TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/23 2000/05/0137

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Veröffentlicht am 23.09.2002
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Index

L78003 Elektrizität Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §82 Abs7 idF 1998/I/158;
B-VG Art12 Abs3;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §32 Abs1 Z3;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §32;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §33 Abs1 Z2 lita;
GewO 1994 §75 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Alois Zwanzinger und der Hildegard Zwanzinger, beide in 2202 Enzersfeld, vertreten durch Dr. Andrea Göll, Rechtsanwalt in Wien VII, Neubaugasse 68, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 15. Mai 2000, Zl. 551.600/9- VIII/1/99, betreffend Devolutionsantrag gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG (mitbeteiligte Partei: Nordwind Windkraftanlagen Errichtungs- und Betriebsgesellschaft m.b.H. & Co KEG in 3834 Pfaffenschlag, vertreten durch Pruckner & Mayrhofer Rechtsanwälte OEG in Zwettl, Landstraße 17), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 934,16 je zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit der am 23. Dezember 1998 bei der Behörde eingelangten Eingabe vom 10. Dezember 1998 kam die mitbeteiligte Partei (auch kurz: Konsenswerberin) bei der Niederösterreichischen Landesregierung um Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung nach dem Niederösterreichischen Elektrizitätswesengesetz, LGBl. 7800-1, und um Bewilligung nach dem Niederösterreichischen Starkstromwegegesetz (LGBl. 7810-0) für die Errichtung von drei Windkraftanlagen ("Windräder", kurz: WKA, Mehrzahl WKAn) samt den für die Einspeisung der gewonnenen elektrischen Energie erforderlichen Transformatorstationen und Leitungsanlagen auf Grundstücken der KG Hagenbrunn ein.

Nach den Projektunterlagen sollen die verfahrensgegenständlichen Windkraftanlagen (WKA 2 - 4) im Anschluss an eine bereits bestehende derartige Anlage (WKA 1) errichtet werden. Die WKA 3 und WKA 4 (das sind die nördlichsten Anlagen) sollen auf einem schmalen langen Grundstreifen errichtet werden (dem Akteninhalt nach offenbar ein Windschutzgürtel), der in nordöstlicher/südwestlicher Richtung verläuft und beidseits je von einem Weg begleitet wird. An diese Wege grenzen westlich bzw. östlich jeweils mit einer Schmalseite zahlreiche schmale, aber lange Grundstücke (dem Akteninhalt offenbar Felder), und zwar derart, dass die Längsachse dieser Grundstücke (Felder) ungefähr rechtwinkelig zur Längsachse dieses Windschutzgürtels und der begleitenden Wege verläuft. Die WKA 2 soll knapp östlich dieses Windschutzgürtels am wegseitigen Ende des Grundstückes Nr. 2703 errichtet werden, die bestehende WKA 1 befindet sich ebenfalls östlich dieses Streifens und des angrenzenden Weges im Bereich des wegseitigen Endes des Grundstückes Nr. 2699 (das heißt, diese vier Anlagen sind im Großen und Ganzen annähernd entlang einer Geraden angeordnet). Die projektmäßige Entfernung zwischen dem Mittelpunkt der Fußpunkte der Anlagen beträgt zwischen der WKA 1 und der WKA 2 182,00 m, zwischen der WKA 2 und der WKA 3 248,50 m und zwischen der WKA 3 und der WKA 4 221,00 m.

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 2725 westlich dieses Windschutzgürtels, "gegenüber" der WKA 2, und des Grundstückes Nr. 2706 östlich dieses Windschutzgürtels, welches vom Grundstück Nr. 2703, auf welchem die WKA 2 errichtet werden soll (Fußpunkt des Mastes), durch die Grundstücke Nr. 2704 und 2705 getrennt ist (es liegt "zwischen" der WKA 2 und der WKA 3).

Die projektierten Windkraftanlagen sind solche der Type Vestas V-47 (Rotordurchmesser 47 m), die Nabenhöhe (des Rotors) ist mit 65,00 m angegeben; sie befinden sich jeweils auf einem Stahlrohrmast mit einem "Zopfdurchmesser" von 2,00 m und einem Fußdurchmesser von 3,60 m (die bestehende WKA 1 ist eine solche der Type Vestas V-44 mit einem Rotordurchmesser von 44 m). Festzuhalten ist, dass kein Teil der geplanten WKAn in den Luftraum über den beiden Grundstücken der Beschwerdeführer eindringt.

Mit Erledigung (Ladung / Kundmachung) vom 9. April 1999 beraumte die Nö. Landesregierung eine mündliche Verhandlung für den 9. Mai 1999 an. In dieser Erledigung, mit welcher ua. die Beschwerdeführer zur Verhandlung geladen wurden, heißt es als "Hinweis" (ua.):

"Sollten Sie gegen dieses Projekt Einwände haben, müssen Sie diese spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung beim Amt der NÖ Landesregierung oder während der Verhandlung vorbringen.

Andernfalls verlieren Sie ihre Stellung als Partei im Verfahren":

In der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 1999 brachten die Beschwerdeführer vor, die gegenständlichen WKAn sollten in unmittelbarem Einflussbereich der ausbeutbaren Windströmungen über ihren Grundstücken Nr. 2725 und 2706 errichtet werden. Auf Grund der Umsetzung der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie durch das ElWOG, BGBl. Nr. 143/1998, sei ab diesem Zeitpunkt "Wind" als Produktionsfaktor, das heiße als ökonomisch ausbeutbarer Rohstoff zu verstehen, welcher mittels WKAn geerntet werde (dies im Sinne von Elektrizitätserzeugung). Durch das gegenständliche Vorhaben würden ihre Eigentums-, Nutzungs- und Anrainerrechte vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht grob verletzt. Es sei eine Tatsache, dass WKAn die Anströmflächen im gesamten Umfeld benötigten und nützten, um ohne Beeinträchtigung bestmöglich wirtschaftlich betrieben werden zu können. Für den Betrieb solcher Anlagen durch die Konsenswerberin sei daher auch die Nutzung ihrer Grundstücke als Anströmflächen erforderlich bzw. von großem Nutzen. Tatsächlich trete im Umkreis von bis zum mindestens 10-fachen Rotordurchmesser einer WKA eine wesentliche und messbare Turbulenzbildung und Verlangsamung der Luftströmung auf. Diese Effekte stellten ganz erhebliche Beeinträchtigungen (Materialbeanspruchungen, Verringerung der Lebensdauer, höhere Reparatur- und Instandhaltungskosten, vorzeitige behördlich angeordnete Stilllegung, etc.) und Ertragsminderungen (Ertragsverluste seien exponenziell zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit) hinsichtlich der ihrerseits nutzbaren Windströmung über ihren beiden Grundstücken dar.

Sie stellten daher die Forderung nach Entschädigung in Form einer Abgeltung für die Verwendung ihrer Grundstücke als Anströmflächen auf Bestanddauer der gegenständlichen Windkraftanlagen, dergestalt, wie dies zur Regel in jenen Ländern der EU geworden sei, wo die Installation neuer WKAn bereits langjährige und ausjudizierte Tradition habe. Ergänzend wiesen sie (u.a.) auf die "einschlägigen EU-Wettbewerbsregeln" hin.

Auf Grund des zuvor dargelegten Sachverhaltes sähen sie sich gezwungen, ihre "durch dieses Bauvorhaben grob verletzten Rechte durch Einspruch zu wahren bzw. diesem Falle einer Nichteinigung binnen offener Frist entsprechend geltend zu machen".

