TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/11 2002/01/0160

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Index

24/02 Jugendgerichtsbarkeit;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

JGG §4 Abs2 Z3;
StbG 1985 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des BS in B, vertreten durch Advokaturbüro Obernberger & Denifl, 6700 Bludenz, Am Alten Markt, Untersteinstraße 8, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. März 2002, Zl. Ia 370- 869/2001, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidkopie steht Folgendes fest:

Der 1973 geborene Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, reiste im Oktober 1991 nach Österreich ein und beantragte hier die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde abgewiesen, hingegen wurde dem Beschwerdeführer in der Folge antragsgemäß (mit Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. September 1997) eine Aufenthaltsbewilligung erteilt.

Im August 2001 beantragte der Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Mit Bescheid vom 20. März 2002 wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß §§ 10, 11, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab. Diese Entscheidung begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer seit 14. Oktober 1991 ununterbrochen den Hauptwohnsitz in Österreich habe und hier seit 1993 beschäftigt sei. Am 1. Juni 1992 sei er (jedoch) mit einer anderen Person in Streit geraten, wobei beide Streitteile aufeinander losgegangen und tätlich geworden seien; im Zuge der Auseinandersetzung seien beide Streitteile leicht verletzt worden; die Staatsanwaltschaft Wels habe "das Verfahren" gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 Jugendgerichtsgesetz zurückgelegt, es stehe aber fest, dass der Beschwerdeführer eine Körperverletzung begangen habe. Überdies sei er mit Strafbefehl des Amtsgerichtes Passau vom 21. Dezember 1994 wegen des Vergehens der Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 70 Tagessätzen verurteilt worden, weil er bei einem Grenzübertritt am 10. Juli 1994 eine verfälschten Reisepass verwendet habe. Weiters sei er verwaltungsbehördlich wie folgt bestraft worden:

"mit Bescheid vom 31.01.1997, Zl. VerkR96-18983-1-1996, wegen einer Übertretung nach den §§ 20 Abs. 2 und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 700,--;

mit Bescheid vom 30.01.1998, Zl. VerkR96-4041-1998, wegen einer Übertretung nach den §§ 24 Abs. 1 lit. a und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 300,--;

mit Bescheid vom 05.05.1998, Zl. VerkR96-6757-1998, wegen einer Übertretung nach den §§ 9 Abs. 7 und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 500,--;

mit Bescheid vom 19.08.1998, Zl. VerkR96-10689-1998, wegen einer Übertretung nach § 42 Abs. 1 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 300,--;

mit Bescheid vom 04.11.1998, Zl. VerkR96-14444-1998, wegen einer Übertretung nach § 43 Abs. 4 lit. b KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 300,--;

mit Bescheid vom 11.05.1998, Zl. X-alt-1998/11391, wegen einer Übertretung nach § 7 Abs. 1 lit. a Parkabgabegesetz mit einer Geldstrafe von S 300,--;

mit Bescheid Zl. X-alt-1999/4818, wegen Übertretungen nach den §§ 52 lit. a Z 10a und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 1.500,--, weil er am 29.05.1999 um 22.08 Uhr als Lenker eines PKWs die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h um 24 km/h überschritten hatte;

mit Bescheid Zl. X-9-2000/14685, wegen einer Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO mit einer Geldstrafe von S 3.000,--, weil er am 11.08.2000 um 22.38 Uhr als Lenker eines PKWs die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 34 km/h überschritten hatte;

mit Bescheid vom 11.08.2000, Zl. X-9-2000/14685, wegen einer Übertretung nach § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Z 1 Führerscheingesetz mit einer Geldstrafe von S 500,--."

Schließlich sei dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 10. Jänner 2000 für die Dauer von zwei Wochen die Lenkerberechtigung entzogen worden, weil er am 22. Juli 1999 gegen 01.25 Uhr in der Schweiz auf der A 1-West die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 52 km/h überschritten habe.

Der Beschwerdeführer habe somit zwei gerichtlich strafbare Handlungen sowie zehn Verwaltungsübertretungen begangen. Bei der Urkundenfälschung handle es sich um einen schwer wiegenden Rechtsbruch. Als schwer wiegend müssten weiters die drei letzten festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen bewertet werden, wobei der Beschwerdeführer hinsichtlich der beiden in Österreich begangenen Delikte die zulässige Höchstgeschwindigkeit einmal um mehr als 50 % und das andere Mal um 68 % - jeweils im Ortsgebiet - überschritten habe. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer demnach mehrfach gravierend gegen zum Schutz von Leib und Leben Dritter erlassene Vorschriften verstoßen habe, wobei sich seine deliktische Tätigkeit über den ganzen Zeitraum seines Aufenthaltes in Österreich erstrecke und die letzte Geschwindigkeitsübertretung noch nicht lange zurückliege, könne derzeit noch nicht davon ausgegangen werden, dass er Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit und die anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zu sein. Mithin stehe einer Verleihung der Staatsbürgerschaft das Einbürgerungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG entgegen. Doch selbst unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer sämtliche Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 StbG erfülle, käme eine positive Erledigung seines Antrages nicht in Betracht, weil die dann vorzunehmende Ermessensübung nicht zu seinen Gunsten ausfallen könne. Zwar sei für den Beschwerdeführer positiv zu werten, dass er sich seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen in Österreich aufhalte und bereits gut Deutsch spreche; angesichts der festgestellten Gesetzesbrüche, wobei besonders die gravierenden Geschwindigkeitsübertretungen ins Gewicht fielen, sei jedoch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt habe, welches eine erhebliche Beeinträchtigung des allgemeinen Wohles sowie des öffentlichen Interesses darstelle. Dieser Umstand wiege schwerer als das "gegebene Ausmaß" der Integration des Beschwerdeführers, weshalb eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 StbG - eine Verleihung nach anderen Tatbeständen komme nicht in Betracht - jedenfalls ausscheide.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Hinsichtlich des von der belangten Behörde festgestellten strafgerichtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers bestreitet die Beschwerde lediglich, dass er am 1. Juni 1992 eine Körperverletzung begangen habe. Dies stehe im Hinblick darauf, dass seitens der Staatsanwaltschaft Wels die Anzeige gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 Jugendgerichtsgesetz zurückgelegt worden sei, keineswegs fest; dieser Vorfall könne daher im gegenständlichen Verfahren nicht wertend miteinbezogen werden.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde insofern im Recht, als die belangte Behörde - neben der unbestritten gebliebenen Verwendung eines verfälschten Reisepasses am 10. Juli 1994 - angesichts der Zurücklegung der Anzeige nicht von der Begehung einer weiteren gerichtlich strafbaren Handlung ausgehen durfte. Es blieb ihr allerdings unbenommen, das bei dem betreffenden Vorfall vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten in ihre Beurteilung miteinzubeziehen; die Feststellung, dass er mit einer anderen Person in Streit geriet, wobei es zu wechselseitigen Tätlichkeiten kam, bleibt in der Beschwerde unbestritten.

Was die in Deutschland strafgerichtlich geahndete Verwendung eines verfälschten Reisepasses anlangt, so trifft es zu, dass diese Tathandlung schon mehrere Jahre zurück liegt. Es trifft auch zu, dass einigen der vom Beschwerdeführer begangenen Verwaltungsübertretungen im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft - wenn überhaupt - eine nur sehr untergeordnete Bedeutung zukommt. Das gilt zB für das Missachten eines Park- oder Halteverbotes, worauf sich offenkundig etwa der von der belangten Behörde festgestellte Strafbescheid vom 30. Jänner 1998 bezieht. Das gilt jedoch - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - nicht auch für die zum Teil erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen, zumal sie einerseits wiederholt und andererseits nicht lange vor Erlassung des bekämpften Bescheides - zuletzt am 11. August 2000, ungeachtet einer wegen Übertretung der Höchstgeschwindigkeit im Jänner 2000 verfügten Entziehung der Lenkerberechtigung - gesetzt worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 2000/01/0059). Davon ausgehend kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie im Hinblick auf diese Geschwindigkeitsübertretungen zu Ungunsten des Beschwerdeführers Rückschlüsse auf sein Persönlichkeitsbild gezogen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2000, Zl. 98/01/0242). Ob sie dabei zu der Annahme gelangen durfte, dieses Persönlichkeitsbild sei so beschaffen, dass der Beschwerdeführer keine Gewähr dafür biete, weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darzustellen noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen zu gefährden, sodass das Einbürgerungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG gegeben sei, braucht hier nicht geprüft zu werden. Wohl ging die belangte Behörde davon aus, dass einer Verleihung der Staatsbürgerschaft dieses Einbürgerungshindernis entgegen stehe, doch brachte sie eventualiter zum Ausdruck, auch bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen das ihr dann offen stehende Ermessen, insbesondere angesichts der erwähnten Geschwindigkeitsübertretungen, nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers üben zu können. Jedenfalls hierin vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit zu erkennen, zumal zwei der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände, die bei einer Abwägung für ihn sprächen - sein mehr als zehnjähriger Aufenthalt in Österreich und sein regelmäßiges Einkommen - im Wesentlichen nur das Fehlen eines Verleihungshindernisses (nach § 10 Abs. 1 Z 1 bzw. Z 7 StbG) zum Ausdruck bringen. Von da her ist es aber auch nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Beschwerdeführer seit Juni 2000 (so der bekämpfte Bescheid) oder schon seit 1998 (so die Beschwerde) bei seinem letzten Arbeitgeber beschäftigt ist.

In Anbetracht des Vorgesagten und angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer erst im Oktober 1991 nach Österreich eingereist ist, kann der belangten Behörde auch unter Berücksichtigung der von ihr festgestellten guten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers kein Ermessensmissbrauch vorgeworfen werden. Da mithin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 11. Juni 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002010160.X00

Im RIS seit

23.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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