TE OGH 1961/3/7 3Ob93/61

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Veröffentlicht am 07.03.1961
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Norm

Kraftfahrgesetz 1955 §54

Kopf

SZ 34/32

Spruch

Änderungen im Geschäftsplan der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gelten für bestehende Versicherungsverhältnisse, und zwar auch zum Nachteil des Versicherungsnehmers, mag dieser ihnen auch nicht zugestimmt haben.

Entscheidung vom 7. März 1961, 3 Ob 93/61.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger war hinsichtlich seines Traktors bei der beklagten Versicherungsgesellschaft laut der im Akt erliegenden Polizze gegen Haftpflicht versichert. Er erhielt später noch das dieser Urkunde angeschlossene Schreiben vom 7. Jänner 1957, laut welchem die Versicherungssumme und die Prämie in der dort angegebenen Weise erhöht wurden. Die Rückseite enthält u. a. den Vermerk, daß ein Versicherungsanspruch aus der Personenbeförderung nicht bestehe, wenn zur Zeit oder am Ort des Schadensereignisses die Personenbeförderung auf dem betreffenden Kraftfahrzeug oder Anhänger überhaupt oder der Anzahl nach unzulässig war. Am 29. Juli 1958 ereignete sich auf folgende Weise ein Verkehrsunfall. Der Kläger führte auf einem an dem genannten Traktor befestigten Anhänger Holz. Dort befand sich auch der vom Kläger zur Verrichtung von Holzarbeiten aufgenommene Karl P., der beim Kippen des Anhängers herabfiel und getötet wurde. Der Lenker des Traktors, der außereheliche Sohn des Getöteten, Peter G., wurde deshalb vom Strafgericht rechtskräftig des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens schuldig gesprochen und zu einer Strafe verurteilt. Er wurde schuldig erkannt, am 29. Juli 1958, ohne im Besitz des hiefür erforderlichen Führerscheines zu sein und ohne über die hiezu notwendigen Fähigkeiten zu verfügen, wobei der von ihm gelenkte Traktor beim Zurückschalten über eine abfallende Böschung rollte, Handlungen im Sinne des § 335 StG. begangen zu haben, woraus der Tod des Karl P. erfolgte.

Der Kläger bringt vor, die Beklagte habe jeden Versicherungsschutz abgelehnt.

Die Beklagte wandte u. a. ein, die Personenbeförderung sei auf dem genannten Anhänger infolge dessen Beschaffenheit unstatthaft gewesen. Auf Grund der Bestimmungen auf der Rückseite des Schreibens vom 7. Jänner 1957 sei die Beklagte in einem solchen Fall leistungsfrei.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, den Versicherungsschutz zu gewähren und die auf Grund des genannten Verkehrsunfalls erhobenen, begrundeten Schadenersatzansprüche im Rahmen der vereinbarten Deckungssumme zu befriedigen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Die Untergerichte meinten, die auf der Rückseite des Schreibens vom 7. Jänner 1957 angeführten neuen Bedingungen seien für den Kläger nicht verbindlich, weil er ihnen nicht zugestimmt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Untergerichte übersehen die Bestimmung des § 54 KfG. 1955. Danach kann ein neuer Geschäftsplan der Versicherungsanstalt (die allgemeinen Versicherungsbedingungen) mit Genehmigung der zuständigen Ministerien erlassen werden; er ist dann auch für bereits bestehende Versicherungsverhältnisse wirksam, ohne Rücksicht darauf, ob der Versicherungsnehmer ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. Nun enthält der Tarif BGBl. Nr. 234/1956, der zur Zeit des Unfalls galt, in seinem Abschnitt IV E die Bestimmung, daß für Schäden aus der Personenbeförderung auf in der Landwirtschaft verwendeten Anhängern nur gehaftet wird, wenn diese Beförderung zulässig war. Dadurch sind die - besonderen Bedingungen (lit. a Abs. 2) auf der Rückseite des genannten Schreibens gedeckt (s. auch Art. III Abs. 1 BGBl. Nr. 234/1956).

Die Untergerichte haben zutreffend erkannt, daß im vorliegenden Fall die Beförderung von Personen auf dem Anhänger unzulässig war. Dies ergibt sich aus dem Umstand, daß der Anhänger einerseits zwar genehmigt, aber für den Verkehr nicht zugelassen war, andererseits der Anhänger einachsig, der Traktor aber zweiachsig war. Gemäß § 71 Abs. 2 KfV. 1955 dürfen in einem solchen Fall auf dem Anhänger keine Personen befördert werden.

Das Erstgericht vertritt unter Berufung auf Stiefel - Wussow, Kraftfahrversicherung, 4. Aufl. S. 77, die Ansicht, daß unter "Beförderung" nur die Mitnahme von fremden Personen, nicht aber von solchen, die mit dem Betrieb in einem inneren Zusammenhang stehen, verstanden werden könne. Dieser Kommentar bemerkt dies im Zusammenhang mit einem im Versicherungswesen üblichen Antragsformular, durch das die Haftung des Versicherers in der genannten Hinsicht beschränkt wird. Im Gegensatz dazu verweist Abschnitt IV E des Tarifes 1956 auf, die im Interesse der Sicherheit getroffenen Bestimmungen, die in dieser Hinsicht nicht zwischen betriebsangehörigen und fremden Personen unterscheiden.

Wenn auch der Kläger nicht genau wußte, daß Karl P. auf dem Anhänger Platz genommen hatte, so rechnete er doch mit der Möglichkeit dieser Tatsache, er dachte sich das, wie das Berufungsgericht feststellt. Er sagte zu Karl P. bloß, es sei ihm das nicht recht, unterließ es aber, es ihm ausdrücklich zu verbieten oder sonstige Maßnahmen gegen das unzulässige Mitfahren zu ergreifen. Er übertrat ja auch selbst das Verbot, da er sich ebenfalls auf dem Anhänger befand. Damit hat er die Beförderung geduldet.

Wenn man selbst in der unzulässigen Beförderung des Karl P. eine Obliegenheitsverletzung erblicken wollte, so würde den Kläger doch nach dem Gesagten ein grobes Verschulden daran im Sinne des § 6 Abs. 3 VersVG. 1958 treffen. Im übrigen handelt es sich hier nicht um eine Bestimmung, nach welcher der Versicherer unter bestimmten Voraussetzungen leistungsfrei wäre, sondern um eine Risikobegrenzung, eine Abgrenzung seiner Haftung. Versichert war ja der Traktor, nicht der Anhänger. Die Ursache zum Unfall ging zwar vom Traktor aus, doch trat die Folge für den Insassen des Anhängers, also durch dessen Betrieb ein. Die erwähnte Bestimmung setzt nun fest, unter welchen Voraussetzungen der Versicherer Schutz für solche Schäden gewährt. Nur dort, wo die Haftung im allgemeinen begrundet ist und ein Verstoß des Versicherungsnehmers oder einer Person, für die er einzustehen hat, vorliegt, könnte von einer Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 6 VersVG. 1958 gesprochen werden.

Da also die Beklagte für diesen Unfall keinen Versicherungsschutz zu gewähren hat, ist der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gegeben.

Anmerkung

Z34032

Schlagworte

Änderung des Geschäftsplans der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, Geschäftsplan der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, Änderung, Haftpflichtversicherung, Änderung des Geschäftsplans, Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, Änderung des Geschäftsplans

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0030OB00093.61.0307.000

Dokumentnummer

JJT_19610307_OGH0002_0030OB00093_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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