TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/5 98/21/0375

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Veröffentlicht am 05.09.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §80 Abs2 Z2;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des N O, geboren am 3. Oktober 1952, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 3. Juni 1998, Zlen. 1997/4/50-4 und 1997/20/244-4, betreffend u.a. Übertretungen des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Übertretungen des Fremdengesetzes betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurden über den Beschwerdeführer unter anderem zwei Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, verhängt. Soweit sich die Beschwerde gegen mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verwaltungsstrafen nach dem Meldegesetz richtet, hat der Verwaltungsgerichtshof hierüber bereits gesondert entschieden (Beschluss vom 30. September 1998, Zl. 98/02/0294).

Den Gegenstand des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bilden daher folgende, dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid zur Last gelegte Verwaltungsübertretungen:

"Sie haben 1.) am 08.03.1997 bei der Grenzkontrollstelle Innsbruck-Flughafen anläßlich des Grenzübertrittes von den Niederlanden (Amsterdam) nach Österreich vorsätzlich die rechtswidrige Einreise des ghanesischen Staatsangehörigen O A K, ca. 21 Jahre alt, geb. in Berekum, in das Bundesgebiet gefördert, somit vorsätzlich um Ihres Vorteiles willen Schlepperei begangen, indem Sie über einen gewissen G K, ghanesischer Staatsangehöriger, wohnhaft in B.O. Box 1, Gyegyemere GA., Ghana, veranlaßt haben, daß Ihrem obgenannten Neffen mit 05.09.1996 in Accra/Ghana der bis 04.09.2006 gültige ghanesische Reisepaß mit der Nummer A 565805 lautend auf den Namen O A, geb. am 20.01.1976 in Berekum/Ghana, ghanesischer Staatsangehöriger, mit dem Lichtbild ihres Neffen ausgestellt wurde, und Sie zusammen mit ihm und Ihrer Gattin Frau O G in das Bundesgebiet eingereist sind, wobei Sie sich in weiterer Folge durch den an Sie ausbezahlten und von Ihnen einbehaltenen Lohn der illegalen Arbeit Ihres Neffen im Bundesgebiet einen Vermögensvorteil verschafft haben, haben 2.) vorsätzlich der obgenannten Person als Fremden im Sinne des Fremdengesetzes die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, indem Sie dem ghanesischen Staatsangehörigen O A K nach dessen unter Punkt 1.) näher dargestellten Einreise vom 08.03.1997 bis einschließlich 23.05.1997 Unterkunft in Ihrer Wohnung in I., I. Straße 99/Pt., gewährt haben, obwohl sich Ihr genannter Neffe in diesem Zeitraum nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, da er während dessen nicht im Besitz des erforderlichen gültigen österreichischen Sichtvermerkes bzw. einer gültigen besonderen Bewilligung (Aufenthaltsbewilligung) war, und Sie während dieses Zeitraumes nicht für die Wiederausreise dieser Person Sorge getragen haben."

Der Beschwerdeführer habe dadurch zu 1.) die Rechtsvorschriften des § 80 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 1 FrG und zu 2.) § 7 VStG iVm § 82 Abs. 1 Z 4 und § 15 FrG verletzt.

Über den Beschwerdeführer wurden mit dem angefochtenen Bescheid zu 1.) eine Geldstrafe von S 17.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) gemäß § 80 Abs. 2 Z 2 FrG und zu

2.) eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) gemäß § 82 Abs. 1 FrG verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin gesteht der Beschwerdeführer zwar die Begehung der Schlepperei zu, bestreitet aber, diese Tat "um seines Vorteiles willen" begangen zu haben. Auch sei die unter Punkt 1.) erfolgte Bestrafung deshalb rechtswidrig, weil ein gegen den Beschwerdeführer anhängig gewesenes gerichtliches Strafverfahren wegen "ausbeuterischer Schlepperei" (§ 104a Abs. 2 StGB) eingestellt worden sei. Die nunmehrige Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 80 Abs. 2 Z 2 FrG sei daher im Hinblick auf die bloß subsidiäre Anwendbarkeit dieser Bestimmung gegenüber gerichtlichen Straftaten gemäß § 84 FrG nicht zulässig. Gegen die Bestrafung unter Punkt 2.) bringt der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, die dieser Bestrafung zugrundeliegende Tat sei bereits durch das unter Punkt 1.) angeführte Verhalten konsumiert. Da die Schlepperei nach der Legaldefinition des § 80 Abs. 1 FrG nämlich die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden, auch wenn sie "während des Aufenthaltes des Fremden" im Bundesgebiet gewährt werde, erfasst, sei damit auch die unter Punkt 2.) angelastete Beihilfe zum unrechtmäßigen Aufenthalt abgegolten und daher nicht gesondert zu bestrafen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

§ 80 Abs. 1 und Abs. 2 FrG lautet:

"Schlepperei

§ 80. (1) Schlepperei ist die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden, gleichgültig ob sie vor oder nach dem Grenzübertritt oder während des Aufenthaltes des Fremden im Bundesgebiet gewährt wird.

