravierend gegen dieses öffentliche Bedürfnis. Erschwerend komme hinzu, dass der Beschwerdeführer während seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Jahre 1997 straffällig geworden sei und damit ebenfalls zum Ausdruck gebracht habe, dass ihm an der Einhaltung österreichischer Gesetze nicht besonders gelegen sei. Auf Grund seiner unrichtigen Angaben gegenüber der französischen Vertretungsbehörde und dem neuerlich erfolgten unrechtmäßigen Aufenthalt seit Ablauf seines Reisevisums könne auch seiner Ansicht nicht gefolgt werden, dass er sich seit Ende seiner strafbaren Handlungen rechtmäßig verhalte. Es könne daher auch keine positive Zukunftsprognose gestellt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 47.
...
(2) Sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind, genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. ...
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:
1. Ehegatten;
...
§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. ..."
§ 1 Abs. 2 lit. l AuslBG lautete in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 78/1997:
"§ 1.
...
(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf
...
l) Ausländer, die Ehegatten österreichischer Staatsbürger sind, sowie Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder) österreichischer Staatsbürger, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen der österreichische Staatsbürger Unterhalt gewährt, sofern sie über einen Aufenthaltstitel gemäß dem Fremdengesetz 1997-FrG, BGBl. I Nr. 75/1997, verfügen;
..."
Der Beschwerdeführer ist begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß den §§ 49 Abs. 1 und 47 Abs. 3 FrG 1997. Die Versagung der von ihm beantragten Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 49 Abs. 1 und 47 Abs. 2 FrG 1997 setzt voraus, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Die belangte Behörde hat eine derartige Gefährdungsprognose getroffen und diese (erkennbar) auf mehrere Punkte gestützt.
Was die Beschäftigung des Beschwerdeführers entgegen den Bestimmungen des AuslBG betrifft, so ging die belangte Behörde davon aus, dass auf den Beschwerdeführer als Ehegatten einer österreichischen Staatsbürgerin die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG nicht anwendbar sei, weil er nicht über einen Aufenthaltstitel gemäß dem FrG 1997 verfüge. Zu dieser Bestimmung - in ihrer im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Fassung - hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 17. März 2000, Zl. 99/19/0163, ausgeführt, auch ein Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin sei nur dann vom Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen, wenn er über einen Aufenthaltstitel nach dem FrG 1997 verfüge. Dass der Beschwerdeführer über einen solchen verfügte, ist weder den Aktenunterlagen zu entnehmen, noch behauptet er dies in der Beschwerde. Auf Grundlage der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Rechtslage besteht daher der Vorwurf der belangten Behörde zu Recht, wonach dieser zwar einer unselbstständigen Arbeit nachgegangen sei, hiefür aber keine Bewilligung nach dem AuslBG besessen habe. Die Ausübung einer Beschäftigung, ohne im Besitz der nach dem AuslBG im maßgeblichen Zeitpunkt dafür erforderlichen Berechtigungen zu sein, stellt im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, welche die Annahme rechtfertigt, der weitere Aufenthalt des Antragstellers werde die öffentliche Ordnung gefährden (vgl. z.B. die zu § 10 Abs. 1 Z. 4 des FrG 1992 ergangene hg. Judikatur, z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/1548). Mit dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 17. März 2000 hat der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsprechung als auf die Rechtslage nach dem FrG 1997 übertragbar erklärt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2001, Zl. 2001/19/0013).
Der Beschwerdeführer hätte daher gemäß § 3 Abs. 2 des AuslBG zum Antritt und zur Ausübung einer Beschäftigung eines ausländerbeschäftigungsrechtlichen Dokumentes bedurft. Da der Beschwerdeführer aber unbestritten über kein derartiges Dokument verfügte, kann die Rechtsauffassung der belangten Behörde, seine länger andauernde Beschäftigung in Österreich sei unrechtmäßig erfolgt, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Damit erweist sich schon deshalb die Annahme der belangten Behörde im Ergebnis als zutreffend, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung. Lag aber eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung (hier: jedenfalls auf dem Gebiet der Ausländerbeschäftigung) vor, so kam die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an den Beschwerdeführer mangels Erfüllens der Voraussetzung nach § 47 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 nicht in Frage.
Die durch die unrechtmäßige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers berührten Rechtsgüter der öffentlichen Ordnung, insbesondere aber des wirtschaftlichen Wohles des Landes rechtfertigten im Beschwerdefall auch den Eingriff in die während des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet begründeten privaten und familiären Interessen, jedenfalls solange, als dieser sein unrechtmäßiges Verhalten aufrecht erhält (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 97/19/1141).
War die Gefährdungsprognose im damaligen Zeitpunkt aber bereits durch das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers gerechtfertigt, erübrigte sich ein Eingehen auf die Frage, ob die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers bzw. das Verhalten des Beschwerdeführers aus Anlass der Ausstellung eines Reisevisums für sich allein Grundlage für eine Gefährdungsprognose bilden konnten.
Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers steht der Versagung einer Niederlassungsbewilligung auch Art. 8 Abs. 2 MRK nicht entgegen.
Zwar genießt das Familienleben eines Fremden mit österreichischen Staatsbürgern einen erhöhten Schutz. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die familiären Beziehungen zu einem Zeitpunkt begründet wurden, als der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war und mit der Erteilung weiterer Bewilligungen rechnen durfte. Diese Voraussetzung ist jedoch beim Beschwerdeführer nicht gegeben. Es besteht kein Hinweis, dass ihm jemals ein Aufenthaltstitel erteilt worden wäre. Im Zeitpunkt seiner Eheschließung, die nicht in Österreich erfolgte, durfte der Beschwerdeführer nicht davon ausgehen, dass ihm eine dauernde Niederlassung in Österreich gestattet werde.
Ein allfälliger Eingriff in ein durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers auf Familiennachzug zu seiner österreichischen Ehegattin wäre vorliegendenfalls im Interesse der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer ein derartiges Recht zukommt.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Ergänzend sei aber darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. Juni 2001, G 5/01 ua. die Wortfolge ", sofern sie über einen Aufenthaltstitel gemäß dem Fremdengesetz 1997-FrG, BGBl. I Nr. 75/1997, verfügen" in § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG als verfassungswidrig aufgehoben hat (frühere gesetzliche Bestimmungen traten dadurch nicht wieder in Kraft). Dies bedeutet, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer weiteren Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung künftig kein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er (weiterhin) ohne im Besitz eines ausländerbeschäftigungsrechtlichen Dokumentes zu sein, einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachginge. Seit der (nicht rückwirkenden) Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof stellt der Besitz eines derartigen ausländerbeschäftigungsrechtlichen Dokumentes keine Voraussetzung für die Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit mehr dar.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 2 MRK steht dem nicht entgegen.
Wien, am 30. Jänner 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002120029.X00Im RIS seit
11.04.2002