TE Vwgh Beschluss 2002/9/3 2001/09/0027

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Veröffentlicht am 03.09.2002
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §273 Abs3 Z2;
AVG §9;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/09/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerden des B in W, gegen das Arbeits- und Sozialgericht Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend seinen Einspruch gegen das Protokoll über die Verhandlung im Februar 2000 und seine im Verfahren 17 Cga x/99 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien gestellten Ablehnungsanträge, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 7. Februar 2001 - beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 9. Februar 2001 - hat der Beschwerdeführer zwei Säumnisbeschwerden eingebracht, in denen geltend gemacht wird, der Präsident der belangten Behörde habe über seine Beschwerde betreffend seinen Einspruch gegen das Protokoll einer im Februar 2000 in einem von ihm anhängig gemachten arbeitsgerichtlichen Verfahren abgehaltenen Verhandlung verbunden mit Ablehnungsanträgen gegen die mit diesem Verfahren betrauten Richterin und daraus entstandenen Schadenersatzansprüchen wegen menschenrechtswidriger Rechtsverweigerung bislang nicht entschieden.

Die Säumnisbeschwerden wurden am 9. Februar 2001 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

Auf Grund eines vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Zwischenverfahrens wurde festgestellt, dass aufgrund einer Anregung des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien ein Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters für den Beschwerdeführer eingeleitet wurde, in dessen Verlauf für den Beschwerdeführer mit Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 14. April 2000, 1 P y/00v-7, für die Dauer dieses Verfahrens ein einstweiliger Sachwalter und mit Beschluss desselben Gerichtes vom 13. April 2001, 1 P y/00v- 29, ein Sachwalter für den Aufgabenkreis nach § 273 Abs. 3 Z. 2 ABGB "Vertretung vor Gerichten" bestellt wurde.

Dem lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer nach den im Sachwalterbestellungsverfahren eingeholten Gutachten an einer massiven Persönlichkeitsstörung, die das Ausmaß einer psychischen Krankheit erreicht hat, leidet und deshalb nicht in der Lage ist, sich vor Gericht selbst zu vertreten, ohne sich Schaden zuzufügen. Wegen dieser psychischen Krankheit ist er zur Besorgung einzelner seiner Angelegenheiten auf die Hilfe eines Sachwalters angewiesen. Die Auswahl des (dem Rechtsanwaltsstande angehörenden) Sachwalters hatte seinen Grund auch darin, dass voraussichtlich juristische Angelegenheiten zu besorgen sein würden.

Über Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof teilte dieser mit Eingabe vom 30. Juli 2002 mit, dass er die Einbringung der gegenständlichen Säumnisbeschwerden nicht genehmige.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Beschwerden, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist nicht zur Verhandlung eignen oder denen offenbar die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Der Beschluss über die Bestellung eines Sachwalters hat konstitutive Wirkung für die Zeit ab seiner Erlassung.

Hinsichtlich der vorliegenden Beschwerden, die der Beschwerdeführer vor dem 13. April 2001 an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet hat, war daher vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob er auch schon damals nicht mehr in der Lage gewesen war, die Bedeutung und die Tragweite des Verfahrens und der sich in diesen ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen derartiger Verfahren entsprechend zu verhalten, sohin ob bereits bei Einbringung der Beschwerden Prozessfähigkeit nicht mehr vorgelegen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, 95/20/0729, mwA).

Der Verwaltungsgerichtshof geht in Anbetracht der im Pflegschaftsakt des Bezirksgerichtes Floridsdorf enthaltenen gutachtlichen Stellungnahmen sowie des Ergebnisses der do. erfolgten Erstanhörung davon aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner psychischen Erkrankung und des damit verbundenen Realitätsverlustes in Ansehung seiner juridischen Angelegenheiten bereits im Februar 2001 nicht mehr prozessfähig gewesen ist.

Mangels Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerden an den Verwaltungsgerichtshof waren diese gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.

Die Beschwerden wären aber auch aus einem weiteren Grunde zurückzuweisen gewesen:

Die den Säumnisbeschwerden zugrundeliegenden Eingaben sind ihrem Inhalt nach als Dienstaufsichtsbeschwerden zu werten, da sie sich auf "Rechtsverweigerung" und rechtswidrige Anwendung der Prozessgesetze zu seinem Nachteil stützen. Dies geht auch aus der Mitteilung des Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2. Februar 2001, Jv 1069-17/00, hervor. Damit weist aber diese Eingabe, die den Säumnisbeschwerden zugrunde liegt, ihrem Inhalt nach den typischen Charakter einer Aufsichtsbeschwerde auf, deren Behandlung nicht in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fällt und daher gleichfalls nach ständiger Rechtsprechung keine Entscheidungspflicht auslöst, sondern zur Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde zu führen hat (vgl. dazu den oben zitierten Beschluss vom 24. April 1996 sowie die hg. Beschlüsse vom 16. Dezember 1992, 92/12/0073, und vom 23. April 1992, 92/09/0090). Auch aus diesem Grund waren die Säumnisbeschwerden gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. September 2002

Schlagworte

Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Sachwalter Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001090027.X00

Im RIS seit

07.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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