TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/13 2002/10/0186

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Veröffentlicht am 13.10.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/08 Sonstiges allgemeines Dienstrecht und Besoldungsrecht;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApKG §18 Abs1 Z1;
ApKG §18;
ApKG §22 Abs1;
ApKG §23 Abs1 lita;
AVG §68 Abs1;
DP §126;
StGB §88 Abs1;
StGB §88 Abs4 Fall1;
StGB §94 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Mag. HK in M, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef-Straße 42/Hauptstraße 35, gegen den Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen vom 21. Juni 2001, Zl. D 6/1998, betreffend Verhängung einer Disziplinarstrafe nach dem Apothekenkammergesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Österreichischen Apothekerkammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 24. Oktober 1997 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 9. Mai 1997 in Mödling fahrlässig Elfriede H. am Körper verletzt, indem sie die nötige Aufsichts- und Verwahrungspflicht über ihren Hund verletzte, wodurch es geschehen konnte, dass dieser Elfriede H. in den rechten Unterschenkel biss, wodurch Elfriede H. eine Verletzung am Unterschenkel mit einer 24 Tage überschreitenden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit erlitt, und es unterlassen, der Elfriede H., deren Verletzung am Körper sie verursacht hatte, die erforderliche Hilfe zu leisten. Sie habe hiedurch die Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 4 erster Fall StGB und des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 StGB begangen. Es wurde eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je S 600,-- verhängt.

Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wegen Nichtigkeit und Schuld blieb erfolglos (Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 14. Mai 1998); der Tagessatz wurde mit dem erwähnten Urteil auf S 500,- herabgesetzt. Am 27. Mai 1999 teilte die Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof dem Bezirksgericht Mödling mit, dass sie keinen Anlass für eine (von der Beschwerdeführerin angeregte) Maßnahme nach § 33 oder § 362 Abs. 1 Z. 2 StPO gefunden habe.

Nach den Urteilsfeststellungen ist die Beschwerdeführerin Besitzerin zweier Hunde. Ihr Hund "Erda" hatte bereits am 7. September 1993 eine Person gebissen und weitere Personen - ohne diese zu verletzen - "angefallen". Am 9. Mai 1997 war die Beschwerdeführerin mit ihren nicht angeleinten und nicht mit einem Beißkorb versehenen Hunden unterwegs. Auf dem Schießstättenweg fiel der Hund "Erda" Elfriede H. an und biss diese in den rechten Unterschenkel. Elfriede H. erlitt dadurch eine so stark blutende Wunde, dass sowohl ihre Hose als auch ihr weißer Tennisschuh sofort blutgetränkt waren. Die Beschwerdeführerin, die dies registrierte, fragte Elfriede H., ob ihr Hund sie gebissen habe, was diese bejahte. Trotzdem ging die Beschwerdeführerin, obwohl sie nun wusste, dass ihr Hund gebissen hatte, und sie auf Grund der Tatsache, dass die Jeans und der weiße Tennisschuh blutig waren, nicht annehmen konnte, dass es sich um eine Bagatelleverletzung handle, weiter, ohne ihren Namen und ihre Adresse zu nennen. Sie unterließ es, sich zu überzeugen, ob Elfriede H. einer Hilfeleistung bedürfe. Die Beschwerdeführerin unterließ es absichtlich, ihrer Überzeugungspflicht nachzukommen, obwohl sie es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass sie durch ihr nicht sorgfaltsgemäßes Handeln hinsichtlich ihres Hundes Elfriede H. am Körper verletzt hat. Elfriede H. erlitt durch den Hundebiss eine mehr als handtellergroße Bisswunde an der Außenseite des rechten Unterschenkels mit Abhebung eines Hautlappens. Aus der Verletzung resultierte eine 24 Tage überschreitende Gesundheitsstörung und Berufsunfähigkeit.

Mit Disziplinarerkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Apothekerkammer vom 29. November 2000 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe dadurch, dass sie am 9. Mai 1997 in Mödling fahrlässig durch die Vernachlässigung der Aufsichts- und Verwahrungspflicht über ihren Hund "Erda" eine mit einer 24 Tage überschreitenden Gesundheitsstörung verbundene Verletzung der Elfriede H. verursacht und sodann die erforderliche Hilfeleistung unterlassen habe, weshalb sie vom Bezirksgericht Mödling wegen der Vergehen nach den §§ 88 Abs. 1 und Abs. 4 erster Fall und 94 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei, gegen Art. 1 der Internationalen Standesordnung der Apotheker verstoßen, durch dieses Verhalten in der Öffentlichkeit das Ansehen der Apothekerschaft herabgesetzt und sohin ein Disziplinarvergehen nach § 18 Abs. 1 Z. 1 Apothekerkammergesetz (ApkG) begangen. Sie wurde hiefür gemäß § 23 Abs. 1 ApkG mit einem schriftlichen Verweis bestraft. Gemäß § 24 ApkG wurde ihr der Ersatz der mit S 15.494,10 bestimmten Kosten des Disziplinarverfahrens aufgetragen. Die Behörde traf Feststellungen, die jenen des Strafurteils entsprechen; sie bezog sich dabei auf die Einsichtnahme in den Strafakt des Bezirksgerichtes Mödling in Verbindung mit den Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Erhebungskommissär (Niederschrift vom 7. November 1998). Der Disziplinarrat legte dar, welchem größeren Kreis von Personen das Verhalten der Beschwerdeführerin bekannt wurde; er bejahte seine Bindung an das verurteilende Urteil des Strafgerichtes und legte dar, aus welchen Gründen er der Auffassung der Beschwerdeführerin, eine Disziplinarbestrafung wäre ein Verstoß gegen Art. 4 7. ZPMRK, nicht teile. Die Behörde verwies ferner auf Art. 1 der Internationalen Standesordnung für Apotheker, wonach der Apotheker alles zu vermeiden habe, was dem Ansehen seines Berufes schaden könnte, selbst außerhalb der eigentlichen Berufsausübung. Die Behörde vertrat dazu die Auffassung, dass das Unterlassen der Hilfeleistung nach einem verschuldeten Fahrlässigkeitsdelikt im Hinblick auf den Beruf der Beschwerdeführerin als Apothekerin ein das Ansehen des Berufsstandes schädigendes Verhalten darstelle. Von einem Angehörigen eines Berufes, in dessen Mittelpunkt die menschliche Gesundheit stehe, erwarte man in der Öffentlichkeit eine korrekte, fachlich noch sachgerechtere Hilfeleistung als von einem durchschnittlichen Laien. In der Unterlassung dieser Hilfeleistung liege das disziplinär schuldhafte Verhalten der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin habe dadurch im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 1 ApkG durch ihr Verhalten in der Öffentlichkeit das Ansehen des Apothekerstandes herabgesetzt. Der Ausspruch über den Ersatz der Verfahrenskosten gründe sich auf § 24 ApkG.

Mit Disziplinarberufungserkenntnis vom 21. Juni 2001 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab und sprach aus, die Beschwerdeführerin habe auch die mit S 14.339,10 festgesetzten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen. Begründend legte die belangte Behörde - ausgehend von Feststellungen im Sinne der Feststellungen des Strafgerichtes und der Disziplinarbehörde erster Instanz - dar, nach der näher genannten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei die Wahrnehmung des so genannten disziplinären Überhanges durch disziplinarstrafrechtliche Maßnahmen neben einer strafrechtlichen Verfolgung mit dem Verbot der Doppelbestrafung vereinbar. Auch die Anknüpfung disziplinarrechtlicher Sanktionen an strafgerichtliche Verurteilungen habe der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich als zulässig erachtet. Wesentliches Kriterium für die Wahrnehmung des disziplinären Überhanges sei die Frage, ob einer gerichtlichen Verurteilung Verhaltensweisen des Betroffenen zu Grunde liegen, von denen regelmäßig auch eine Gefährdung des Ansehens des Standes oder der ordnungsgemäßen Erfüllung bestimmter standesspezifischer Berufspflichten ausgehe. Dies treffe hier jedenfalls zu, zumal die Beschwerdeführerin dadurch, dass sie ihren Hund, der zuvor bereits zwei Personen attackiert hatte, ohne Leine und Beißkorb führte und sich, nachdem das Tier eine 75-jährige Passantin sichtbar erheblich verletzt hatte, ohne Hilfeleistung sowie Namens- oder Adressennennung vom Tatort entfernte, nicht nur gegen das Gebot des standesgemäßen Verhaltens auch außerhalb der eigentlichen Berufsausübung (Art. 1 der Berufssitte des Apothekerstandes), sondern auch gegen die Hilfeleistungspflicht (Art. 3 der Berufssitte des Apothekerstandes) verstoßen habe, welche Pflichtverletzungen von der strafgerichtlichen Verurteilung keineswegs mitumfasst seien. Aus dem durch § 22 Abs. 1 ApkG verwiesenen § 126 Dienstpragmatik folge e contrario die Bindungswirkung eines verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnisses. Im Übrigen bewirke die Rechtskraft eines Strafurteils in jedem Fall für den Rechtskreis des Verurteilten die bindende Feststellung, dass dieser die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Die Beschwerdeführerin bringe auch inhaltlich keineswegs Umstände vor, die geeignet wären, "Bedenken" gegen die strafgerichtliche Verurteilung zu wecken, sondern versuche lediglich, ihrer Verantwortung im Strafverfahren, die vom Erstgericht widerlegt, von der Berufungsinstanz verworfen und von der Generalprokuratur als keinen Anlass für eine Maßnahme nach §§ 33 oder 362 Abs. 1 Z. 2 StPO darstellend befunden wurde, nachträglich zum Durchbruch zu verhelfen: Die unsubstantiiert als überhöht monierte Kostenentscheidung werde vom Disziplinarrat zutreffend auf § 24 Abs. 1 ApkG gestützt und korrespondiere inhaltlich mit den im Akt befindlichen unbedenklichen Kostennoten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 24. September 2002, B 1320/01, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist, wies die Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber ab, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof stützt die Beschwerdeführerin ihren Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, auf Beschwerdegründe, die der Sache nach sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 81 Abs. 7 Apothekerkammergesetz 2001, BGBl. I Nr. 111/2001, (in Kraft getreten am 1.9.2001) sind "auf im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes bereits anhängige Disziplinarverfahren ... die Verfahrensbestimmungen des Apothekerkammergesetzes 1947 in der geltenden Fassung anzuwenden".

Daraus ergibt sich, dass der Disziplinarberufungssenat beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen im Beschwerdefall das Apothekerkammergesetz BGBl. Nr. 152/1947 in der Fassung BGBl. I Nr. 118/1999 anzuwenden hatte.

Die maßgeblichen Rechtsvorschriften dieses Gesetzes lauten:

"Disziplinarverfahren

§ 18. (1) Ein Mitglied der Apothekerkammer begeht ein Disziplinarvergehen, wenn es

1. durch sein Verhalten gegenüber Kunden, Kollegen oder in der Öffentlichkeit das Ansehen der Apothekerschaft herabsetzt, oder

2. Berufspflichten gröblich verletzt, deren Einhaltung nach den Vorschriften über den Apothekenbetrieb oder Arzneimittelverkehr geboten ist.

(2) Für Mitglieder der Apothekerkammer, die als öffentlich Bedienstete einem eigenen Disziplinarrecht unterliegen, gilt nur Abs 1 Z 1.

(3) Der disziplinären Verfolgung steht der Umstand nicht entgegen, dass dieselbe Tat auch den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte oder Verwaltungsstrafbehörden fallenden strafbaren Handlung oder Unterlassung bildet.

(4) Die Verfolgbarkeit eines Disziplinarvergehens erlischt durch Verjährung, wenn der Disziplinaranwalt nicht innerhalb von fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Handlung oder Unterlassung, die Anzeige an den Disziplinarrat erstattet hat. Ist ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst nach Beendigung der Handlung oder Unterlassung eingetreten, läuft die Frist erst ab diesem Zeitpunkt. Begeht der Beschuldigte während der Verjährungsfrist neuerlich ein Disziplinarvergehen, so tritt die Verjährung nicht ein, bevor auch für dieses Disziplinarvergehen die Verjährungsfrist abgelaufen ist.

(5) Ist der dem Disziplinarvergehen zu Grunde liegende Sachverhalt Gegenstand eines strafgerichtlichen Verfahrens, so wird der Lauf der im Abs 4 angeführten Frist für die Dauer dieses Verfahrens gehemmt.

...

§ 22. (1) Soweit sich aus den Vorschriften dieses Bundesgesetzes nicht anderes ergibt, sind die §§ 107 bis 109 sowie die §§ 111 bis 151 der Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, in der zuletzt mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 213/1972 geänderten Fassung, sinngemäß anzuwenden.

(2) ...

§ 23. (1) Disziplinarstrafen sind:

a)

der schriftliche Verweis;

b)

...

§ 24. (1) Die durch die Tätigkeit des Disziplinarrates und des Disziplinarberufungssenates anfallenden Kosten werden von der Apothekerkammer getragen; im Falle des Schuldspruches sind die Kosten des Disziplinarverfahrens vom Verurteilten zu tragen.

(2) Die verhängten Geldstrafen sowie die Kosten des Disziplinarverfahrens werden im Verwaltungswege eingebracht.

§ 24a. (1) Die Mitglieder des Disziplinarrates, des Disziplinarberufungssenates und die Disziplinaranwälte üben ihre Funktion ebenso wie ihre Stellvertreter ehrenamtlich aus.

(2) Die Apothekerkammer hat den im Abs 1 genannten Personen eine angemessene Aufwandsentschädigung sowie den Ersatz der notwendigen Barauslagen einschließlich der Kosten für Reise und Unterkunft entsprechend der Gebührenstufe 5 der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133, in der jeweils geltenden Fassung, zu leisten. Die Höhe der Aufwandsentschädigung wird vom Vorstand der Apothekerkammer unter Berücksichtigung der jeweiligen Funktion und des damit verbundenen Zeit- und Arbeitsaufwandes festgesetzt."

Bereits die Disziplinarbehörden erster und zweiter Instanz haben auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Bindung der Disziplinarbehörde an verurteilende rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte hingewiesen. Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung der Beschwerde in dieser Frage unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung nicht gefolgt.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof übt die Beschwerdeführerin Kritik an der im Erkenntnis vom 24. September 2002 vertretenen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes in der Frage der Bindung der Disziplinarbehörde an eine verurteilende Entscheidung des Strafgerichts. Unter Hinweis auf das Vorbringen in der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde wird dargelegt, dem in diesem Erkenntnis zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 2001, B 2208/00, seien andere Rechtsprobleme und ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde gelegen. Im Apothekenkammergesetz sei - anders als im BDG 1979 - keine Bindung der Disziplinarbehörde an eine rechtskräftige Verurteilung durch ein Strafgericht normiert. Der Verfassungsgerichtshof habe sich somit auf nicht einschlägige Vorjudikatur berufen. Aus der in § 22 Abs. 1 ApkG verwiesenen Vorschrift des § 126 Dienstpragmatik folge lediglich, dass die Disziplinarbehörde an ein freisprechendes Urteil des Strafgerichtes nicht gebunden sei. Eine rechtskräftige Verurteilung sei "in keiner Gesetzesbestimmung erwähnt; eine Bindungswirkung hätte ausdrücklich normiert werden müssen".

Dazu genügen folgende Hinweise:

Zum einen ist aus der im Wege der statischen Verweisung des § 22 Abs. 1 ApkG (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 2002, dessen dort zitierte Rechtsprechung und weiters die Erkenntnisse vom 27. Februar 1986, VfSlg 10749, und vom 27. September 1985, VfSlg 10549) hier anzuwendenden Vorschrift des § 126 Dienstpragmatik e contrario die Bindung der Disziplinarbehörde an die einem verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnis zu Grunde liegenden Feststellungen zu entnehmen (vgl. zu § 126 DP das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1963, Slg 4449, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 1963, Slg 6008/A). Zum anderen folgt eine solche Bindung - auch ohne besondere normative Festlegung - schon aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1998, Zl. 98/09/0194, mwN, sowie weiters die Erkenntnisse vom 14. Mai 2001, 2000/10/0198, und vom 18. Dezember 2003, Zl. 2000/08/0199, jeweils mwN).

Auf die Darlegungen im Ergänzungsschriftsatz, die sich ein weiteres Mal auf die vielfach wiederholte Verantwortung der Beschwerdeführerin im Strafverfahren beziehen und sich im Gegensatz zu den Feststellungen des Strafurteils und der Disziplinarbehörden befinden, war daher ebenso wenig einzugehen wie auf die Darlegungen der ergänzenden Stellungnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die im soeben erwähnten Zusammenhang unter Anderem darauf hinauslaufen, der Beschwerdeführerin sei nicht bewusst gewesen, dass es sich bei ihrer Vernehmung durch den Untersuchungskommissär um eine solche gehandelt habe.

Auf nicht näher bezeichnete "rechtliche Überlegungen der belangten Behörde" bezieht sich der Ergänzungsschriftsatz mit dem Hinweis darauf, dass der Verfassungsgerichtshof diese als "nicht nachvollziehbar" bezeichnet habe. Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass fehlende Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid durch Darlegungen in der Gegenschrift nicht ersetzt werden könnten.

Sofern sich die Beschwerde - was auch durch die nachfolgenden Darlegungen, die wiederum zur Frage der Bindung zurückkehren, nicht klar wird - damit auf die Frage des "disziplinären Überhanges" beziehen wollte, ist ihr Folgendes zu erwidern:

In der in Rede stehenden Begründungspassage hat sich die belangte Behörde zunächst auf das - allerdings eine etwas anders gelagerte rechtliche Konstellation betreffende - Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1999, Slg 15543, bezogen und davon ausgehend dargelegt, in der Frage des "disziplinären Überhanges" sei das wesentliche Kriterium, ob der gerichtlichen Verurteilung Verhaltensweisen zu Grunde liegen, von denen "regelmäßig" auch eine Gefährdung des Ansehens des Standes oder der ordnungsgemäßen Erfüllung bestimmter standesspezifischer Berufspflichten ausgeht. Mit ihren weiteren - fallbezogenen - Darlegungen setzte sich die belangte Behörde in von der Beschwerde nicht bzw. nur mit untauglichen Mitteln, nämlich mit vom mängelfrei festgestellten Sachverhalt abweichenden Tatsachenbehauptungen, bekämpfter Weise mit der Frage des disziplinären Überhanges auseinander. Sie verwies darauf, durch ihre Verhaltensweise (Führen ihres Hundes, der zuvor bereits zwei Personen attackiert hatte, ohne Leine und Beißkorb und Entfernen vom Tatort ohne Hilfeleistung sowie Namens- oder Adressennennung, nachdem das Tier eine 75-jährige Passantin sichtbar erheblich verletzt hatte) habe die Beschwerdeführerin nicht nur gegen das Gebot des standesgemäßen Verhaltens auch außerhalb der eigentlichen Berufsausübung (Art. 1 der Berufssitte des Apothekerstandes), sondern auch gegen die Hilfeleistungspflicht (Art. 3 der Berufssitte des Apothekerstandes) verstoßen, welche Pflichtverletzungen von der strafgerichtlichen Verurteilung keineswegs mitumfasst seien. Diese Auffassung (vgl. zur "Berufssitte des Apothekerstandes" das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1998, VfSlg 15171) ist weder mit einer von der Beschwerde aufgezeigten noch mit einer vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet. Die mit Hinweisen auf die Pflicht zum standesgemäßen Verhalten außerhalb der eigentlichen Berufsausübung und die Pflicht zur Hilfeleistung nach der Berufssitte der Apotheker verbundene Auffassung der belangten Behörde, es liege im festgestellten Sachverhalt - dem Imstichlassen eines infolge eines Sorgfaltsverstoßes der beschwerdeführenden Apothekerin erheblich Verletzten - ein dem Standesansehen der Apotheker abträgliches Verhalten, ist nicht rechtswidrig. Zu weiteren Darlegungen bestand in der vorliegenden Berufungsentscheidung auch im Hinblick auf die auch in diesem Punkt ausführliche und zutreffende, das festgestellte Verhalten der Beschwerdeführerin an der Berufssitte der Apotheker messenden Begründung der Entscheidung der ersten Instanz, die von der belangten Behörde erkennbar übernommen wurde, kein Anlass.

Vor dem Verfassungsgerichtshof hatte die Beschwerdeführerin ferner geltend gemacht, § 24 ApkG sei infolge Verstoßes gegen das Determinierungsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG verfassungswidrig. Außerdem schlössen die Begriffe "ehrenamtlich" und "angemessene Aufwandsentschädigung" in § 24a Abs. 1, 2 ApkG einander aus, weshalb der Norminhalt nicht erkennbar sei. Diesen Gesetzesbestimmungen könne auch nicht entnommen werden, dass ein disziplinär Verurteilter Aufwandsentschädigung und Barauslagen gemäß § 24a Abs. 2 zu ersetzen hätte.

Der Verfassungsgerichtshof ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Vor dem Verwaltungsgerichtshof verweist die Beschwerde auf die von der belangten Behörde im verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte (und auch in der Gegenschrift vor dem Verwaltungsgerichtshof genannten) Funktionsgebührenrichtlinie der Österreichischen Apothekerkammer. Sie vertritt die Auffassung, diese sei eine Verordnung, die mangels Kundmachung nicht anzuwenden sei. Die unterlassene Begründung der Kostenentscheidung könne in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden.

Diese Darlegungen beziehen sich offenbar auf die der Entscheidung der belangten Behörde über die Berufung im Kostenpunkt, also betreffend die Kostenentscheidung der ersten Instanz, beigegebene Begründung. Eine Rechtswidrigkeit der Kostenentscheidung betreffend die Kosten des Berufungsverfahrens macht die Beschwerde damit nicht geltend.

Sie zeigt aber auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, soweit dieser über die Berufung gegen die Kostenentscheidung der ersten Instanz abspricht.

Im Hinblick darauf, dass der "Funktionsgebührenrichtlinie" der Österreichischen Apothekerkammer mangels Kundmachung keine normative Wirkung zukommt, konnte die belangte Behörde ihre Entscheidung nicht auf diese "Richtlinie" stützen. Davon ausgehend hatte die Disziplinarbehörde ohne Bindung an diese Richtlinie (und mangels einer sonstigen normativen Festsetzung dieser Beträge im Sinne des § 24 Abs. 3 zweiter Satz ApkG) im Sinne des § 24 Abs. 1, Abs. 3 erster Satz ApkG die aus der angemessenen Aufwandsentschädigung sowie den notwendigen Barauslagen bestehenden Kosten einzelfallbezogen (unter Berücksichtigung der jeweiligen Funktion und des damit verbundenen Zeit- und Arbeitsaufwandes) festzusetzen. Ob sie bei entsprechenden Ermittlungen auf die Funktionsgebührenrichtlinie als Anhaltspunkt (im Tatsächlichen) für die Angemessenheit der dort genannten Beträge zurückgreifen durfte, kann im Beschwerdefall auf sich beruhen. Die Beschwerde macht nämlich nicht geltend, dass die von der Disziplinarbehörde im Instanzenzug festgesetzten Kosten den durch die Begriffe "angemessene Aufwandsentschädigung" bzw. "notwendige Barauslagen" gezogenen Rahmen überschritten hätten. Die Beschwerdeführerin zeigt auch nicht auf, dass sie durch den von ihr (in Form des Hinweises, dass eine fehlende Begründung in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden könne) angedeuteten Begründungsmangel an der Verfolgung ihrer Rechte gehindert gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 13. Oktober 2004

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002100186.X00

Im RIS seit

05.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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