TE OGH 1961/5/17 5Ob164/61

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Veröffentlicht am 17.05.1961
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Kisser als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Turba, Dr. Lachout, Dr. Graus und Dr. Greissinger als Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen Friedrich Johannes O*****, infolge Rekurses der ehelichen Mutter Margit O*****, vertreten durch Dr. Michael Stern, Dr. F. G. Aufricht und Dr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28. Februar 1961, GZ 43 R 53/61-35, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 7. Dezember 1960, GZ 2 P 521/55-30, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern des Minderjährigen wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 6. 12. 1955, 7 Cg 383/55-6, aus dem Verschulden beider Ehegatten geschieden. Im Ehescheidungsverfahren haben die Eltern einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Ehemann vorbehaltlich der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung verpflichtete, für den Minderjährigen einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.200 S zu Handen der Mutter des Kindes zu bezahlen. Der Unterhaltsbetrag ist gemäß dem Vergleiche bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes und auch während der Dauer des Mittel- und Hochschulstudiums unabhängig vom jeweiligen Familienstand des Vaters und etwa bestehender anderer Sorgepflichten zu leisten. Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters auf Herabsetzung des Unterhaltes auf 750 S monatlich ab.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es den Vater verpflichtete, an Stelle des in dem gerichtlichen Vergleich festgelegten monatlichen Unterhaltsbetrags von 1.200 S ab 1. 8. 1960 einen Betrag von 750 S monatlich zu bezahlen. Es vertrat die Auffassung, dass der Vater im Vergleich auf die Geltendmachung der Umstandsklausel nur insoweit verzichtet habe, dass ihn eine Änderung seines Familienstandes oder seiner Sorgepflichten nicht berechtigen sollten, eine Herabsetzung des Unterhalts zu begehren. Wenn sich der Vater darauf berufe, dass eine Änderung der für die Unterhaltsleistung maßgeblichen Verhältnisse in seiner Person dadurch eingetreten sei, dass er seiner kranken Mutter gegenüber zusätzlich sorgepflichtig geworden sei und dass seine Wiederverehelichung höhere Aufwendungen im Haushalt notwendig mache, könne er keinen Erfolg haben. Von Bedeutung sei es jedoch, wenn er darauf verweise, dass sich das Verhalten seines Sohnes ihm gegenüber wesentlich geändert habe. § 144 ABGB verpflichtete die Kinder zur Ehrfurcht und Gehorsam gegenüber den Eltern. Aus dem Akteninhalt ergebe sich nun, dass der Minderjährige beim Verkehr mit seinem Vater und bei Gesprächen mit dritten Personen über seinen Vater dieser seiner Verpflichtung in keiner Weise nachgekommen sei. Die Verletzung dieser Pflichten des Kindes zu Ehrfurcht und Gehorsam gegenüber den Eltern sei zwar kein Grund, die Unterhaltspflicht völlig abzulehnen, doch könne dadurch das Maß des Unterhalts betroffen werden (Klang Komm zum ABGB, 1. Auflg, I/1 S 851). Es sei daher zwar nicht auf die Änderung der Verhältnisse in der Person des ehelichen Vaters, wohl aber auf die zum Teil gröbliche Missachtung der natürlichen und gesetzlichen Anstandsverpflichtungen des Minderjährigen gegenüber seinem Vater Bedacht zu nehmen gewesen. Da der Unterhaltspflichtige lediglich eine Herabsetzung auf 750 S monatlich begehre, was noch immer über der von der Rechtsprechung in ähnlichen Fällen festgesetzten Norm liege, brauchte auf die weiteren Rekursausführungen des ehelichen Vaters nicht näher eingegangen zu werden.

Die eheliche Mutter bekämpft den Beschluss des Rekursgerichtes mit Rekurs.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

Aktenwidrig ist die Behauptung, dass sich der eheliche Vater in seinem gegen den Beschluss des Erstgerichtes erhobenen Rekurs nicht auf die Verletzung der dem Kinde ihm gegenüber schuldigen Achtung berufe. Der Vater führt in diesem Rechtsmittel ausdrücklich an, dass der Sohn seit 1. 1. 1956 nicht mehr zu ihm komme, ihn als Vater nicht anerkenne, ihn auf der Straße nicht grüße, ja ihm sogar Ohrfeigen antrage.

Das Außerstreitverfahren kennt nicht den Grundsatz der Unmittelbarkeit. Das Rekursgericht war daher berechtigt, die Feststellungen des Erstgerichtes zu ergänzen.

Der nunmehr fast 19-jährige Minderjährige lehnt es ab, mit seinem Vater zu verkehren. Im Jahre 1959 verließ er demonstrativ einen Schulball, als sein Vater den Ballsaal betrat. Von seinem Schuldirektor wegen dieses Verhaltens zur Rede gestellt, gab er an, dass er nicht im gleichen Raum dieselbe Luft mit seinem Vater einatmen wolle. Er äußerte sich auch seinen Lehrern gegenüber, sein Vater sei nur zum Zahlen da, er verachte ihn und werde ihm zeigen, wer der Stärkere sei. (Siehe die schriftlichen Mitteilungen des Mittelschuldirektors, Klassenvorstandes und Religionslehrers des Minderjährigen S 49 bis 53). Die Angaben der genannten Lehrpersonen werden durch die des Minderjährigen vor Gericht (Protokoll vom 25. 11. 1960 S 61) gestützt. Der Minderjährige sagte, er sei froh, dass er seinen Vater nicht sehe. Dieser habe sich innerhalb der letzten 6 bis 7 Jahre um ihn überhaupt nicht gekümmert und ihn auch nicht von der Schule abgeholt. Diese Behauptungen des Minderjährigen sind schon nach der Aktenlage nicht berechtigt. Denn der Vater hat im Jahre 1956 eine Regelung des Besuchsrechtes verlangt und er hat sich, wie die Äußerung des Schuldirektors des Minderjährigen zeigt, nebst seiner Unterhaltsleistung verpflichtet, für einen Nachhilfeunterricht des Minderjährigen aufzukommen, damit, wie er sich ausdrückte, der Junge durchkomme. Aber abgesehen davon könnte auch eine Vernachlässigung der väterlichen Pflichten der Minderjährige von seiner Ehrfurchtspflicht gegenüber den Vater nicht entbinden. Selbst wenn man die auf Hussarek ("Die familienrechtliche Alimentation nach österreichischem Recht" in Grünhut´s Zeitschrift für privates und öffentliches Recht, 20. Bd, insbesondere S 556 ff) fußende Meinung Bartsch´s in Klang Komm zum ABGB 1. Aufl I/1, S 851 (ähnlich Wentzel-Plessl in der 2. Aufl zum genannten Kommentar I/2, S 40) ablehnt, dass das Maß des Unterhalts durch eine Verletzung der dem Kinde obliegenden Pflichten zu Ehrfurcht und Gehorsam (§ 144 ABGB) betroffen werden könne, ist damit für die Rekurswerberin im Ergebnis nichts gewonnen.

Unterhaltsvergleiche werden regelmäßig unter der clausula rebus sic stantibus geschlossen, das ergibt sich schon aus der Natur der Unterhaltsvereinbarung (vgl JB 244). Es ist nun Sache der Auslegung, festzustellen, ob und inwieweit bei Änderung der Verhältnisse eine Änderung der Unterhaltshöhe gefordert werden kann. Dass der Vergleich eine Herabsetzung des Unterhalts bei Änderung der Sorgepflichten des Vaters ausschließt, folgt aus dem Inhalt der Unterhaltsvereinbarung. Ebensowenig kann sich der Vater zur Begründung seines Herabsetzungsantrages darauf berufen, dass er weder nach seinem Stande noch nach seinen Vermögensverhältnissen verpflichtet werden könne, die Kosten des Hochschulstudiums seines Sohnes zu tragen. Aber die Umstandsklausel wurde von den Parteien nur zum Teil ausgeschlossen. Wie schon das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben hat, ist die Umstandsklausel bei Unterhaltsvereinbarungen nicht nur auf die Änderung der vermögensrechtlichen Verhältnisse beider Vertragsteile und die Sorgepflichten des Unterhaltspflichtigen beschränkt. Sie umfasst vielmehr jede Änderung der Sachlage. Der eheliche Vater hat sich bei einem Einkommen, das 5 Jahre nach dem Vergleichsabschluss monatlich 2.572,30 S betrug (siehe die Gehaltsbestätigung des Zentralbesoldungsamtes zu ON 17) zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1.200 S verpflichtet. Nun wird sich aber ein in dürftigen Verhältnissen lebender Vater kaum bereit finden, ohne Rücksicht auf das Verhalten des Kindes ihm gegenüber, das Opfer einer Unterhaltsleistung zu bringen, die fast die Hälfte seines Einkommens erfasst. Es ist also anzunehmen, dass bei Unterhaltsvergleichen dieser Art die Vertragsparteien davon ausgehen, der Vater nehme das besonders große Opfer eine seine wirtschaftlichen Kräfte bis an die äußerste Grenze in Anspruch nehmenden Unterhaltsleistung für das Kind nur auf sich, wenn auch das Kind seiner ihm gegenüber dem Vater obliegenden, wenn auch nicht erzwingbaren sittlichen Verpflichtung zur Ehrfurcht nachkommt. Da nun feststeht, dass der Minderjährige, der bei seinem Alter und seinem Bildungsgrad die nötige Einsicht für das Verwerfliche seiner Einstellung zum Vater haben musste, die ihm nach § 144 ABGB obliegenden Pflicht besonders krass verletzt hat, war der Vater jedenfalls unter dem Gesichtspunkt geänderter Verhältnisse berechtigt, die Herabsetzung seiner Unterhaltsleistung zu verlangen. Da er bloß einen Nettogehalt von 2.572,30 S monatlich bezieht, bewegt sich die Leistung von 750 S monatlich - d.i. fast ein Drittel der Gesamtbezüge - im Rahmen der im § 141 ABGB festgelegten Verpflichtung, dem Kinde den Unterhalt zu reichen.

Aus diesen Gründen musste der Revisionsrekurs ohne Erfolg bleiben.

Anmerkung

E74391 5Ob164.61

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0050OB00164.61.0517.000

Dokumentnummer

JJT_19610517_OGH0002_0050OB00164_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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