TE OGH 1956/2/1 1Ob788/55

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Veröffentlicht am 01.02.1956
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Norm

ABGB §612
Außerstreitgesetz §77 Z3

Kopf

SZ 29/10

Spruch

Ein Kurator für die durch eine fideikommissarische Substitution zur Erbfolge berufene, noch ungeborene Nachkommenschaft ist auch dann zu bestellen, wenn sich der Vorerbe in einem Alter befindet, das die Erwartung weiterer Nachkommenschaft ausschließt.

Entscheidung vom 1. Februar 1956, 1 Ob 788/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Aus einem zwischen der Erblasserin und ihrem vorverstorbenen Ehegatten im Jahre 1926 errichteten "gegenseitigen Testament" steht der Irene R., verehelichten H., das Eigentum auf Lebensdauer an Gartengrundstücken samt Blockhaus und Zubehör zu. Nach ihrem Ableben soll das Legat an Leopold W. sen. und Ferdinand H. "bzw. deren Nachkommen" fallen. Gemäß § 178 AußStrG. wurde der Legatarin H. ihr Eigentumsrecht mit der Beschränkung der Substitution zugunsten des Leopold W. sen. und des Ferdinand H. bestätigt und verbüchert.

Aus Anlaß des Begehrens der Vorlegatarin H. auf substitutionsbehördliche Genehmigung der Verzichtserklärung des Sohnes des Nachlegatars Leopold W. jun. und des Nachlegatars Ferdinand H. auf ihr Anwartschaftsrecht hat das Erstgericht von Amts wegen für die Nachkommen des Ferdinand H. einen Rechtsanwalt zum Nachkommenschaftskurator bestellt. Für den Nachlegatar Leopold W. sen. erübrigte sich eine derartige Bestellung, weil Leopold W. jun. der einzige Nachkomme des verstorbenen Nachlegatars gleichen Namens ist. Ferdinand H. ist jedoch noch am Leben. Sein Alter ist unbekannt; auch im Zeitpunkt der Erlassung des erstgerichtlichen Beschlusses war nicht bekannt, ob Ferdinand H. Nachkommen besitze. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Verbücherung des Eigentumsrechtes für die Vorlegatarin nur mit der Eigentumsbeschränkung zugunsten der Nachlegatare und deren Nachkommenschaft (letztere jedoch nur hinsichtlich des Ferdinand H.) erfolgen müsse, und zwar auch nach Erlassung der Einantwortung, ohne daß die Verlassenschaftsabhandlung wieder zu eröffnen gewesen wäre. Da aber auch die bücherliche Beschränkung durch das Substitutionsband nicht im vollen Umfang verbüchert worden sei, müsse dies nunmehr aus Anlaß des Verzichtes der Nachlegatare auf ihre Ansprüche in der Form bereinigt werden, daß ein Nachkommenschaftskurator gemäß § 77 Abs. 3 AußStrG. bestellt werde.

Der Beschluß des Erstgerichtes wurde dem Vertreter der Vorlegatarin am 17. Oktober 1955 zugestellt. Sie gab ihre Rechtsmittelschrift - enthaltend Vorstellung und Rekurs - am 3. November 1955 zur Post. Der Erstrichter gab der Vorstellung nicht Folge und legte den Rekurs vor.

Das Rekursgericht wies den gemäß § 11 Abs. 1 AußStrG. verspäteten Rekurs unter Hinweis auf § 11 Abs. 2 AußStrG. zurück. Gleichzeitig verwies es auf den § 612 ABGB.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Vorlegatarin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Gesetz überläßt es dem Ermessen des die bekämpfte Entscheidung erlassenden Richters, ob er im Hinblick auf § 11 Abs. 2 AußStrG. dennoch den verspäteten Rekurs annimmt. Die hier als "Dritte" in Betracht kommenden Personen sind die Nachkommen des Nachlegatars Ferdinand H., das ist die erste Generation nach Ferdinand H., im Hinblick darauf, daß es sich um Liegenschaften handelt (§ 612 ABGB.). Diese Nachkommen müssen durch einen Nachlaßkurator vertreten sein, weil ihre Rechte, wie dies schon die Entscheidung GlUNF. 5491 ausgeführt hat, nicht von ihrem Vater und gesetzlichen Vertreter Ferdinand H. wahrgenommen werden können. Sie müssen dann nicht vertreten sein, wenn sie im Zeitpunkt der Bestellung des Nachlaßkurators volljährig und bekannten Aufenthaltes sind. Da aber wie bei der Nacherbschaft auch beim Nachlegat - zufolge der Bestimmung, daß der Nachlaß oder das Legat den Nachkommen zu hinterlassen ist - die Möglichkeit nicht ausgeschlossen bleibt, daß als Nacherben oder -legatare solche Nachkommen der erblasserischen Erben oder Legatare in Betracht kommen, die heute noch nicht geboren sind, so verlangt die zwingende und von Amts wegen zu beachtende Vorschrift des § 77 Abs. 3 AußStrG. die Bestellung eines Nachkommenschaftskurators.

Zwischen dem Zeitpunkte der Entscheidung zweiter Instanz und der Entscheidung über den vorliegenden Rekurs hat die Vorlegatarin eine Amtsbestätigung der Wohnortsgemeinde des Nachlegatars Ferdinand H. vorgelegt, wonach dieser derzeit nur zwei Kinder, nämlich Johann und Margarete H., besitzt. Damit aber ist die Frage noch immer nicht erledigt, ob im vorliegenden Fall ein Nachkommenschaftskurator zu bestellen ist. Er war zu bestellen, wenn Johann und Margarete H. minderjährig sind (wobei diesem Kurator die Stellungnahme zum Anspruchsverzicht gemeinsam mit dem Kuratelsgerichte zukommt). Der Nachkommenschaftskurator ist aber jedenfalls für die ungeborenen Kinder des Ferdinand H. zu bestellen. Deshalb kann auch die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung NotZ. 1933 S. 202 nicht geteilt werden, daß für die durch fideikommissarische Substitution zur Erbfolge berufene Nachkommenschaft des Erben (im vorliegenden Fall würde dies sinngemäß für die Legatarin gelten) kein Kurator zu bestellen ist, wenn sich der Erbe in einem Alter befindet, das die Erwartung weiterer Nachkommenschaft ausschließt. Die Unstichhältigkeit dieser Ansicht ergibt sich schon aus den Bestimmungen der §§ 156 ff. ABGB.

Anmerkung

Z29010

Schlagworte

Fideikommissarische Substitution, Nachkommenschaftskurator, Kinder, ungeborene, Kurator, Kurator für die Nachkommenschaft, Substitution, Nacherbschaft Nachkommenschaftskurator, Nachkommenschaft, Kurator, Substitution, Substitution, fideikommissarische, Nachkommenschaftskurator, Ungeborene Nachkommenschaft, Kurator, Substitution

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0010OB00788.55.0201.000

Dokumentnummer

JJT_19560201_OGH0002_0010OB00788_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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