(2) Wer vorsätzlich Schlepperei begeht oder vorsätzlich an ihr mitwirkt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist

1.

mit Geldstrafe bis zu 50 000 Schilling zu bestrafen;

2.

sofern er die Tat um seines Vorteiles willen begeht, mit Geldstrafe bis zu 200 000 Schilling zu bestrafen."

Hinsichtlich der Bestrafung wegen Schlepperei ist im vorliegenden Fall strittig, ob der Beschwerdeführer diese Tat "um seines Vorteiles willen" und damit in der ihm angelasteten qualifizierten Form des § 80 Abs. 2 Z 2 FrG begangen hat. Schon die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit der Frage, ob der Beschwerdeführer einen Vermögensnachteil aus der Schlepperei gezogen hat, ausführlich auseinander gesetzt und ist damit zu Recht davon ausgegangen, dass die Begehung der Tat "um seines Vorteiles willen" ein entscheidendes Tatbestandsmerkmal (§ 44a Z 1 VStG) der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung des § 80 Abs. 2 Z 2 FrG darstellt.

Um eine Verfolgungsverjährung hintanzuhalten, war es daher notwendig, dem Beschwerdeführer dieses Tatbestandselement ("um seines Vorteiles willen") innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG anzulasten, weil sich die Verfolgungshandlung auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, unter E 38 ff zu § 31 VStG referierte hg. Judikatur). Eine solche, den genannten Anforderungen entsprechende Verfolgungshandlung wurde im Beschwerdefall jedoch nicht vorgenommen. In der einzigen, innerhalb der (hinsichtlich der Tat zu Punkt 1.) am 8. September 1997 abgelaufenen) Frist des § 31 Abs. 2 FrG gesetzten Verfolgungshandlung (Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 1997) wurde das maßgebliche Tatbestandselement des § 80 Abs. 2 Z 2 FrG "um seines Vorteiles willen" nicht angelastet.

Auch die dem angefochtenen Bescheid unter Punkt 2.) zugrundeliegende Beihilfetat (§ 7 VStG iVm § 82 Abs. 1 Z 4 und § 15 FrG) erweist sich als verfolgungsverjährt, was der Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen zu berücksichtigen hat (vgl. die in Walter/Thienel, aaO., unter E.24 zu § 31 VStG referierte Judikatur):

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein wegen Beihilfe gemäß § 7 VStG verurteilendes Straferkenntnis in seinem § 44a Z 1 VStG betreffenden Spruchteil unter anderem sowohl jene Tatumstände in konkretisierter Form zu umschreiben, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zu der durch seine Tat verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglichen, als auch jenes konkrete Verhalten des Beschuldigten darzustellen, durch welches der Tatbestand der Beihilfe hiezu verwirklicht wird (vgl. die in Walter/Thienel, aaO., unter E.56 zu § 44a VStG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Eine ausreichende (die Tat des Haupttäters betreffende) Umschreibung des unrechtmäßigen Aufenthaltes nach § 82 Abs. 1 Z 4 FrG erfordert nach ständiger hg. Judikatur die Verneinung sämtlicher (und nicht bloß eines Teiles) der im § 15 Abs. 1 FrG genannten drei alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 10. Juni 1999, Zl. 97/21/0307, vom 8. November 2000, Zl. 97/21/0223 und vom 5. Oktober 2000, Zl. 96/21/0861). Keine der zu Punkt 2.) gesetzten Verfolgungshandlungen (neben der bereits genannten Ladung ist hinsichtlich der unter Punkt 2.) bezeichneten Verwaltungsübertretung (Ende der Tatzeit: 23. Mai 1997) auch das Straferkenntnis der Erstbehörde vom 11. September 1997 als rechtzeitige Verfolgungshandlung anzusehen) entspricht dem genannten Erfordernis, sodass sich der angefochtene Bescheid auch in diesem Punkt als inhaltlich rechtswidrig erweist.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid, soweit ihm Bestrafungen nach dem Fremdengesetz zugrunde liegen, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Wien, am 5. September 2002

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1998210375.X00

Im RIS seit

07.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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