TE Vwgh Erkenntnis 2002/8/9 2002/08/0039

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Veröffentlicht am 09.08.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §49 Abs2;
AlVG 1977 §49;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des E in H, vertreten durch seinen Sachwalter M, dieser vertreten durch Dr. Rudolf Schaller, Rechtsanwalt in 7350 Oberpullendorf, Hauptstraße 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland vom 24. September 1999, Zl. LGS-Bgld./IV/1241-2/1999, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die regionale Geschäftsstelle Oberwart des Arbeitsmarktservice nahm am 7. Juni 1999 mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift betreffend die Nichteinhaltung der Kontrollmeldung vom 24. November 1998 auf. Dabei gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er habe diese Kontrollmeldung nicht eingehalten, weil er der Meinung gewesen sei, dass er sowieso kein Geld mehr bekomme.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 10. Juni 1999 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer für die Zeit vom 25. November 1998 bis 6. Juni 1999 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 25. November 1998 eine Kontrollmeldung versäumt.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer vor, er sei hochgradig psychisch krank. Seine psychische Krankheit habe dazu geführt, dass er die Kontrollmeldung versäumt habe. Er habe diesen Termin entweder gar nicht wahrgenommen oder habe, resultierend aus seiner psychischen Erkrankung, eine derart große Scheu vor Menschenkontakten, dass er ihn krankheitshalber versäumt habe. Bereits wiederholt habe er Probleme mit seiner psychischen Gesundheit gehabt und sei zum Teil in psychiatrischer Behandlung gewesen. Wenn sich nicht Angehörige um seine Behördenwege kümmerten, stehe er formalen Regeln und Vorschriften gleichgültig gegenüber. Das könne ihm aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn sein Verhalten auf der geistigen Erkrankung beruhe. Der Beschwerdeführer sei daher aus einem triftigen Grund, nämlich seiner geistigen Erkrankung wegen, daran gehindert gewesen, die Kontrollmeldung zu erstatten.

Über Auftrag der belangten Behörde legte der Beschwerdeführer in der Folge ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten vom 20. Mai 1997 vor. Er führte anlässlich dieser Vorlage aus, dass sich sein Gesundheitszustand seither verschlechtert habe, er die Sozialkontakte eingestellt habe und nach Auffassung seiner Verwandten ernsthaft psychisch krank sei.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer am 2. September 1998 anlässlich seiner Antragstellung auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld seitens der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Kontrollmeldekarte ausgehändigt und er über die Folgen der Versäumung einer Kontrollmeldung belehrt worden sei. Diese Belehrung habe er mit seiner Unterschrift bestätigt. Die Kontrollmeldetermine seien in der ausgehändigten Kontrollmeldekarte eingetragen worden. Für den 24. November 1998 sei eine Kontrollmeldung zwischen dem Beschwerdeführer und der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vereinbart worden. Der Beschwerdeführer sei seiner Verpflichtung zur Einhaltung des Kontrollmeldetermins nicht nachgekommen. Auf Grund dieses Versäumnisses sei die Einstellung des Leistungsbezuges erfolgt. Eine neuerliche persönliche Vorsprache des Beschwerdeführers bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice sei erst am 7. Juni 1999 erfolgt. Dabei habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er den Kontrollmeldetermin am 24. November 1998 nicht eingehalten habe, weil er der Meinung gewesen sei, sowieso kein Arbeitslosengeld mehr zu bekommen. Dem vom Beschwerdeführer vorgelegten psychiatrisch-neurologischen Gutachten vom 20. Mai 1997 habe im Wesentlichen entnommen werden können, dass eine paranoide Reaktion, beeinflusst durch eine einfach strukturierte Persönlichkeit, festgestellt worden sei. In einem strukturierten Rahmen und unter neuroleptischer Medikation sei es zur raschen Stabilisierung des Zustandsbildes gekommen. Weiters sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert sei. Das Gutachten sei auf Grund einer Strafsache beim Landesgericht E. erstellt worden. Die festgestellte paranoide Reaktionsbereitschaft gegenüber den Nachbarn sei für diese Strafsache relevant gewesen. Weiters sei festgestellt worden, dass die Kritikfähigkeit und der Realitätsbezug im Allgemeinen gegeben seien, nur bezüglich der Eigentumssituation seien die Kritikfähigkeit und der Realitätsbezug vermindert. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe und er die Sozialkontakte eingestellt habe und nach Auffassung seiner Verwandten psychisch krank sei. Eventuell werde eine psychiatrische Begutachtung im November beantragt werden. Weitere ärztliche Befunde hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers seien nicht vorgelegt worden. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers bzw. aus der Niederschrift vom 7. Juni 1999 könne kein triftiger Grund für das Versäumen der Kontrollmeldung ersehen werden. Da der Beschwerdeführer über die Verpflichtung zur Einhaltung der Kontrollmeldung Bescheid gewusst habe und ihm der Termin nachweislich zur Kenntnis gebracht worden sei, sei auch davon auszugehen, dass ihm die Einhaltung des Kontrollmeldetermins auf jeden Fall möglich gewesen sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe gedacht, dass er ohnehin keine Leistung mehr bekomme, könne nicht als triftiger Grund anerkannt werden. Auf Grund des psychiatrisch-neurologischen Gutachtens vom 20. Mai 1997 könne der Schluss gezogen werden, dass zum Zeitpunkt des Strafverfahrens im Mai 1997 Persönlichkeitsstörungen vorgelegen seien. Die paranoide Reaktionsbereitschaft habe sich aber lediglich gegen die Nachbarn gerichtet. Somit sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des versäumten Kontrollmeldetermins nicht mehr unter einem beeinträchtigten psychischen Gesundheitszustand gelitten habe. Hiefür spreche auch, dass er kein aktuelles ärztliches Attest vorgelegt habe. Daraus könne nur geschlossen werden, dass in der Zwischenzeit, also nach dem besagten Strafverfahren und der Wiedermeldung zum Arbeitslosengeldbezug am 7. Juni 1999, keine gesundheitlichen Einschränkungen auf Grund von psychischen Störungen vorgelegen seien. Nach dem Gutachten vom 20. Mai 1997 liege eine einfach strukturierte Persönlichkeit und eine leichte Intelligenzminderung vor. Auf Grund der eingehenden Belehrung über die Einhaltung der Kontrollmeldungen wäre dem Beschwerdeführer trotz dieser Diagnose die Einhaltung der Kontrollmeldung vom 24. November 1998 aber möglich gewesen. Ferner sei der Beschwerdeführer bereits des öfteren im Bezug von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz gestanden. Es sei ihm immer eine Kontrollmeldekarte ausgehändigt worden und es seien immer Kontrollmeldungen vorgeschrieben worden. Er sei immer in der Lage gewesen, die Kontrollmeldungen einzuhalten. Es sei niemals ein Ausschluss vom Leistungsbezug wegen der Nichteinhaltung einer Kontrollmeldung ausgesprochen worden. Daraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass der Beschwerdeführer sehr wohl über die gesetzlichen Bestimmungen des § 49 AlVG Bescheid gewusst habe. Bis kurz vor der Erstellung des psychiatrisch-neurologischen Gutachtens vom 20. Mai 1997 habe der Beschwerdeführer Leistungen nach dem AlVG bezogen. Zu diesem Zeitpunkt sei er ebenfalls verpflichtet gewesen, Kontrollmeldungen einzuhalten. Aus dem Bezugsverlauf gehe einwandfrei hervor, dass der Beschwerdeführer bei der Einhaltung der Kontrollmeldungen zum damaligen Zeitpunkt keine Schwierigkeiten gehabt habe bzw. dass er die Kontrollmeldungen zum damaligen Zeitpunkt immer eingehalten habe. Es liege somit kein triftiger Grund für das Versäumnis der Kontrollmeldung am 24. November 1998 vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Hinsichtlich der Kontrollmeldungen enthält § 49 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 411/1996 folgende Regelungen:

"Kontrollmeldungen

§ 49. (1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose monatlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, daß das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. Die näheren Bestimmungen über die Kontrollmeldungen trifft die Landesgeschäftsstelle. Die Landesgeschäftsstelle kann auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen.

(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um die Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich strittig, ob auf Grund des geistigen Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ein triftiger Grund im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG vorlag, der den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hindern könnte.

In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde aus, dass ein eingeschränkter Geisteszustand zu einer Entschuldigung einer Kontrollmeldeversäumnis führen kann. Diese Auffassung der belangten Behörde ist zutreffend. Ohne aktuelles Gutachten eines medizinischen Sachverständigen konnte die belangte Behörde aber nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer in der Lage war, die Bedeutung der Vorschreibung der Kontrollmeldung zu erfassen und sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0183). Von der Beurteilung dieser Umstände hängt es aber ab, ob dem Beschwerdeführer ein Kontrolltermin überhaupt wirksam vorgeschrieben wurde und ob der Beschwerdeführer vermochte, diesen wahrzunehmen.

Die belangte Behörde geht davon aus, dass zum Zeitpunkt des versäumten Kontrollmeldetermins kein beeinträchtigter psychischer Gesundheitszustand des Beschwerdeführers mehr vorgelegen sei. Dafür spreche auch, dass der Beschwerdeführer kein aktuelles ärztliches Attest vorgelegt habe. Daraus, dass es kein Attest eines Arztes gegeben hat, kann aber nicht geschlossen werden, dass keine psychisch bedingten Einschränkungen der Gesundheit des Beschwerdeführers gegeben sein könnten, die einen triftigen Entschuldigungsgrund im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG darstellten. Vielmehr wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, den tatsächlichen geistigen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Kontrolltermines, ebenso aber auch zum Zeitpunkt des Erhaltes der Vorschreibung, unter Heranziehung eines medizinischen Sachverständigen zu ermitteln. Die belangte Behörde hat sich aber nicht einmal mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren auseinandergesetzt, dass sich sein Gesundheitszustand seit dem psychiatrisch-neurologischen Gutachten vom 20. Mai 1997 verschlechtert habe.

Ebenso kann der belangten Behörde insofern nicht gefolgt werden, als sie daraus, dass der Beschwerdeführer noch nie eine Kontrollmeldung versäumt habe, den Schluss gezogen hat, dass kein triftiger Grund für die Versäumnis der Kontrollmeldung am 24. November 1998 vorgelegen sei. Gerade weil der Beschwerdeführer früher niemals Kontrolltermine versäumt hat, entspräche es den Denkgesetzen, dass er, wenn nicht ein triftiger Grund vorgelegen wäre, auch bei dem Termin am 24. November 1998 vorgesprochen hätte, um den Eintritt der ihm bekannten Rechtsfolgen des § 49 Abs. 2 AlVG zu vermeiden (vgl. dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0271).

Die belangte Behörde konnte sich aber auch angesichts des behaupteten und nicht näher geklärten gesundheitlichen Zustandes des Beschwerdeführers nicht darauf stützen, dass er bei seiner Vorsprache am 7. Juni 1999 lediglich erklärt hat, den Kontrolltermin am 24. November 1998 nicht eingehalten zu haben, weil er der Meinung gewesen sei, sowieso kein Arbeitslosengeld mehr zu bekommen. In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer nämlich vorgebracht, dass er formalen Regeln und Vorschriften gleichgültig gegenüber stehe. Auch zur Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers vom 7. Juni 1999 wäre daher eine weitere Auseinandersetzung mit seinem psychischen Gesundheitszustand Voraussetzung gewesen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 9. August 2002

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080039.X00

Im RIS seit

29.11.2002

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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