TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/23 99/04/0002

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Veröffentlicht am 23.04.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs3;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1.) des F in M, 2) des J in H, 3.) der H in H, 4.) des P in M, 5.) der I in M,

6.)

der F in M, 7.) der C in M, 8.) des H (geb. 1939) in M,

9.)

des H (geb. 1965) in M, 10.) der K in M, 11.) der H in M, 12.) der C in M, 13.) der D in M, 14.) des S in M, 15.) des A in M,

              16.)              des W in M, 17.) der E in M, 18.) der M in M, 19.) des A in M, 20.) des G in M, 21.) des F in K, 22.) des G in L, 23.) der/des

N in M, 24.) des I in M, 25.) der A in M, 26.) des H in M,

              27.)              des F in M, 28.) der A in M, 29.) der G in M, 30.) des S in M, 31.) des H in M, 32.) der M in M, 33.) der G in M, 34.) der I in H, 35.) des S in M und 36.) der U in M, sämtliche vertreten durch Dr. Heimo Jilek, Rechtsanwalt in Leoben, Erzherzog-Johann-Straße 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. November 1998, Zl. 04-15/230-98/18, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: S Bau AG in G, G-Gasse 17), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Beschwerde der 23. beschwerdeführenden Partei wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der 23. beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die 1. bis 22. beschwerdeführenden Parteien sowie die 24. bis 35. beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft M vom 12. Februar 1998 wurde "gemäß §§ 74, 77 i.V.m. § 359 (1) und § 356b der Gewerbeordnung 1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 63/97" über Ansuchen der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung "für die Errichtung und den Betrieb einer Mischanlage für bituminöses Mischgut innerhalb des Bergbaugebietes der K Betriebsges.m.b.H. auf dem Standort M, GSt.Nr. 1248 und 1249/1, KG und PG M, nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Projektsunterlagen unter Zugrundelegung der folgenden Betriebsbeschreibung (Abschnitt A des Spruches) sowie unter Vorschreibung der anschließend angeführten Auflagen (Abschnitt B des Spruches) erteilt".

Aus Anlass der gegen diesen Bescheid (u.a.) von den beschwerdeführenden Parteien erhobenen Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft M vom 12. Februar 1998 durch eine in den Spruch aufgenommene Ergänzung der Betriebsbeschreibung abgeändert, eine Auflage wird vorgeschrieben und im Übrigen der bekämpfte Bescheid bestätigt; weiters wurde die Berufung von einzelnen (anderen) Berufungswerbern als unzulässig zurückgewiesen.

Zur Begründung dieses Bescheides heißt es im Erwägungsteil des Bescheides (u.a.):

"...

Auf das Vorbringen der Nachbarn, betreffend emissionstechnische Beurteilung sowie das Vorbringen im Zusammenhang mit der Vorlage des Gutachtens F, war im Berufungsverfahren nicht näher einzugehen. Diese Vorbringen werden erstmals in der Berufung geltend gemacht und sind die Nachbarn mit diesem Vorbringen daher präkludiert. Selbst aber wäre Präklusion nicht eingetreten, so ist dieses Vorbringen nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen; das Vorliegen eines meteorologischen Gutachten ist für die Erstattung einer emissionstechnischen Beurteilung nicht erforderlich; auch erfolgte die emissionstechnische Beurteilung nach Maßgabe des konkreten eingereichten Projektes und beruhen die emissionstechnischen Berechnungen nicht auf vergleichenden Anlagen. Emissionsrelevante Änderungen wurden überdies nicht vorgenommen. Da das gewerbliche Betriebsanlagenverfahren ein Projektsverfahren ist, ergibt sich der Ermittlungsumfang der Behörde aus dem konkreten eingereichten Projekt, es ist nicht Aufgabe der Gewerbebehörde zu prüfen, ob die Anlage ausgelastet sein wird oder allenfalls auch nicht. Es ist im vorliegenden Fall daher nicht wesentlich, ob das Quarzitabbaumaterial nach einem oder nach einem halben Jahr aufgebraucht sein wird oder ob allenfalls dieses noch jahrelang ausreichend sein wird.

In lärmtechnischer Hinsicht ist zunächst auf die Systembeschreibung der absorbierenden Riegler Lärmschutzwand, welche auf Grund des erklärten Willens der Genehmigungswerberin Bestandteil des Projektes wird und somit Bestandteil des Genehmigungsbescheides wird, hinzuweisen. Im Übrigen darf auf das in sich schlüssig und nachvollziehbare Gutachten des lärmtechnischen Amtssachverständigen verwiesen werden, dessen Einholung den berufungswerbenden Nachbarn als unabhängiges Amtssachverständigengutachten als unabdingbar gesehen wurde. Im Einzelnen ergibt sich aus diesen gutachtlichen Ausführungen, denen die gefertigte Behörde als zuständige Berufungsbehörde vollinhaltlich folgen kann, dass die für die lärmtechnische Beurteilung erforderlichen Unterlagen als ausreichend anzusehen sind; die von den Berufungswerbern im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegte ergänzende gutachtliche Stellungnahme der Dr. P GmbH vom 16.09.1998 berücksichtigt unter 'Punkt 1) Halle' offensichtlich das von der Genehmigungswerberin vorgelegte lärmtechnische Gutachten des Dipl.-Ing. K nicht und ist daher die Auflistung nicht vollständig.

Zur Tonhaltigkeit ist auszuführen, dass die Vermeidung der Tonhaltigkeit eine Projektsvorgabe ist und die Behörde bei der Ermittlung an Inhalt und Umfang des Projektes gebunden ist. Auf die Vorschreibung zur Vorlage eines Nachweises - wie im Spruch ersichtlich - darf hingewiesen werden.

Zu dem zum Einsatz kommenden Radlader (CAT D9) - siehe ergänzende gutachtliche Stellungnahme Dr. P GmbH, 16.09.1998, vorgelegt mit Parteiengehörstellungnahme vom 22.09.1998 - ist auszuführen, dass die Type CAT D9 nicht dem im Bescheid dargestellten Typ CAT 966 D entspricht. Vergleichbarkeit ist daher nicht gegeben! Darüber hinaus ergibt sich, dass der Radlader von der bergrechtlichen Genehmigung berücksichtigt wurde und nicht Gegenstand im gewerblichen Betriebsanlagenverfahren ist. Unter dieser Voraussetzung sind überdies die angegebenen Immissionswerte insbesonders am IP I ca. um 2 dB zu vermindern, sodass auch eine allfällige Berücksichtigung tonhaltiger Komponenten mit einem generellen Zuschlag von 3 dB gemäß ÖNORM S 5004 in der Gesamtbetrachtung keine Änderung nach sich zieht.

Zusammenfassend ergibt sich im Gegenstand, dass der lärmtechnischen Amtssachverständigenbeurteilung zur Gänze gefolgt werden kann, da dieses in sich schlüssig und nachvollziehbar ist und mit den Denkgesetzen nicht im Widerspruch ist; daraus ergibt sich, dass durch den Betrieb der gegenständlichen Mischanlage für bituminöses Mischgut beim nächstgelegenen berufungswerbenden Nachbarn, Wohnhaus R, B-Weg 1 (= Immissionspunkt IP I) selbst im Zusammenwirken mit den Geräuschen der bereits bestehenden Anlage, das ermittelte Summenmaß mit 55 dB den Richtwert für zumutbare Immissionen in allgemeinen Wohngebieten von 55 dB tags zwar erreicht, den Grundgeräuschpegel aber max. um 9 dB überschreitet. Schallpegelschwankungen, die nicht durch Mitwind oder Temperaturinversionen, treten erst ab größeren Entfernungen über 300 m auf und lässt sich daher ein bemerkbarer Einfluss auf den Bereich des beurteilenden Immissionspunktes IP I nicht ableiten. Die weiteren nächstgelegenen Wohnobjekte liegen bereits in einer Entfernung von 750 bis 1000 m. für diese Wohnobjekte errechnet sich aus der Anlage ein Immissionswert von 43 dB und liegt dieser Immissionswert noch unterhalb des Messwertes des Grundgeräuschpegels, sodass eine Beeinflussung der ortsüblichen Verhältnisse durch den Betrieb der beantragten Anlage auszuschließen ist.

..."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 74 Abs. 2 GewO 1994 bestimmt (u.a.), dass gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden dürfen, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeiternehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden;

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen. ...

