TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/20 2000/09/0068

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Veröffentlicht am 20.03.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z3;
AuslBG §4 Abs6 Z1;
AuslBG §4b Abs1 Z4 lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des Mag. Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom 1. Oktober 1999, Zl. 10/13113/1897164/1999, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 2. Juli 1999 bei der regionalen Geschäftsstelle Angestellte Ost Wien des Arbeitsmarktservice die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine bosnische Staatsangehörige für die Tätigkeit als Rechtsanwaltssekretärin.

Mit Bescheid der angeführten Behörde vom 29. Juli 1999 wurde dieser Antrag gemäß § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wurde damit begründet, dass die Ausländerin, für deren Beschäftigung die Beschäftigungsbewilligung beantragt worden sei, eine bosnische Staatsbürgerin, das letzte Jahr ihrer Schulpflicht in Österreich absolviert habe, weshalb eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen gewesen wäre. Die Ausländerin, die ab Jänner 1995 in Österreich die Schule besucht habe, sei im Schuljahr 1994/1995 erst im achten Jahr ihrer Schulpflicht gestanden, sie habe erst mit dem Besuch des öffentlichen polytechnischen Lehrganges im Schuljahr 1995/1996 ihre Schulpflicht abgeschlossen. Sie sei nach dem Gesetz ihres Heimatstaates erst im September 1987 schulpflichtig geworden, weshalb die neunjährige Schulpflicht erst im Schuljahr 1995/1996 habe auslaufen können.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Oktober 1999 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG ab und bestätigte den bekämpften Bescheid der regionalen Geschäftsstelle. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales (gemäß § 13a AuslBG) festgelegte Höchstzahl sei überschritten.

Die beantragte Arbeitskraft befinde sich seit Dezember 1994 in Österreich. Die allgemeine Schulpflicht beginne gemäß § 2 des Schulpflichtgesetzes mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September. Dies bedeute, dass für die Ausländerin die Schulpflicht im Schuljahr 1986/87 begonnen habe. Gemäß § 3 Schulpflichtgesetz dauere die allgemeine Schulpflicht neun Jahre, im konkreten Fall habe sie mit Ende des Schuljahres 1994/95 geendet. Dass die Ausländerin ein zehntes Schuljahr freiwillig besucht habe, sei für die Dauer der Schulpflicht ebenso bedeutungslos wie die Auslegung der Schulpflicht in Bosnien. Das Jahres- und Abschlusszeugnis 1995/96 des Öffentlichen Polytechnischen Lehrganges trage auf der Rückseite den Vermerk, dass die Ausländerin ihre Schulpflicht mit Ende des Schuljahres 1994/95 beendet habe. § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG stehe der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung daher entgegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom 6. März 2000, B 1729/99, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 Abs. 1 und 6 sowie § 4b AuslBG in der im Beschwerdefall

geltenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 78/1997 lauten

auszugsweise:

"Beschäftigungsbewilligung

Voraussetzungen

§ 4. (1) Die Beschäftigungsbewilligung ist, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

...

(6) Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13 a) darf eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn

1. der Antrag für einen im § 4b Abs. 1 Z 3 bis 9 genannten oder einen von einer Verordnung gemäß § 12a Abs. 2 erfassten Ausländer eingebracht wird und

2.

die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

3. a)

der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet oder

              b)              die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer oder als nachweislich qualifizierte Arbeitskraft im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege, notwendig ist oder

              c)              überbetriebliche gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern oder

d)

die Voraussetzungen des § 18 gegeben sind oder

e)

die Beschäftigung auf Grund einer Verordnung gemäß § 9 des Fremdengesetzes 1997 erfolgen soll.

...

Prüfung der Arbeitsmarktlage

§ 4b. (1) Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung, insbesondere auch im Rahmen von Verordnungen gemäß § 9 des Fremdengesetzes 1997 für Saisonkräfte, nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Arbeitskräfte in folgender Reihenfolge vermittelt werden können:

1.

Inländer oder Flüchtlinge gemäß § 1 Abs. 2 lit. a;

2.

Befreiungsscheininhaber;

3.

Ausländer, die einen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ausschließlich durch Beschäftigungsverhältnisse im Inland erworben haben;

              4. a)              jugendliche Ausländer, sofern sie das letzte volle Schuljahr vor Beendigung ihrer Schulpflicht gemäß dem Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76, in Österreich absolviert haben und wenigstens ein Elternteil, der nach dem Fremdengesetz 1997 niedergelassen ist, während der letzten fünf Jahre mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet erwerbstätig war, oder

              b)              Ausländer, die seit mindestens acht Jahren in Österreich gemäß dem Fremdengesetz 1997 niedergelassen sind;

              5.              Ausländer, die, sofern sie nicht bereits einer der vorgenannten Personengruppen zuzurechnen sind, von einer Verordnung gemäß § 12a Abs. 2 erfasst sind und für eine Vermittlung in Betracht kommen;

              6.              Ausländer, die nach mindestens dreijähriger erlaubter Beschäftigung im Inland einen Leistungsanspruch gemäß Z 3 erschöpft haben und seitdem durchgehend beim Arbeitsmarktservice zur Vermittlung vorgemerkt sind;

              7.              Ausländer, die sich länger als drei Jahre erlaubt im Bundesgebiet aufhalten und deren Beschäftigung zur Sicherung des Lebensunterhaltes von Ehegatten und minderjährigen Kindern, die von ihnen wirtschaftlich abhängig sind und sich ebenso lang im Bundesgebiet rechtmäßig aufhalten, notwendig ist;

              8.              Ausländer, die sich länger als fünf Jahre erlaubt im Bundesgebiet aufhalten und deren Vermittlung auf offene Stellen nicht aussichtslos erscheint;

              9.              Asylwerber gemäß § 19 des Asylgesetzes 1997 (AsylG), BGBl. I Nr. 76.

(2) Die Prüfung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 entfällt, wenn dem Arbeitgeber für den zu besetzenden Arbeitsplatz eine gültige Sicherungsbescheinigung für den beantragten Ausländer ausgestellt wurde.

(3) Wird eine Beschäftigungsbewilligung im Rahmen einer Verordnung gemäß § 9 des Fremdengesetzes 1997 für einen Ausländer beantragt, der über keinen Aufenthaltstitel verfügt, sind für den Fall, dass kein Ausländer nach der Reihenfolge des Abs. 1 herangezogen werden kann, auch alle sonstigen Ausländer, die über einen Aufenthaltstitel verfügen, zur Vermittlung auf den zu besetzenden Arbeitsplatz heranzuziehen.

(4) Bei der Prüfung, ob für den zu besetzenden Arbeitsplatz an Stelle des beantragten Ausländers Arbeitskräfte nach der Reihenfolge des Abs. 1 vermittelt werden können, ist zu beachten, dass die zu vermittelnden Arbeitskräfte einen höheren Integrationsgrad aufweisen als der beantragte Ausländer selbst."

Die §§ 1 bis 3 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76, lauten:

"Personenkreis

§ 1. (1) Für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, besteht allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

(2) Unter Kindern im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Minderjährige zu verstehen, die nach Maßgabe dieses Abschnittes schulpflichtig oder zum Besuch einer allgemein bildenden Pflichtschule berechtigt sind.

Beginn der allgemeinen Schulpflicht

§ 2. Die allgemeine Schulpflicht beginnt mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September. Dauer der allgemeinen Schulpflicht

§ 3. Die allgemeine Schulpflicht dauert neun Schuljahre."

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die Schulpflicht der beantragten Ausländerin nicht von jenem Datum an zu berechnen sei, zu dem sie nach österreichischen Regeln begonnen hätte, sondern von jenem Schuljahr an, in dem sie tatsächlich nach den gesetzlichen Regelungen in ihrem Heimatstaat begonnen hätte. Diese Frage könne nur im zweiten Sinn beantwortet werden, da nach dem Wortlaut des § 3 Schulpflichtgesetz 1985 die Schulpflicht nicht neun Jahre dauere und nicht bis zu jenem Schuljahr dauere, in dem ein bestimmtes Lebensjahr des Schülers bzw. der Schülerin vollendet sei. Der Gesetzgeber habe das Ende der Schulpflicht - im Unterschied zu ihrem Beginn - nicht an das Lebensalter geknüpft.

Der Beschwerdeführer bestreitet die von der belangten Behörde festgestellte Ausschöpfung der von der gemäß § 13 AuslBG festgesetzten Landeshöchstzahl nicht, diese Feststellung ist auch für den Verwaltungsgerichtshof unbedenklich. Für den Erfolg der Beschwerde ist daher die Beantwortung der Frage entscheidend, ob die Ausländerin, für deren Beschäftigung der Beschwerdeführer die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung beantragt hatte, als jugendliche Ausländerin im Sinne des § 4b Abs. 1 Z. 4 lit. a AuslBG anzusehen war.

Unbestritten hatte die beantragte Ausländerin zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ihr 19. Lebensjahr bereits vollendet. Als jugendlicher Ausländer im Sinn der genannten Bestimmung kann - angesichts der Definition dieses Begriffes in § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG, wonach ein Ausländer, der das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, als jugendlicher Ausländer anzusehen ist - nur ein Ausländer bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres angesehen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1999, Zl. 97/09/0257).

Der Verwaltungsgerichtshof konnte den angefochtenen Bescheid im Grunde des § 4 Abs. 6 Z. 1 i.V.m. § 4b Abs. 1 Z. 4 lit. a AuslBG daher nicht rechtswidrig finden. Die Frage, ob es sich beim Schuljahr 1994/1995 oder aber beim Schuljahr 1995/1996 um das letzte Jahr der Schulpflicht der beantragten Ausländerin gehandelt hat, kann im vorliegenden Fall daher dahingestellt bleiben.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm § 41 AMSG und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. März 2002

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 jugendlicher Ausländer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000090068.X00

Im RIS seit

13.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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