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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31990L0387 ONP-RL Einführung Art5a Abs3 idF 31997L0051;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 99/03/0342 B 29. Jänner 2003 * EuGH-Entscheidung: EuGH 61999CJ0462 22. Mai 2003Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Handstanger, Dr. Berger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der T Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Cerha Hempel & Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 2. Juli 1999, Zl. Z 1/99-67, betreffend Erlassung einer Entbündelungsanordnung (mitbeteiligte Partei: U AG in W, vertreten durch Dr. Stefan Köck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde gemäß § 2 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr zur näheren Bestimmung der Zusammenschaltung (Zusammenschaltungsverordnung), BGBl. II Nr. 14/1998 iVm §§ 37, 40 und 41 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997 idF BGBl. I Nr. 27/1999, den entbündelten Netzzugang der mitbeteiligten Partei zu den Teilnehmeranschlussleitungen (TASL) des öffentlichen Telekommunikationsnetzes der Beschwerdeführerin zu den im Spruchpunkt A. näher festgelegten Bedingungen an.
Begründend wurde u.a. ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin am 11. März 1999 einen Antrag auf Erlassung einer Entbündelungsanordnung gemäß § 2 Abs. 4 der Zusammenschaltungsverordnung iVm § 41 Abs. 3 TKG hinsichtlich der mitbeteiligten Partei eingebracht habe. Die beantragte Anordnung regle inhaltlich den Zugang vom öffentlichen Telekommunikationsnetz der mitbeteiligten Partei zu den TASL im öffentlichen vermittelten Telekommunikationsnetz der Beschwerdeführerin gemäß TKG und Zusammenschaltungsverordnung. Konkret sei nach der beantragten Anordnung ein entbündeltes Netzelement "eine Kupferdoppelader, die analog bzw. digital bis 144 kbit pro Sekunde genutzt werden" dürfe. Als Voraussetzung für den Zugang zu den TASL werde von der Beschwerdeführerin grundsätzlich die Errichtung eines "Street-Cabinet" angeboten, im Einzelfall könne (sofern möglich) auch "physische Kollokation" realisiert werden. Der Hauptteil der beantragten Anordnung enthalte die für diese Leistungen geltenden Allgemeinen Vertragsbestimmungen. Technische und betriebliche Detailregelungen, Leistungsbeschreibungen, Entgelte, Hinweise für die organisatorische Abwicklung und sonstige Detailregelungen seien als Anlagen (Anhänge 1-9) beigefügt worden, welche einen integrierenden Bestandteil der Anordnung bilden würden. Die mitbeteiligte Partei habe mit Schreiben vom 17. März 1999 hierzu eine Stellungnahme abgegeben und einen Gegenantrag gestellt. Die maßgeblichen materiellrechtlichen bzw. verfahrensrechtlichen Bestimmungen betreffend den vorliegenden Fall fänden sich in den §§ 37 bis 41 TKG bzw. der Zusammenschaltungsverordnung (ZVO).
Bezüglich der (in Anhang 8) angeordneten Entgelte sei
wesentlicher Streitpunkt zwischen den Parteien die Frage gewesen,
ob das monatliche Entgelt für die Überlassung der
Teilnehmeranschlussleitung anhand der (tatsächlichen) historischen
Vollkosten der Beschwerdeführerin, die bei Errichtung des
Anschlussnetzes entstanden seien ("d.h. anhand des von (der
Beschwerdeführerin) ... vorgelegten Top-Down-
Kostenrechnungsmodell") oder anhand zukunftsgerichteter
Investitionskosten, die bei der Errichtung eines optimalen
(Anschluss-)Netzes durch einen effizienten Netzbetreiber entstehen
würden, also anhand eines Forward-Looking Long Run Average
Incremental Cost (kurz FL-LRAIC-)Ansatzes (gemäß dem von ... (der
mitbeteiligten Partei) vorgelegten "analytischen Bottom-Up
Modell") festzulegen seien. Am Bestehen der Verpflichtungen eines
marktbeherrschenden Betreibers wie der Beschwerdeführerin,
Entgelte für den Netzzugang seinen Mitbewerbern kostenorientiert
anzubieten, sei nicht zu zweifeln. Diese Verpflichtung ergebe sich
unmittelbar aus § 2 Abs. 4 ZVO iVm § 41 Abs. 3 TKG. § 2 Abs. 4 ZVO
verpflichte die belangte Behörde, ... Streitigkeiten über den
Zugang zu entbündelten TASL ... unter sinngemäßer Anwendung des
§ 41 Abs. 3 TKG zu entscheiden; § 41 Abs. 3 leg. cit. wiederum verpflichte die belangte Behörde, im Fall von Zusammenschaltungsstreitigkeiten die Netzzugangsentgelte des marktbeherrschenden Betreibers kostenorientiert festzulegen. Auch wenn "die einschlägigen EU-Richtlinien" keine explizite Verpflichtung zur Entbündelung der TASL kennen würden, würde sich "auf Grund der allgemeinen Richtlinienbestimmungen ergeben", dass auch die Entgelte für die Überlassung der Teilnehmeranschlussleitungen kostenorientiert zu sein hätten. Aus dem Zusammenhalt der einschlägigen Bestimmungen lasse sich die Verpflichtung zur Kalkulation des Überlassungsentgelts auf FL-LRAIC-Basis ablesen. § 2 Abs. 4 ZVO verweise "auf die sinngemäße Anwendung" des § 41 Abs. 3 TKG, und die Entgelte seien gemäß § 41 Abs. 3 leg. cit. auf der genannten Basis zu kalkulieren. Ferner würden in § 8 Abs. 1 ZVO als Entgelt, das gem. § 9 Abs. 3 leg. cit. auf dieser Basis zu berechnen sei, auch die "Entgelte für die erstmalige Herstellung der physischen Zusammenschaltung (§ 3 Abs. 2 und 3)" genannt. Durch den Verweis auf § 3 Abs. 2 ZVO, in dem als entbündeltes Netzelement explizit die TASL genannt würden, werde verdeutlicht, dass auch für die Berechnung des "Nutzungsentgelts der TASL" nichts anderes gelten könne als "für die Nutzung der Netzressourcen des Marktbeherrschers zum Zweck der Zusammenschaltung".
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Beschwerdepunkte wurden wie folgt ausgeführt:
"Der angefochtene Bescheid verletzt die T in ihrem Recht auf kostenorientierte Entgeltfestlegung für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, insbesondere in ihrem Recht darauf, dass ihr eine Entgeltfestlegung für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung weder nach dem Kostenrechnungsmaßstab FL-LRAIC (Forward Looking Run Average Incremental Cost) noch nach einer analytischen "bottom up" Kostenberechnung aufgrund fiktiv angenommener Kosten eines effizienten Netzes auferlegt werde. Der angefochtene Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin überdies durch die Vorschreibung nicht kostendeckender Entgelte in ihrem auch durch das Gemeinschaftsrecht gewährleisteten Erwerbsfreiheits- und Eigentumsrecht. Weiters verletzt der angefochtene Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung einer gesetzlich nicht bestehenden Verpflichtung auf Kabellegung zwischen technischen Einrichtungen des alternativen Netzbetreibers.
Der angefochtene Bescheid verletzt die T auch in ihrem Recht darauf, physische Kollokation dann nicht anbieten zu müssen, wenn sich die betreffende Liegenschaft nicht im Eigentum der T selbst, sondern bloß in jenem einer Muttergesellschaft befindet. Der Bescheid verletzt die T weiters in ihrem gemäß § 40 Abs. 1 TKG gewährleisteten Recht darauf, dass die T in ihrem gesamten Netz nicht auf eigene Kosten neue Modems installieren muss. Weiters verletzt der angefochtene Bescheid die T in ihrem gemäß § 40 Abs. 1 TKG gewährleisteten Recht darauf, dass sie die Kosten für die Adaptierung der Kollokationsräumlichkeiten nicht zu tragen hat. Auch verletzt der Bescheid die T in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung der Unterbringung von vermittlungstechnischen Anlagen in Kollokationsräumlichkeiten sowie im Recht darauf, einen Anteil der freien Raumkapazität im Falle der Kollokation als Betriebsvorbehalt vorzusehen. Weiters verletzt der angefochtene Bescheid die T in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung gesetzlich nicht bestehender Verpflichtungen zur Einrichtung von Klimatisierungsanlagen und Heizungsanlagen. Weiters in ihrem Recht darauf, dass ihr keine Anordnung zur Versorgung des Kollokationsraumes, des Outdoor Cabinets und des Outdoor Containers mit Strom (insbesondere unterbrechungsloser Gleichstrom) auferlegt wird. Weiters verletzt der angefochtene Bescheid die T in ihrem Recht darauf, im Rahmen einer Voranfrage die Anzahl vorhandener a/b-Adern zu einem bestimmten Teilnehmer bzw. zu einer bestimmten Adresse, gleichgültig ob in Verwendung oder nicht in Verwendung, nicht bekanntgeben zu müssen."
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:
1. Mit hg. Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2003/03/0095, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass nach der auch im Beschwerdefall geltenden Rechtslage (TKG idF vor der Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2000) gemäß Art. 133 Z. 4 B-VG Angelegenheiten, über die die belangte Behörde entschieden hat, nach österreichischem nationalen Recht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgenommen waren und dass sich die vom EuGH mit Urteil vom 22. Mai 2003 (Rechtssache C- 462/99) aus Art. 5a Abs. 3 der Richtlinie 90/387/EWG idF der Richtlinie 97/51/EG abgeleitete Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes zur Nachprüfung nur auf den Schutz der dem Einzelnen vom Gemeinschaftsrecht eingeräumten materiellen Rechte, nicht aber auch auf den Schutz bloß im nationalen Recht verankerter individueller Rechte beziehen kann. Daraus folgt, dass auch im Beschwerdefall auf das eine Verletzung lediglich letzterer Rechte betreffende Beschwerdevorbringen nicht einzugehen ist.
2. Nicht nur (wie die Wiedergabe der Begründung des angefochtenen Bescheides oben unter Punkt I.1. zeigt) die belangte Behörde, sondern auch die beschwerdeführende Partei in ihrer Beschwerde geht davon aus, dass die vorliegende Entbündelungsanordnung ihre Grundlage nicht im Gemeinschaftsrecht, sondern im TKG iVm der ZVO findet. Eine Regelung betreffend den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss im Rahmen des Gemeinschaftsrechts wurde erst durch die Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000, ABl Nr. L 336 vom 30. Dezember 2000, S. 0004- 0008, getroffen (vgl. Punkt 2 der aus dieser Verordnung ersichtlichen Erwägungen, wonach die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses die bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften ergänzen soll; vgl. etwa auch die "Schlussfolgerungen" des (von der Europäischen Kommission vorgelegten) Sechsten Berichts über die Umsetzung des Reformpakets über den Telekommunikationssektor vom 7. Dezember 2000, KOM/2000/0814 endg.).
Damit kann der Verwaltungsgerichtshof aber auf dem Boden des Beschwerdevorbringens nicht finden, dass mit dem bekämpften Bescheid aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleitete individuelle Rechte (im Hinblick auf Richtlinienbestimmungen derart, dass sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind und sich der Einzelne daher nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auf sie berufen kann, und zwar auch, soweit sie so geartet sind, dass sie Rechte festlegen, die der Einzelne dem Staat gegenüber geltend machen kann (vgl. das Urteil des EuGH vom 22. Mai 2003, Rs C- 462/1999, Rz 114, mwH)) der beschwerdeführenden Partei verletzt worden seien. Dies gilt auch für die im Rahmen der Entbündelungsanordnung normierten Entgelte, zumal der Kostenrechnungsmaßstab FL-LRAIC auf die vorliegende Entbündelungsanordnung - die wie erwähnt zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids gemeinschaftsrechtlich nicht vorgesehen war - (lediglich) auf dem Boden des TKG iVm der ZVO (insbesondere ihres § 9 Abs. 3) zur Anwendung kam.
3.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein gesonderter Ersatz von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist. Wien, am 8. September 2004
Gerichtsentscheidung
EuGH 61999J0462 Connect Austria VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003030112.X00Im RIS seit
12.10.2004Zuletzt aktualisiert am
18.04.2012