TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/25 2001/16/0038

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.2004
beobachten
merken

Index

33 Bewertungsrecht;

Norm

BewG 1955 §13 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/16/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Höfinger, Dr. Kail und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerden der L Familien-Privatstiftung (Zl. 2001/16/0038) und der AL Privatstiftung (Zl. 2001/16/0039), beide in W, beide vertreten durch die Eidos Wirtschaftsberatung GmbH, Wirtschaftsprüfer in 1010 Wien, Friedrichstraße 10, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. November 2000, Zlen. RV 414-09/11/00 und RV 415-09/11/00, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beiden Beschwerdeführerinnen je EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Notariatsakt vom 5. Dezember 1995 schenkte L., Gesellschafter der S. & L-GmbH, seinen Geschäftsanteil in Höhe von S 100.000,-- der Erstbeschwerdeführerin (einer Familien-Privatstiftung). Mit Notariatsakt vom selben Tag schenkte S., Gesellschafter der S. & L-GmbH, seinen Geschäftsanteil von S 200.000,-- der Zweitbeschwerdeführerin (einer Privatstiftung). Für beide Vorgänge ermittelte das Finanzamt die Bemessungsgrundlage nach dem Wiener Verfahren und schrieb (nach dem unbestrittenen Beschwerdevorbringen; diese Bescheide liegen nicht vor) mit Bescheiden vom 5. Juni 1996 bzw. 21. Mai 1996 Schenkungssteuer vor. Die Bescheide erwuchsen unbekämpft in Rechtskraft.

Ausgelöst durch eine Kontrollmitteilung der Betriebsprüfung Wien-Körperschaften ergingen gegen beide Beschwerdeführerinnen die (amtswegigen) Wiederaufnahmebescheide vom 6. Oktober 1999. Darin wurden (soweit hier gegenständlich) die Bemessungsgrundlagen von bisher S 4.280,-- auf S 2,000.000,-- bzw. von bisher S 8.560,-- auf S 4,000.000,-- angehoben. In den Begründungen wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerinnen mit Kaufverträgen über Aktien vom 20. Dezember 1995 ihre Anteile an der S. & L-GmbH, die inzwischen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war, an die B-AG um (letztlich; auf Grund nachträglicher Berichtigungen) S 2,000.000,-- bzw. S 4,000.000,-- verkauft hätten. Da der gemeine Wert von Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung gemäß § 13 Abs. 2 BewG in erster Linie aus Verkäufen abzuleiten sei, sei dieser dem Ermittlungszeitpunkt nahe liegende Verkauf als gemeiner Wert dem Schenkungssteuerverfahren zu Grunde zu legen und das Verfahren wieder aufzunehmen gewesen.

In ihren dagegen erstatteten Berufungen rügen die Beschwerdeführerinnen zunächst, dass eine ausdrückliche Begründung des Wiederaufnahmegrundes den bekämpften Bescheiden nicht zu entnehmen sei. Insbesondere sei § 13 Abs. 2 BewG fehlerhaft angewendet worden. Diese Bestimmung sei wörtlich auszulegen; lasse sich der gemeine Wert aus Verkäufen nicht ableiten, so sei er unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen. Es müssten daher mindestens zwei Verkäufe vorliegen, ein einzelner Verkauf genüge nicht. Diese Voraussetzung sei hier offenkundig nicht erfüllt, auch die Behörde gehe nur von einem einzigen Verkauf der S. & L-GmbH aus. Daher sei der gemeine Wert zu schätzen, wobei das "Wiener Verfahren" eine von der Verwaltungspraxis anerkannte Richtlinie sei. Diese Schätzung habe den Wert von S 4.280,-- bzw. S 8.560,-- ergeben.

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen keine Folge. Nach § 303 Abs. 4 in Verbindung mit § 303 Abs. 1 lit. b BAO sei eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht wurden und die bei Kenntnis dieser Umstände einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbei geführt hätten. Das Finanzamt habe Kenntnis vom tatsächlichen Wert der Anteile erst auf Grund einer Kontrollmitteilung der Großbetriebsprüfung bekommen, sodass die Wiederaufnahme wegen Hervorkommens neuer Tatsachen erfolgt sei.

Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine Mehrzahl von Verkäufen den Schluss auf das Vorliegen eines dem Kurswert ähnlichen Marktpreises mit einiger Sicherheit ermögliche, sei nicht zu folgen. Die Verwendung des Mehrzahlwortes "Verkäufe" im § 13 Abs. 2 BewG sei sprachlich bedingt, eine darüber hinausgehende Bedeutung komme dieser Formulierung aber nicht zu. In den gegenständlichen Fällen gründe sich die Ermittlung des Wertes der Aktien auf ein schlüssiges Gutachten. Aktienverkauf und Gutachten seien dem Stichtag der Stiftung sehr nahe. Aus dem Kaufpreis der Aktien sei der Firmenwert laut Bilanz abgeleitet worden. Da nicht anzunehmen sei, dass die Berufungswerber einen falschen Wert in der Bilanz angesetzt hätten, könne davon ausgegangen werden, dass der Kaufpreis dem gemeinen Wert der Aktien entspreche.

In ihren dagegen erhobenen Beschwerden erachten sich die Beschwerdeführerinnen erkennbar in ihrem Recht darauf verletzt, dass keine weitere Schenkungssteuer vorgeschrieben werde und dass das Verfahren nicht wieder aufgenommen werde. Sie beantragen, die angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte in beiden Fällen die Verwaltungsakten vor und erstatteten jeweils eine Gegenschrift.

Die Beschwerdeführerinnen replizierten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Bewertung, soweit nicht in Abs. 2 etwas Besonderes vorgeschrieben ist, nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes. Da hier Anteile an einer GmbH geschenkt wurden, kommt § 13 Abs. 2 BewG zur Anwendung. Die ersten zwei Sätze dieser Bestimmung lauten:

"Für Aktien, für Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und für Genussscheine ist, soweit sie im Inland keinen Kurswert haben, der gemeine Wert (§ 10) maßgebend. Lässt sich der gemeine Wert aus Verkäufen nicht ableiten, so ist er unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen."

Während hier in den ursprünglichen Verfahren eine solche Schätzung des gemeinen Wertes erfolgt war, wurde in den wieder aufgenommenen Verfahren jener Verkaufspreis herangezogen, der rund zwei Wochen nach der Schenkung beim Verkauf der Anteile an die B-AG erzielt wurde. Das Finanzamt und ihm folgend die belangte Behörde haben in den angefochtenen Bescheiden klargelegt, dass sie auf Grund dieses einen Verkaufes jeweils zu einer Neubewertung gelangten.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt seit dem Erkenntnis vom 6. März 1978, Zl. 1172/77, VwSlg. 5.237/F in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass für die Ableitung des gemeinen Wertes von Anteilen ein einzelner Verkauf nicht genügt. Trotz der gegenteiligen Auffassung von Stoll (Bewertung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften nach dem Bewertungsgesetz, GesRZ 1989, 65 ff), der sich mit dem zitierten Erkenntnis kritisch auseinander gesetzt hat, behielt der Verwaltungsgerichtshof diese Auffassung bei (siehe die umfangreichen Nachweise bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Erbschafts- und Schenkungssteuer10, Rz. 44 zu § 19 ErbStG). Hervorzuheben ist aus dieser Rechtsprechung, dass es nicht auf die Anzahl der bei den einzelnen Verkäufen zum Verkauf gelangenden Anteile ankommt und dass weder die Frage, ob zivilrechtlich ein oder mehrere Rechtsgeschäfte vorliegen, noch die Zusammenfassung mehrerer Rechtsgeschäfte von ausschlaggebender Bedeutung ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Schluss gerechtfertigt erscheint, dass die unter Berücksichtigung von Angebot und Nachfrage und des Ausgleiches widerstreitender Interessen mehrerer an den Verkaufsgeschäften Beteiligter gebildeten Kaufpreise einem Marktpreis nahe komme. Von einer Mehrzahl von Verkäufen kann nur dann gesprochen werden, wenn bei mehreren miteinander nicht im Zusammenhang stehenden Verkaufsvorgängen Anteile veräußert werden.

So wie im Fall des zuletzt vom Verwaltungsgerichtshof zu dieser Frage gefällten Erkenntnisses vom 15. März 2001, Zl. 2000/16/0110 ist auch hier zu sagen, dass eine Mehrzahl von Verkäufen im Beschwerdefall nicht gegeben ist, sodass der gemeine Wert nicht aus "Verkäufen" abgeleitet werden kann. Die Abgabenbehörde erster Instanz begründete die Neubewertung nach erfolgter Wiederaufnahme allein mit den beiden miteinander im Zusammenhang stehenden Verkaufsvorgängen und den dabei jeweils erzielten Kaufpreisen. Indem die belangte Behörde dieser Auffassung unter ausdrücklicher Ablehnung der Judikatur, dass nur eine Mehrzahl von Verkäufen den Schluss auf das Vorliegen eines dem Kurswert ähnlichen Marktpreises ermögliche, folgte, belastete sie ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis vom 15. März 2001 und zuvor im Erkenntnis vom 9. November 2000, Zl. 99/16/0439, die Frage aufgeworfen, ob unter bestimmten Voraussetzungen der gemeine Wert - auf dessen Ermittlung es letztlich ankommt - allenfalls auch aus einem einzelnen Verkauf ermittelt werden kann. Dies wäre insbesondere dann zulässig, wenn dem einzelnen Verkauf eine Preisbildung zu Grunde liegt, die das Ergebnis des Wettbewerbes mehrerer Interessenten darstellt. Aber auch auf Basis der genannten ständigen Rechtsprechung ist es durchaus denkbar, dass unter Bedachtnahme auf die bei der Betriebsprüfung hervorgekommenen neuen Tatsachen eine Schätzung unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten im Spruch anders lautende Bescheide (als jene aus 1996) herbei geführt hätte (§ 303 Abs. 4 BAO). Diesbezüglich hätte es aber auch im vorliegenden Fall eines entsprechenden Beweisverfahrens und der Einräumung des rechtlichen Gehörs bedurft, was in den Beschwerdefällen jedenfalls nicht erfolgt ist.

Dadurch, dass die Finanzbehörden ausschließlich vom jeweiligen Verkaufspreis ausgegangen sind, belasteten sie ihre Bescheide mit der aufgezeigten Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 25. März 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001160038.X00

Im RIS seit

04.05.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten