TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/28 2001/14/0164

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Veröffentlicht am 28.09.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

UStG 1972 §10 Abs2 Z22;
UStG 1972 §2 Abs3;
UStG 1994 §10 Abs2 Z13;
UStG 1994 §2 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der Stadtgemeinde W, vertreten durch Mag. Dr. Kurt Braito, Wirtschaftsprüfer in 6300 Wörgl, Speckbacherstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 2. Juli 2001, GZ. RV234/1-T7/99, betreffend Umsatzsteuer für 1993 bis 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 1993 bis 1997 wurde festgestellt, dass die beschwerdeführende Gemeinde im Jahr 1993 auf einem ihr gehörenden Grundstück eine Kompostieranlage (Kompostplatz mit dem zum ordentlichen Betrieb einer Kompostierung erforderlichen Baulichkeiten) errichtet und dafür einen Vorsteuerabzug geltend gemacht habe. Die Kompostieranlage sei mit Vertrag vom 11. Februar 1993 gegen ein jährliches Entgelt von 1 S und den Erhalt von 30m3 Kompost an einen Landwirt in Bestand gegeben worden. Der Landwirt habe sich im Gegenzug verpflichtet, die von der Gemeinde angelieferten zur Kompostierung geeigneten Bioabfälle um ein vorweg vereinbartes Entgelt zu übernehmen. Private Anlieferung sei zum selben Preis möglich.

In Würdigung dieses Sachverhalts vertrat der Prüfer und ihm folgend das Finanzamt die Auffassung, dass die gegenständliche Vermietung bzw. Verpachtung der Kompostieranlage keinen (fiktiven) Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1972 und 1994 darstellen würde, weil nur ein Anerkennungszins geleistet werde. Die in Zusammenhang mit der Anschaffung und dem Betrieb geltend gemachten Vorsteuern (1993: 834.312,63 S, 1994: 45.701,12 S, 1995: 6.400,93 S) seien daher nicht abzugsfähig. Erst durch die Verträge vom 6. Februar 1995 und 13. Dezember 1995, mit denen die Beschwerdeführerin zwei anderen Gemeinden Mitbenutzungsrechte an der gegenständlichen Kompostieranlage eingeräumt habe, erziele sie Erlöse in einer Größenordnung von über 200.000 S, sodass ab diesem Zeitpunkt von einem Betrieb gewerblicher Art auszugehen sei.

Gegen die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Umsatzsteuerbescheide für 1993 bis 1995 erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet abgewiesen wurde.

In ihrem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie sich zur Abwicklung der Müllentsorgung der Fremdleistungen verschiedenster Firmen bediene. Für diese Leistungen werde den einzelnen Haushalten eine Müllgebühr vorgeschrieben, welche auch die Amortisation der Investitionskosten für die Biokompostieranlage beinhalte. Auf Grund eines Nachtrages zum Vertrag müsse der Pächter zudem den Biomüll bestimmter anderer Gemeinden übernehmen, allerdings zu einem höheren Tarif. Die Differenz zwischen diesem höheren Tarif und dem für die Beschwerdeführerin gültigen Tarif komme der Beschwerdeführerin zu Gute. Die Beschwerdeführerin habe daraus im Jahr 1997 Einnahmen in Höhe von netto 321.472,06 S erzielt, denen Ausgaben von 273.735,39 S gegenübergestanden seien (Überschuss 47.736,67 S). Die Einnahmen aus den Biomüllgebühren hätten im Jahr 1997 879.450,06 S betragen. Der Pachtvertrag sei abgeschlossen worden um zu verhindern, dass die Arbeit des Landwirts als Dienstverhältnis angesehen werden könnte. Dem symbolischen Bestandszins komme keine abgabenrechtliche Relevanz zu, da ein höherer Bestandszins automatisch höhere Abnahmepreise für den angelieferten Biomüll nach sich gezogen hätte. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise stelle die Kompostieranlage Anlagevermögen der städtischen Müllentsorgung und damit Anlagevermögen eines Betriebs gewerblicher Art dar, sodass der Vorsteuerabzug zustehe. Dies werde insbesondere dadurch deutlich, dass die höheren Übernahmegebühren durch gemeindefremde Anlieferer hinsichtlich des Überlings ausschließlich der Beschwerdeführerin zustünden. Daran ändere der Umstand nichts, dass der Betrieb der Kompostieranlage im Werkvertrag durch einen Pächter erfolge.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof strittigen Punkt des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Unterhalt der Biokompostieranlage abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, eine Einrichtung stelle nur dann einen Betrieb gewerblicher Art dar, wenn sie einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht diene. Erreichten die Einnahmen einer Einrichtung nicht einmal die Bagatellgrenze von 40.000 S, könne eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht nicht angenommen werden. Als Betrieb gewerblicher Art gelte auch die entgeltliche Überlassung eines Betriebs gewerblicher Art. Der Unentgeltlichkeit gleichgestellt sei, wenn das Entgelt so niedrig gehalten sei, dass es gegenüber dem Wert der Benützung praktisch nicht mehr ins Gewicht falle.

Dass die Beschwerdeführerin aus dem Betrieb oder der Bestandgabe der Kompostieranlage im Berufungszeitraum selbst Einnahmen erzielt habe, werde von ihr nicht behauptet. Sie habe vielmehr die Kompostieranlage um einen Anerkennungszins von 1 S in Bestand gegeben, wobei bestimmte Betriebs- und Erhaltungskosten der Anlage ebenfalls von der Gemeinde getragen worden seien. Die Überlassung der Kompostieranlage erfolge somit nicht entgeltlich, sodass keine unternehmerische Tätigkeit der Beschwerdeführerin vorliege.

Der Betrieb einer Kompostieranlage sei auch nicht als Anstalt zur Müllbeseitigung und damit als fiktiver Betrieb gewerblicher Art zu sehen, weil aus dem Biomüll neu verwertbare Produkte (Düngemittel, Kompost) erzeugt und in der Folge veräußert würden. Es liege vielmehr ein umsatzsteuerlich gesondert zu beurteilender Vorgang vor, der mit einer Anstalt zur Müllbeseitigung nichts mehr zu tun habe. Daraus folge auch, dass die im Stadtgebiet vorgeschriebenen Müllgebühren als Gemeindeabgabe nach der Abfallgebührenordnung den hoheitlichen Bereich "Anstalt zur Müllbeseitigung" beträfen. Die Biomüllgebühren seien daher den Einnahmen der Stadtgemeinde für die "eigene Biomüllentsorgung" und nicht der "fremdbetriebenen Biomüllverarbeitung" zuzurechnen.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1972 bzw. 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.

Nach § 2 Abs. 3 UStG 1972 bzw. 1994 sind Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betriebe gewerblicher Art im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten jedoch stets Wasserwerke, Schlachthöfe, Anstalten zur Müllbeseitigung, zur Tierkörpervernichtung und zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen sowie die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften.

Gemäß § 2 Abs. 1 KStG 1988 ist ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts jede Einrichtung, die wirtschaftlich selbständig ist und ausschließlich oder überwiegend einer nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht und zur Erzielung von Einnahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen und nicht der Land- und Forstwirtschaft dient. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Die Tätigkeit der Einrichtung gilt stets als Gewerbebetrieb. Nach Abs. 5 leg.cit. liegt eine privatwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 nicht vor, wenn die Tätigkeit überwiegend der öffentlichen Gewalt dient (Hoheitsbetrieb). Als Hoheitsbetriebe gelten u.a. Anstalten zur Müllbeseitigung und zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde stellt die beschwerdeführende Gemeinde den Kompostplatz zu einem Anerkennungsschilling zur Verfügung und hat dafür das Recht, Biomüll zu einem von ihr zu entrichtenden Fixpreis anzuliefern. Der Pächter ist vertraglich zur Abnahme und zur sachgerechten und umweltfreundlichen Kompostierung verpflichtet. Die Beschwerdeführerin erhebt von ihren Gemeindebürgern Müllgebühren.

Nach Ansicht der belangten Behörde würden die vorgeschriebenen Müllgebühren zur Gänze den hoheitlichen Bereich "Anstalt zur Müllbeseitigung" betreffen, woraus zu folgern sei, dass diese Gebühren den Einnahmen für die "eigene Biomüllentsorgung" und nicht der "fremdbetriebenen Biomüllverarbeitung" zuzurechnen seien.

Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass die Bereitstellung der Kompostieranlage durch die Gemeinde gerade dazu diene, Biomüll zu einem Fixpreis zur Kompostierung anliefern zu können. Solcherart könne die von der Gemeinde entfaltete Tätigkeit nicht in die Bereiche Entsorgung und Verarbeitung aufgespalten werden, sondern sei als Einheit zu sehen. Auch die "entgeltsmäßige Verknüpfung" weise auf einen (einheitlichen) Betrieb hin. Es werde eine (Bio)Müllgebühr und kein eigenes Entgelt für das Sammeln, den Transport und die Kompostierung eingehoben. Unbestritten würden in die Kalkulation der Müllgebühren die einzelnen Kosten der Müllentsorgung (vom Sammeln bis zur Deponierung) einfließen. Nichts anderes gelte im Bereich der Biomüllentsorgung. Es träfe daher nicht zu, wenn im angefochtenen Bescheid ausgeführt werde, dass die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum keine Einnahmen im Zusammenhang mit der Biomüllkompostieranlage erzielt habe. Das Entgelt für die Anlage werde zwar nicht separat, aber als Kalkulationsposten im Rahmen der laufenden Müllgebührenvorschreibung den Gemeindebürgern in Rechnung gestellt. Auch verkenne die belangte Behörde das Wesen der Kompostierung. Wirtschaftlich entscheidend beim Betrieb einer Kompostieranlage sei, dass die Müllmenge durch diesen Prozess wesentlich verkleinert werde und auf diese Weise Deponieflächen eingespart werden könnten. Dass dabei teilweise auch verwertbarer Kompost anfalle, sei absolut zweitrangig, weil die erzielbaren Komposterlöse die Anschaffung einer Kompostieranlage wirtschaftlich niemals rechtfertigen könnten.

Anstalten zur Müllbeseitigung gelten gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1972 (1994) stets als Betriebe gewerblicher Art. Nach der Rechtsprechung ist unter "Müll" eine Sammelbezeichnung für feste Abfallstoffe verschiedener Herkunft zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1978, 2416/77). Die gegenständlichen kompostierbaren Bioabfälle sind damit zweifellos erfasst.

Auch der Begriff der "Beseitigung" ist weit auszulegen. Obzwar bei strengem Verständnis die Beseitigung etwas anderes ist als die Verwertung, Behandlung oder Entsorgung, tendieren - wie Ruppe (UStG2, § 10, Tz. 164) zustimmend ausführt - Judikatur und Verwaltung zu einer extensiven Interpretation und subsumieren darunter nicht nur den eigentlichen Abtransport, sondern auch die Bereitstellung von Behältern, Säcken, Containern, die Lagerung, die Entsorgung und Deponierung. Ob das Entgelt öffentlichrechtlich als Müllabfuhrgebühr oder privatrechtlich gestaltet ist, ist dabei ohne Belang. Nicht mehr zur Müllbeseitigung zählt die Weiterlieferung der gesammelten Stoffe durch das Unternehmen zur Müllbeseitigung, wenn diese (etwa als Altpapier) gegen Entgelt erfolgt.

Im Beschwerdefall erfolgte die "Beseitigung" des Biomülls durch den Transport zum und die Deponierung auf dem Kompostplatz, wo durch einen Ablauf biochemischer Prozesse unter fachlicher Aufsicht eines Kompostierers eine Verarbeitung zu Kompost erfolgte. Dass die Verpachtung der Kompostieranlage an den Landwirt um die symbolische Pacht von 1 S als eigenständig zu beurteilende Aktivität der Gemeinde anzusehen sei, ist eine Betrachtungsweise der belangten Behörde, welche nicht zu teilen ist. Die Errichtung einer eigenen Kompostieranlage stellt sich vielmehr als Möglichkeit dar, den in der Gemeinde anfallenden Bioabfall fachgerecht unter Ausnutzung biochemischer Abläufe zu beseitigen bzw. in einen marktgängigen Stoff, nämlich Kompost, umzuwandeln. Gerade der Umstand, dass aus der Errichtung der Kompostieranlage - vom Anerkennungsschilling und einem geringen Sachbezug abgesehen - keine eigenen Einnahmen erzielt werden, spricht gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Trennung der Tätigkeit in eine "eigene Biomüllentsorgung" und die "Verpachtung einer Biomüllanlage". Die Vereinbarung mit dem Landwirt dient nicht dazu, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, sie dient aber auch nicht dazu, die Nutzung der Anlage aus z.B. nicht in der Unternehmenssphäre gelegenen Gründen unentgeltlich einzuräumen. Vielmehr geht aus dem Vertrag die Verpflichtung des Pächters hervor, die sonst von der Gemeinde zu leistende (noch dem Bereich der Müllbeseitigung zuzurechnende) Betreuung des Kompostplatzes zu besorgen.

Da die belangte Behörde aus den angeführten Gründen die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. September 2004

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Müll

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001140164.X00

Im RIS seit

22.10.2004

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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