TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/20 2004/08/0029

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2004
beobachten
merken

Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §140;
AlVG 1977 §20 Abs2;
AlVG 1977 §33;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 28. Jänner 2004, Zl. LGS600/SfA/1218/2004-He/S, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Notstandshilfe gemäß § 33 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) und § 2 Notstandshilfeverordnung (NH-VO) mangels Notlage abgewiesen. Die belangte Behörde rechnete dabei das Nettoeinkommen der Ehefrau des Beschwerdeführers abzüglich der Werbungskostenpauschale, der Freigrenze für die Ehefrau und der Freigrenzenerhöhung wegen einer nachgewiesenen 80 %-igen Behinderung an, wobei der täglich anzurechnende Betrag die täglich gebührende Notstandshilfe vor Anrechnung überstieg. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer begehrten Gewährung eines Familienzuschlages und einer Freigrenze für seine Tochter führte die belangte Behörde aus, dass grundsätzlich die Gewährung eines Familienzuschlages für Kinder möglich sei, die keinen Anspruch auf Familienbeihilfe haben und kein Einkommen erzielen, das die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat übersteigt. Der Familienzuschlag gebühre jedoch nicht, wenn der zuschlagsberechtigten Person zugemutet werden könne, den Aufwand für ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften, insbesondere durch eigene Arbeit, zu bestreiten. Die Tochter des Beschwerdeführers sei 24 Jahre alt und habe im Jahr 2003 ihr Psychologiestudium beendet; sie habe sich im November 2003 beim Arbeitsmarktservice arbeitslos gemeldet; ein Anspruch auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bestehe nicht. Für die Tochter des Beschwerdeführers bestehe auch kein Anspruch auf Familienbeihilfe, und sie sei seit Jänner 2001 als Lernbetreuerin auf Honorarbasis unter der Geringfügigkeitsgrenze tätig. Auf Grund der abgeschlossenen Ausbildung könne der Tochter des Beschwerdeführers somit zugemutet werden, den Aufwand für ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften, insbesondere durch eigene Arbeit, zu bestreiten. Es gebühre daher kein Familienzuschlag, und es könne auch keine Freigrenze gewährt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Soweit sich die Beschwerde gegen die Anrechnung des Einkommens der Ehefrau des Beschwerdeführers wendet und darin eine dem Diskriminierungsverbot des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7/EWG widersprechende mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes zu erkennen vermeint, ist ihr entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Jänner 2004, Zl. 2002/08/0038, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, dass keine Zweifel an der Vereinbarkeit der gesetzlichen Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten (hier: der Ehefrau) bei Beurteilung der Notlage der im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin (hier: des Ehemannes) im Zusammenhang mit der Zahlung von Notstandshilfe mit dem Gemeinschaftsrecht bestehen. Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Anrechnung des Einkommens der Ehefrau des Beschwerdeführers erweist sich daher nicht als rechtswidrig.

2. Gemäß § 20 Abs. 2 Z. 2 in Verbindung mit § 38 AlVG besteht ein Anspruch auf Familienzuschlag zur Notstandshilfe (u.a.) für Kinder, wenn der Arbeitslose zum Unterhalt dieser Personen tatsächlich wesentlich beiträgt und für den Angehörigen kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und dieser kein Einkommen erzielt, das die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat übersteigt. Der Familienzuschlag gebührt nicht, wenn den zuschlagsberechtigten Personen zugemutet werden kann, den Aufwand für ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften, insbesondere durch eigene Arbeit, zu bestreiten.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Tochter des Beschwerdeführers (nur) über ein geringfügiges Einkommen aus einer Tätigkeit auf Honorarbasis verfügt sowie dass sie nach Abschluss ihres Studiums keine Familienbeihilfe bezieht und als arbeitssuchend beim Arbeitsmarktservice gemeldet ist. Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung vorgebracht, dass seine Tochter zwar das Studium beendet habe, allerdings derzeit noch über kein Einkommen verfüge, das die Geringfügigkeitsgrenze überschreite.

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung über die Nichtgewährung des Familienzuschlags für die Tochter des Beschwerdeführers ausschließlich darauf, dass dieser "auf Grund der abgeschlossenen Ausbildung" zugemutet werden könne, den Aufwand für ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften, insbesondere durch eigene Arbeit, zu bestreiten.

Ob einem Angehörigen im Sinne des § 20 Abs. 2 AlVG zugemutet werden kann, den Aufwand für seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften zu bestreiten, kann jedoch nicht ausschließlich danach beurteilt werden, ob diese Person über eine - im konkreten Fall erst kurz vor der Antragstellung - abgeschlossene Ausbildung verfügt. Wie sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, war die Tochter des Beschwerdeführers im hier maßgeblichen Zeitraum als arbeitssuchend vorgemerkt, und es sind auch entsprechende Vermittlungsbemühungen des Arbeitsmarktservice sowie Eigeninitiative der Arbeitssuchenden dokumentiert. Ob der Tochter des Beschwerdeführers daher zugemutet werden konnte, den Aufwand für ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften zu bestreiten, bedürfte vor diesem Hintergrund im Übrigen näherer Feststellungen, insbesondere zu der ihr konkret möglichen Erzielung eines ihre angemessenen Bedürfnisse deckenden Einkommens, welche die belangte Behörde jedoch nicht getroffen hat.

3. Gemäß § 36 Abs. 3 lit. B sublit. a AlVG ist bei Berücksichtigung des Einkommens des Ehepartners vom Einkommen des Ehepartners bei der Anrechnung ein zur Bestreitung des Lebensunterhaltes notwendiger Betrag (Freibetrag) frei zu lassen, der nach der Größe der Familie verschieden bemessen werden kann.

Gemäß § 6 der Notstandshilfeverordnung ist vom Einkommen des Ehepartners ein Betrag frei zu lassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Ehepartners und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist. Die Freigrenze beträgt pro Monat EUR 430,-- (wobei dieser Betrag einer Anpassung gemäß § 8 Notstandshilfeverordnung unterliegt) für den das Einkommen beziehenden Ehepartner und die Hälfte dieses Betrages für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt.

Die belangte Behörde hat die Nichtgewährung einer Freigrenze für die Tochter des Beschwerdeführers bei der Anrechnung des Einkommens seiner Ehepartnerin ebenso wie die Nichtgewährung des Familienzuschlags ausschließlich darauf gestützt, dass der Tochter des Beschwerdeführers zugemutet werden könne, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften zu bestreiten. Zwar decken sich die Voraussetzungen für die Gewährung eines Familienzuschlags im Sinne des § 20 Abs. 2 AlVG nicht vollständig mit jenen, die für die Berücksichtigung einer Freigrenze gemäß § 6 Notstandshilfeverordnung maßgebend sind; die Ausführungen der belangten Behörde können jedoch so verstanden werden, dass mit dem Hinweis auf die Zumutbarkeit eigener Erwerbstätigkeit das Vorliegen einer Unterhaltspflicht der Ehepartnerin des Beschwerdeführers gegenüber der gemeinsamen Tochter wegen deren Selbsterhaltungsfähigkeit verneint werden sollte. Die Frage der rechtlichen oder sittlichen Unterhaltspflicht wurde von der belangten Behörde jedoch nicht abschließend geprüft. Auch für die (implizite) Annahme der Selbsterhaltungsfähigkeit - die nach der Rechtsprechung des OGH (vgl. den Beschluss vom 26. Februar 1997, 3 Ob 7/97v mwH) auch nach Abschluss einer Berufsausbildung dann nicht zwingend gegeben ist, wenn das Kind keine seiner Berufsausbildung entsprechende Arbeitsmöglichkeit findet - fehlt es zudem im Hinblick auf das im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach seine Tochter trotz Arbeitssuche noch kein über der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Einkommen erziele, an den erforderlichen Feststellungen.

4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004080029.X00

Im RIS seit

24.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten