TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/27 2003/03/0227

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Veröffentlicht am 27.05.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
VStG §25 Abs2;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des H K in W, vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in 4600 Thalheim bei Wels, Reinberghof 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 2. Juli 2003, Zl. UVS 30.2-62/2003-2, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 26. Juni 2002 um 9.01 Uhr in der Gemeinde Bruck an der Mur "auf der B 35/Freiland" an einer näher genannten Örtlichkeit als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten PKW die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 67 km/h überschritten. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 400,-- verhängt wurde.

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, der Zulassungsbesitzer des PKW habe auf Grund einer Lenkeranfrage angegeben, dass der Beschwerdeführer das angesprochene Kraftfahrzeug am Tatort und zur Tatzeit gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe aber angegeben, dass er zur Tatzeit den PKW dem G D für eine Probefahrt zur Verfügung gestellt habe. Die Erstbehörde hat (wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsstrafakten ergibt) mit Schreiben vom 24. Oktober 2002 den in Rumänien aufhältigen G D um eine Stellungnahme ersucht, ob er den gegenständlichen PKW zur Tatzeit und am Tatort gelenkt habe. Dieses Schreiben sei am 12. November 2002 zugestellt worden und bisher unbeantwortet geblieben. Aus der mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift vom 14. März 2003 gehe (u.a.) hervor, dass G D den PKW hätte kaufen wollen, weshalb ihm das Fahrzeug vom Beschwerdeführer in W zum Zweck einer Probefahrt übergeben worden wäre. Wann die Übergabe des PKW erfolgt sei, habe der Beschwerdeführer nicht angeben können. Ferner habe der Beschwerdeführer angegeben, dass G D anlässlich seines Besuches zu Weihnachten 2002 das angesprochene Schreiben der Erstbehörde dem D G übergeben hätte, welcher in weiterer Folge dieses Schreiben an den Beschwerdeführer hätte weitergeben sollen. Entgegen der Niederschrift vom 14. März 2003 sei dieses Schreiben der Erstbehörde aber nicht vorgelegt worden, es liege auch nicht im Akt. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb dieses Schreiben vom Beschwerdeführer - wie er angegeben habe - "ignoriert" worden sei, und weshalb G. D. dieses Schreiben an D. G. übergeben hätte sollen. Die Verantwortung des Beschwerdeführers sei jedenfalls widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Dies auch im Hinblick darauf, dass das Fahrzeug in W übergeben worden sein soll und die von G. D. durchgeführte Probefahrt diesen u.a. auch nach Bruck an der Mur auf der B 35 in Richtung Graz geführt habe. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer nicht angeben können, zu welchem konkreten Zeitpunkt die Übergabe zur angeblichen Probefahrt sowie zu welchem Zeitpunkt und wo die Rückstellung des PKW erfolgt sei. Auf Grund der im Wesentlichen widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers sei somit insgesamt von einer Schutzbehauptung auszugehen. Die Behörde habe es daher unter Zugrundelegung der Ermittlungs- und Beweisergebnisse als erwiesen annehmen können, dass der Beschwerdeführer den gegenständlichen PKW zum Tatzeitpunkt am Tatort selbst gelenkt habe. Gemäß § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG habe von einer Berufungsverhandlung abgesehen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt - wie bereits im Verwaltungsverfahren - vor, nicht er habe das gegenständliche Kraftfahrzeug gelenkt, sondern eine andere namentlich genannte Person, nämlich G D. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer weiters die Einvernahme von D. G. (unter Angabe von dessen Adresse) zum Beweis dafür beantragt, dass G D zum fraglichen Zeitpunkt in Österreich aufhältig gewesen sei und sich das Auto vom Beschwerdeführer zum Zweck einer Probefahrt tags zuvor ausgeborgt habe. In der Berufung habe der Beschwerdeführer beantragt, G D eine Darstellung des Sachverhalts in rumänischer Sprache unter der von ihm angegebenen Adresse zukommen zu lassen, weil der Genannte der deutschen Sprache nicht mächtig wäre und deshalb das genannte Schreiben der Erstbehörde vom Oktober 2002 unbeantwortet gelassen hätte. Die belangte Behörde habe aber weder eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumt noch den beantragten Zeugen einvernommen und G D in rumänischer Sprache wie beantragt "befasst".

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. In seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Slg Nr. 13.451 A/1991, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Behörde in einem Verwaltungsstrafverfahren, in dem der Beschuldigte als Entlastungszeugen eine Person bezeichnet, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält, jedenfalls den Versuch unternehmen muss, mit dieser Person - sofern nicht ein Rechtshilfeabkommen eine andere Vorgangsweise gebietet - dadurch in Verbindung zu treten, dass sie an sie ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen auch immer - eine Erklärung der betreffenden Person bei der Behörde nicht ein, so muss dieser Versuch als gescheitert angesehen werden und die Behörde hat dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, einen Entlastungsbeweis in anderer Weise - etwa in der Form, dass er selbst eine schriftliche Erklärung des Entlastungszeugen vorlegt oder, weil es um die Lenkereigenschaft des Beschuldigten im Tatzeitraum geht, durch Glaubhaftmachung zumindest des Aufenthaltes dieser Person in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt - zu erbringen. Darüber hinaus treffen die Behörde die weiteren im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. April 1989, Zl. 88/02/0210, dargestellten Ermittlungspflichten.

Im vorliegenden Fall wurde im Verwaltungsstrafverfahren - mit dem genannten Schreiben vom 24. Oktober 2002 - der Versuch unternommen, mit dem vom Beschwerdeführer als Entlastungszeugen genannten G D in Kontakt zu treten. Da keine Erklärung dieser Person bei der Behörde einlangte, musste dieser Versuch nach dem Vorgesagten als gescheitert angesehen werden. Entgegen der Beschwerde war die belangte Behörde durch keine Bestimmung gehalten, mit diesem Zeugen nochmals -  mit einem in rumänischer Sprache gehaltenen Schreiben - in Kontakt zu treten. Allerdings hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung die Einvernahme eines weiteren Zeugen, D. G., zum Beweis des Aufenthalts von G D in Österreich im Tatzeitraum beantragt. Nach der dargestellten Rechtslage hätte die belangte Behörde diesen in der Berufung genannten Zeugen zu vernehmen gehabt. Dies ist nicht erfolgt. Dazu hätte die belangte Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung (§ 51e VStG) durchzuführen gehabt, bei welcher auch Unstimmigkeiten im Vorbringen des Beschwerdeführers, die die belangte Behörde zum Anlass dafür nahm, sein gesamtes Vorbringen als unglaubwürdig einzustufen, unmittelbar mit dem Beschwerdeführer hätten geklärt werden können. Insofern hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet, kann doch nicht ausgeschlossen werden, dass sie bei Unterlassen dieses Mangels zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangt wäre.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Mai 2004

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid" Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen Beweismittel Zeugen Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des Beweisantrages Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12 Verwaltungsstrafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003030227.X00

Im RIS seit

01.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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