Nach § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen oder sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 - im Hinblick auf die Verfahrensdaten in der Fassung der Wiederverlautbarungskundmachung BGBl. Nr. 149/1994 (nach der Gewerberechtsnovelle 1988), also in der Fassung vor der AVG-Novelle 1998 - sind im Verfahren u.a. zur Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage unbeschadet des folgenden Satzes nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluss der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

Es ist zunächst auf das Beschwerdevorbringen einzugehen, die Ansicht der Berufungsbehörde sei unrichtig, dass die Einwendungen präkludiert seien bzw. dass das Vorbringen nicht geeignet gewesen wäre, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Die beschwerdeführenden Parteien hätten bereits in der Augenscheinsverhandlung (am 15. September 1997) mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gegeben, dass und warum sie sich schon dem Grunde nach gegen eine Bewilligung des betreffenden Vorhabens wendeten.

Den beschwerdeführenden Parteien ist Recht zu geben, dass dann, wenn (zumindest dem Grunde nach) genau bezeichnete und ausreichend qualifizierte Einwendungen erhoben wurden, in deren Rahmen die Konkretisierung durch späteres Vorbringen zulässig ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 93/04/0008). Den Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid ist (noch hinlänglich klar) zu entnehmen, dass die belangte Behörde nicht allgemein davon ausging, die beschwerdeführenden Parteien wären mit ihrem Vorbringen präkludiert, sondern nur insoweit, als dieses über den Kreis der subjektiven Rechte, deren Verletzung behauptet worden sei (nämlich durch "Lärm"), hinausgegangen sei; so wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien "in lärmtechnischer Hinsicht" eingegangen.

Da Einwendungen nur hinsichtlich "Lärm" geltend gemacht wurden und nach der dargestellten Rechtslage nur in diesem Rahmen die beschwerdeführenden Parteien als Nachbarn Parteistellung erlangten, hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auch nur entsprechend dem Umfang der solcher Art erworbenen Parteistellung der beschwerdeführenden Parteien zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1992, Zl. 91/04/0297). Damit vermag mit dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhang mit der Stellungnahme des luftreinhaltetechnischen Amtssachverständigen sowie der "emissiontechnischen Betrachtungen" im Hinblick auf die Frage der Auslastung der Anlage (mit Quarzitabbaumaterial) eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt zu werden.

Hinsichtlich des übrigen Beschwerdevorbringens ist vorauszuschicken, dass nur hinsichtlich der

23. beschwerdeführenden Partei eine Entfernung des Wohnobjektes zum Standort der Anlage von unter 300 m (250 m; vgl. das näher umschriebene technische Gutachten vom 23. Juli 1998) gegeben ist, während die Wohnobjekte der weiteren beschwerdeführenden Parteien 750 m und mehr (bis ca. 9000 m hinsichtlich der 21. beschwerdeführenden Partei) von der Anlage entfernt liegen. Hinsichtlich letzterer beschwerdeführenden Parteien (also aller beschwerdeführenden Parteien mit Ausnahme der

"23. beschwerdeführenden Partei") wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt, dass für diese Wohnobjekte sich aus der Anlage ein Immissionswert von 43 dB errechne und dieser noch unterhalb des Messwertes des Grundgeräuschpegels liege, sodass eine Beeinflussung der ortsüblichen Verhältnisse durch den Betrieb der beantragten Anlage auszuschließen sei. Dieser Feststellung wird in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Damit ist für den Verwaltungsgerichtshof aber nicht zu sehen, inwiefern diese beschwerdeführenden Parteien im Umfang der erworbenen Parteistellung (in Ansehung von "Lärm") durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt wurden.

Hinsichtlich der 23. beschwerdeführenden Partei ist die Beschwerde aber begründet:

In der Beschwerde wird vorrangig geltend gemacht, es fehle als wesentlichste Grundlage ein meteorologisches Gutachten, auf Grund dessen erst die tatsächliche Ausbreitung der Lärmemissionen nachvollzogen werden könne. Es wären gerade die Windverhältnisse im Bereich der Betriebsanlage bzw. der angrenzenden Nachbarn für die Beurteilung der Lärmemissionen von erheblicher Bedeutung gewesen. Als tagesperiodisches, autochthones Windsystem wäre insbesondere das Bergtalwindsystem für die Beurteilung der Ausbreitung des Lärms anzusprechen gewesen.

Dabei wird übergangen, dass nach der Begründung des angefochtenen Bescheides Schallpegelschwankungen durch Mitwind oder Temperaturinversionen erst ab größeren Entfernungen über 300 m auftreten können (und deckt sich dies mit dem - unter Hinweis auf Fach-Literatur - gemachten Ausführungen des lärmschutztechnischen Amtssachverständigen im Gutachten vom 23. Juli 1998). Weshalb ungeachtet dessen hinsichtlich der

23. beschwerdeführenden Partei bei einer Entfernung von 250 m die Einholung eines meteorologischen Gutachtens erforderlich gewesen wäre, wird in der Beschwerde nicht dargetan. Vor diesem Hintergrund vermag der Verwaltungsgerichtshof eine Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels nicht zu erkennen (und auch nicht hinsichtlich der übrigen beschwerdeführenden Parteien, weil diesbezüglich der Immissionswert ohnedies unterhalb des Messwertes des Grundgeräuschpegels liegt).

Davon ausgehend fehlt es aber auch an der Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels, es seien "Gutachten ohne der grundlegenden Beurteilung der klimatologischen Verhältnisse, insbesondere der Windverhältnisse nicht geeignet, als Grundlage für die Beurteilung der Auswirkungen der darin angeführten Emissionen zu dienen".

Hinsichtlich der Verfahrensrügen zum Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen ist die Beschwerde jedoch schon insofern begründet, als vorgebracht wird, das Gutachten beschränke sich bei der Beurteilung, ob Auswirkungen der Emissionen auf die Nachbarschaft zu erwarten seien, auf die bloße Feststellung, dass dies nicht zu erwarten sei, ohne dies - einem ärztlichen Gutachten entsprechend - fundiert zu begründen. Es seien lediglich abstrakt die Auswirkungen auf die Gesundheit an Hand der Schweregrade der Beeinträchtigungen dargestellt worden.

Die Feststellung, ob die sachverhaltsbezogenen Voraussetzungen für die Genehmigung im Sinne des § 77 GewO 1994 vorliegen, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartenden Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Der technische Sachverständige hat sich bei der Beweisaufnahme nach Möglichkeit jener Hilfsmittel zu bedienen, die seine Wissenschaft entwickelt hat. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus (entsprechend den in diesem Zusammenhang im § 77 Abs. 2 GewO 1994 enthaltenen Tatbestandsmerkmalen) auszuüben vermögen. Auf Grund der Sachverständigengutachten hat sich sodann die Behörde im Rechtsbereich ihr Urteil zu bilden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 99/04/0153).

Das in Frage stehende medizinische Gutachten stützt sich - nach Ausweis der vorgelegten Akten - entscheidend darauf, dass (offenkundig bezogen auf die ÖAL-Richtlinie Nr. 3) in keinem Bereich die Grenze "der zumutbaren Störung, welche über dem Grundgeräuschpegel + 10 dB liegt," überschritten werde, und kommt der Sachverständige zu folgendem (gutachtlichen) Schluss:

"GUTACHTEN:

Durch die zu errichtende Mischanlage für bituminöses Mischgut der Firma S Bau AG sind keine wesentlichen oder signifikanten Änderungen der Lärmimmissionssituation für die Nachbarn zu erwarten.

Wohl sind Störungen der Gesundheit einzelner Nachbarn durch den Betrieb möglich, wenn etwa Spitzenpegel durch Kübelschlagen oder Ähnliches auftreten, es kann allein schon der Anblick der Anlage Ärgernis hervorrufen oder witterungsbedingt eine Geruchsbelästigung zu Unmut führen.

Gefährdungen oder Schädigungen der Gesundheit durch den gegenständlichen Betrieb sind jedoch auszuschließen und liegt bei Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und Auflagen keine unzumutbare Belästigung der Nachbarschaft aus ärztlicher Sicht vor."

Damit wird nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zwar "etwa Spitzenpegel durch Kübelschlagen oder Ähnliches" zu Störungen der Gesundheit einzelner Nachbarn führen könnten, andererseits aber Gefährdungen oder Schädigungen der Gesundheit sowie unzumutbare Belästigungen der Nachbarschaft aus ärztlicher Sicht (jedoch) auszuschließen sind.

Schon deshalb vermag der Verwaltungsgerichtshof dieses Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen nicht als vollständig zu erkennen und wurde der angefochtene Bescheid dadurch, dass die belangte Behörde dieses Gutachten (ohne nähere Begründung) als schlüssig bewertete und ihrer Entscheidung zu Grunde legte, im Umfang der Abweisung der Berufung der

23. beschwerdeführenden Partei als in einem wesentlichen Punkt nur mangelhaft begründet (§§ 60, 67 AVG). Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ferner bedarf der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus den dargelegten Gründen hinsichtlich der Abweisung der Berufung der

23. beschwerdeführenden Partei gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde als gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 23. April 2003

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Gewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999040002.X00

Im RIS seit

20.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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