TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/20 99/02/0177

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Veröffentlicht am 20.05.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §39 Abs1 Z2;
AlVG 1977 §39 Abs1;
AlVGNov 1993 §39;
AVG §37;
SondernotstandshilfeV 1995 §1 idF 1998/II/090;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der HB in M, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte in Graz, Grazbachgasse 39/III, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 18. Mai 1999, Zl. LGS600/RALV/1218/1999-Mag.Ed/S, betreffend Sondernotstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 1999 gab die belangte Behörde der gegen den Bescheid der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Mürzzuschlag vom 15. März 1999, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Sondernotstandshilfe vom 9. März 1999 gemäß § 39 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) abgelehnt worden war, erhobenen Berufung, keine Folge.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass im gegenständlichen Verfahren zu prüfen gewesen sei, ob die Voraussetzungen für eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit im Sinne des § 1 der Sondernotstandshilfeverordnung vorhanden sei. Die Gemeinde M. habe dies im Schreiben vom 8. März 1999 bescheinigt. Auf Grund der Berufungseinwendungen der Beschwerdeführerin sei auch eine Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft M. eingeholt worden. Abgesehen von sozialarbeiterischen Einwendungen ergebe sich daraus, dass die Angaben der Gemeinde M. der Richtigkeit entsprächen und zum Zeitpunkt der Bestätigung des Gemeindeamtes tatsächlich eine Unterbringungsmöglichkeit zur Verfügung gestanden sei und auch nach wie vor zur Verfügung stehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 39 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 96/08/0247) vor der Aufhebung durch die Novelle BGBl. I Nr. 103/2001 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Sondernotstandshilfe für Mütter oder Väter

§ 39. (1) Mütter oder Väter haben Anspruch auf Sondernotstandshilfe für die Dauer von 52 Wochen, längstens jedoch bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, wenn

1. der Anspruch auf Karenzgeld nach dem Karenzgeldgesetz, BGBl. I Nr. 47/1997, erschöpft ist;

2. sie wegen Betreuung ihres Kindes, dessen Geburt Anlaß für die Gewährung des Karenzgeldes war, keine Beschäftigung annehmen können, weil für dieses Kind keine Unterbringungsmöglichkeit besteht, und

3. mit Ausnahme der Arbeitswilligkeit und der Arbeitsbereitschaft gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt sind.

...

(6) Dem Antrag auf Gewährung der Sondernotstandshilfe ist eine Bescheinigung der Hauptwohnsitzgemeinde über das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind beizulegen. Die Hauptwohnsitzgemeinde ist im Hinblick auf den gemäß § 2 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes 1993, BGBl. Nr. 30, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 853/1995, zu leistenden Kostenersatz an das Arbeitsmarktservice verpflichtet, eine solche Bescheinigung auszustellen. Sie ist dabei an die Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995, in der jeweils geltenden Fassung gebunden. Die Gewährung der Sondernotstandshilfe durch die regionale Geschäftsstelle ist bei Vorliegen einer solchen Bescheinigung über das Vorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit nicht zulässig. Im Berufungsverfahren ist bei Berufungseinwendungen betreffend die Unterbringungsmöglichkeit eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde einzuholen und in freier Beweiswürdigung zu entscheiden."

§ 1 der Sondernotstandshilfeverordnung in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. II Nr. 90/1998 lautet wie folgt:

"Unterbringungsmöglichkeit für das Kind

§ 1. (1) Als geeignete Unterbringungsmöglichkeit gilt jedenfalls eine Einrichtung, die nach den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften (z.B. Kindergartengesetz, Kindertagesheimgesetz, Jugendwohlfahrtsgesetz u. dgl.) für Kinder zwischen dem 19. und dem 36. Lebensmonat entweder vom Land oder der Gemeinde selbst oder von Rechtsträgern geführt wird, denen sich das Land oder die Gemeinde zur Erreichung dieser Ziele bedient. Eine private Einrichtung (wie Privatkindergarten, Pfarrkindergarten, Kindergruppe u. dgl.) ist einer solchen Einrichtung gleichzuhalten.

(2) Weiters müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

a) die Öffnungszeiten müssen den auf dem Arbeitsmarkt üblichen Arbeitszeiten einschließlich der Zeit, die für die Hinbringung bzw. Abholung des Kindes erforderlich ist, angepaßt sein,

b) der Betreuungsort muß mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderweitig zur Verfügung stehenden Beförderungsmitteln (zB Kindergartentransporte, familieneigener PKW oder Abholung und Rückbringung durch die Tagesmutter/vater, wenn diese eine entsprechende Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben) oder zu Fuß erreichbar sein, wenn der kürzeste Fußweg zwischen der Wohnung und dem Betreuungsort in einer Richtung unter Ausschluß der mit Verkehrsmitteln zurückgelegten Wegstrecke nicht mehr als 30 Gehminuten dauert, wobei jedoch die aufzuwendende Zeit (Fahrzeit und Gehzeit) vom Wohnort zum Betreuungsort in einer Richtung 60 Minuten nicht überschreiten darf,

c) das Entgelt für die Unterbringung muß angemessen sein, das bedeutet, daß es nicht wesentlich, dh. nicht mehr als 25 vH, über den durchschnittlichen Kosten anderer vergleichbarer Einrichtungen liegen darf. Als vergleichbare Einrichtung in diesem Sinne gelten auch Tagesmütter/väter.

(3) Tagesmütter/väter gelten nur insoweit als geeignete Unterbringungsmöglichkeit, als für sie bzw. für die Einrichtung, die die Tagesmütterbetreuung organisiert, eine Bewilligung nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften vorliegt. ........"

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Unterbringung bei einer Tagesmutter in M. eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit im Sinne des § 39 Abs. 1 Z. 2 AlVG darstellt. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies und verweist darauf, dass ihr Sohn auf sie fixiert sei und ihr auch bei einem kurzen Weggehen und der Betreuung durch Familienmitglieder nachweine. Sie habe auch persönliche Differenzen mit der verfügbaren Tagesmutter. Die belangte Behörde hat sich diesbezüglich damit begnügt, auf die Bescheinigung der Gemeinde M. hinzuweisen, wonach eine Unterbringungsmöglichkeit für den mj. Leon zur Verfügung stehe. Auf Grund der dargestellten Rechtslage hatte die belangte Behörde jedoch zu untersuchen, ob die Unterbringungsmöglichkeit im Sinne des § 39 AlVG "geeignet" ist. Die Überprüfung hat gemäß § 39 Abs. 1 Z. 2 AlVG in Bezug auf das konkrete Kind (arg.: für dieses Kind) zu erfolgen. Das Erfordernis der Eignung bezieht sich daher sowohl auf die Einrichtung als auch auf das Kind. Bei Beurteilung der Eignung für das Kind ist daher auch die physische und psychische Konstellation des betreffenden Kindes grundsätzlich beachtlich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 96/08/0095). Auch in dem über Antrag der Beschwerdeführerin eingeleiteten Verfahren obliegt es der Behörde, innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nachzukommen. Die belangte Behörde hätte daher auf Grund der Behauptung, das Kind sei auf Grund seiner persönlichen Anlagen und Fähigkeiten für eine Unterbringung bei einer Tagesmutter allenfalls nicht geeignet, ein zweckdienliches Ermittlungsverfahren durchführen müssen, zu dem Zwecke, ob es sich bei dem genannten Betreuungsplatz unter Berücksichtigung der persönlichen Schwierigkeiten der Beschwerdeführerin mit der Betreuungsperson (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 1997, Slg. Nr. 14848) um eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit für dieses Kind handelt. Da die belangte Behörde solche Verfahrensschritte unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. Mai 2003

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999020177.X00

Im RIS seit

16.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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