TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/9 2002/13/0171

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2005
beobachten
merken

Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §1048;
ABGB §1049;
ABGB §1050;
ABGB §1051;
ABGB §1064;
BAO §24 Abs1 litd;
EStG 1988 §10;
EStG 1988 §10a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Keidel LL.M., über die Beschwerde des Dr. DK in W, vertreten durch Dkfm. Herbert F. Maier, Wirtschaftsprüfer in 1015 Wien, Walfischgasse 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom 27. Juni 2002, Zl. RV/76-16/02, betreffend Einkommensteuer 1994 und 1996, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Radiologie. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung seines Unternehmens wurde vom Prüfer die Ansicht vertreten, dass ein vom Beschwerdeführer für einen im Jahre 1994 erworbenen "Röntgenaufnahmeplatz" im Ausmaß von 30 % der Anschaffungskosten von S 1,420.000,-- und daher mit dem Betrag von S 426.000,-- geltend gemachter Investitionsfreibetrag nur im Ausmaß von 15 % der Anschaffungskosten und daher mit dem Betrag von S 213.000,-- zustehe, wodurch sich im Jahr 1996 der auflösungspflichtige Teil einer im Jahre 1992 gebildeten Investitionsrücklage um eben diesen Betrag von S 213.000,-- erhöhe. Zum Ausmaß des für die Anschaffung im Jahre 1994 zustehenden Investitionsfreibetrages traf der Prüfer in seinem Bericht folgende Ausführungen:

Dem Prüfer sei ein Schreiben der Firma P Medizinsysteme, Hamburg, an die Firma P GmbH in Wien vorgelegt worden, in welchem bestätigt werde, dass das Hamburger Unternehmen das näher bezeichnete Röntgenaufnahmegerät ab 18. März 1994 über Auftrag des Wiener Unternehmens für den Beschwerdeführer innehabe. Als Anschaffungsdatum werde im Anlageverzeichnis der 28. März 1994 genannt. Die Firma P GmbH in Wien habe eine Rechnung mit Datum 28. März 1994 erstellt, auf welcher stehe, dass das Rechnungsdatum gleich dem Lieferdatum sei. Tatsächlich sei die Einfuhr des Gerätes nach Österreich erst am 1. Juni 1994 erfolgt. Nach Auskunft des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers habe das Gerät deshalb nicht früher installiert werden können, weil die baulichen Vorbereitungen für die Installation der Anlage und das Genehmigungsverfahren "beim Kauf des Gerätes am 28. März 1994" noch nicht abgeschlossen gewesen seien. Nach § 10a Abs. 2 EStG 1988 betrage der Investitionsfreibetrag von den nach dem 31. März 1994 und vor dem 1. April 1995 anfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten höchstens 15 %. Der Anschaffungszeitpunkt sei der Zeitpunkt der Lieferung (Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums), also der Erlangung der betrieblichen Nutzungsmöglichkeit im Sinne der faktischen Verfügungsmöglichkeit über das Wirtschaftsgut (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1997, 97/14/0006). Da die Einfuhr des Gerätes nach Österreich nachweislich erst am 1. Juni 1994 stattgefunden habe, sei der Investitionsfreibetrag von 30 % auf 15 % der Anschaffungskosten zu vermindern gewesen.

Das Finanzamt erließ nach Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 1994 Einkommensteuerbescheide für das Jahr 1994 und für das Jahr 1996, mit denen der Auffassung des Prüfers Rechnung getragen wurde.

In seiner gegen diese Bescheide erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, am 17. Februar 1994 bei der P GmbH einen "Röntgenaufnahmeplatz" bestellt zu haben, welcher anfangs März hätte ausgeliefert werden können. Die für die Aufstellung des Gerätes durch gesetzliche Auflagen erforderlichen Adaptierungsarbeiten in der Ordination hätten sich jedoch verzögert, sodass der Beschwerdeführer die Anlage vorläufig in einem Nebenraum hätte lagern müssen. Bestärkt durch einen Erlass des Bundesministeriums für Finanzen, in welchem der Zeitpunkt der Anschaffung eines Wirtschaftsgutes als jener des Überganges der Preisgefahr definiert worden sei, sowie durch eine Reihe von Anfragebeantwortungen durch Fachabteilungen des Bundesministeriums für Finanzen hätten die steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers ihm dazu geraten, sich die Röntgenanlage noch nicht liefern zu lassen. Da bei einer durchaus möglichen Auslieferung der Anlage der Ordinationsbetrieb erheblich gestört gewesen wäre, sei der Beschwerdeführer dem Rat seiner steuerlichen Vertreter gefolgt und habe die P GmbH ersucht, von einer Auslieferung vorläufig abzusehen und das Gerät im "Firmenlager" zu belassen, sodass eine jederzeitige Auslieferung der Röntgenanlage somit von der Entscheidung des Beschwerdeführers abhängig gewesen sei. Dem Beschwerdeführer sei zur Dokumentation dieses Vorganges durch die P GmbH zu dem Betreff "Eigentumsübergang" bestätigt worden, dass sie das Röntgenaufnahmegerät für den Beschwerdeführer inne habe. Die Rechnungslegung sei dann mit dem 28. März 1994 erfolgt, sodass die Gewinnrealisierung beim Lieferunternehmen noch im März 1994 stattgefunden habe. Die Anschaffung des Röntgengerätes liege in rechtlicher Betrachtung vor dem 31. März 1994, was aus den Einkommensteuerrichtlinien 1984, aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Mai 1983, 82/14/0254, und aus den Meinungen der Kommentare sowohl von Doralt als auch von Quantschnigg/Schuch abgeleitet werden könne. Keine den steuerlichen Vertretern des Beschwerdeführers bekannte Rechtsmeinung setze als Bedingung des Anschaffungszeitpunktes eines Wirtschaftsgutes die "Innutzungnahme im Betrieb". Dass auf der Rechnung vom 28. März 1994 das Rechnungsdatum mit dem Lieferdatum gleich gesetzt werde, sei unerheblich, weil es sich um den üblichen Vordruck auf den Rechnungen des Lieferunternehmens handle, der nicht gestrichen worden sei. Durch Vorlage des den "Eigentumsübergang beurkundenden" Schreibens vom 18. März 1994 sowie der zollamtlichen Bestätigung vom 1. Juni 1994 sei dem Prüfer der Sachverhalt ordnungsgemäß dargestellt worden.

Der Prüfer trat den Ausführungen der Berufung mit dem Hinweis auf das schon im Prüfungsbericht angeführte Erkenntnis vom 25. Februar 1997, 97/14/0006, entgegen, welches zu einem nahezu deckungsgleichen Sachverhalt ergangen sei, und verwies ergänzend auch auf das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, 93/14/0179.

Nachdem das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet abgewiesen und diese Entscheidung mit den vom Prüfer in seiner Stellungnahme genannten hg. Erkenntnissen begründet hatte, beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über seine Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 und 1996 durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, ohne zur Begründung der Berufungsvorentscheidung Stellung zu nehmen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Frage als strittig bezeichnet, ob es sich bei den Kosten der Anschaffung der Röntgenanlage um vor dem 1. April 1994 anfallende Anschaffungskosten handle, in welchem Fall allein der erhöhte Investitionsfreibetrag von 30 % gerechtfertigt wäre. Folge man der Ansicht des Beschwerdeführers, dann wäre entscheidendes Kriterium für den Zeitpunkt der Anschaffung der Übergang der Preisgefahr. Diese Ansicht vertrete auch das Bundesministerium für Finanzen in verschiedenen Erlässen. Sofern nichts anderes vereinbart sei, trage die Preisgefahr bis zum vereinbarten Übergabezeitpunkt grundsätzlich der Verkäufer. Der Übergang der Preisgefahr könne vertraglich aber auch auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegt werden, wenn das Wirtschaftsgut bereits existiere und "konkretisiert" sei. Im vorliegenden Fall wäre der Übergang der Preisgefahr ohne (gemeint: abweichende) Vereinbarung mit Übergabe an den Transporteur erfolgt, also erst im Juni 1994. Der Beschwerdeführer meine, dass die Preisgefahr schon früher übergegangen sei, wofür von ihm das Schreiben des Hamburger Unternehmens, wonach dieses das Gerät über Auftrag des Wiener Unternehmens ab 18. März 1994 für den Beschwerdeführer innehabe, und die Rechnungslegung am 28. März 1994 ins Treffen geführt würden. Beide Argumente seien aber nicht geeignet, den Übergang der Preisgefahr und "damit den Zeitpunkt der Anschaffung" mit März zu bestimmen. Rechnungslegung und Gewinnrealisierung beim Veräußerer seien ohne Bedeutung für den Übergang der Preisgefahr, für welchen auch die Zeitpunkte des Zustandekommens des Verpflichtungsgeschäftes oder der Bezahlung nicht relevant seien. Nach den Regeln über die Preisgefahr solle das wirtschaftliche Risiko den treffen, der infolge tatsächlicher Innehabung auch den Nutzen aus der Sache habe und sie wegen seines Naheverhältnisses auch vor Gefahren schützen könne. Ein Kaufvertrag, der etwas über die Modalitäten des Kaufes aussagen könnte, sei nicht vorgelegt worden. Die Innehabung des Gerätes durch das Hamburger Unternehmen bedeute nur, dass das Gerät ab diesem Zeitpunkt spezifiziert gewesen sei, wobei die Innehabung für den Beschwerdeführer eine zwangsläufige Konsequenz des Umstandes sei, dass der Kauf zu Stande gekommen und die Lieferung noch nicht erfolgt sei. Die behauptete Eigentumsübertragung sei weder erkennbar noch juristisch möglich. Auch das vom Beschwerdeführer offenbar gemeinte Besitzkonstitut liege nicht vor, weil es hiezu an einer Vereinbarung zwischen den Partnern des Kaufvertrages fehle. Mit Besitzkonstitut könnte im Übrigen auch die Preisgefahr nicht übergehen. Nach den allgemeinen Lieferbedingungen der Elektroindustrie Österreichs, welche zur Vertragsauslegung heranzuziehen seien, gingen Nutzung und Gefahr spätestens mit dem Abgang der Lieferung ab Lager auf den Käufer über. Werde Lieferung auf Abruf vereinbart, dann gelte die Ware spätestens ein Jahr nach Bestellung als abgerufen. Dafür, dass das Gerät nicht auftragsgemäß und zwar aus Verschulden des Käufers verspätet geliefert worden sei, ergebe sich kein Hinweis. Der Umstand, dass schon auf der Auftragsbestätigung der 1. Juli 1994 als Termin für die erste Rate festgesetzt worden sei, lasse sich als Indiz dafür heranziehen, dass vereinbart worden sei, die Lieferung im Juni zu tätigen. Es sei die Ware nach den vorliegenden Dokumenten auch am 1. Juni 1994 eingeführt, verzollt und geliefert worden. Der Berufungssenat gehe in freier Beweiswürdigung davon aus, dass Lieferung auf Abruf vereinbart worden sei. Die Preisgefahr gehe nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen jedenfalls erst mit Übergabe an den Transporteur über und sei damit erst am 1. Juni 1994 übergegangen. Für das Vorliegen einer Vereinbarung über eine Lieferung schon im März 1994 habe sich kein Anhaltspunkt ergeben. Es müsse die Berufung somit (auch) abgewiesen werden, wenn man "der Rechtsmeinung des (Beschwerdeführers) folgt". Folge man hingegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dann habe der Übergang der Preisgefahr ohnehin keine Bedeutung, sondern sei Anschaffungszeitpunkt der Zeitpunkt der Lieferung und damit der Erlangung der betrieblichen Nutzungsmöglichkeit im Sinne der faktischen Verfügungsmöglichkeit über das Wirtschaftgut. Diese sei erst im Juni 1994 eingetreten, was vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten werde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer Replik durch den Beschwerdeführer erwogen:

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stimmen darin überein, dass die Höhe des dem Beschwerdeführer aus der Anschaffung des medizinischen Gerätes im Jahre 1994 zustehenden Investitionsfreibetrages für dieses Jahr im Kontext des Regelungsgefüges der §§ 10 und 10a EStG 1988 in der Fassung BGBl. Nr. 253/1993 und BGBl. Nr. 818/1993 (mit den sich für das Jahr 1996 ergebenden Konsequenzen aus der im Jahr 1992 nach § 9 gebildeten Investitionsrücklage) davon abhängt, ob es sich bei den Anschaffungskosten des medizinischen Gerätes um solche handelte, die bis zum 31. März 1994 (30 % Investitionsfreibetrag) oder ab dem 1. April 1994 angefallen waren (15 % Investitionsfreibetrag).

Wie schon der Prüfer im Verwaltungsverfahren zum Ausdruck brachte, gleicht der Sachverhalt des Beschwerdefalles in rechtserheblicher Hinsicht weitgehend jenem, zu welchem das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1997, 97/14/0006, ergangen ist, auf dessen Gründe deshalb gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGG verwiesen werden kann. Wie im Fall des genannten Erkenntnisses erübrigt sich auch im vorliegenden Beschwerdefall eine Auseinandersetzung mit den von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Frage des Zeitpunktes des Überganges der Preisgefahr vorgetragenen Argumenten. Der Verwaltungsgerichtshof findet nämlich keinen Anlass dazu, die im genannten Erkenntnis vom 25. Februar 1997, 97/14/0006, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 8. März 1994, 94/14/0179, eingenommene Rechtsposition über die Unerheblichkeit des Überganges der Preisgefahr für den Zeitpunkt des Anfallens der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes aufzugeben.

Kommt es nach dieser Rechtsprechung für den Zeitpunkt des Anfallens der Anschaffungskosten im Sinne der hier anzuwendenden Rechtsvorschriften auf die Erlangung der betrieblichen Nutzungsmöglichkeit im Sinne der faktischen Verfügungsmöglichkeit über das Wirtschaftsgut an, dann kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde eine solche Erlangung der betrieblichen Nutzungsmöglichkeit durch den bloßen Umstand der Verwahrung des medizinischen Gerätes für den Beschwerdeführer in einem Lager in Hamburg noch nicht als verwirklicht angesehen hat. Dass das Gerät aber erst im Juni 1994 nach Österreich gelangte, hat der Beschwerdeführer nie in Abrede gestellt. Mit der Konstellation des Beschwerdefalles des zur Bestimmung des § 8 EStG 1972 ergangenen hg. Erkenntnisses vom 3. Mai 1983, 82/14/0254, Slg. N.F. Nr. 5784/F, auf welches sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gestützt hat und dessen Aussagen auch den von ihm ins Treffen geführten Kommentarmeinungen zu Grunde liegen, ist der vorliegende Beschwerdefall nicht vergleichbar.

Aus den Gründen des hg. Erkenntnisses vom 25. Februar 1997, Zl. 97/14/0006, war somit auch die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 9. März 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002130171.X00

Im RIS seit

06.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten