TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/17 2003/11/0163

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Veröffentlicht am 17.03.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

AVG §37;
AVG §58 Abs2;
BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8 Abs4 idF 1999/I/017;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der P in W, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen vom 25. Februar 2003, Zl. 44.140/60-7/02, betreffend Zustimmung zur Kündigung (mitbeteiligte Partei: E, Immobilienverwaltung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin verunglückte am 21. Jänner 1994 als Beifahrerin bei einem Autounfall und wurde schwer verletzt. In der Folge wurde ihre Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes ab 21. Juni 1994 ausgesprochen. Der Grad ihrer Behinderung beträgt 60 v.H.

Mit Schreiben vom 16. April 2002 beantragte die mitbeteiligte Partei die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung der - bei ihr seit 1. November 2000 beschäftigten - Beschwerdeführerin. Als Begründung führte die Mitbeteiligte - unter Anführung des näheren Sachverhalts - die häufigen Krankenstände, das Zuspätkommen der Beschwerdeführerin, die mangelnde Bereitschaft, die Aufträge in der ihr aufgetragenen Art zu erledigen, und den negativen Einfluss der Beschwerdeführerin auf die Arbeitsmoral der anderen Mitarbeiter an.

Mit Bescheid des Behindertenausschusses für Wien vom 5. November 2002 wurde die Zustimmung zur Kündigung der Beschwerdeführerin versagt. In der Begründung ihres Bescheides führte die Erstbehörde im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte beschäftige derzeit insgesamt 10 Dienstnehmer und zwar sieben vollzeitbeschäftigte Personen, eine halbtags beschäftigte Person und eine geringfügig Beschäftigte. Es werde die Verwaltung für rund 140 Häuser abgewickelt. Die Beschwerdeführerin sei mit 1. November 2000 eingestellt worden. Einen schriftlichen Dienstvertrag bzw. Dienstzettel habe sie nicht erhalten. Es seien ihr folgende Aufgaben übertragen worden: Die EDV-mäßige Erstellung der Zins- bzw. Vorschreibungslisten, die EDV-mäßige Erstellung der Hauseigentümerabrechnungen sowie der Jahresabrechnungen, der Ausdruck und die Kontrolle der Betriebskostenabrechnungen, der Ausdruck der Umsatzsteuervoranmeldungen, die Bearbeitung der Versicherungsfälle, die Ausfertigung und Ausgabe sowie Abrechnung der Krankenscheine für Hausbesorger, die Ablage von Schriftstücken in Ordnern, sowie die laufend notwendigen Änderungen am Computer. Beim Einstellungsgespräch seien keine Vereinbarungen getroffen worden, welche die Beschwerdeführerin von bestimmten Tätigkeiten befreit hätten. Mit der Arbeitseinstellung der Beschwerdeführerin sei die mitbeteiligte Partei nur zu Beginn des Dienstverhältnisses zufrieden gewesen. Auf Grund diverser Vorkommnisse seien wiederholt "mündliche Weisungen" erteilt worden. Ebenso sei die Beschwerdeführerin wegen regelmäßiger Unpünktlichkeit ermahnt worden, in der Zeit von August 2002 bis Oktober 2002 seien acht schriftliche Ermahnungen dokumentiert. Die Beschwerdeführerin sei bereits vor Beginn des Dienstverhältnisses bei der mitbeteiligten Partei als Angestellte im Immobilienbereich tätig gewesen. Am 21. Jänner 1994 sei sie als Beifahrerin bei einem Autounfall verunglückt. Die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes sei ab 21. Juni 1994 ausgesprochen worden. Am 12. März 2001 habe sie einen Speichenbruch erlitten. Dieser sei in Fehlstellung verheilt, sodass am 11. Februar 2002 eine neuerliche Operation notwendig gewesen sei. Trotz intensiver Physiotherapie und Kuraufenthalt sei die Beschwerdeführerin nicht beschwerdefrei. Das Handgelenk sei noch nicht voll belastbar. Auf Grund der letzten Untersuchung im Bundessozialamt am 28. August 2002 liege ein Zustand nach Brustwirbelkörperfraktur, Bandscheibenvorfall L5/S1, Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk, Bronchitis und ein Sehnervschwund links vor. Der Grad der Behinderung sei mit 60 v.H. eingestuft worden.

Hauptsächlich als Folge der Handverletzung seien vermehrt Krankenstände durch Operationen und Therapien aufgetreten und zwar vom 13. März bis 25. April 2001, 26. Juli bis 30. Juli 2001, 15. Oktober bis 19. Oktober 2001, 13. November bis 16. November 2001, 19. Dezember 2001 bis 3. Jänner 2002, 11. Februar bis 10. April 2002, 16. April bis 14. Mai 2002 (Kuraufenthalt), 9. Juni bis 30. Juni 2002 und vom 5. Juli bis 31. Juli 2002. In Zeit vom 15. Mai bis 8. Juni 2002 sei die Beschwerdeführerin dienstfrei gestellt gewesen, vom 1. Juli bis 4. Juli 2002 sei ein Arbeitsversuch durchgeführt worden. Laut den fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 28. April 2002 sei nach der geplanten Verkürzungsosteotomie der Elle mit der vollen Einsatzfähigkeit der Beschwerdeführerin zu rechnen.

Die Beschwerdeführerin könne die ihr übertragenen Tätigkeiten auch derzeit überwiegend ausüben. Limitiert sei sie lediglich bei der Ablage von Schriftstücken in Ordnern sowie beim Einschlichten der Ordner in Aktenschränke auf Grund der Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk, aber auch auf Grund der Rückenbeschwerden. Das Ausmaß dieser Tätigkeiten solle nicht mehr als 50 % der täglichen Arbeitszeit überschreiten. Es sollen längere Zwangshaltungen vermieden werden und der gelegentliche Wechsel zwischen sitzenden, stehenden und gehenden Tätigkeiten gewährleistet sein. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg und ununterbrochenes Arbeiten an der Computertastatur länger als eine Stunde. Auch in Zukunft sei mit Krankenständen zu rechnen, die ein durchschnittliches Ausmaß übersteigen. An einer Weiterbeschäftigung sei die Beschwerdeführerin jedenfalls interessiert. Sie sei unverheiratet und habe keine Sorgepflichten. Ihr Gehalt betrage rund S 24.000,-- brutto. Unter Berücksichtigung ihrer derzeitigen persönlichen Situation könne sie sich eine Lösung des Dienstverhältnisses nicht vorstellen.

Nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen führte die Erstbehörde weiter aus, die Beschwerdeführerin habe mit Elan bei der Mitbeteiligten ihren Dienst begonnen. Wegen eines in Fehlstellung verheilten Speichenbruches rechts und den damit verbundenen Folgen seien vermehrt Krankenstände aufgetreten. Der Grund für die längeren dienstlichen Verhinderungen sei medizinisch dokumentiert, wegen der Schmerzen im Handgelenk sei die Beschwerdeführerin zeitweise nicht in der Lage, ihrer Arbeitsverpflichtung nachzukommen.

Da es sich bei der mitbeteiligten Partei um einen kleinen Familienbetrieb mit 10 Dienstnehmern handle, seien die Probleme beim Ausfall einer Person nachvollziehbar. Die derzeitige Situation am Arbeitsplatz sei für beide Seiten von großen Spannungen geprägt. Die Beschwerdeführerin sei infolge der Behinderung und der damit verbundenen psychischen Belastungen sehr verunsichert, die mitbeteiligte Partei sehe die Arbeitsmoral in der Firma durch das Verhalten der Beschwerdeführerin in Frage gestellt. So sei die Beschwerdeführerin immer wieder auf ihre Pflichten als Dienstnehmerin hinzuweisen. Die wiederholte Nichteinhaltung der Arbeitszeit könne vom Behindertenausschuss auf die Dauer sicherlich nicht als vernachlässigbares Fehlverhalten betrachtet werden. Ein schriftlicher Dienstvertrag/Dienstzettel, der alle Rechte und Pflichten für die Dienstnehmerin klar und nachvollziehbar mache und viele Missverständnisse ausräumen würde, fehle jedoch. Berücksichtigt worden sei, dass der Tätigkeitsbereich der Beschwerdeführerin nicht entfallen sei und prinzipiell Arbeitsfähigkeit vorliege. Laut dem ärztlichen Sachverständigengutachten vom 28. August 2002 sei die Beschwerdeführerin in der Lage, die vereinbarten Arbeiten auszuüben. Auch die Ablage von Schriftstücken in Ordnern sei möglich, sofern diese Tätigkeit nicht überwiege und sie abwechselnd mit anderen Tätigkeiten durchgeführt werde. Es werde auch davon ausgegangen, dass sich die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich der Tragweite ihrer Unpünktlichkeit bewusst sei und penibel die Dienstzeiten einhalten werde, sodass ein gedeihliches Zusammenarbeiten in Zukunft möglich sein werde, zumal die mitbeteiligte Partei selbstverständlich die Möglichkeit habe, bei weiteren Disziplinwidrigkeiten durch die Beschwerdeführerin einen neuerlichen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung einzubringen.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung.

Am 2. Dezember 2002 sprach die mitbeteiligte Partei die Entlassung der Beschwerdeführerin wegen beharrlicher Pflichtverletzung aus.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Februar 2003 wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung stattgegeben wurde. Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, folgende Unzukömmlichkeiten seien schriftlich festgehalten und von der Beschwerdeführerin unterfertigt worden: Die Beschwerdeführerin sei am 13. August 2002 um 08.15 Uhr zum Dienst erschienen, nachdem sie sich um 08.00 Uhr telefonisch fürs Zuspätkommen entschuldigt habe. Die Beschwerdeführerin habe am 21. August 2002 um 09.30 Uhr den Dienst angetreten, obwohl die Behandlung im Physikoinstitut laut Bestätigung um 07.45 Uhr geendet habe. Die Beschwerdeführerin sei am 11. September 2002 um 08.10 Uhr zum Dienst erschienen, nachdem sie sich um 08.00 Uhr telefonisch fürs Zuspätkommen entschuldigt habe. Die Beschwerdeführerin sei am 17. September 2002 um 08.05 Uhr (laut Beschwerdeführerin um 08.03 Uhr) zum Dienst erschienen, ohne sich vorher zu entschuldigen. Die Dienstnehmerin sei am 18. September 2002 um 08.05 Uhr (laut Beschwerdeführerin um 08.03 Uhr) zum Dienst erschienen, ohne sich vorher zu entschuldigen. Die Beschwerdeführerin sei am 30. September 2002 um 08.04 Uhr und 50 Sekunden (laut Beschwerdeführerin 20 Sekunden) zum Dienst erschienen.

Am 3. Oktober 2002 habe die Beschwerdeführerin unaufgefordert in gebückter Haltung den Vorratskasten des Büromaterials geordnet. Eine Mitarbeiterin habe die Beschwerdeführerin anlässlich dieser Tätigkeit gebeten, doch die alten Betriebskostenbelege (älter als 10 Jahre) den Ordnern zu entnehmen und in einen Plastiksack zu werfen, da Platz für die Ablage dringend benötigt werde. Die Beschwerdeführerin sei diesem Ersuchen auf Grund ihrer Rückenschmerzen nicht nachgekommen. Die Beschwerdeführerin sei am 21. Oktober 2002 von der Mitbeteiligten erneuert aufgefordert worden, die Ablage der Belege vorzunehmen. Die Beschwerdeführerin habe dies mit der Begründung abgelehnt, sie sei dafür nicht zuständig und aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht in der Lage. Am 2. Dezember 2002 sei die Beschwerdeführerin neuerlich zu spät zur Arbeit gekommen. Sie sei an diesem Tag entlassen worden, weil sie sich wiederum geweigert habe, die "Ablage zu machen". Darunter verstehe man, dass im Rahmen der Hausverwaltung anfallende diverse Belege vorerst bezirksmäßig gesammelt und sodann in Ordnern betreffend das konkrete Objekt eingelegt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege die Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zu einer künftigen Kündigung einer dem Kreise der begünstigten Behinderten nach § 2 BEinstG angehörenden Person nach § 8 Abs. 2 erster Satz BEinstG oder die nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung nach § 8 Abs. 2 zweiter Satz BEinstG erteilt werden solle, im freien Ermessen der Behörde. Nach dem Zweck des Behinderteneinstellungsgesetzes, das der Eingliederung der begünstigten Personen in den Arbeitsprozess und der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz dienen solle, ist es bei dieser Ermessensentscheidung Aufgabe der Behörde, das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des zu kündigenden bzw. schon gekündigten Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden könne, wobei der in diesem Gesetz normierte Kündigungsschutz nach dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls nicht weiter gehen solle als etwa im Falle eines Betriebsratsmitgliedes.

Da die Beschwerdeführerin - auch im laufenden Verfahren - trotz schriftlicher Ermahnungen fortgesetzt zum Dienst zu spät gekommen sei und die ihr übertragenen Arbeiten im Zusammenhang mit der Ablage von Schriftstücken in Ordnern verweigerte habe, obwohl sie dazu trotz ihrer Behinderung befähigt gewesen wäre, habe sie im Sinne des § 8 Abs. 4 lit. c BEinstG beharrlich ihre Dienstpflicht verletzt, weshalb der mitbeteiligten Partei die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat dagegen in ihrem Schriftsatz vom 4. September 2003 Stellung bezogen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Rechtsvorschriften des BEinstG lauten (auszugsweise):

"Kündigung

§ 8. (1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.

(3) Der Behindertenausschuss hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.

(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn

a) der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiter beschäftigt werden kann;

b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiter beschäftigt werden kann;

c) der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.

..."

Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, dass sie am 2. Dezember 2002 fristlos entlassen worden sei und sie mit Klage vom 16. Jänner 2003 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien die Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses begehrt habe. Die Behörde hätte sich mit der Frage, ob die von der Dienstgeberin ausgesprochene Entlassung gerechtfertigt gewesen sei, auseinander setzen müssen, oder sie hätte gemäß § 38 AVG unterbrechen müssen um die Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichtes abzuwarten. Die belangte Behörde ging - von der Beschwerdeführerin unbestritten - davon aus, dass das arbeitsgerichtliche Verfahren nach wie vor anhängig sei.

Für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, wieso der Umstand, dass die belangte Behörde über den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung der Beschwerdeführerin abgesprochen hat, ohne den Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens abzuwarten, für die Rechte der Beschwerdeführerin von Bedeutung sein soll. Die belangte Behörde durfte über den Antrag auf Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung entscheiden, ohne den Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens abwarten zu müssen, die Beschwerdeführerin wurde durch die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise in ihren Rechten somit nicht verletzt (vgl. in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1999, Zl. 99/11/0246). Sollte sich die Entlassung zum 2. Dezember 2002 als rechtswirksam herausstellen, wäre der angefochtene Bescheid gegenstandslos. Im gegenteiligen Fall ist der Weg für eine Kündigung gemäß § 8 BEinstG rechtlich frei. Es besteht somit entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin keine Grundlage dafür, ein Rechtsschutzinteresse "der Dienstgeberin" auszuschließen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, auf welche die belangte Behörde Bezug genommen hat, liegt die Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zur Kündigung eines Behinderten erteilt werden soll, im freien Ermessen der Behörde. Bei dieser Ermessensentscheidung ist es Aufgabe der Behörde, das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden kann (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Feber 2004, Zl. 2002/11/0056, mwH). Durch die Novellierung mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 17/1999 sollte sich nach der Absicht des Gesetzgebers daran nichts ändern. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Ermessensentscheidung entsprechend Art. 130 Abs. 2 B-VG ausschließlich daraufhin zu prüfen, ob die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmissbrauches - nicht der Fall gewesen ist. Eine solche Prüfung setzt voraus, dass alle für diese Entscheidung wesentlichen tatsächlichen Umstände unter Einhaltung der maßgebenden Verfahrensvorschriften ermittelt und berücksichtigt wurden. Es unterliegt der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, ob alle für die Ermessensübung maßgebenden Umstände in die Abwägung einbezogen wurden, sowie ferner, ob die Behörde Umstände in die Erwägungen einbezogen hat, die bei richtiger rechtlicher Beurteilung dabei nicht berücksichtigt werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2003/11/0251). Nicht im Sinne des Gesetzes liegt die Erteilung der Zustimmung zu einer Kündigung eines begünstigten Behinderten, wenn diese nur den Zweck gehabt hätte, diesen trotz grundsätzlicher Eignung zur Dienstleistung wegen seiner Invalidität zu benachteiligen bzw. aus dem Betrieb zu entfernern.

Die belangte Behörde hat ihre Ermessensentscheidung im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen damit begründet, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses für die Mitbeteiligte unzumutbar sei. Dazu wird im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, im Beschwerdefall sei der Tatbestand des § 8 Abs. 4 lit. c BEinstG erfüllt. Diesbezüglich ist vorweg festzuhalten, dass die Bestimmung des § 8 Abs. 4 BEinstG, die durch die Novelle BGBl. I Nr. 17/1999 eingefügt wurde, demonstrativ jene Gründe aufzählt, die nach den Erläuterungen zur letztgenannten Novelle (RV 1518 BlgNR 20.GP) die Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung in der Regel rechtfertigen werden. Dies dient nach den genannten Gesetzesmaterialen der Erhöhung der Rechtssicherheit und soll verdeutlichen, dass behinderte Menschen zwar einen erhöhten Kündigungsschutz genießen, jedoch nicht als praktisch unkündbar anzusehen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2004/11/0042).

Insoweit die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde habe die Interessen nur ungenügend abgewogen, ist dieses Vorbringen nicht begründet. Die Beschwerdeführerin bringt auch nicht vor, dass im Fall ihrer Kündigung bei einer vergleichenden Würdigung ihrer wirtschaftlichen und gesundheitlichen Situation eine Beschäftigung bei einem anderen Dienstgeber nicht erwartet werden könne oder sie in ihrer Existenz bedroht wäre.

Als weiteren für die Frage der (Un)Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung eines begünstigten Behinderten für den Dienstgeber bedeutsamen Gesichtspunkt hatte die belangte Behörde aber auch zu berücksichtigen, dass es nicht im Sinn des Behinderteneinstellungsgesetzes liegt, begünstigten Personen dann einen besonderen Schutz zu verleihen, wenn sie sich gar nicht oder nur störend in die Organisation des Betriebes, dem sie angehören, eingliedern, wobei es auf ein Verschulden des begünstigten Behinderten nicht ankommt (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2004/11/0042, mwH).

Dieser Gesichtspunkt lag dem Antrag der Mitbeteiligten auf Zustimmung zur Kündigung der Beschwerdeführerin und letztlich auch den Erwägungen des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde zu Grunde. Die Beschwerdeführerin bekämpft zwar, dass ihre Weigerung, "die Ablage" - Arbeiten im Zusammenhang mit dem Einlegen von Belegen in Ordnern - im Unternehmen der Mitbeteiligten vorzunehmen, als Grund für die Kündigung herangezogen werden könne. Sie bestreitet aber weder mit schlüssigen Gegenargumenten, dass sie zur Hälfte ihrer täglichen Arbeitszeit die diesbezüglichen Arbeiten verrichten könnte, wie es ihr nach dem ärztlichen Gutachten zumutbar ist, noch stützt sie sich darauf, dass ihr die diesbezüglichen Arbeiten in einem Ausmaß von mehr als der Hälfte ihrer Tätigkeit bzw. in einer Weise - etwa durch die Anordnung, Gewichte über 5 kg zu heben - aufgetragen worden wäre, die ihrer gesundheitlichen Leistungsfähigkeit widersprechen würde. Dass sie jedoch "nicht für die gesamte Ablage dienstverpflichtet gewesen sei", ist schon deshalb nicht relevant, weil die Beschwerdeführerin nicht dargetan hat, aus welchem bindenden Grund es der Mitbeteiligten verwehrt gewesen sei, ihr - ungeachtet ihres Tätigkeitsbereiches am Beginn ihrer Beschäftigung im Unternehmen der Mitbeteiligten - den Auftrag hierzu zu erteilen. Insbesondere vermag sich die Beschwerdeführerin nicht auf einen konkreten Dienstvertrag zu berufen, nach welchem sie die diesbezüglichen Arbeiten nicht verrichten müsse. Dass die Beschwerdeführerin darüber hinaus mehrfach zum Dienst zu spät gekommen ist, gesteht sie selbst zu. Dass im Betrieb der Mitbeteiligten - wie die Beschwerdeführerin vorbringt - "ursprünglich" eine tolerantere Vorgangsweise bestand und das hier in Rede stehende Verhalten erst in weiterer Folge der Beschäftigungsdauer der Beschwerdeführerin von der Mitbeteiligten beanstandet wurde, vermag keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangte, die Beschwerdeführerin habe durch ihre unstrittigen beharrlichen Pflichtverletzungen den Tatbestand des § 8 Abs. 4 lit. c BEinstG verwirklicht, sodass der Mitbeteiligten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit ihr nicht mehr zumutbar ist. Ausgehend vom oben Gesagten sind dieser Beurteilung entgegenstehende Gründe für die Schutzbedürftigkeit der Beschwerdeführerin und damit ein Fehler bei der Ausübung des Ermessens nicht erkennbar.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. März 2005

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Begründung von Ermessensentscheidungen Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen Ermessen VwRallg8 Ermessen besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003110163.X00

Im RIS seit

29.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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