TE OGH 1955/9/28 2Ob549/55

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Veröffentlicht am 28.09.1955
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Norm

ABGB §828
ABGB §833
ABGB §834
ABGB §1090
Handelsgesetzbuch §105
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 15

Kopf

SZ 28/209

Spruch

Die Liegenschaftseigentümer, die zugleich Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft sind, können mit der Gesellschaft einen Mietvertrag über einen Teil der Liegenschaft (Geschäftsräume) schließen. Nur wenn das Benützungsrecht durch den Gesellschaftsvertrag überlassen worden ist, kommt Art. 7 Nr. 15 Abs. 2 der 4. EVzHGB. zur Anwendung. Wenn feststeht, daß die Benützung auf einem Mietvertrag beruht, kann über den Anspruch auf Überlassung eines Teiles der Räume des Hauses (Geschäftslokal) nicht im außerstreitigen Wege entschieden werden.

Entscheidung vom 28. September 1955, 2 Ob 549/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Bruck a. d. Mur; II. Instanz:

Kreisgericht Leoben.

Text

Das Haus B., H.-Gasse Nr. 6, stand im gleichteiligen Eigentum der Brüder Albin und Bruno K., die auch Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft Brüder K. waren. Nach dem Tode des Albin K. wurde die offene Handelsgesellschaft mit Henriette K., Albin K jun. und Norbert K., später nur mehr mit Albin und Norbert K., fortgesetzt. Die beiden letzteren wurden auch Eigentümer des früher dem Albin K. sen. gehörigen Hälfteanteiles an der genannten Liegenschaft. Bruno K. starb am 20. Juli 1959; seine Liegenschaftshälfte ging an seine Witwe und Erbin Else K. über, mit der jedoch die Gesellschafter der genannten offenen Handelsgesellschaft das Gesellschaftsverhältnis nicht mehr fortsetzten. Else K. begehrt nunmehr eine Regelung der Benützung des genannten Hauses dahin, daß ihr von den bisher von der Firma - nach ihrer Behauptung prekaristisch - benützten Räumen die Hälfte zu ihrer persönlichen Benützung überlassen werde.

Das Erstgericht verwies diesen Antrag mit dem Beschluß vom 12. Oktober 1954 auf den Rechtsweg. Sämtliche Räume des Hauses H.-Gasse Nr. 6 seien an die oHG. Brüder K. in Bestand gegeben worden, so daß das Begehren der Antragstellerin im außerstreitigen Verfahren nicht durchgesetzt werden könne.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht nach Ergänzung des Verfahrens eine neuerliche Entscheidung auf. Die Feststellung, daß zwischen der oHG. und den Eigentümern des Hauses ein Bestandvertrag zustandegekommen sei, könne wegen Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens nicht überprüft werden. Wenn das Begehren sachlich nicht begrundet sei, sei der Antrag sachlich abzulehnen, jedoch nicht in das streitige Verfahren zu verweisen.

Das Erstgericht wies nunmehr nach Ergänzung des Verfahrens den Antrag der Else K. ab. Auf Grund der Aussage der Buchhalterin der oHG., Eleonore T., sei erwiesen, daß die oHG. für die von ihr benützten Räume einen Mietzins von je einem Schilling je Friedenskrone zuzüglich der Betriebskosten an die Hausverwaltung, die gleichzeitig von Eleonore T. versehen werde, bezahlt habe. Der Hauptmietzins werde laufend zur Abdeckung der umfangreichen Wiederherstellungskosten verwendet. Es sei anzunehmen, daß seinerzeit zumindest ein mündlicher Mietvertrag hinsichtlich der Räume des gegenständlichen Hauses abgeschlossen und laufend Miete für diese bezahlt worden sei.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß neuerlich auf und trug dem Erstgericht auf, nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich zu entscheiden. Von maßgebender Bedeutung sei, was die Rechtsvorgänger der Streitteile (Albin und Bruno K.) als seinerzeitige Miteigentümer der Liegenschaft vereinbart hätten. Aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergebe sich weder, wann ein Mietvertrag abgeschlossen worden sei, noch zwischen welchen Parteien und hinsichtlich welcher Bestandräume. Wenn von der Bezahlung eines Mietzinses von je einem Schilling je Friedenskrone zuzüglich der Betriebskosten gesprochen werde, so könne es sich hiebei nur um Mietzinsleistungen nach dem Wirksamkeitsbeginn der Abänderung des Mietengesetzes handeln. Es sei - allenfalls nach Überprüfung der Bücher der oHG. durch einen Sachverständigen - klarzustellen, ob es sich bei den verrechneten Beträgen um Mietzinse oder lediglich um Betriebskostenanteile handle. Das Rekursgericht gab seiner Rechtsmeinung Ausdruck, daß der Abschluß eines Bestandvertrages zwischen der oHG. und den Hauseigentümern auch dann möglich sei, wenn diese gleichzeitig alleinige Gesellschafter der oHG. gewesen seien. Von Bedeutung sei auch, ob bei der Vermögensauseinandersetzung zwischen der oHG. und den Erben nach Bruno K. Vereinbarungen über ein allfälliges Benützungsrecht der oHG. an dem Hause getroffen worden seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist unbegrundet. Das Rekursgericht hat mit Recht die Zulässigkeit des Begehrens der Antragstellerin darauf abgestellt, ob die Antragsgegner die Räume auf Grund eines zwischen ihnen oder der oHG. und den Liegenschaftseigentümern bestehenden Bestandverhältnisses benützen. Wenn feststeht, daß die Benützung auf einem Mietvertrage beruht, kann über den Anspruch auf Überlassung eines Teiles der Räume des Hauses nicht im außerstreitigen Verfahren entschieden werden (JBl. 1947 S. 373). Die oHG. kann mit ihren Gesellschaftern außerhalb des Gesellschaftsvertrages jede Art von Geschäften tätigen (Gessler - Hefermehl - Hildebrandt - Schröder, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. S. 576, Anm. 42, 43 zu § 105 HGB). Das in die Gesellschaft eingebrachte Vermögen der zu einer oHG. zusammengeschlossenen Gesellschafter bildet eine besondere Einheit und hat, obwohl Subjekt dieses Vermögens nicht eine juristische Persönlichkeit, sondern die Gesamtheit der Gesellschafter ist, gegenüber dem Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter doch eine gewisse Selbständigkeit, was auch im § 124 HGB. zum Ausdruck kommt. Bei einem derartigen Geschäftsverkehr steht der Gesellschafter der Gesellschaft ebenso gegenüber wie ein Dritter. Die Gesellschaft oder die Gesellschafter sind nicht gehindert, ihre nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis, sondern auf besonderen Rechtsgeschäften beruhenden Ansprüche außerhalb des nach § 138 HGB. und nach dem Gesellschaftsvertrag durch das Ausscheiden des Bruno K. sen. veranlaßten Auseinandersetzungsverfahrens durchzuführen (vgl. RGZ. 118, 295). Nur wenn das Benützungsrecht an den in Rede stehenden Räumen durch Gesellschaftsvertrag überlassen worden wäre, käme Art. 7 Nr. 15 Abs. 2 der 4. EVzHGB. zur Anwendung, wonach dem ausscheidenden Gesellschafter die Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benützung überlassen hat, zurückzugeben sind. Ein rechtliches Hindernis, daß die Liegenschaftseigentümer einer oHG., deren Mitglieder sie sind, eine Sache vermieten, besteht jedoch nicht (vgl. Baumbach - Duden, Kommentar zum HGB., 9. Aufl., Anm. 6 D zu § 105).

Anmerkung

Z28209

Schlagworte

Bestandvertrag einer OHG. mit ihren Gesellschaftern, Handelsgesellschaft offene Mietvertrag mit Gesellschaftern, Mietvertrag einer OHG. mit ihren Gesellschaftern, Offene Handelsgesellschaft Mietvertrag mit Gesellschaftern, Verträge zwischen einer OHG. und ihren Gesellschaftern

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0020OB00549.55.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19550928_OGH0002_0020OB00549_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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