TE OGH 1959/9/23 2Ob461/59

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.1959
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Novak, Dr. Köhler und Dr. Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton G*****, vertreten durch Dr. Karl Wohlfarth, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Valentin L*****, vertreten durch Dr. Gustav Horny, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 38.184,00 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10. April 1959, GZ 2 R 48/59-27, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 4. Dezember 1958, GZ 15 Cg 164/58-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 795,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist am 19. August 1956 bei einem Verkehrsunfall in Kärnten schwer verletzt worden, den der Beklagte verschuldet hatte. Er hat Schadenersatz in der Höhe von 38.184,50 S und eine monatliche Rente von 500 S ab 1. Juli 1958 begehrt. Darunter ist auch ein Betrag von 35.000 S, den der Kläger mit folgender Begründung in Anspruch genommen hat: durch die Verletzungen habe er sehr große Schmerzen zu erdulden gehabt und begehre das sicherlich angemessene Schmerzengeld von 15.000 S. Die Verletzungen seien mit dauernder Verunstaltung verbunden, was wiederum seelische Schmerzen, Minderwertigkeitskomplexe und mangelnde Lebensfreude zur Folge habe. Aus diesem Titel begehre er den sicherlich angemessenen Betrag von 20.000 S.

Das Erstgericht hat dem Kläger ein Schmerzengeld von 20.000 S zuerkannt und die übrigen Schadenersatzansprüche, nämlich Verdienstentgang, Barauslagen und Untersuchungskosten, mit 6.266,33 S festgestellt. Auf den Betrag von 26.266,33 S hat der Beklagte 12.700 S an Schmerzengeld bezahlt, sodass seine Verurteilung zur Zahlung von 13.566,33 S erfolgt ist. Das Mehrbegehren von 24.617,67 S ist abgewiesen worden. Außerdem hat das Erstgericht dem Kläger eine monatliche Rente von 500 S ab 1. 7. 1958 bis zum 65. Lebensjahr zuerkannt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufungen ergriffen. Der Kläger hat die Zuerkennung des gesamten Schmerzengeldes von 35.000 S abzüglich der bereits bezahlten 12.700 S, somit 23.300 S begehrt, der Beklagte hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt.

Das Berufungsgericht hat beiden Berufungen teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es die Beträge von 15.000 S und 20.000 S als einheitlichen Schmerzengeldanspruch gewertet, das Schmerzengeld mit 25.000 S bemessen und daher den Beklagten verurteilt hat, dem Kläger 18.566,33 S sowie eine monatliche Rente von 500 S ab 1. 7. 1958, jedoch nur bis auf weiteres höchstens bis zur Erreichung des 65. Lebensjahres zu bezahlen. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er macht die Revisionsgründe nach § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO geltend und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen, oder es dahin abzuändern, dass das restliche Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Der Beklagte erblickt eine Aktenwidrigkeit darin, dass das Berufungsgericht die vom Kläger begehrten Beträge von 15.000 S und 20.000 S als einheitlichen Schmerzengeldanspruch gewertet habe. Dies stehe im Widerspruch zur Aktenlage. Tatsächlich sei der Betrag von 20.000 S wegen bleibender Verunstaltung nach § 1326 ABGB begehrt worden. Ein solcher Anspruch stehe dem Kläger aber nicht zu. Diese Ausführungen sind nicht stichhältig.

In dieser Annahme des Berufungsgerichtes ist keine tatsächliche im Widerspruch zur Aktenlage stehende Feststellung gelegen, sondern eine rechtliche Beurteilung der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche, sodass schon aus diesem Grunde von einer Aktenwidrigkeit nicht gesprochen werden kann. Das Berufungsgericht hat aber auch in zutreffender und überzeugender Weise begründet, warum es die vom Kläger getrennt geltend gemachten Ansprüche als einheitlichen Schmerzengeldanspruch angesehen habe. Aus dem Wortlaut des Begehrens in der Klage ergibt sich eindeutig, dass der Kläger nicht einen Anspruch nach § 1326 ABGB geltend machen wollte, weil es hiezu weiterer Behauptungen in der Richtung bedurft hätte, dass durch die erlittene Verunstaltung sein besseres Fortkommen verhindert werde. Der Kläger hat aber behauptet, dass zufolge der Verunstaltung eine seelische Beeinträchtigung durch die Entstehung von Minderwertigkeitskomplexen und die Verminderung der Lebensfreude herbeigeführt werde. Es liegt somit in dieser Hinsicht auch keine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache vor, wie der Beklagte vermeint.

Das Berufungsgericht hat das Schmerzengeld auch in angemessener Höhe bestimmt. Dies ergibt sich schon aus der Art und Schwere der Verletzungen. Der Kläger hat eine schwere Gehirnerschütterung und einen Oberschenkelbruch rechts mit einem kniegelenksnahen Trümmerbruch erlitten. Als Dauerfolgen sind verblieben eine doppelseitige Schwerhörigkeit, eine Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenkes rechts, eine starke Beugebehinderung des rechten Kniegelenks, sowie eine Beinverkürzung von 4 cm. Der Kläger ist 53 Tage in stationärer Behandlung gewesen, es ist eine Beinextension vorgenommen worden und er hat durch längere Zeit einen Becken- und Oberschenkelgipsverband tragen müssen. Es sind daher nicht nur die aufgrund des Sachverständigengutachtens festgestellten körperlichen Schmerzen, sondern, wie das Berufungsgericht richtig angenommen hat, auch die wegen der Dauerfolgen verbundene seelische Beeinträchtigung des Klägers zu berücksichtigen. Der Beklagte erkennt selbst die Schwierigkeiten, die die Heranziehung von Entscheidungen über die Bemessung von Schmerzengeld in anderen Fällen zufolge der Verschiedenheit der Fälle macht. Das Schmerzengeld ist in jedem einzelnen Fall unter Berücksichtigung der einzelnen Besonderheiten festzusetzen. Dies hat das Berufungsgericht getan und es kann nicht gesagt werden, dass dieses über den Rahmen des üblichen bei derartigen Verletzungen bemessenen Schmerzengeldes hinausgegangen ist.

Bezüglich des Rentenanspruches macht der Beklagte geltend, dass das Berufungsgericht aus dem Sachverständigengutachten zu Unrecht den Schluss gezogen habe, der Kläger sei auf längere Dauer arbeitsunfähig. Er habe Beweise dafür angeboten, dass der Kläger in seinen Beruf einschlägige Arbeiten tatsächlich ausgeführt habe. Die Ablehnung dieser Beweise durch das Berufungsgericht stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Das Berufungsgericht hat die vom Erstgericht bezüglich der Arbeitsunfähigkeit des Klägers getroffenen Feststellungen als unbedenklich übernommen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Arbeitsfähigkeit des Klägers derzeit noch so weit eingeschränkt ist, dass er seinen Beruf nicht ausüben kann. Weitere Beweisaufnahmen waren im Hinblick auf die Beweisgrundlagen für diese Feststellungen nicht erforderlich. Es war daher auch die Zuerkennung einer Rente an den Kläger mit der vom Berufungsgericht vorgenommenen zeitlichen Einschränkung gerechtfertigt. Es muss dem Beklagten überlassen bleiben, in Zukunft eintretende Änderungen in den Verhältnissen des Klägers selbst wahrzunehmen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E77112 2Ob461.59

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0020OB00461.59.0923.000

Dokumentnummer

JJT_19590923_OGH0002_0020OB00461_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten