TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/5 2003/17/0085

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Veröffentlicht am 05.11.2003
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Index

21/06 Wertpapierrecht;

Norm

WAG 1997 §16 Z2;
WAG 1997 §27 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des AB in Wien, vertreten durch Hausmaninger Herbst Rechtsanwälte - Gesellschaft mbH in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10. Jänner 2003, Zl. UVS-06/10/3584/2001/8, betreffend Übertretung des Wertpapieraufsichtsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war im hier relevanten Zeitraum zwischen 31. Mai 1999 und 13. Juni 1999 Vorstandsmitglied und Geschäftsleiter der E-AG. Weitere Vorstandsmitglieder und Geschäftsleiter waren BB und R.

In der Zeit zwischen 31. Mai 1999 und 30. Juli 1999 fand im Unternehmen der E-AG eine Prüfung durch die Bundes-Wertpapieraufsicht gemäß § 24 Abs. 2 des Wertpapieraufsichtsgesetzes, BGBl. Nr. 753/1996 (im Folgenden: WAG), statt. Die Prüfer gelangten zum Ergebnis, das Unternehmen der E-AG sei nicht so organisiert, dass bei der Erbringung der Finanzdienstleistungen Interessenkonflikte zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden oder Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Kunden möglichst gering seien. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere die fehlende organisatorische Trennung zwischen den Geschäftsarten "Kundenhandel mit Abwicklung über Nostro" und "Eigenhandel" gerügt.

Am 13. Juli 2000 wurde BB im Zusammenhang mit dem Verdacht einer Verwaltungsübertretung gemäß § 16 Z 2 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 WAG einvernommen. Dabei wurde ihm insbesondere vorgehalten, die Organisation der E-AG habe im genannten Zeitraum deshalb nicht dem § 16 Z 2 WAG entsprochen, weil eine räumliche und organisatorisch-personelle Trennung zwischen Kunden- und Eigenhandel mit Finanzinstrumenten hinsichtlich der zugänglichen Information über die Orderlage nicht vorhanden gewesen sei. Es seien sowohl Kundenorders als auch Nostro-Orders auf einer gemeinsamen Liste geführt und über Nostro abgewickelt worden. Der als Nostro-Händler tätig werdende Sacharbeiter sei stets über die Orderlage auf Kundenseite und zugleich der als Kundenhändler tätig werdende Sachbearbeiter über die Nostro-Orderlage und die Eigenbestände informiert gewesen.

BB erklärte, das im Unternehmen der E-AG installierte EQOS-System erzwinge, dass bei der Abwicklung von Orders das Konto der E-AG angesprochen werde. Auf den Einwand, dass dies nur das Clearing betreffe und nicht die Einträge in der Geschäftszeilenliste, replizierte er, gemäß Punkt 4.1 Abs. 2 des Standard Compliance Code (offenbar gemeint 1993; im Folgenden:

SCC) sei in Ansehung der Erfordernisse an die einzuhaltenden Vertraulichkeitsbereiche die Unternehmensgröße zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer selbst verzichtete auf eine eigene Rechtfertigung und verwies auf jene des BB.

Am 2. August 2000 erteilte die Wiener Börse AG der Bundes-Wertpapieraufsicht die Auskunft, es sei auch im Rahmen des EQOS-Systems möglich, so genannte "Chinese Walls" zu installieren, etwa durch die Konfiguration des jeweiligen Benutzerprofils, also der individuellen Zugriffsberechtigung.

Am 20. März 2001 erließ die Bundes-Wertpapieraufsicht gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, dessen Spruch wie folgt lautete:

"Sie haben es in Ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglied und somit nach außen vertretungsbefugtes Organ der E-AG, einem Kreditinstitut mit Berechtigung zur Ausübung von Bankgeschäften nach § 1 Abs. 1 Z 7 lit. b-f und Z 19 Bankwesengesetz und somit eines in § 11 Wertpapieraufsichtsgesetz - WAG (BGBl. Nr. 753/1996 idgF) genannten Rechtsträgers, zu verantworten, dass es dieses Unternehmen in seinen Geschäftsräumlichkeiten in ..., im Zeitraum vom 31.5.1999 bis 13.6.1999 unterlassen hat, so organisiert zu sein, dass bei der Erbringung der Dienstleistungen gemäß § 11 Abs. 1 WAG Interessenkonflikte zwischen ihr und ihren Kunden oder Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Kunden von ihr möglichst gering sind, weil sie keine Maßnahmen ergriffen hat, durch die Geschäftsabschlüsse auf Grund der Kenntnis der Orderlage zum Ankauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten (§ 2 Z 34 BWG) im Sinne von § 14 Z 3 WAG hintangehalten wurden, indem sie keine Vertraulichkeitsbereiche für Kunden - und Eigenhandel eingerichtet hat, und zwar

-

mangels einer organisatorisch-räumlichen Trennung des räumlich sich überschneidenden Kunden- und Eigenhandels und

-

indem mangels einer organisatorisch-personellen Trennung für den Bereich Vermittlungsgeschäfte in Aktien CR und R, für den Eigenhandel in Aktien R und BB und für den gesamten Rentenhandel - und zwar sowohl Eigen- als auch Kundenhandel - BBsowie R zuständig und tätig waren, sodass im Aktienbereich R sowohl für den Eigen- als auch für den Kundenhandel und im Rentenbereich BB und R sowohl für den Eigenals auch für den Kundenhandel zuständig war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 16 Z 2 iVm § 27 Abs. 2 WAG und § 9 VStG

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende

Strafe verhängt:

Geldstrafe von ATS 50.000,-- (entspricht EUR 3.633,64), falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden, gemäß § 27 Abs. 2 WAG iVm § 16 und § 19 VStG"

In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides stellte die Bundes-Wertpapieraufsicht fest, die E-AG habe im tatgegenständlichen Zeitraum in auf zwei Stockwerken verteilten Räumlichkeiten operiert. Im ersten Stock hätten sich auf 157 m2 alle Tätigkeitsbereiche mit Ausnahme der Revision befunden. Das Tagesgeschäft sei demnach ausschließlich im ersten Stock erbracht worden. Dort seien dafür fünf Zimmer zur Verfügung gestanden. Eines dieser Zimmer sei als Büro des Beschwerdeführers genutzt worden. Sowohl der Kunden- als auch der Eigenhandel sei in ein und demselben Raum durchgeführt worden. Sämtliche Kundenaufträge seien in diesem Handelsraum entgegen genommen und bearbeitet worden. In diesem Raum in der Größe von 5 bis etwa 9 m seien die einzelnen Handelsterminals zentral in der Mitte angeordnet gewesen. Die einzelnen Händler hätten sich bei Ausübung der Handelstätigkeit in unmittelbarer Nähe zueinander befunden.

Für börsliche Geschäfte sei im Tatzeitraum das EQOS-Handelssystem zur Anwendung gebracht worden. Elektronische Zugriffsbeschränkungen für die Händler im Sinne einer Trennung von Eigen- und Kundenhandel seien nicht eingerichtet worden, obgleich dies technisch möglich gewesen wäre.

Zwei Vorstandsmitglieder, nämlich BB und R, hätten im Tatzeitraum auch persönlich Handelsgeschäfte durchgeführt. BB sei in diesem Zusammenhang sowohl im Eigenhandel der E-AG mit Aktien als auch im Eigen- und Kundenhandel mit Rentenwerten tätig geworden. R sei in all diesen Bereichen und darüber hinaus auch im Bereich der Vermittlungsgeschäfte betreffend Aktien tätig gewesen, sodass letzterer sowohl mit den Eigen- als auch mit den Kundengeschäften hinsichtlich Aktien und mit dem gesamten Rentenhandel beschäftigt gewesen sei. Dass BB auch in Aktienvermittlungsgeschäfte involviert gewesen sei, habe nicht festgestellt werden können. Für diesen Bereich sei zum Tatzeitpunkt CR hauptverantwortlich gewesen. Demgegenüber gelte dies für BB in Ansehung des gesamten Rentenhandels.

Weiters führte die erstinstanzliche Behörde aus, das erstattete Vorbringen in Ansehung der Funktionsfähigkeit des EQOS-Systems beziehe sich ausschließlich auf die durchgeführten börslichen Geschäfte. Die außerbörslichen Geschäfte seien laut Prüfbericht in der Geschäftszeilenliste und im selbst entwickelten EDV-System erfasst gewesen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die erstinstanzliche Behörde nach Wiedergabe des § 16 Z 2 WAG die Auffassung, ein Anwendungsbereich dieser Norm sei beispielsweise jenes Interessenskonfliktpotenzial, welches aufkomme, wenn durch die jeweilige organisatorische Beschaffenheit des den Wertpapierhandel betreibenden Kreditinstituts Informationsvorsprünge durch Kenntnis von Kundenorders in Bezug auf bestimmte Finanzinstrumente entstünden, welche durch Dispositionen des Eigenhandels gegen die Interessen von Kunden ausgenutzt werden könnten. Derartige Geschäftspraktiken seien gemäß § 14 Z 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 WAG unter Strafe gestellt. § 16 Z 2 WAG diene dazu, schon die betreffenden Interessenkonflikte durch organisatorische Maßnahmen bestmöglich zu minimieren. Zum Instrumentarium an zu treffenden Maßnahmen könne der SCC zu Rate gezogen werden. Dabei handle es sich freilich lediglich um eine Empfehlung der Bundeskreditsektion an ihre Mitglieder, die österreichischen Kreditinstitute. Nach Punkt 4.1. SCC sei die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen eine geeignete Maßnahme zur Minimierung von Interessenkonflikten. Die Anzahl der Vertraulichkeitsbereiche sei von Art und Umfang der Geschäftstätigkeit der Bank abhängig. Sie sei jedoch gemäß § 16 Z 2 WAG überall dort geboten, wo ein Interessenkonfliktpotenzial zwischen Kunden und den Rechtsträgern nach § 11 WAG bestehe. Die einzelnen Vertraulichkeitsbereiche seien durch so genannte "Chinese Walls" voneinander abzugrenzen. Es solle insbesondere die Auftragslage im Kundenhandel nicht im Bereich des Eigenhandels der Bank bekannt werden, weil dies zu Geschäften auf Grund der Kenntnis der Orderlage im Sinne des § 14 Z 3 WAG verleiten könnte. Beispielsweise lasse die Kenntnis von Großorders vor deren Weiterleitung an die Börse auf die potenzielle Kursentwicklung nach derselben schließen. Dieses Wissen könne im Eigeninteresse durch Dispositionen des Eigenhandels entgegen die Interessen der Kunden missbraucht werden. Der SCC sei als Mindestmaßstab für die Schaffung derartiger Vertraulichkeitsbereiche anzusehen. Keinesfalls sei er jedoch geeignet, gesetzliche Gebote abzuändern. Zwar sei im Rahmen des § 16 Z 2 WAG auch auf die Größe des Kreditinstituts und seine damit verbundenen Möglichkeiten Rücksicht zu nehmen. Der Sinn des WAG könne hiedurch freilich nicht ausgehöhlt werden.

Aus diesen rechtlichen Erwägungen und dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich, dass Kundenhandel und Eigenhandel vorliegendenfalls in je einem abgesonderten Raum unterzubringen gewesen wären. Dies wäre im Hinblick auf die räumliche Situation der E-AG auch durchaus möglich gewesen.

Weiters sei eine mangelnde organisatorisch-personelle Trennung der Verantwortlichkeitsbereiche zu beanstanden. Das Vorstandsmitglied R sei sowohl im Eigenhandel mit Aktien als auch im Vermittlungsgeschäft mit derartigen Finanzinstrumenten tätig gewesen. Darüber hinaus seien sowohl R als auch BB sowohl im Eigenhandel als auch im Vermittlungsgeschäft betreffend Rentenwerte tätig gewesen. Eine Trennung zwischen Eigen- und Kundenhandel in Bezug auf Anleihen habe überhaupt nicht existiert. Nach Auffassung der erstinstanzlichen Behörde wäre (lediglich) eine Aufteilung in zwei Vertraulichkeitsbereiche, nämlich Kunden- und Eigenhandel, erforderlich gewesen. Eine solche wäre in personeller Hinsicht zum Tatzeitpunkt auch bei nur drei im Handel beschäftigten Personen durchführbar gewesen. Die Festlegung der personellen Zuständigkeit im Unternehmen der E-AG sei daher nicht den Erfordernissen des § 16 Z 2 WAG entsprechend erfolgt.