Der Vertreter der mitbeteiligten Konsenswerberin erklärte zu diesem Vorbringen, folgte man der Argumentation der Beschwerdeführer, ergäbe sich durch die bestehende Anlage (WKA 1) Vestas V-44 mit einem Rotordurchmesser von 44 m eine Fläche im Umkreis von 440 m der bestehenden Anlage, die für die Windkraftnutzung ausgeschlossen werden müsste. Damit wäre für die Beschwerdeführer die Windkraftnutzung nur am Ende ihrer beiden Grundstücke möglich. Sollten die Beschwerdeführer solche Anlagen verwirklichen wollen, würde sich durch das verfahrensgegenständliche Projekt nur eine äußert geringfügige Beeinflussung (weniger als 1 % Ertragseinbusse) ergeben. Falls die Beschwerdeführer innerhalb des Radius von 440 m (zu ergänzen: eine WKA) um die bereits in Betrieb befindliche Windkraftanlage errichten sollten, würde sich eine Beeinträchtigung der bestehenden Anlage ergeben. Da es in Deutschland bereits ähnliche Diskussionen über diese Thematik gegeben habe, würde sich die Konsenswerberin bemühen, Erfahrungen darüber vorzulegen. Aus Sicht der Antragstellerin sollte jedoch betont werden, dass die Beschwerdeführer zumindest eine WKA auf dem Grundstück Nr. 2725 errichten könnten. Trotz dieser für die Antragstellerin "eindeutigen Situation" sei es ihr ausdrücklicher Wunsch, Einvernehmen mit den betroffenen Grundstückseigentümern herzustellen.

Mit Bescheid vom 5. Juli 1999 erteilte die Niederösterreichische Landesregierung der mitbeteiligten Partei die angestrebte Bewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen. Das Begehren der Beschwerdeführer "nach Entschädigung in Form einer Abgeltung für die Verwendung" ihrer beiden Grundstücke "als Anströmflächen für die Windkraftanlagen" wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, wurde dies damit begründet, dass durch das NÖ Elektrizitätswesengesetz (NÖ EWG) das Eigentumsrecht der Nachbarn insoweit geschützt werde, als die Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung voraussetze, dass eine Gefährdung des Eigentums von Nachbarn ausgeschlossen sei (Hinweis auf § 33 Abs. 1 Z 2 leg. cit.). Ausdrücklich geregelt sei jedoch, dass die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht als "Gefährdung" in diesem Sinne anzusehen sei (Hinweis auf § 33 Abs. 5 leg. cit.). Die Beschwerdeführer brächten vor, sie wären für den Fall der Realisierung des Vorhabens in ihren Eigentumsrechten beeinträchtigt, weil dadurch die Windverhältnisse auf ihren Grundstücken so nachteilig beeinflusst würden, dass sie selbst den Wind nicht zur Energiegewinnung wirtschaftlich nutzen könnten. Aus der Sicht der Behörde sei dazu anzuführen, dass zu den einschlägigen Bestimmungen des NÖ EWG keine höchstgerichtlichen Entscheidungen vorlägen. Die zuvor genannten Bestimmungen des § 33 Abs. 1 Z 2 und Abs. 5 leg. cit. fänden sich jedoch nahezu wortgleich in der Gewerbeordnung (Hinweis auf die §§ 74 Abs. 2 und 75 Abs. 1 GewO), sodass die Entscheidungspraxis zur Gewerbeordnung auch im Beschwerdefall relevant sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich in mehreren Fällen mit der Abgrenzung der Begriffe "Gefährdung des Eigentums" und "bloße Minderung des Verkehrswertes" befasst (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0099, vom 12. November 1996, Zl. 96/04/0137, und vom 26. Mai 1998, Zl. 97/04/0220). Hiezu habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass das Eigentum eines Nachbarn nur vor der Vernichtung der Substanz, worunter auch der gänzliche Verlust der Verwertbarkeit der Substanz zu verstehen sei, und nicht vor einer bloßen Minderung des Verkehrswertes geschützt sei. Durch die Errichtung der projektierten Windkraftanlagen werde jedenfalls nicht in einer Weise in das Grundeigentum der Beschwerdeführer eingegriffen, dass von einer Vernichtung der Substanz der Grundstücke oder von einem völligen Verlust ihrer Verwertbarkeit gesprochen werden könne. Eine übliche landwirtschaftliche Bewirtschaftung dieser Grundstücke sei nach wie vor uneingeschränkt möglich. Auch wenn man der Argumentation der Beschwerdeführer folge und annähme, dass, wenn sie auf ihren eigenen Grundstücken Windkraftanlagen errichteten, diese nur mit wirtschaftlichen Einbussen betrieben werden könnten, so handle es sich jedenfalls nur um einen Fall einer Minderung des Verkehrswertes der Liegenschaften, nicht jedoch um eine Gefährdung des Eigentums. Mit dieser Argumentation könne somit keine Parteistellung im Bewilligungsverfahren nach dem NÖ EWG begründet werden. Die Forderung nach einer Entschädigung sei für sich genommen eine privatrechtliche Forderung, weshalb sie auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden sei.

