TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/11 2004/16/0088

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Veröffentlicht am 11.11.2004
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

ABGB §983;
GebG 1957 §33 TP8 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des Dr. V in W, vertreten durch Mag. Michael Operschal, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 10/5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 19. März 2004, Zl. RV/2285- W/02, betreffend Rechtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien angezeigte und von den Vertragsparteien am 12./15. Juni 1998 unterfertigte "Schuld- und Pfandbestellungsurkunde" hat folgenden, auszugsweise wiedergegebenen Inhalt:

"Wir ...K  ... und Firma N ... unter solidarischem Schuldbeitritt,

bestätigen (vom Beschwerdeführer) ein Darlehen von ATS 2,000.000,--

... aufgenommen zu haben.

I. Wir verpflichten uns

1. das erhaltene Darlehen mit derzeit jährlich 6 % zu verzinsen und das Darlehen bis 31.12.1998 zu bezahlen;"

Mit Bescheid vom 8. November 2000 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien dem Beschwerdeführer ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 2 Mio. gemäß § 33 TP 8 GebG die Rechtsgebühr samt Bogengebühr und Gebührenerhöhung von insgesamt S 16.270,-- vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor (dies wird mit dem Inhalt der von den Vertragsparteien am 4. Dezember 2000 unterfertigten und der Berufung angeschlossenen Erklärung zur Schuld- und Pfandbestellungsurkunde belegt), in unmittelbarem Zusammenhang mit der Unterfertigung der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde habe sich herausgestellt, dass ein Vertragsdissens zwischen dem Darlehensgeber und dem Darlehensnehmer vorgelegen sei. In der Folge sei es mangels vertraglicher Willensübereinstimmung auch nicht zur Durchführung des Schuld- und Pfandbestellungsvertrages gekommen. Insbesondere sei auf Grund dieser Urkunde kein Darlehen ausbezahlt worden. Die Vertragsteile hätten bereits bei Abschluss des Schuld- und Pfandbestellungsvertrages keinen Vertragskonsens erzielt. Sie seien deswegen in der Folge übereingekommen, dass der abgeschlossene Schuld- und Pfandbestellungsvertrag rechtsungültig bzw. nichtig sei. Da ein rechtswirksamer Vertrag nicht zustande gekommen sei, habe keine Verpflichtung zur Bezahlung der vorgeschriebenen Gebühr bestanden.

In dem vom Beschwerdeführer nach Ergehen einer abweislichen Berufungsvorentscheidung eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde II. Instanz wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Berufungsvorbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, der Darlehensnehmer K. habe bestätigt, unter solidarischem Schuldbeitritt der Firma N. das Darlehen aufgenommen zu haben. Gemäß Punkt I. des Vertrages bestehe die Verpflichtung, das erhaltene Darlehen zu bezahlen. Auf Grund der Bestätigung des Darlehensnehmers, das Darlehen erhalten zu haben, müsse daher der Einwand des Beschwerdeführers, die Darlehensvaluta seien nie zur Auszahlung gelangt, ins Leere gehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Unterlassung einer Geldvorschreibung mangels gesetzlicher Voraussetzung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer erstattete eine Äußerung zur Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 1 GebG sind Rechtsgeschäfte nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, dass in diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 2 lit. a GebG entsteht die Gebührenschuld, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inland errichtet wird, bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde nur von dem unterzeichnet wird, der sich verbindet, im Zeitpunkt der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den Berechtigten oder dessen Vertreter.

Nach § 16 Abs. 1 Z 2 lit. b GebG entsteht die Gebührenschuld, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inland errichtet wird bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde auch von dem Berechtigten unterzeichnet wird, im Zeitpunkt der Unterzeichnung.

Gemäß § 33 TP 8 Abs. 1 GebG unterliegen Darlehensverträge nach dem Werte der dargeliehenen Sache mit 0,8 v.H. der Rechtsgebühr.

Erklärt der Darlehensschuldner in der Darlehensurkunde, die dargeliehenen Sachen erhalten zu haben, so wird gemäß § 33 TP 8 Abs. 3 GebG bei Erhebung der Gebühr vermutet, dass der Darlehensvertrag gültig zustande gekommen ist; diese Vermutung kann durch die Einrede der nicht erfolgten Zuzählung der Darlehensvaluta nicht widerlegt werden.

Nach § 983 ABGB entsteht ein Darlehensvertrag dadurch, dass jemanden verbrauchbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, dass er zwar willkürlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit eben so viel von derselben Gattung und Güte zurückgeben soll.

Ein Darlehensvertrag kommt als Realkontrakt erst mit der Übergabe der Darlehensvaluta in der Weise zustande, dass der Darlehensnehmer darüber willkürlich verfügen kann.

§ 33 TP 8 Abs. 3 GebG enthält eine unwiderlegliche Rechtsvermutung für das Zustandekommen eines Darlehensvertrages als eines Realvertrages (vgl. hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1991, Zl. 90/15/0129). Diese Vermutung kann durch die Einrede der nicht erfolgten Zuzählung der Darlehensvaluta nicht widerlegt werden. Das Zustandekommen des Darlehensvertrages wird als auch dann vermutet, wenn die Zuzählung der Darlehensvaluta tatsächlich nicht erfolgte (vgl. hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1984, Zl. 83/15/0040).

Diese Bestimmung hat die Funktion, in den Fällen, in denen der Darlehensschuldner in der Urkunde erklärt, die dargeliehenen Sachen erhalten zu haben, für die Erhebung der Gebühr die Vermutung aufzustellen, dass der Darlehensvertrag gültig zustande gekommen ist (vgl. die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band I, 2. Teil Stempel- und Rechtsgebühren S 12 ff zu § 33 TP 8 GebG, referierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Nach dem Inhalt der von den Vertragsparteien unterfertigten "Schuld- und Pfandbestellungsurkunde" hat der Darlehensnehmer bestätigt, "ein Darlehen - aufgenommen" zu haben, und sich verpflichtet, "das erhaltene Darlehen ... zu verzinsen ... und das Darlehen bis 31. Dezember 1998 zu bezahlen". Bei dieser Fassung der "Schuld- und Pfandbestellungsurkunde" war einerseits vom Vorliegen des für das Zustandekommen des Vertrages erforderlichen Konsenses und andererseits auf Grund der unwiderleglichen Rechtsvermutung vom "Zustandekommen des Darlehensvertrages" auszugehen. Die Behauptung, die Darlehensvaluta seien nie zur Auszahlung gelangt, ist auf Grund des Inhalts des Vertrages und der unwiderleglichen Rechtsvermutung unbeachtlich.

Unbegründet sind auch die in der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen, der Unterlassung der amtswegigen Sachverhaltsermittlung, der Verletzung des Parteiengehörs und der mangelhaften Begründung der rechtlichen Beurteilung. Nach dem Inhalt der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde, auf die es entscheidend ankam, konnte durch die mit der Berufung vorgelegte Zusatzerklärung sowie die Behauptung des Vorliegens eines Vertragsdissenses die unwiderlegliche Rechtsvermutung nicht entkräftet werden. Der Beschwerdeführer hatte überdies vor Ergehen des angefochtenen Bescheides im Vorlageantrag Gelegenheit zur Stellungnahme, sodass von einer Verletzung des Parteiengehörs keine Rede sein kann.

Aus den dargestellten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 11. November 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004160088.X00

Im RIS seit

09.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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