Sodann begründete die erstinstanzliche Behörde ihre Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er verwies zunächst darauf, dass eine räumliche Trennung zwischen Eigenhandel und Kundenhandel schon deshalb nicht möglich gewesen sei, weil die E-AG auf Grund ihrer Betriebsgröße lediglich über einen einzigen Handelsterminal verfügt habe. Die übrigen anlässlich der Revision vorgefundenen Bildschirme hätten dem hausinternen PC-System angehört. Derartige "Single-User-Client" Anbindungskonfigurationen des EQOS-Systems seien von den meisten kleineren Banken genutzt worden. Der Beschwerdeführer vertrat weiters die Auffassung, der SCC sei als nähere Ausgestaltung des § 16 WAG anzusehen. Dies gelte jedenfalls insolange, als die Bundes-Wertpapieraufsicht von ihrer in § 82 Abs. 5a des Börsegesetzes, BGBl. Nr. 555/1989 (im Folgenden: BörseG), enthaltenen Verordnungsermächtigung nicht Gebrauch gemacht habe. Ebenso wie die herrschende Lehre zu § 16 Z 2 WAG gehe der SCC von einer flexiblen Installierung und Ausgestaltung von Vertraulichkeitsbereichen aus, wobei die Verpflichtung solche einzurichten insbesondere von Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des einzelnen Anbieters abhängig sei.

Aus den Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde ergebe sich weiters, dass die Handelsaktivitäten der E-AG von zwei ihrer Vorstandsmitglieder entfaltet worden seien. Die daraus abgeleitete Annahme, es liege eine zu enge Verquickung der diesbezüglichen Tätigkeiten dar, übersehe Punkt 5.1 des SCC, welcher - wie auch §§ 70 f AktG und § 5 Abs. 1 Z 12 des Bankwesengesetzes, BGBl. Nr. 532/1993 (im Folgenden: BWG) - auf einer Gesamtverantwortung des Vorstandes für alle Geschäftsbereiche eines Unternehmens aufbaue. Diese Gesamtverantwortung setze zwingend voraus, dass der Vorstand zu jeder Zeit über alle unternehmensrelevanten Informationen verfüge. Demnach sei jede Compliance Organisation dem Gesamtvorstand unterstellt. Er bilde einen einheitlichen, unteilbaren Vertraulichkeitsbereich. § 16 Z 2 WAG derogiere nicht den vorzitierten Bestimmungen des AktG und des BWG.

Im gegenständlichen Zeitraum sei die E-AG ein besonders kleines Kreditinstitut gewesen, in welchem auf Grund der geringen personellen Möglichkeiten Vorstandsmitglieder den Eigen- und Kundenhandel durchgeführt hätten. Dies sei unter Nutzung eines einzigen EQOS-Handelsterminals geschehen. Eine Zugriffsbeschränkung einzelner Personen auf einen einzelnen Terminal hätte den gesamten Kunden- und Eigenhandel unmöglich gemacht.

Sodann rügte der Beschwerdeführer die Strafbemessung durch die erstinstanzliche Behörde.

In der vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung wurden die Verwaltungsstrafakten betreffend das Vorstandsmitglied R verlesen, wobei daraus Folgendes hervorzuheben ist:

In dem gegen R geführten Verwaltungsstrafverfahren war zwischen den Parteien erörtert worden, inwiefern durch die Einrichtung eines Multi-User-Client-Systems verschiedene Vertraulichkeitsbereiche hätten geschaffen werden können. In diesem Zusammenhang hatte die erstinstanzliche Behörde vorgebracht, auch im Falle eines Multi-User-Client-Systems mit mehreren EQOS-Zugängen seien zwar während der offenen Aufrufphase die an die Börse bereits weitergeleiteten Daten ersichtlich, nicht jedoch andere Informationen. Für die Vermeidung von Interessenkonflikten zwischen Kunden- und Eigenhandel sei es auch erforderlich, Informationen, die noch nicht an die Börse weitergeleitet worden seien, sowie Informationen aus dem außerbörslichen Bereich so zu behandeln, dass möglichst keine Interessenkonflikte aufkämen. Weiters war dort die Möglichkeit einer personellen Trennung der Vertraulichkeitsbereiche erörtert worden. In diesem Zusammenhang hatte R vorgebracht, die E-AG habe eine (geänderte) personelle Ausstattung, welche es ermöglicht hätte, jeweils eigene hoch qualifizierte Mitarbeiter getrennt für Eigen- und Kundenhandel einzusetzen, aus wirtschaftlichen Gründen nicht einrichten können. Es sei in allen Banken Österreichs so, dass jeweils ein Vorstandsmitglied für den Kunden- und für den Eigenhandel verantwortlich sei. Im Falle einer Trennung zwischen Kunden- und Eigenhandel wäre es bei urlaubsbedingter Abwesenheit oder Erkrankung eines Vorstandsmitgliedes zum Betriebsstillstand gekommen.

Sodann wurde in der den Beschwerdeführer betreffenden mündlichen Verhandlung die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Einrichtung eines Multi-User-Client-Systems erörtert. Die Anschaffungskosten eines derartigen Systems wurden vom Beschwerdeführer mit S 150.000,-- angegeben. Weiters gab dieser bekannt, dass auch dieses System Ende 1999 durch das "Xetra-System" zu ersetzen gewesen wäre. Schon deshalb wäre die Umrüstung (bloß für den Rest des Jahres 1999) der E-AG nicht zumutbar gewesen. 50 % der Handelsteilnehmer der Wiener Börse hätten lediglich über das Single-User-Client-System verfügt. Sodann wurde zwischen den Parteien erörtert, ob die in Rede stehenden Anschaffungskosten angesichts der von der E-AG zwischen 1996 und 1999 erzielten Jahresergebnisse wirtschaftlich zumutbar waren.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend das "Vier-Augen-Prinzip" bei der Vertretung des Unternehmens nach außen hielt der Vertreter der erstinstanzlichen Behörde entgegen, dass nicht zwingend jede Vertretungshandlung von zumindest zwei Vorstandsmitgliedern gesetzt werden müsse. In diesem Sinne sei auch die Erteilung beschränkter Handlungsvollmachten zulässig.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. Jänner 2003 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG lediglich insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf EUR 1.500,--, im Falle der Uneinbringlichkeit auf 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt und der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag gemäß § 64 Abs. 2 VStG auf EUR 150,-- ermäßigt wurde. Als Strafsanktionsnorm sei § 27 Abs. 2 WAG "in der zur Tatzeit geltenden Fassung" anzusehen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird zunächst ausführlich der Gang der den Beschwerdeführer und R betreffenden Verwaltungsstrafverfahren geschildert.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde zunächst die Bestimmungen des § 16 Z 2 und des § 27 Abs. 2 WAG wieder. Sodann traf sie folgende Feststellungen:

"Die E-AG war im Zeitraum vom 31.5.1999 bis 13.6.1999 zur Ausübung von Bankgeschäften gemäß § 1 Abs. 1 Z 7 lit. b bis f (dazu zählt u.a. der Handel mit Wertpapieren auf eigene oder fremde Rechnung) und § 1 Abs. 1 Z 19 Bankwesengesetz (BWG) berechtigt. Sie trat als Anbieter von Wertpapierdienstleistungen auf und betrieb sowohl Kunden- als auch Eigenhandel. Der Berufungswerber war im Tatzeitraum Vorstandsmitglied dieser Bank und war für die Analyse der Märkte zuständig, als Händler war er nicht tätig. Ein verwaltungsstrafrechtlicher Verantwortlicher i.S. des § 9 Abs. 2 VStG ist vom Vorstand der E-AG für den Bereich des Wertpapieraufsichtsgesetzes nicht bestellt worden. Der Kundensowie der Eigenhandel mit Aktien wurden vom Vorstandsmitglied R operativ abgewickelt. Der Rentenhandel, und zwar sowohl der Kundenals auch der Eigenhandel wurde von Herrn R und von seinem Vorstandskollegen ... (BB) operativ bewerkstelligt. Eine räumliche Trennung zwischen Kunden- und Eigenhandel gab es nicht, zumal im gesamten Unternehmensbereich nur ein einziger EQOS Handelsterminal zur Verfügung stand und sowohl Kunden- als auch Eigenhandel in einem einzigen Raum durchgeführt worden sind. Als einzige Maßnahme zur Hintanhaltung von Interessen und Pflichten im Bereich des Handels mit Wertpapieren wurden von der Bank Mitarbeiterschulungen durchgeführt. Konkret wurden die Mitarbeiter darauf hingewiesen, Interessenskonflikte zu vermeiden und ferner mit dem Standard Compliance Code der österreichischen Banken (SCC) sowie den Richtlinien der Mitarbeitergeschäfte vertraut gemacht."

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Frage, welche organisatorischen Maßnahmen zu setzen gewesen wären, um Interessenkonflikte im Verständnis des § 16 Z 2 WAG möglichst gering zu halten, könne nicht völlig losgelöst von der Betriebsgröße und individuellen Betriebsstruktur der jeweiligen Bank bzw. des Wertpapierdienstleisters beurteilt werden. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass besonders klein strukturierte Unternehmen auf Grund ihrer geringen Betriebsgröße von jeglicher organisationsrechtlichen Verpflichtung entbunden wären.

In Ansehung der Frage der räumlichen Trennung gehe die Fachliteratur davon aus, dass eine solche durch Bereitstellung selbstständiger Bürohäuser nicht zwingend verlangt werden könne, die Vertraulichkeitsbereiche räumlich jedoch solcherart geschieden werden müssten, dass die in verschiedenen Bereichen tätigen Personen nicht ständig in Kontakt miteinander stünden, weil sie z. B. im selben Zimmer arbeiteten. Die belangte Behörde berief sich in diesem Zusammenhang auf Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, Rz 20 zu § 33 des deutschen Wertpapierhandelsgesetzes, sowie auf Winternitz, Wertpapieraufsichtsgesetz, Rz 14 zu § 16 WAG. Über dieses Mindestmaß an räumlicher Trennung der Vertraulichkeitsbereiche hinaus seien auch Maßnahmen im Bereich des EDV-Systems, wie etwa strikt getrennte Zutrittscodes bzw. die Einrichtung so genannter "Chinese Walls" erforderlich.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, die wirtschaftliche Stellung der E-AG habe die Anschaffung eines Multi-User-Client-Systems nicht zugelassen, entgegnete die belangte Behörde, dass dessen ungeachtet die Installierung von "Chinese Walls" möglich und zumutbar gewesen wäre. Schulungsmaßnahmen seien nicht zielführend gewesen, zumal die Interessenkonflikte ja aus der operativen Handelstätigkeit von Vorstandsmitgliedern resultiert hätten.

In Ansehung der fehlenden personell-organisatorischen Trennung des Eigen- bzw. Kundenhandels führte die belangte Behörde aus, die Rechtfertigung des Beschwerdeführers unter Hinweis auf gesellschaftsrechtliche Vorschriften des BWG und auf das AktG sei nicht tragfähig, weil es gegenständlich nicht um die Frage der Gesamtverantwortung des Vorstandes, sondern um die operative Abwicklung des Wertpapierhandels gehe und nur dieser Aspekt in den gegen den Beschwerdeführer gerichteten Tatvorwurf Eingang gefunden habe. Ob nicht nur im täglichen (operativen) Wertpapierhandel, sondern darüber hinaus auch im Vorstand getrennte Vertraulichkeits- bzw. Verantwortungsbereiche einzurichten gewesen wären, könne dahingestellt bleiben, zumal der Vorwurf einer diesbezüglichen Unterlassung gegen den Beschwerdeführer nicht erhoben worden sei.

Die belangte Behörde vertrat die Rechtsauffassung, dem SCC komme kein Verordnungscharakter, sondern bloß der einer Empfehlung der Wirtschaftskammer an ihre Mitglieder zu. Er sei daher keinesfalls geeignet, den Erfordernissen des § 16 Z 2 WAG zu derogieren.

Sodann begründete die belangte Behörde, weshalb ihres Erachtens der dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verstoß diesem auch subjektiv vorwerfbar sei.

Zur Strafbemessung führte sie nach Wiedergabe des § 19 VStG aus, die Strafe sei herabgesetzt worden, weil der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich unbescholten sei, er, auch wenn sein Einkommen noch immer "sehr gut" sei, doch über wesentlich weniger verfüge, als von der erstinstanzlichen Behörde der Strafbemessung zu Grunde gelegt worden sei, und er selbst am Wertpapierhandel nicht beteiligt gewesen sei. Auch seien bei der E-AG keine verpönten Praktiken im Sinne des § 16 Z 2 WAG festzustellen gewesen. Darüber hinaus sei nunmehr durch die Einführung des Xetra-Systems und Aufnahme von Personal die erforderliche Trennung zwischen Eigen- und Kundenhandel gewährleistet. Eine weitere Herabsetzung der Strafe sei jedoch nicht in Betracht gekommen, weil die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat das öffentliche Interesse an der möglichst weit reichenden Vermeidung von Interessenkonflikten zwischen Kunden- und Eigenhandel bei Anbietern von Wertpapierdienstleistungen beeinträchtigt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Unterbleiben einer Bestrafung in Ermangelung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen hiefür verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgebliche Rechtslage wurde in dem - das Vorstandsmitglied BB betreffenden - hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2003/17/0212, ausführlich dargestellt. Aus den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, folgt für den gegenständlichen Fall Nachstehendes:

Die belangte Behörde wäre auch hier gehalten gewesen, sich mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinander zu setzen, eine räumliche Trennung der Vertraulichkeitsbereiche zwischen Eigen- und Kundenhandel sei für den Bereich des Börsenhandels deshalb nicht zu fordern gewesen, weil eine solche jedenfalls die Installierung eines Multi-User-Client-Systems erforderlich gemacht hätte, dessen Anschaffungskosten der E-AG aber wirtschaftlich nicht zumutbar gewesen seien (zumal auch die Anschaffung eines dritten, die vorliegende Gefahr einer Interessenkollision vermeidenden Systems (XETRA) in Kürze geplant gewesen sei). Dies ist auch hier - ausgehend von der unrichtigen Rechtsauffassung der belangten Behörde, eine räumliche Trennung nach Zimmern hätte jedenfalls (ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Zumutbarkeit) zu erfolgen gehabt - unterblieben.

Schon aus diesem Grund war auch der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der der belangten Behörde im hg. Erkenntnis vom gleichen Tag, Zl. 2003/17/0212, vorgeworfene Verfahrensmangel liegt hier nicht vor. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen stehen mit der im Spruch vorgenommenen Umschreibung der Tat im Einklang. Im Übrigen wird in Ansehung des Vorwurfes der Unterlassung einer ausreichenden organisatorisch-personellen Trennung gleichfalls auf die Entscheidungsgründe des bereits zitierten Erkenntnisses vom heutigen Tage verwiesen. Daraus ergibt sich, dass die E-AG jedenfalls im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit zu einer Trennung der Zuständigkeiten zur operativen Abwicklung des Wertpapierhandels verhalten gewesen wäre, wobei auch für den vorliegenden Fall festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer gegen die von der erstinstanzlichen Behörde getroffene Annahme, der E-AG wäre es möglich und zumutbar gewesen, auch bei nur drei im Wertpapierhandel tätigen Personen (dem Beschwerdeführer, R und C) eine derartige personellorganisatorische Trennung durchzuführen, keine tauglichen und hinreichend konkretisierten Einwendungen vorgebracht hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Wien, am 5. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003170085.X00

Im RIS seit

19.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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