In ihrem Antrag vom 22. Juli 1999 gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG (in Verbindung mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 62/1926) wiederholten die Beschwerdeführer im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und führten ergänzend aus, die Begründung der Niederösterreichischen Landesregierung hinsichtlich der Abweisung ihres "Einspruches" sei unzureichend, zumal keine höchstgerichtlichen Entscheidungen zur Nutzung von Grundstücken als Anströmflächen vorlägen. Der Analogieschluss und der Verweis auf höchstgerichtliche Entscheidungen zu Regelungen in der Gewerbeordnung sei nicht zulässig. In der Gewerbeordnung finde sich keine Regelung über die Nutzung von Anrainergrundstücken, insbesondere nicht hinsichtlich der Verwendung solcher Grundstücke als Anströmflächen für WKAn. Darüber hinausgehend sei die "Verunmöglichung" der Nutzung ihrer beiden Grundstücke für die Errichtung von WKAn, bzw. ihrer eigenen in Planung befindlichen WKAn zum Zwecke der Erzeugung elektrischer Energie weder aus ökonomischer Sicht akzeptabel noch rechtens. Die Argumentation der NÖ Landesregierung sei daher nicht zielführend. Durch die projektgegenständliche WKAn werde eine wesentliche und zukunftsträchtige Verwertbarkeit bzw. Verwendbarkeit ihrer beiden Grundstücke "vollständig vernichtet". Es sei daher ein "gänzlicher Verlust der Verwertbarkeit der Substanz, hinsichtlich der wirtschaftlich erntebaren Windströmung zum Zwecke der Erzeugung und der Verwertung" des Verkaufes von elektrischer Energie "hinsichtlich ihrer beiden Grundstücke gegeben".

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführer auf Übergang der Zuständigkeit gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG wegen mangelnder Parteistellung zurückgewiesen.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und Rechtsausführungen bejahte die belangte Behörde die Rechtzeitigkeit dieses Devolutionsantrages und teilte weiters die Auffassung der Niederösterreichischen Landesregierung, wonach mangels höchstgerichtlicher Judikatur zu § 33 Abs. 5 NÖ EWG die zur Gewerbeordnung ergangene Judikatur hinsichtlich der Begriffe "Minderung des Verkehrswertes" und "Gefährdung des Eigentums" herangezogen werden könne. Wie die Niederösterreichische Landesregierung zutreffend erkannt habe (Hinweis auch auf weitere hg. Judikatur) liege nach der hg. Judikatur eine Gefährdung des Eigentums dann vor, wenn das Eigentum in seiner Substanz bedroht sei oder jedwede Nutzung etwa eines Grundstückes unmöglich gemacht werde. Unter einer Gefährdung der Substanz sei auch der gänzliche Verlust der Verwertbarkeit der Substanz und nicht nur eine bloße Minderung des Verkehrswertes zu verstehen. Ein solcher Verlust der Verwertbarkeit sei nicht nur dann anzunehmen, wenn jedwede auch nur entfernst denkbare Nutzung des Eigentums unmöglich sei, sondern bereits dann, wenn die nach der Verkehrsanschauung übliche bestimmungsgemäße Nutzung oder Verwertung ausgeschlossen sei (beispielsweiser Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 91/04/0004).

Durch die Realisierung des gegenständlichen Vorhabens werde, wohl abgesehen von der Verwirbelung der Luftströmung und der Nutzung als Anströmflächen, kein weiterer Einfluss auf die benachbarten Grundstücke ausgeübt, sodass von einer Vernichtung der Substanz oder einem gänzlichen Verlust der Verwertbarkeit der Substanz im Sinne der zuvor genannten Judikatur nicht ausgegangen werden könne. Auch die nach der Verkehrsanschauung übliche bestimmungsgemäße Nutzung oder Verwertung sei durch die Errichtung der geplanten Anlagen nicht ausgeschlossen, weil die übliche landwirtschaftliche Nutzung dieser Grundstücke auch weiterhin uneingeschränkt möglich sei. Selbst wenn man im Sinne der Argumentation der Beschwerdeführer annähme, dass die Errichtung eigener WKAn und deren Betrieb nur unter Einbussen erfolgen könne, sei jedenfalls nicht von einem gänzlichen Verlust der Verwertbarkeit der Substanz auszugehen sondern allenfalls von einer Minderung des Verkehrswertes. Die Errichtung einer WKA durch die Beschwerdeführer sei keineswegs ausgeschlossen, sondern es werde ein Betrieb ermöglicht, der im schlechtesten Fall als suboptimal bezeichnet werden könne.

Da somit die Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen im Sinne des § 33 Abs. 1 Z 2 lit. a NÖ EWG erhoben hätten, hätten sie auch im zugrundeliegenden Verfahren keine Parteistellung erlangt. Ihre Einwendungen stellten sich ausschließlich als solche nach Entschädigung für die Minderung des Verkehrswertes ihrer Grundstücke dar. Sie seien somit für sich als privatrechtliche Einwendung zu qualifizieren und zutreffend gemäß § 30 Abs. 2 leg. cit. auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen. Daran könnten auch die ergänzenden Ausführungen der Beschwerdeführer in ihrem Devolutionsantrag nichts ändern, weil auch darin lediglich der gänzliche Verlust der Verwertbarkeit der Substanz behauptet werde, ohne jedoch diese Behauptung weiter gehend zu begründen.

Da den Beschwerdeführern somit keine Parteistellung im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren zugekommen sei, sei ihr Devolutionsantrag mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet, und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat in einer Gegenschrift ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG geht, wenn und insoweit in den Angelegenheiten des Elektrizitätswesens die Bescheide der Landesinstanzen von einander abweichen oder die Landesregierung als einzige Landesinstanz zuständig war, die Zuständigkeit in einer solchen Angelegenheit, wenn es eine Partei innerhalb der bundesgesetzlich festzusetzenden Frist verlangt, an das sachlich zuständige Bundesministerium über. Sobald dieses entschieden hat, treten die bisher gefällten Bescheide der Landesbehörden außer Kraft.

Das hiezu ergangene Bundesgesetz BGBl. Nr. 62/1926 normiert diesbezüglich in seinem § 1 Abs. 1 eine zweiwöchige Frist (die von den Beschwerdeführern, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, eingehalten wurde).

Das niederösterreichische Elektrizitätswesengesetz 1999 (NÖ ElWG 1999) trat gemäß seinem § 68 Abs. 1 am 19. Feber 1999 in Kraft, wobei gemäß seinem § 67 Abs. 11 die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens anhängigen Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu beenden sind.

Im Beschwerdefall ist daher (insbesondere) das Gesetz über Angelegenheiten des Elektrizitätswesens in Niederösterreich (NÖ EWG) vom 17. Mai 1990, LGBl. 7800, anzuwenden.

Nach § 31 NÖ EWG sind Nachbarn im Sinne dieses Gesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Stromerzeugungsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Stromerzeugungsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten hinsichtlich des Schutzes dieser Personen und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.

§ 32 leg. cit. regelt die Parteistellung im Verfahren zur Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung.

Gemäß Abs. 1 Z 3 dieses Paragraphen haben im Verfahren über einen Antrag um die Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung Parteistellung die Nachbarn (§ 31), die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung begründete Einwendungen gegen die Stromerzeugungsanlage im Sinne des § 33 Abs. 1 Z 2 lit. a erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

§ 33 leg. cit. trifft nähere Bestimmungen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung.

Nach Abs. 1 Z 2 lit. a dieses Paragraphen setzt die Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung voraus, dass durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage oder durch die Lagerung von Betriebsmitteln oder Rückständen und dergleichen eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen oder eine Gefährdung des Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte der Nachbarn ausgeschlossen ist und Belästigungen von Nachbarn (wie Geruch, Lärm, Erschütterung, Wärme, Schwingungen udgl.) auf ein zumutbares Maß beschränkt bleiben.

Nach § 33 Abs. 5 leg. cit. ist unter einer Gefährdung des Eigentums im Sinne des Abs. 1 Z 2 lit. a die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.

Nach § 30 Abs. 2 leg. cit. hat, wenn von Nachbarn privatrechtliche Einwendungen gegen die Stromerzeugungsanlage vorgebracht werden, der Verhandlungsleiter auf eine Einigung hinzuwirken; die etwa herbeigeführte Einigung ist in der Niederschrift über die Verhandlung zu beurkunden. Im Übrigen ist der Nachbar mit solchen Vorbringen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

     § 42 AVG lautet in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998:

     § 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1

zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.

(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

(3) Eine Person, die glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und die kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, kann binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen erheben. Solche Einwendungen gelten als rechtzeitig erhoben und sind von jener Behörde zu berücksichtigen, bei der das Verfahren anhängig ist.

(4) Versäumt derjenige, über dessen Antrag das Verfahren eingeleitet wurde, die Verhandlung, so kann sie entweder in seiner Abwesenheit durchgeführt oder auf seine Kosten auf einen anderen Termin verlegt werden."

Zunächst ist festzuhalten, dass die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 1999 mit Erledigung vom 9. April 1999, somit nach dem Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensnovelle 1998, BGBl. I Nr. 158, anberaumt wurde. Das bedeutet, dass aufgrund des § 82 Abs. 7 AVG den im Widerspruch zu (das ist hier erheblich) § 42 AVG (in der Fassung dieser Novelle) stehenden Bestimmungen des NÖ EWG derogiert wurde (vgl. ua. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2000, Zl. 2000/05/0052).

Das hat zur Folge, dass die Beschwerdeführer Parteistellung als Nachbar im Verfahren (anders als nach § 32 Abs. 1 Z 3 NÖ EWG) nicht erst mit dem Erheben von Einwendungen erwerben konnten, sie aber andererseits im Hinblick auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 und Abs. 2 AVG (sie waren ja rechtzeitig unter Hinweis auf diese Rechtsfolgen zur Verhandlung persönlich geladen worden) diese Parteistellung verloren, sofern sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung (taugliche) Einwendungen erhoben.

Strittig ist, ob die Beschwerdeführer solche Einwendungen erhoben haben; Kern des Streites ist, ob in Bezug auf ihre beiden Grundstücke die Negativ-Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Z 2 lit. a NÖ EWG gegeben sind. Die Niederösterreichische Landesregierung und die belangte Behörde haben dies verneint. Die Beschwerdeführer bejahen dies, weil sie durch die Umsetzung des geplanten Vorhabens daran gehindert wären, ihre beiden Grundstücke wirtschaftlich zur Nutzung von Windenergie zu verwenden. Selbst dann, wenn es zuträfe, dass sie eine (einzelne) WKA errichten könnten (was sie bezweifelten, zumal es keine diesbezüglichen Verfahrensergebnisse gäbe), sei die Errichtung eines Windparkes (also mehrerer WKAn) ausgeschlossen.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Der Verwaltungsgerichtshof teilt im Hinblick auf die den diesbezüglich übereinstimmenden Wortlaut des § 33 Abs. 1 Z 2 lit. a NÖ EWG und des § 75 Abs. 1 GewO 1994 bzw. 1973 die Auffassung der Behörden des Verwaltungsverfahrens, dass im Beschwerdefall die zu vergleichbaren Bestimmungen der Gewerbeordnung ergangene hg. Judikatur herangezogen werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 91/04/0004 (zu § 74 Abs. 2 Z 1 in Verbindung mit § 75 Abs. 1 GewO 1973) ausgesprochen, dass das Gesetz zwar nur den Schutz des Eigentums eines Nachbarn vor der Vernichtung seiner Substanz und nicht vor einer bloßen Minderung des Verkehrswertes vorsehe, doch sei einer solchen Substanzvernichtung der Verlust der Verwertbarkeit der Substanz gleichzuhalten. Ein solcher Verlust der Verwertbarkeit sei nicht nur dann anzunehmen, wenn jedwede auch nur entfernt denkbare Nutzung des Eigentums unmöglich sei, sondern vielmehr bereits dann, wenn die nach der Verkehrsanschauung üblicherweise bestimmungsgemäße (Sach-)Nutzung oder Verwertung ausgeschlossen sei (in diesem Sinne beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 1993, Zl. 92/04/0220, vom 12. November 1996, Zl. 96/04/0137, oder auch vom 26. Mai 1998, Zl. 97/04/0220). Diese Grundsätze können, wie gesagt, auch auf den Beschwerdefall übertragen werden.

Es trifft zu, dass die Behörden des Verwaltungsverfahrens nicht konkret (durch Sachverständige) die Auswirkungen des gegenständlichen Vorhabens auf die Nutzung der Grundstücke der Beschwerdeführer zur Gewinnung von Windenergie geprüft haben (weil dies nach ihrer Rechtsauffassung entbehrlich schien). Es kann daher im Beschwerdefall nur vom Vorbringen der Beschwerdeführer ausgegangen werden. Selbst wenn aber ihr Vorbringen zuträfe, dass durch die Umsetzung des Vorhabens die wirtschaftliche Nutzung ihrer beiden Grundstücke zur Gewinnung von Windenergie durch Errichtung eines Windparks (oder auch nur einer WKA) nicht möglich wäre, wäre hieraus für sie nichts zu gewinnen: Die nach der Verkehrsauffassung übliche bestimmungsgemäße Nutzung der fraglichen beiden Grundstücke liegt (auch vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens und auch dann, wenn die erhoffte Umwidmung - Zone für Windkraftanlagen - überhaupt erfolgen sollte) jedenfalls auch in der landwirtschaftlichen Nutzung, die unbestritten weiterhin möglich bleibt.

Da somit das Vorbringen der Beschwerdeführer keine (taugliche) Einwendung im Sinne des § 42 AVG darstellte, haben sie ihre Parteistellung gemäß dieser Gesetzesstelle verloren.

Die Frage hingegen, ob die Beschwerdeführer berechtigt sind, eine Entschädigung oder auch ein Entgelt für die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke als Anströmfläche zu verwenden, wie sie vorgebracht hatten (oder auch dafür, dass das gegenständliche Vorhaben sie daran hindert, ihre Grundstücke zur Nutzung von Windkraft zu verwenden), hatte aber - mangels entsprechender Bestimmungen im NÖ EWG - nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens zu sein.

Davon ausgehend (also insbesondere von den Behauptungen der Beschwerdeführer ausgehend) bedurfte es somit keiner Verfahrensergänzung durch Beiziehung von Sachverständigen zur Ermittlung der Auswirkungen des gegenständlichen Vorhabens auf die beabsichtigte Nutzung der Windenergie auf den Grundstücken der Beschwerdeführer.

Da somit die Beschwerdeführer ihre Parteistellung verloren hatten, hat die belangte Behörde deren Antrag gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen.

Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache, um Spruchreife zu erzielen, nicht erwarten lässt, zumal auch Tatfragen nicht zu erörtern waren (geht doch der Verwaltungsgerichtshof vom Vorbringen der Beschwerdeführer aus), war auch unter dem Aspekt des Art. 6 MRK die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Kostenmehrbegehren der belangten Behörde (angesprochen wird auch Schriftsatzaufwand) war abzuweisen, weil eben keine Gegenschrift erstattet wurde.

Wien, am 23. September 2002

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000050137.X00

Im RIS seit

05.12.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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