Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
SchUG 1986 §47 Abs1 idF 1993/514;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des W in Z, vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 38, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer, Senat für Hauptschullehrer, beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 17. Mai 2001, Zl. Präs. III-LDOK/27, betreffend Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Mai 2001 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 25. Mai 2000 den Schüler PE (2c-Klasse) im technischen Werkunterricht an den Haaren gezogen und dadurch eine Dienstpflichtverletzung nach § 29 Abs. 1 (nicht rechtmäßige Erfüllung von Unterrichts- und Erziehungsaufgaben) und Abs. 2 (Störung des Vertrauens in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben als Lehrer) des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LDG 1984), BGBl. Nr. 302/1984, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 142/2000, jeweils in Verbindung mit § 47 Abs. 3 des Schulunterrichtsgesetzes begangen.
Es wurde gemäß § 70 Abs. 1 LDG 1984 als Disziplinarstrafe ein Verweis ausgesprochen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 29 Abs. 1 LDG 1984 ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
Gemäß § 29 Abs. 2 LDG 1984 hat der Landeslehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gemäß § 47 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes 1986 (SchUG), BGBl. Nr. 472 idF. BGBl. Nr. 514/1993, hat der Lehrer im Rahmen der Mitwirkung der Schule an der Erziehung der Schüler in seiner Unterrichts- und Erziehungsarbeit die der Erziehungssituation angemessenen, persönlichkeits- und gemeinschaftsbildenden Erziehungsmittel anzuwenden, die insbesondere Anerkennung, Aufforderung oder Zurechtweisung sein können.
Gemäß § 47 Abs. 3 SchUG sind dem Lehrer körperliche Züchtigung, beleidigende Äußerungen und Kollektivstrafen verboten.
Im gegenständlichen Fall geht es um folgenden, unbestritten (schon seit dem Bescheid der Behörde 1. Instanz) festgestellten Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer zog am 25. Mai 2000 den Schüler PE (2c-Klasse) im technischen Werkunterricht an den Haaren von der Fensterbank zu seinem Sitzplatz in der Fensterreihe. Diesem Vorfall ging ein störendes Verhalten des Schülers PE voran. Der Schüler hatte seinen Werkplatz verlassen und sich auf die Fensterbank gesetzt, um den Turnunterricht im Freien zu beobachten. Auf die mehrfachen Ermahnungen durch den Beschwerdeführer und die Aufforderung, seinen Sitzplatz wieder einzunehmen und mit der Anfertigung des Werkstückes zu beginnen, reagierte der Schüler nicht und setzte sein Verhalten fort. Daraufhin hat der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Handlung gesetzt.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass dieses Verhalten, das keine Schmerzen bei PE verursacht habe und lediglich als Maßnahme gedient habe, um den Schüler, der den Anweisungen des Beschwerdeführers beharrlich keine Folge geleistet habe, auf seine Bank zu setzen, weder eine Züchtigung, beleidigende Handlung noch eine erniedrigende Maßnahme seinen Mitschülern gegenüber (denen der Vorfall gar nicht aufgefallen sei) gewesen sei. Daran werden Verfahrensrügen angeknüpft.
Nach Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Auflage, 24. Band, 1996, S. 630, ist unter Züchtigung die Anwendung körperlicher Gewalt zur Bestrafung von Personen, die dem jeweiligen Herrschaftsrecht unterworfen sind, zu verstehen.
Selbst wenn dem Beschwerdeführer einzuräumen ist, dass die von ihm angewendete körperliche Gewalt nicht auf Bestrafung des Schülers gerichtet war, ist das Verhalten des Beschwerdeführers, der als Lehrer ein "Herrschaftsrecht" in einem auf die Schule zu übertragenden Sinn über die ihm anvertrauten Schüler ausübt, im Hinblick auf die Art der körperlichen Gewaltanwendung (Ziehen an den Haaren) als nach § 47 Abs. 3 SchUG verpönte Maßnahme zu beurteilen. Daran ändert nichts, wenn der Beschwerdeführer - nach seinen eigenen Ausführungen - mit der "Maßnahme" den Schüler "dazu veranlassen wollte, sich auf seine Bank zu setzen", um ihn "vor schwerwiegenden disziplinären Folgen" zu "bewahren". Dies wird auch durch den Gesamtzusammenhang des § 47 Abs. 3 SchUG bestätigt, der nicht nur die Anwendung körperlicher Gewalt, sondern auch lediglich verbale Übergriffe verbietet. Dieses Verständnis wird auch bestärkt durch die Umschreibung der nach § 47 Abs. 1 SchUG anzuwendenden "angemessenen" Erziehungsmittel.
Daher ist es bedeutungslos, ob das Verhalten des Beschwerdeführers dem Schüler keine Schmerzen bereitete und/oder von den Mitschülern nicht bemerkt wurde. Die darauf aufgebauten Verfahrensrügen des Beschwerdeführers gehen ins Leere.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde auch ausreichend - und zutreffend - begründet, warum es sich um ein disziplinär relevantes Verhalten im Sinne der herangezogenen Gesetzesstellen handelt, indem sie ausführt:
"Ein solches Verhalten widerspricht jedweden Anstandsregeln der" (richtig: die) "zwischen Mitmenschen hierzulande üblich ist" (richtig: sind). "Die Setzung einer solchen Maßnahme ist verpönt und unentschuldbar. ... Ein dermaßen exzessiver Eingriff in die persönliche Integrität eines Menschen ist unentschuldbar. ..."
Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass eine Missachtung des in § 47 Abs. 3 SchUG enthaltenen Verbotes wie im gegenständlichen Fall der von § 29 Abs. 1 LDG 1984 geforderten gewissenhaften Aufgabenerfüllung des Beschwerdeführers entgegensteht und geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu erschüttern (§ 29 Abs. 2 LDG 1984).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. Oktober 2003
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003090012.X00Im RIS seit
05.11.2003Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008