TE Vwgh Erkenntnis 2002/7/24 2002/18/0115

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Veröffentlicht am 24.07.2002
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs3;
SMG 1997 §28 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der M, (geb. 1976), vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. April 2002, Zl. SD 178/02, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. April 2002 wurde gegen die Beschwerdeführerin (eine nigerianische Staatsangehörige) gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei nach der Aktenlage am 20. Mai 1999 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, welcher mit rechtskräftigem Bescheid vom 5. Oktober 1999 abgewiesen worden sei. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 30. März 2000 sei gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen worden. Die Beschwerdeführerin sei jedoch ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und weiterhin unrechtmäßig in Österreich verblieben. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. September 2001 sei sie für schuldig erkannt worden, im Februar und im April 2001 in den Niederlanden die Lieferung von insgesamt 300 g Kokain bestellt zu habe, wovon ihr ca. 200 g auch tatsächlich zugestellt worden seien, ferner im Zeitraum von Anfang Februar bis Anfang Mai 2001 insgesamt 80 g Kokain an Unbekannte verkauft zu haben, und am 10. Mai 2001 weitere ca. 20 g Kokain zum Verkauf bereitgehalten zu haben. Wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens "nach §§ 28 Abs 2 und Abs 3 SMG, 15 StGB teilweise als Beteiligte nach § 12 zweiter Fall StGB" sei die Beschwerdeführerin zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs 1 leg. cit. gegeben gewesen seien.

Die Beschwerdeführerin sei ledig und für ein nunmehr eineinhalbjähriges Kind sorgepflichtig. Beim Vater dieses Kindes handle es sich um einen Mitbeschuldigten, der ebenfalls wegen Drogenhandels eine mehrjährige Freiheitsstrafe zu verbüßen habe. Mangels Aufenthaltsrechtes der Mutter sei auch deren Kind zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigt. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen, dieser Eingriff erweise sich jedoch zur Aufrechterhaltung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, zum Schutz der Gesundheit Dritter und zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens - als dringend geboten. Das bisherige Fehlverhalten der Beschwerdeführerin bringe deren außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher Rechtsvorschriften zum Ausdruck. Gerade der Suchtgiftkriminalität komme nicht nur eine außerordentliche Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr zu. In Anbetracht dieser besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität könne kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts der Beschwerdeführerin ableitbare Integration Bedacht zu nehmen gewesen. Diese erweise sich jedoch als außerordentlich gering, habe sich doch ihr Asylantrag als unberechtigt erwiesen und komme ihr sonst kein Aufenthaltsrecht zu. Auch sei zu bedenken gewesen, dass die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das schwerwiegende strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin überdies erheblich an Gewicht gemindert werde. In Anbetracht dieser Umstände habe die Tatsache, dass sich auch das Kleinkind der Beschwerdeführerin (unrechtmäßig) in Österreich aufhalte, keine maßgebliche Verstärkung ihrer kaum gewichtigen privaten Interessen an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet begründen können, seien doch keine unüberwindlichen Umstände aktenkundig, die einer gemeinsamen Ausreise der Beschwerdeführerin mit ihrem Kind entgegenstehen würden. Diesen gering ausgebildeten privaten Interessen stehe das hoch zu veranschlagende maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde daher zu dem Schluss gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen als das in ihrem Fehlverhalten begründete hohe öffentliche Interesse an der Verhängung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme.

Da darüber hinaus keine besonderen, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Sachverhalts von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können. Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG sei nicht gegeben gewesen. Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so sei der "unbefristete Ausspruch" durch die Erstbehörde auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. Das bisherige Verhalten der Beschwerdeführerin bringe eine derart geringschätzige Einstellung zu maßgeblichen, in Österreich gültigen Rechtsvorschriften zum Ausdruck, dass auch unter Berücksichtigung ihrer familiären Umstände nicht vorhersehbar sei, wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu den strafbaren Handlungen und der Verurteilung der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin vertritt - zutreffend - auch nicht die Auffassung, dass in ihrem Fall die Voraussetzungen des § 36 Abs 2 Z. 1 FrG nicht gegeben wären.

2. Aus der besagten wegen ihrer Suchtgiftdelikte erfolgten Verurteilung u.a. auch wegen § 28 Abs. 3 SMG ist ersichtlich, dass sie ihr auf eine "große Menge" Suchtgift im Sinn des § 28 Abs 6 SMG bezogenes strafbares Verhalten - nach dem angefochtenen Bescheid unstrittig insbesondere der Verkauf bzw. die Bereithaltung zum Verkauf von Suchtgift - gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande begangen hat. Sie hat somit ihre strafbaren Handlungen in Bezug auf eine Suchtgiftmenge begangen, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 6 SMG). Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die dieser innewohnende Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2002/18/0022, mwH), begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Dies umso weniger, als die Beschwerdeführerin durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt seit der rechtskräftigen Abweisung ihres Asylantrages mit Bescheid vom 5. Oktober 1999 (somit in der Dauer von etwa zweieinhalb Jahren) sowie ihren nicht in Abrede gestellten Verstoß gegen ihre Verpflichtung, nach der Erlassung des Aufenthaltsverbotes vom 30. März 2000 aus Österreich auszureisen, das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (vgl. Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0272, mwH), erheblich beeinträchtigt hat. Entgegen der Beschwerde hatte die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von den Erwägungen des Strafvollzugsgerichts dafür, dass die Beschwerdeführerin lediglich zwei Drittel der über sie verhängten Freiheitsstrafe zu verbüßen hatte, zu beurteilen (vgl. hiezu aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 5. April 2002, Zl. 2002/18/0014, mwH). Auch ihr Hinweis auf ihr Wohlverhalten seit den ihrer Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten geht fehl. Zum einen ist der seit der von ihr zuletzt gesetzten Straftat am 10. Mai 2001 verstrichene Zeitraum von nicht einmal einem Jahr zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine entscheidende Minderung der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefahr schließen zu können. Zum anderen hat sich die Beschwerdeführerin nach ihren Ausführungen in der Beschwerde seit dem besagten Fehlverhalten durchgehend in Haft befunden und damit ihr Verhalten unter Lebensumständen außerhalb der Haft - nur ein solches Verhalten wäre für die Frage des Vorliegens eines Wohlverhaltens bedeutsam - noch gar nicht unter Beweis stellen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2002/18/0022). Dem Hinweis auf ihre Beteiligung an den Straftaten "in untergeordneter Rolle" und auf den Umstand, dass sie vom Vater ihres Kindes zu den Straftaten geradezu genötigt worden sei, ist entgegen zu halten, dass auf Grund der im angefochtenen Bescheid genannten unbestritten gebliebenen strafgerichtlichen Verurteilung das tatbestandsmäßige Verhalten der Beschwerdeführerin im Sinn der genannten Strafbestimmungen und somit auch die Vorsätzlichkeit ihres Handelns bindend feststeht (vgl. etwa das schon zitierte hg. Erkenntnis Zl. 98/18/0250).

3.1. Gegen die von der belangten Behörde im Grund des § 37 FrG getroffene Beurteilung bringt die Beschwerdeführerin vor, dass entgegen der Meinung der belangten Behörde der mit dem vorliegenden Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in ihr Privatleben nicht gering zu veranschlagen sei, weil ihr nunmehr zwanzig Monate altes Kind in Österreich geboren sei und dieses Land nie verlassen habe. Es habe sich an das soziale Umfeld angepasst und "die medizinische und entwicklungsorientierte Betreuung" angenommen. Im Fall der Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin käme es zu einer "Desorientierung und Entwurzelung des Kindes mit weitreichenden negativen Folgen". Die belangte Behörde habe in der bekämpften Entscheidung auch nicht auf das "Persönlichkeitsbild" der Beschwerdeführerin abgestellt, sondern lediglich auf den von ihr verwirklichten Sachverhalt. Die Beschwerdeführerin sei im Zug des Verfahrens auch nicht zu ihren familiären Bindungen in Österreich oder zum "Schengener Raum befragt (Art 96 SDÜ)" worden.

3.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat - unter der zutreffenden Annahme eines mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffs in die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin im Sinn des § 37 Abs 1 FrG - die Auffassung vertreten, dass diese Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig sei. Diese Beurteilung kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Angesichts der (wie schon erwähnt) besonderen Gefährlichkeit der der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Suchtgiftkriminalität, an deren Hintanhaltung ein außerordentlich großes öffentliches Interesse besteht, erweist sich das vorliegende Aufenthaltsverbot als im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG als dringend geboten.

Zudem hat die Beschwerdeführerin - wie schon erwähnt (vgl. oben II.2.) - durch die Missachtung ihrer Ausreiseverpflichtung nach Erlassung des Aufenthaltsverbotsbescheides vom 30. März 2002 und ihren unrechtmäßigen Aufenthalt in der Dauer von etwa zweieinhalb Jahren das einen hohen Stellenwert aufweisende öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften gravierend beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die Rüge, die belangte Behörde habe nicht auf das Persönlichkeitsbild der Beschwerdeführerin abgestellt, als nicht zielführend. Weiters ist auch das Ergebnis der von der Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung unbedenklich. Eine aus ihrem inländischen Aufenthalt ableitbare Integration ist in ihrem Gewicht insofern entscheidend gemindert, als die dafür essentielle soziale Komponente durch die Schwere der der Beschwerdeführerin zu liegenden Straftaten in beachtlichem Maß beeinträchtigt wurde, und sie überdies ein Jahr ihres nur knapp dreijährigen Aufenthaltes in Strafhaft verbrachte. Der Hinweis auf die Integration ihres in Österreich geborenen Kleinkindes wird dadurch relativiert, dass diesem - von der Beschwerde unwidersprochen gelassen - ebenfalls keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zukommt.

Bezüglich der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe die Beschwerdeführerin nicht zu ihren familiären Bindungen befragt, tut die Beschwerdeführerin die Relevanz nicht dar, hat sie es doch unterlassen, auszuführen, auf welche familiären Bindungen - außer der von der Behörde ohnehin berücksichtigten Bindung zu ihrer Tochter - Bedacht zu nehmen gewesen wäre.

4. Auf dem Boden des Gesagten geht die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe bezüglich der Beurteilung nach § 36 Abs. 1 und § 37 Abs. 1 und 2 FrG ihre Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG verletzt, fehl.

5. Schließlich bestand für die belangte Behörde auch keine Veranlassung, von ihrem Ermessen im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 24. Juli 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002180115.X00

Im RIS seit

29.10.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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