TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/26 2004/08/0141

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Veröffentlicht am 26.01.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §113 Abs1;
ASVG §59;
AVG §38;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2004/08/0142 2004/08/0143 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/08/0144 E 26. Jänner 2005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der R GmbH in S, vertreten durch die Emberger Rechtsanwaltskanzlei GmbH in 1010 Wien, Plankengasse 2, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Steiermark vom 4. Juni 2004, Zl. FA11A 61- 26x5/7-2004 (hg. Zl. 2004/08/0141), Zl. FA11A 61-26x4/7-2004 (hg. Zl. 2004/08/0142) und Zl. FA11A 61-26x3/7-2004 (hg. Zl. 2004/08/0143), (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8010 Graz, Josef Pongratz Platz 1), betreffend Beitragszuschläge gemäß § 113 ASVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.973,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 29. Mai 2001 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass die Beschwerdeführerin die Bestimmungen über die Meldepflicht (§§ 33 und 34 ASVG) verletzt habe, weshalb ihr gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von (umgerechnet) EUR 268,89 vorgeschrieben wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, anlässlich der am 26. Jänner 2001 durchgeführten Beitragsprüfung sei festgestellt worden, dass es die Beschwerdeführerin unterlassen habe, in einem Fall für einen Pflichtversicherten das Entgelt in beitragspflichtiger Höhe zu melden bzw. der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen.

Mit jeweils gleichartigen Begründungen wurden der Beschwerdeführerin mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 30. April 2001 ein Beitragszuschlag in der Höhe von (umgerechnet) EUR 47,24 und mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 28. März 2001 ein Beitragszuschlag in der Höhe von (umgerechnet) EUR 130,81 vorgeschrieben.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen alle genannten Bescheide Einsprüche. Darin bemängelte sie im Wesentlichen, dass ihr zu Unrecht Meldepflichtverletzungen angelastet worden seien. Derartige Verletzungen lägen nicht vor. Außerdem sei keine Begründung zur Bemessung des jeweiligen Beitragszuschlages gegeben worden.

Die belangte Behörde gab den Einsprüchen der Beschwerdeführerin mit den angefochtenen Bescheiden keine Folge. Begründend führte sie - im Wesentlichen gleichlautend - aus, die Vorschreibungen beruhten auf (von der belangten Behörde jeweils datumsmäßig näher bezeichneten) Beitragsnachverrechnungen. Gegen diese Beitragsnachverrechnungen habe die Beschwerdeführerin keine Einwendungen erhoben. Auf Grund der Aktenlage stehe fest, dass es die Beschwerdeführerin unterlassen habe, für das Jahr 1998 für Versicherte, die zu ihr in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gestanden seien, gemäß § 53a ASVG Dienstgeberpauschalbeträge zu leisten. Dies habe zu den Beitragsnachverrechnungen geführt. In weiterer Folge sei es "wegen dieses Meldefehlverhaltens" zur Anlastung der Beitragszuschläge gekommen. Den Einwendungen betreffend das Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung sei die Aussage der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse entgegenzuhalten, wonach das Ergebnis der Prüfung mit dem Dienstgeber bzw. dessen Vertretung genauestens abgesprochen werde. Durch die Darlegung, dass die Beschwerdeführerin in (jeweils) einem Fall das Entgelt in beitragspflichtiger Höhe nicht gemeldet bzw. der Beitragsbemessung zu Grunde gelegt habe, sei auf Grund der vorangegangenen Prüfungsabsprache jedenfalls ein Zusammenhang mit der Beitragsnachverrechnung klar erkennbar und eine nachvollziehbare Begründung gegeben. In weiterer Folge nannte die belangte Behörde in den Bescheidbegründungen die jeweilige Höhe der angefallenen Verzugszinsen (EUR 87,72; EUR 29,65; EUR 84,01) sowie den durch den Meldeverstoß verursachten Verwaltungsmehraufwand (EUR 181,17; EUR 17,59; EUR 46,80). Im Hinblick auf die Höhe der doppelten Beiträge (EUR 1.013,78; EUR 402,04; EUR 970,88) liege der jeweils festgesetzte Beitragszuschlag (EUR 268,89; EUR 47,24; EUR 130,81) ohnedies "im unteren Bereich". Die Beschwerdeführerin habe auch nicht behauptet, dass der vorgeschriebene Beitragszuschlag mit ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht im Einklang stehe, und sie habe auch keine diesbezüglichen Beweise vorgelegt, weshalb eine Herabsetzung der Beitragszuschläge nicht in Frage gekommen sei.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete jeweils eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei der Vorschreibung eines Beitragszuschlages ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Einspruchsbescheides maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 88/08/0145). § 113 Abs. 1 ASVG in der demnach maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 145/2003 hat folgenden Wortlaut:

"Beitragszuschläge

§ 113. (1) Beitragszuschläge können den in § 111 genannten Personen (Stellen) in folgenden Fällen vorgeschrieben werden:

1. Wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet worden ist oder wenn das Entgelt nicht gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes durch den Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden.

2. Wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung verspätet erstattet worden ist oder wenn das Entgelt verspätet gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zum Eintreffen der verspäteten Anmeldung bzw. bis zum Eintreffen der verspäteten Meldung des Entgeltes beim Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden.

3. Wenn ein zu niedriges Entgelt gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten der Differenz zwischen den Beiträgen, die sich aus dem zu niedrig gemeldeten Entgelt ergeben, und den zu entrichtenden Beiträgen vorgeschrieben werden.

Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen. Der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung aufgrund des § 59 Abs. 1 für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären."

Die Höhe der Beitragsschuld ist eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG für die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2000/08/0021).

Die belangte Behörde hat auf jeweils näher genannte Beitragsnachverrechnungen verwiesen. Dies ist für eine Vorfragenbeurteilung im vorliegenden Zusammenhang ausreichend (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 24. März 1992, Zl. 89/08/0360).

Die Beschwerdeführerin bringt zwar vor, dass ihr die Beitragsnachverrechnungen nicht "im Verfahren zur Kenntnis" gebracht worden seien. Sie bestreitet aber nicht, dass die Beitragsnachverrechnungen erfolgt sind. Im Übrigen sind zwar die Ausführungen in der Beschwerde zutreffend, dass gegen die Beitragsnachverrechnungen keine Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Die Beschwerdeführerin hätte aber die Ausstellung eines Bescheides verlangen können (vgl. das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 24. März 1992).

Ob schließlich die Beiträge von der Beschwerdeführerin auch entrichtet worden sind und allenfalls eine Rückforderung in Frage kommt, ist im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage, ob die belangte Behörde der von ihr vorzunehmenden Vorfragenbeurteilung ausreichend nachgekommen ist, nicht von Bedeutung. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der Bescheidbegründung im Übrigen auch, dass sich die Beitragsprüfungen auf das Jahr 1998 bezogen haben.

Wenn sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Begründungspflicht auf das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2001, Zl. 96/08/0203, beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass es in diesem Erkenntnis um die Begründung eines Beitragsbescheides gegangen ist, wofür die bei den einzelnen Versicherten vorgenommene rein ziffernmäßige Angabe des Entgeltes und die Einordnung in eine tabellarische Übersicht nicht ausgereicht hat. Ähnliche Anforderungen an die Begründungen der angefochtenen Bescheide sind nicht zu stellen, da es hier um bereits nachverrechnete Beiträge geht.

Soweit sich der Beschwerde und den Gegenschriften entnehmen lässt, dass Auffassungsunterschiede über die Qualifikation von "Samstagsaushilfen" als Dienstnehmer bestanden haben, ist darauf hinzuweisen, dass das Fehlen der subjektiven Vorwerfbarkeit einer Meldepflichtverletzung die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nicht ausschließt. Dafür kommt es nur darauf an, dass objektiv ein Meldeverstoß verwirklicht wurde, gleichgültig aus welchen Gründen (vgl. im Zusammenhang mit der Vertretung einer bestimmten Rechtsauffassung das hg. Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0050).

