TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/28 2002/14/0110

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Veröffentlicht am 28.01.2003
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Index

32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

UStG 1972 §11 Abs14;
UStG 1994 §11 Abs14;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des GH in W, vertreten durch Mag. Sabine Dam-Ratzesberger, Wirtschaftsprüfer in 1210 Wien, Loschmidtgasse 23, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II) vom 16. Juli 2002, Zl. RV/246-15/2000, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1994 bis 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer bei der W. GmbH durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde u.a. festgestellt, dass im Rechenwerk der geprüften Gesellschaft Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis berücksichtigt gewesen seien, welche Günther H. (den Beschwerdeführer des gegenständlichen Verfahrens) als leistenden Unternehmer ausgewiesen hätten. Günther H. habe mittels einer bundesweiten Computerabfrage nicht als Unternehmer ausfindig gemacht werden können. Laut Auskunft einer "DB- 2 Abfrage" habe Günther H. lediglich Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit von der W. GmbH als Arbeitgeber bezogen. Das amtliche Telefonbuch habe zu der am Rechnungsformular angegebenen Telefonnummer keine Eintragung enthalten. Der Erhebungsdienst habe an der angegebenen, keine Hausnummer aufweisenden "Rechnungsadresse" keinen Unternehmer dieses Namens ausfindig machen können. Die Einvernahme des Günther H. am 27. Juli 1998 habe ergeben, dass er an dieser Adresse niemals ein Unternehmen betrieben habe. Günther H. habe weiters angegeben, dass er keine Rechnungen gelegt habe und ihm die seitens des Prüfungsorganes vorgelegten Rechnungen unbekannt seien. Die ihm seitens des Prüfungsorganes ebenfalls vorgelegten Quittungen seien von ihm unterschrieben worden. Der dabei quittierte Betrag sei von ihm jedoch zur Gänze an die auf den Baustellen arbeitenden ausländischen Arbeiter weiter geleitet worden. Das Geld hiefür habe er von Gerhard W. (dem Geschäftsführer der W. GmbH) persönlich erhalten und zwar immer Freitag morgens oder fallweise samstags zur Bezahlung der vergangenen Woche. Die Prüferin vertrat in der Folge die Ansicht, ein und dieselbe Person könne ein und derselben Person im gleichen Zeitraum nur dann als Dienstnehmer und Unternehmer gegenübertreten, wenn sich die unternehmerische Leistung von der Tätigkeit im Rahmen des Dienstverhältnisses deutlich unterscheide. Laut niederschriftlicher Aussage von Günther H. sei dies aber nicht der Fall gewesen. Er habe die fakturierten Leistungen in seiner Funktion als Vorarbeiter und Polier der Firma W. GmbH erbracht. Im Zuge des Prüfungsverfahrens seien durch den steuerlichen Vertreter der W. GmbH für Günther H. Steuererklärungen für die Jahre 1994 bis 1996 ohne dessen Zustimmung eingereicht worden. Diese seien durch Günther H. mit 11. Juli 1998 unter Hinweis darauf widerrufen worden, dass er dem steuerlichen Vertreter der W. GmbH niemals eine Vollmacht erteilt habe. Unter Berücksichtigung dieser Feststellungen gelangte die Prüferin zur Ansicht, dass die ausgewiesenen Umsatzsteuern bei der W. GmbH nicht als abzugsfähige Vorsteuern anzuerkennen seien.

Nach der Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Bescheides (entsprechende Bescheide enthalten die von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten nicht) wurde dem Beschwerdeführer vom Finanzamt Umsatzsteuer auf Grund der Rechnungslegung gemäß § 11 Abs. 14 UStG vorgeschrieben.

In einer dagegen erhobenen Berufung wird unter Hinweis auf die vom Prüfungsorgan der W. GmbH erwähnte Niederschrift vom 27. Juli 1998 darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer niemals Rechnungen ausgestellt habe. Er sei ausschließlich im Rahmen seines Dienstverhältnisses tätig geworden. Er habe als Dienstnehmer monatliche Gehaltsabrechnungen erhalten, sein Monatsgehalt sei regelmäßig auf sein Gehaltskonto überwiesen worden. Offensichtlich habe die W. GmbH gemeinsam mit ihrem steuerlichen Vertreter den im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung zum Vorschein kommenden Vorsteuerbetrug durch Falschaussagen und durch Abgabe von falschen Steuererklärungen "zurückzudrängen" versucht. Da der Beschwerdeführer niemals Rechnungen gelegt habe, seien diese offensichtlich von der W. GmbH gefälscht worden. Vom steuerlichen Vertreter der W. GmbH seien auch gefälschte Steuererklärungen für den Beschwerdeführer beim Finanzamt eingebracht worden. Den steuerlichen Vertreter der W. GmbH habe der Beschwerdeführer jedoch niemals bevollmächtigt. Der Beschwerdeführer sei nicht der einzige Dienstnehmer, der im Zuge des Prüfungsverfahrens durch Falschaussage und falsche Steuererklärungen in eine nie vorhandene Unternehmereigenschaft "gezwängt" worden sei. Auch für namentlich genannte andere Personen seien falsche Steuererklärungen beim Finanzamt eingereicht und Rechnungen gefälscht worden. Diese Personen seien nach wie vor Dienstnehmer der W. GmbH und stünden daher in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu dieser. Gerhard W. habe diese Dienstnehmer ebenso wie auch den Beschwerdeführer gebeten, gegen die falschen Steuerbescheide keine Berufung einzubringen, da er dies selbst regeln wolle. Der Beschwerdeführer wolle jedoch in kein neues Abhängigkeitsverhältnis zu Gerhard W. geraten und sei auch nicht bereit, einen Betrug zu decken.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung bei der W. GmbH vorgefundenen Rechnungen wiesen den Beschwerdeführer als Rechnungsaussteller aus. "Allein dadurch verwirklicht" der Beschwerdeführer den Tatbestand der Steuerschuld auf Grund der Rechnungslegung im Sinne der Formalvorschriften des Umsatzsteuergesetzes. Der Verantwortung des Beschwerdeführers, die bezughabenden Rechnungen seien nicht von ihm ausgefertigt worden, schenkte die belangte Behörde deswegen keinen Glauben, weil "die anderen Dienstnehmer" der W. GmbH in Einvernahmen ein Mitwirken bei der missbräuchlichen Rechnungslegung eingestanden hätten. Den vom steuerlichen Vertreter der W. GmbH "für die Arbeitnehmer als Selbstanzeige zu wertenden (ohne steuerliche Vollmacht der Arbeitnehmer) Abgabenerklärungen" sei nicht widersprochen worden, "alleine" der Beschwerdeführer habe im Verfahren ausgesagt, von der Rechnungslegung in seinem Namen nichts gewusst zu haben bzw. die Rechnungen nicht selbst ausgestellt zu haben. "Jedenfalls finde sich im Arbeitsbogen der Betriebsprüfung ein Vertrag vom 28. Oktober 1991", in welchem der Beschwerdeführer die Vertragsbedingungen als Subunternehmer mit seiner Unterschrift zur Kenntnis genommen habe und ein Werkvertrag über die Durchführung von Verlegearbeiten für Rahmenaufträge für die Geschäftsjahre 1996, 1997 und 1998 zwischen dem Beschwerdeführer und der W. GmbH.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Zu den im angefochtenen Bescheid erwähnten Verträgen betont der Beschwerdeführer, dass er solche Verträge nicht unterschrieben habe. Auch Gerhard W. habe in der Fragenbeantwortung im Jahr 1998 ausgesagt, dass es keine schriftlichen Vereinbarungen gegeben habe. Im Arbeitsbogen der Betriebsprüfung befinde sich lediglich ein Fax vom 3. August 1998. Ob dieses Fax mit einem Originalvertrag übereinstimme, sei von der Behörde nicht überprüft worden. Ein Gespräch mit dem zuständigen Leiter der Großbetriebsprüfung im Zuge einer Akteneinsicht habe ergeben, dass dieser geäußert habe, dass das Verfahren einen anderen Verlauf genommen und ein anderes Ergebnis erbracht hätte, wenn man die Großbetriebsprüfung als Partei in das Verfahren eingebunden hätte. Die "Verträge" lägen lediglich als Fax im Arbeitsbogen auf. Ein Telefonat des Leiters der Großbetriebsprüfungsstelle mit der zuständigen Prüferin habe ergebe, dass dieser einige Verträge vorgelegt worden waren. Ob Verträge mit dem Beschwerdeführer und dessen Originalunterschrift vorgelegen seien, sei von ihr nicht überprüft worden. Eine Überprüfung der Behörde hätte - so die Beschwerde weiter - zu dem Schluss kommen müssen, dass es keine original unterschriebenen Verträge gebe.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer schon deshalb einen wesentlichen Mangel des Verfahrens auf, weil sich die belangte Behörde bei ihrer Beweiswürdigung auf Beweismittel stützt, welche dem Beschwerdeführer im Verfahren nicht vorgehalten wurden. In ihrer Gegenschrift behauptet die belangte Behörde weder konkret, sich vom Vorliegen einer Unterschrift des Beschwerdeführers auf den Originalen der im angefochtenen Bescheid erwähnten Unterlagen vergewissert zu haben, geschweige denn, dem Beschwerdeführer das Ergebnis solcher Feststellungen vorgehalten zu haben. Der in der Gegenschrift betonte Umstand, dass eine Kopie des Vertrages vom 28. Oktober 1991 "eine Unterschrift des Beschwerdeführers" aufweist und auch der Werkvertrag, dessen einzelne Seiten in der in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Ausfertigung jeweils Telefaxaufdrucke enthalten, mit "den Schriftzügen des Beschwerdeführers unterzeichnet" sind, saniert weder das unterlassene Parteiengehör, noch vermag er vor dem Hintergrund möglicher Manipulationen insbesondere von Fotokopien und Telefaxsendungen entsprechende Feststellungen zur Frage, ob der Beschwerdeführer die Originalverträge tatsächlich unterzeichnet hat, zu ersetzen.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung bei der W. GmbH am 27. Juli 1998 bezüglich der dort vorgefundenen Rechnungen umfangreich befragt worden sei und ihm dabei auch mitgeteilt worden sei, dass nach der Aussage des Gerhard W. die Rechnungen direkt bei diesem abgegeben worden seien, übersieht sie, dass der Beschwerdeführer der Richtigkeit dieser Aussage bereits anlässlich seiner Befragung entgegengetreten ist. Ergänzend ist zu erwähnen, dass der Niederschrift über die Schlussbesprechung der bei der W. GmbH durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung zu entnehmen ist, dass die Dienstnehmer der W. GmbH die Frage nach der Ausstellung von Rechnungen verneint hätten, diese seien im Büro der Gesellschaft verfasst und ihnen teilweise gezeigt, aber nicht ausgehändigt worden. Gerhard W. habe ausgesagt, die Rechnungen ausgehändigt zu haben. Dieser Widerspruch habe seitens der "Betriebsprüfung" nicht aufgeklärt werden können. Auf Grund welcher Beweisergebnisse die belangte Behörde demgegenüber - als Voraussetzung einer Heranziehung des Beschwerdeführers zur Umsatzsteuer nach § 11 Abs. 14 UStG - zur Ansicht gelangte, dass (unabhängig von anderen Dienstnehmern der W. GmbH) jedenfalls der Beschwerdeführer die ihn betreffenden "Rechnungen" gelegt hat oder ihm diese zumindest (als Gutschrift, vgl. in diesem Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juli 2000, 98/13/0212) bekannt geworden sind, wird im angefochtenen Bescheid nicht aufgezeigt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben, wobei von der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002140110.X00

Im RIS seit

26.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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