TE OGH 1949/12/17 1Ob186/49

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Veröffentlicht am 17.12.1949
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Norm

ABGB §1096
ABGB §1105
Mietengesetz §2

Kopf

SZ 22/201

Spruch

Das Mietengesetz hat an dem Anspruch des Mieters auf verhältnismäßigen Zinserlaß nach § 1105 ABGB. nichts geändert. Dieser Anspruch erstreckt sich nur auf den Hauptmietzins im Sinne des § 2 MietG.

Entscheidung vom 17. Dezember 1949, 1 Ob 186/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht hat der auf § 1105 ABGB. gestützten Klage insofern stattgegeben, als ausgesprochen wurde, daß die Hälfte des bisherigen Mietzinses für die im Hause in Wien, I., R.straße 13, gemieteten Geschäftsräume ab Mai - Quartal 1945 bis einschließlich Februar - Quartal 1948 zu erlassen ist.

Das Begehren auf Zinserlaß der Hälfte des Mietzinses ab Mai - Quartal 1948 bis zur Wiederinstandsetzung des Mietobjektes wurde abgewiesen.

Es wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Auf Grund des am 17. Jänner 1939 abgeschlossenen Mietvertrages hat die klagende Partei mehrere Geschäftslokale im Parterre und den ganzen Halbstock des obgenannten Hauses im Sinne des Mietengesetzes in Bestand genommen.

In diesem Vertrag wurde die Wirksamkeit der Bestimmung des § 1096 ABGB. dergestalt ausgeschlossen, daß die klagende Partei die Verpflichtung übernahm, für die Erhaltung des von ihr gemieteten Objektes in gebrauchsfähigem Zustand selbst zu sorgen und zu den Lasten der Hauserhaltung beizutragen, sofern der für alle Parteien infolge einer Reparatur erhöhte Hauptmietzins den von ihr gezahlten Hauptmietzins übersteigt.

Der klagenden Partei wurde weiters die Genehmigung erteilt, bauliche Veränderungen durchzuführen, die mit Ausnahme eines Aufzuges in das Eigentum der beklagten Partei übergehen sollten, wobei ausdrücklich vereinbart worden war, daß nach Beendigung des Mietverhältnisses der ursprüngliche Zustand nicht wiederhergestellt zu werden braucht.

Dieser Mietvertrag wurde in späterer Zeit dahin abgeändert, daß die Bestanddauer bis zum November-Termin 1955 festgesetzt wurde und sich die klagende Partei verpflichtete, falls durch Änderung der gesetzlichen Bestimmungen trotz Entscheidung der Preisbehörde vom 10. Jänner 1941 die festgesetzte Zinsberechnungsart aufgehoben würde, eine Zinserhöhung im Rahmen der sodann in Kraft stehenden Vorschriften anzuerkennen.

An Adaptierungen wurden von der klagenden Partei die Verlegung des Glasdaches über den Lichthof vom Mezzanin in den ersten Stock, die Errichtung einer internen Stiege zwischen Parterre und Mezzanin im Lichthof, die Verlegung des Hauseinganges von der R.straße in die E.gasse, die Entfernung der Zwischenwände in der R.straßenfront sowie die Errichtung von großen Auslagenscheiben vorgenommen.

Durch einen Bombentreffer im Kriege sind die von der klagenden Partei gemieteten Räume im obgenannten Hause derart beschädigt worden, daß eine, allerdings nicht vollständige, Behinderung des vertragsmäßigen Gebrauches des Mietobjektes eingetreten ist.

So wurden einerseits das Glasdach vollkommen, anderseits auch die Stiege und durch einen weiteren Bombentreffer in dem gegenüberliegenden Haus sämtliche Fenster zertrümmert. Der in die R.straße mundende Geschäftseingang wurde unbenützbar.

Durch diese Schäden ist die Verbindung von den im Erdgeschoß liegenden Räumen zu den im Mezzanin gelegenen Räumen nur mehr durch das in der E.gasse gelegene Hausvestibül möglich.

Die Parterrelokalitäten können zwar vom Geschäftseingang betreten werden, doch ist eine Benützung dieser Räume nicht möglich, weil das Dach über dem Lichthof fehlt und dadurch von der Lichthofseite aus das Geschäftslokal im Parterre offensteht und den Witterungseinflüssen vollkommen ausgesetzt ist und außerdem von dieser Seite aus ohneweiters eingebrochen werden kann.

Mit Rücksicht auf diese durch Kriegseinwirkung verursachten Schäden stellte das Erstgericht auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. O. G. eine Wertminderung der Parterreräumlichkeiten um 80% und der Räume im Mezzanin um 30% fest, weil diese Räume keinen eigenen Geschäftseingang besitzen, sondern nur auf dem Umweg durch das Hausvestibül und die Hausstiege zu erreichen sind und weiters ihren Zusammenhang mit den Erdgeschoßräumen verloren haben.

Bei einem Friedensmietzins von 104.042 Kronen für die Räume im Parterre und von 34.170 Kronen für die Räume im Mezzanin errechnete das Erstgericht unter Zugrundelegung der obgenannten Wertminderung von 80% bzw. 30% die Gesamtwertminderung mit einem Betrag von 93.485 Kronen, was einem Verhältnis von 67.6% der Wertminderung des gesamten Bestandobjektes nach dem bei der Vermietung zugrunde gelegten Friedensmietzins entspricht.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß bei dieser Wertminderung des Bestandobjektes von 67.6% dem Klagebegehren stattzugeben war, welches ohnehin nur auf Minderung der Hälfte des Mietzinses gerichtet ist.

Wenn es auch richtig sei, daß laut Mietvertrag die Wirksamkeit der Bestimmungen des § 1096 ABGB. durch Parteienvereinbarung ausgeschlossen wurde, so sei diese Vertragsbestimmung ohne rechtliche Wirkung gewesen, weil im Sinne der genannten Gesetzesstelle auf die Befreiung vom Zinserlaß bei unbeweglichen Sachen nicht verzichtet werden könne.

Das Begehren auf Zinserlaß ab Mai - Quartal 1948 bis zur Wiederinstandsetzung des Mietobjektes wurde abgewiesen, weil es durch eine Instandsetzung, die zwar nicht die Erlassung der Hälfte des Mietzinses, sondern bloß eines unter dieser Hälfte liegenden Hundertsatzes gerechtfertigt erscheinen ließe, dem Anspruch der klagenden Partei im begehrten Ausmaße nicht mehr entsprechen würde.

Gegen dieses Urteil haben beide Streitteile aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen rechtlichen Beurteilung Berufung ergriffen.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der beklagten Partei keine, wohl aber der Berufung der klagenden Partei Folge gegeben und das Urteil dahin abgeändert, daß die beklagte Partei schuldig erkannt wurde, die Hälfte des Mietzinses ab Mai - Quartal 1945 bis zur Wiederinstandsetzung der angeführten Bestandsache zu erlassen.

Das Berufungsgericht übernahm die erstrichterlichen Feststellungen und trat auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei, wonach mit Rücksicht auf den durch die Kriegsschäden entstandenen beschränkten Gebrauch des Mietobjektes der klagenden Partei ein Anspruch auf Zinserlaß zusteht.

Hinsichtlich des Umfanges des Zinserlasses wurde vom Berufungsgericht das Gutachten des Sachverständigen Dr. O. G., der die Gebrauchsminderung der ganzen Bestandsache im Verhältnis zu dem bei der Vermietung im Jahre 1939 zugrunde gelegten Friedensmietzins mit 67% errechnete, übernommen, da das Verhältnis der von der Preisbehörde maßgebenden Zinssätze zu den im Jahre 1939 zugrunde gelegten Friedenszinsen nur ganz unwesentlich abweiche.

Mit Rücksicht auf dieses Ausmaß der Gebrauchsbehinderung von 67% erkannte das Berufungsgericht, daß das Begehren auf Erlassung der Hälfte des Mietzinses gerechtfertigt sei, wobei weiters in Stattgebung der Berufung der klagenden Partei dem Klagebegehren nicht nur bis einschließlich Februar - Quartal 1948, sondern bis zur Wiederinstandsetzung des Mietobjektes stattgegeben wurde, weil einerseits eine Änderung der Gebrauchsbeschränkung weder behauptet noch erwiesen wurde, anderseits der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob die Urteile beider Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Unter Hinweis auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt die Revision folgendes aus:

Wenn es auch richtig sei, daß zur Beurteilung der gegenständlichen Streitsache die Bestimmung des § 1105 ABGB. heranzuziehen ist, so sei von den Untergerichten nicht berücksichtigt worden, daß der Begriffsinhalt des im § 1105 ABGB. verwendeten Wortes "Mietzins" sich nicht mit dem Entgelt decke, das die klagende Partei der beklagten Partei für den Gebrauch der Bestandsache zahle; denn durch die Erlassung des Mietengesetzes und der verschiedenen preisregelnden Verordnungen auf dem Mietmarkt sei der im allgemeinen für die dem Mietengesetz unterliegenden Räume entrichtete Mietzins nicht mehr jener Mietzins, der sich in freiem Wechselspiel der wirtschaftlichen Kräfte gebildet habe und daher nicht mit dem vom Gesetzgeber im § 1105 ABGB. angeführten Mietzins identisch, wozu noch der Umstand komme, daß der für die Benützung zu zahlende 30- Groschen-Zins nicht unter den Begriff des Mietzinses falle, da er durch das Mietengesetz eine gewisse Zweckbestimmung erhalten habe und vom Hausbesitzer nur unter gewissen Beschränkungen verwendet werden dürfe.