Zutreffend rügt die Beschwerdeführerin jedoch, dass die belangte Behörde nicht nachvollziehbar dargelegt hat, welche Meldepflichtverletzungen im jeweils konkreten Fall erfolgt sind. Die Beschwerdeführerin hatte in ihren Einsprüchen ausgeführt, dass keine Meldepflichtverletzungen erfolgt seien. Die belangte Behörde hätte sich mit diesem Vorbringen auseinandersetzen und insbesondere darzulegen gehabt, ob sie von der Unterlassung oder der Verspätung von Meldungen ausgegangen ist, da Voraussetzung für die Vorschreibung eines Beitragszuschlages jedenfalls eine konkrete Meldepflichtverletzung ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 91/08/0069).

Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde für ihre Ermessensentscheidung bei der Festsetzung des Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG die entsprechenden entscheidungsrelevanten Tatsachen von Amts wegen festzustellen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 99/08/0138). Bei dieser Ermessensübung, bei der auch das Verschulden des Meldepflichtigen von Bedeutung ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 95/08/0301), sind neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten auch die Art der Meldepflichtverletzung, das Ausmaß der Verspätung sowie der Umstand, inwieweit der Dienstgeber bisher seinen Meldeverpflichtungen nachgekommen ist, zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2003, Zl. 99/08/0111). In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihren Vorlageberichten an die belangte Behörde darauf hingewiesen hat, dass die Beschwerdeführerin bisher ihren Meldeverpflichtungen korrekt nachgekommen ist.

Wenn mit der Feststellung einer Meldepflichtverletzung auch die Vorschreibung einer Beitragsnachentrichtung verbunden ist, darf der Beitragszuschlag - bei Bedachtnahme auf den Regelungszusammenhang zwischen § 113 ASVG und § 59 ASVG - weder den durch die Meldepflichtverletzung verursachten Verwaltungsmehraufwand zuzüglich der Verzugszinsen infolge der verspäteten Beitragsnachentrichtung noch das Doppelte der im § 113 Abs. 1 ASVG näher umschriebenen Beiträge übersteigen. Er darf in solchen Fällen nach dem klaren Wortlaut des § 113 Abs. 1 ASVG aber auch - unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners und der Art der Meldepflichtverletzung - eine Untergrenze nicht unterschreiten, nämlich die Höhe der Verzugszinsen, die ohne Vorschreibung eines Beitragszuschlages auf Grund des § 59 Abs. 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2000/08/0186, mwN).

Die belangte Behörde hat in ihren Bescheidbegründungen zwar die genannten Höchstgrenzen dargestellt und auch zutreffend festgehalten, dass der jeweils niedrigere Betrag die mögliche Höchstgrenze für den Beitragszuschlag bildet. Entgegen den weiteren Ausführungen hat sie jedoch keine Beitragszuschläge "im unteren Bereich" vorgeschrieben, da sich die konkreten Beitragszuschläge betragsmäßig jeweils aus der Summe der von der belangten Behörde angenommenen Verzugszinsen und des Verwaltungsmehraufwandes ergeben, also an der im Einzelfall heranzuziehenden Höchstgrenze liegen.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Einspruch jeweils auch die Höhe des Beitragszuschlages bekämpft, weil dessen Bemessung im erstinstanzlichen Bescheid nicht begründet worden sei. Zwar hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihren Vorlageberichten diese Begründung insoweit nachgetragen, als sie die Verzugszinsen und die Verwaltungskosten gesondert genannt hat. Diese Vorlageberichte wurden aber der Beschwerdeführerin nicht zur Stellungnahme übermittelt. Da sie jedoch Tatsachenbehauptungen enthalten, auf Grund derer die belangte Behörde zu ihrer Entscheidung gelangt ist, wurde insoweit das Recht der Beschwerdeführerin auf Parteiengehör verletzt. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren dieses Parteiengehör zu gewähren und allenfalls die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zur Offenlegung der Berechnungen aufzufordern haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2001, Zl. 96/08/0234). An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass unter dem Verwaltungsmehraufwand nur der mit der Feststellung der Beitragsschuld - als Voraussetzung der Eintreibung - verbundene Mehraufwand zu verstehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1991, Zl. 90/08/0103).

Die angefochtenen Bescheide waren somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 26. Jänner 2005

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004080141.X00

Im RIS seit

03.03.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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