TE Vfgh Beschluss 2001/2/26 G98/00

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Veröffentlicht am 26.02.2001
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
GewO 1994 §102 Abs4

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags sowie des Eventualantrags auf Aufhebung der Übergangsbestimmung für die Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerks durch Personengesellschaften bzw der hiefür gesetzten Frist wegen zu eng gefaßten Antragsbegehrens

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die antragstellende Gesellschaft begehrt mit einem auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Antrag, §102 Abs4 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 zur Gänze, in eventu die Wendung "noch bis zum 1. Juli 2001" im und den letzten Satz des §102 Abs4 leg.cit. ("Mit Ablauf des 1. Juli 2001 erlischt die Gewerbeberechtigung.") als verfassungswidrig aufzuheben.

1.1. Nach §101 Abs1 GewO 1994 bedarf es für das Reinigen, Kehren und Überprüfen von Rauch- und Abgasfängen, von Rauch- und Abgasleitungen sowie von den dazugehörigen Feuerstätten einer Gewerbeberechtigung für das Handwerk der Rauchfangkehrer; insoweit Rauchfangkehrer durch landesrechtliche Vorschriften zu bestimmten Tätigkeiten verpflichtet werden, nehmen sie öffentliche Aufgaben wahr.

Der unter der Überschrift "Besondere Voraussetzungen" stehende §102 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 lautet (angefochtene Bestimmung hervorgehoben):

"§102. (1) Das Handwerk der Rauchfangkehrer darf nur von natürlichen Personen ausgeübt werden. Die Ausübung des Handwerks der Rauchfangkehrer erfordert weiters

1. daß der Anmelder nicht schon im selben oder in zwei verschiedenen Kehrgebieten das Rauchfangkehrergewerbe als Gewerbeinhaber oder Pächter ausübt oder als Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer im Rauchfangkehrerhandwerk tätig ist,

2. die österreichische Staatsbürgerschaft und den Wohnsitz im Inland und

3. das Vorliegen eines Bedarfes nach der beabsichtigten Ausübung des Handwerks.

(2) Bei der Feststellung des Bedarfes ist vom gegenwärtigen und dem zu erwartenden Bedarf auszugehen.

(3) Den im Abs1 Z1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen haben die Gewerbetreibenden auch während der gesamten Dauer der Ausübung des Handwerks zu entsprechen. Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§361 Abs1) zu entziehen, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr zur Gänze erfüllt werden.

(4) Personengesellschaften des Handelsrechtes, deren persönlich haftende Gesellschafter natürliche Personen sind, dürfen noch bis zum 1. Juli 2001 das Rauchfangkehrerhandwerk ausüben. Mit Ablauf des 1. Juli 2001 erlischt die Gewerbeberechtigung."

1.2. Zu ihrer Antragslegitimation führt die antragstellende Gesellschaft aus, daß sie eine im Firmenbuch des Landesgerichtes Innsbruck eingetragene Kommanditgesellschaft sei, welche durch Umwandlung gemäß §§1 ff. UmwandlungsG aus einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung hervorgegangen ist; ihr Geschäftsführer und zugleich persönlich haftender Gesellschafter sei eine natürliche Person. Der Gewerbeschein, dem zufolge sie zur Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes im dritten Kehrgebiet Villach-Land befugt ist, sei am 28. Jänner 1999 ausgestellt worden.

Kraft der angefochtenen Bestimmung erlösche ihre Gewerbeberechtigung mit 1. Juli 2001, ohne daß es noch eines weiteren behördlichen Aktes bedürfte. Ab diesem Zeitpunkt sei sie sohin nicht mehr befugt, ihren gegenwärtigen Geschäftszweig auf der Grundlage der rechtskräftig erteilten Gewerbeberechtigung weiter auszuüben; sie müsse, wollte sie nicht Gefahr laufen, wegen unbefugter Gewerbeausübung bestraft zu werden, ihr Gewerbe bis spätestens 1. Juli 2001 auf eine physische Person übertragen. Der durch die Norm bewirkte Eingriff sei daher nach Art und Ausmaß durch die generelle Norm selbst eindeutig bestimmt. Auch würden die rechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin durch den gesetzlichen Eingriff aktuell beeinträchtigt, da mit 1. Juli 2001 die Gewerbeberechtigung jedenfalls erlösche. Ein anderer Weg, um sich gegen die für verfassungswidrig erachtete Bestimmung zur Wehr zu setzen, stehe ihr nicht zur Verfügung; insbesondere bestehe keine Möglichkeit, ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren zu initiieren, das die Möglichkeit eröffnete, eine amtswegige Antragstellung zur Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens anzuregen.

1.3. Die Bedenken der antragstellenden Gesellschaft gehen dahin, daß die angefochtene Bestimmung den Gleichheitssatz sowie die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsausübung und auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletze.

2. Die Bundesregierung beantragt in ihrer Äußerung, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

II. Der Antrag ist zur Gänze unzulässig.

1. Ähnlich wie bei Anträgen von Gerichten auf Aufhebung einer generellen Norm aus Anlaß von Rechtssachen, die bei ihnen anhängig sind (vgl. zB VfSlg. 6674/1972, 9374/1982, 11.455/1987), und ähnlich wie bei der Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof (vgl. zB VfSlg. 7376/1974, 7726/1975, 11.506/1987) sind die Grenzen und ist der Umfang einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesvorschrift bei Individualanträgen notwendig so zu bemessen, daß - bei Zutreffen der geltend gemachten Bedenken - einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtswidrigkeit erforderlich ist (wobei der Aufhebungsantrag auch die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen erfassen muß), daß aber andererseits der verbleibende Teil keine völlige Veränderung seiner Bedeutung erfährt.

Diese Judikatur beruht auf dem Grundgedanken, daß ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatächlich vorläge - zu beseitigen.

2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem (die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes durch juristische Personen betreffenden) Erkenntnis VfSlg. 15.523/1999 ausgesprochen hat, regelt §102 Abs1 erster Satz nicht bloß die Voraussetzungen für den Erwerb einer Gewerbeberechtigung, sondern - vorbehaltlich der Übergangsbestimmung (damals: §376 Z28 Abs4; hier: §102 Abs4) - die Erlaubtheit der Gewerbeausübung als solche. Folgt man dem Aufhebungsbegehren der antragstellenden Gesellschaft, so hätte dies - da die Aufhebung des §102 Abs1 erster Satz nicht begehrt wird - zur Folge, daß es ihr auch nach Aufhebung des Abs4 dennoch über den 1. Juli 2001 hinaus verwehrt wäre, das Rauchfangkehrergewerbe in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft auszuüben, ohne daß es eines weiteren (individuellen) Rechtsaktes bedürfte.

Es wäre daher für die Zulässigkeit der Anfechtung erforderlich gewesen, §102 Abs1 erster Satz in die Anfechtung miteinzubeziehen.

Das Primärbegehren ist daher zu eng gefaßt.

2.2. Gleiches gilt umso mehr für das bloß Teile des Abs4 zur Aufhebung stellende Eventualbegehren. Hier kommt noch hinzu, daß - worauf die Bundesregierung in ihrer Äußerung zutreffend hinweist - durch die mit dem Eventualantrag angestrebte (Teil-)Aufhebung des §102 Abs4 der Inhalt des Gesetzes geradezu ins Gegenteil verkehrt würde, weil dadurch Personengesellschaften des Handelsrechtes im Gegensatz zu natürlichen Personen die Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerks ohne weitere Voraussetzungen ermöglicht würde. Eine derartige Veränderung des Gesetzessinns ist dem Verfassungsgerichtshof aber verwehrt.

2.3. Im Hinblick darauf, daß ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, eine festgestellte Verfassungswidrigkeit zu beseitigen, andererseits aber dem Gesetz kein völlig veränderter Inhalt gegeben werden darf, erweisen sich beide Aufhebungsbegehren sohin als zu eng, weshalb der Antrag insgesamt unzulässig ist (vgl. zB VfSlg. 14.740/1997 und VfGH 4.10.2000, V2/99).

3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Gewerberecht, Rauchfangkehrergewerbe, VfGH / Antrag, Eventualantrag, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G98.2000

Dokumentnummer

JFT_09989774_00G00098_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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