Die Untergerichte hätten daher zunächst den wirtschaftlich angemessenen Zins für das unbeschädigte Bestandobjekt feststellen müssen und hievon erst die Quote abziehen sollen, die der vom Sachverständigen errechneten Gebrauchsminderung entspricht.

Diesen rechtlichen Ausführungen der Revision kann nicht beigetreten werden. Das Mietengesetz hat an dem Anspruch des Mieters, bei nicht vollständiger Behinderung des vertragsmäßigen Gebrauches des Mietobjektes gemäß § 1105 ABGB. einen verhältnismäßigen Zinserlaß zu begehren, nichts geändert.

Da sich aber die Höhe des Mietzinses aus dem Mietengesetz ergibt und es keinesfalls Absicht des Gesetzgebers war, die Mieter von Räumen, die dem Mietengesetz unterliegen, hinsichtlich ihres Rechtes auf Zinserlaß schlechter zu stellen, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß unter dem im § 1105 ABGB. angeführten Mietzins der nach dem Mietengesetz sich ergebende Hauptmietzins gemeint ist.

Die Rechtsrüge ist auch nicht begrundet, soweit in der Revision geltend gemacht wird, daß der Zinserlaß nur in dem Maße zugebilligt werden könnte, als die Behinderung des Gebrauches des Bestandobjektes nicht durch Umbauten, welche der Mieter selbst vorgenommen hat, hervorgerufen und erhöht wurde.

Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der beiden Parteien ist diesbezüglich erwiesen, daß allerdings die klagende Partei bauliche Adaptierungen an dem Mietobjekt vorgenommen hat.

Diese baulichen Veränderungen wurden aber mit Zustimmung der beklagten Partei vorgenommen, weshalb es sich erübrigte, auf die dadurch etwa eingetretene Änderung der Gefahrenerhöhung näher einzugehen.

Berechtigung kommt aber der Rechtsrüge insofern zu, als die Untergerichte hinsichtlich der Errechnung der verhältnismäßigen Behinderung des Gebrauches den bei der Vermietung im Jahre 1939 zugrunde gelegten Friedensmietzins herangezogen haben.

Dieser Friedensmietzins kann aber nicht herangezogen werden, da laut Entscheidung der Preisbehörde vom 10. Jänner 1941 die Berechnungsgrundlage des Hauptmietzinses in der bezogenen Entscheidung herabgesetzt wurde.

Es ist zwar richtig, daß das Berufungsgericht in seiner Entscheidung unter Hinweis auf eine Außerstreitstellung der Parteien im Berufungsverfahren angeführt hat, daß das Verhältnis der von der Preisbehörde maßgebenden Zinssätze zu den im Jahre 1939 zugrunde gelegten Friedenszinsen nur ganz unwesentlich voneinander abweicht; ganz abgesehen davon, daß aus dem Protokoll der Berufungsverhandlung eine solche Außerstreitstellung nicht ersichtlich ist, was allerdings mit dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nicht angefochten wurde, so ist durch diese Außerstreitstellung nichts gewonnen, da es nicht auf das Verhältnis der von der Preisbehörde maßgebenden Zinssätze zu den im Jahre 1939 zugrunde gelegten Friedensmietzinsen, sondern nur auf die Höhe des tatsächlich zuletzt bezahlten Hauptmietzinses ankommt.

Richtigerweise hätten daher die Untergerichte bei Errechnung der verhältnismäßigen Behinderung des Gebrauches den tatsächlichen Hauptmietzins, der von der klagenden Partei für das Mietobjekt zu zahlen ist, zugrunde legen müssen.

Da die Untergerichte in dieser Hinsicht von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung ausgegangen sind und Feststellungen über die Höhe des Hauptmietzinses selbst nicht vorgenommen haben, war, ohne auf den weiteren Revisionsgrund eingehen zu müssen, der Revision Folge zu geben.

Anmerkung

Z22201

Schlagworte

Bestandzins Erlaß nach § 1105 ABGB. nur vom Hauptmietzins, Hauptmietzins, Erlaß nach § 1105 ABGB. nur vom Hauptmietzins, Mietzins Erlaß nach § 1105 ABGB. nur vom Hauptmietzins, Zinserlaß nach § 1105 ABGB., nur vom Hauptmietzins

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00186.49.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19491217_OGH0002_0010OB00186_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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