TE OGH 1962/9/26 7Ob271/62

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Veröffentlicht am 26.09.1962
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Norm

ABGB §983
ABGB §1478

Kopf

SZ 35/99

Spruch

Wird zur Finanzierung einer Erzeugung ein Geldbetrag hingegeben, ohne daß dem Empfänger eine nach Zeit und Umfang bestimmte Warenlieferverpflichtung zur Deckung der Schuld auferlegt wurde, liegt ein Darlehensverhältnis vor.

Entscheidung vom 26. September 1962, 7 Ob 271/62.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Firma B., Import und Export Handelsgesellschaft m. b. H. in K. (im folgenden kurz "B." genannt), deren Geschäftsführer der Kläger war, hat dem damaligen Ehemann der Beklagten L. R. am 23. August 1951 durch die Volksbank R. einen Vorschuß von 27.050 S zur Finanzierung seiner Plykalith-Gesichtsmaskenerzeugung (eine in Porzellantiegeln zu vertreibende Salbe) gewährt. Dabei wurde vereinbart, daß die genannte Firma die Erzeugnisse des L. R. vertreibe sowie daß der gewährte Vorschuß mit den Warenlieferungen des L. R. (pro Tiegel ein gewisser Betrag) verrechnet und auf diese Weise getilgt werde. Die Kreditgewährung wurde so durchgeführt, daß R. als Remittent für vier von der Volksbank R. aufgestellte, vom Kläger und zwei weiteren Gesellschaftern der B., nämlich Herbert B.- M. und Alfred K., sowie von der B. selbst angenommene Wechsel über je 7000 S von der Volksbank den Betrag von 28.000 S, abzüglich der Spesen, somit 27.050 S ausbezahlt erhielt. Die Wechselannehmer mußten, nachdem das Gesichtsmaskengeschäft vollkommen danebengegangen war, die Wechselsumme an die Volksbank R. erstatten. Die von B.-M. und K. bezahlten Beträge sind von der B. durch Abbuchung von deren Schuldkonto übernommen worden. Im November 1952 sind alle Gesellschafter einschließlich des vierten Gesellschafters Dr. R., bis auf den Kläger, aus der Gesellschaft ausgetreten. Der Kläger blieb einziger Gesellschafter der B. Die Gesellschaft ist mit 31. Dezember 1955 aufgelöst und der Kläger zum Liquidator bestellt worden. Die Firma ist nach beendeter Liquidation mit 6. Juli 1956 erloschen. Der Kläger hat sich als alleiniger Gesellschafter die Forderungen und das Vermögen der Gesellschaft übertragen.

Das Bestandkonto des L. R. bei der B. aus dem Plykalith-Geschäft hat zu Beginn des Jahres 1954 zu dessen Lasten eine Summe von zirka 80.000 S erreicht. Dieser Betrag ist am 7. April 1954 vergleichsweise mit 24.000 S festgelegt worden und bezieht sich in dieser Höhe nur auf den seinerzeit dem L. R. über die Volksbank R. ausbezahlten Kredit von 27.050 S, der hiedurch teilweise gedeckt ist. R. und die Beklagte legten in der Vereinbarung vom 7. April 1954 fest, daß sie dem Kläger, und zwar sowohl diesem persönlich als auch in seiner Eigenschaft als "Alleininhaber" der B. aus dem sogenannten Plykalith-Geschäft einen runden Gesamtbetrag von 24.000 S schulden und verpflichteten sich, diesen Betrag dem Kläger im Laufe von drei Jahren unter gewissen Zahlungsmodalitäten zu bezahlen, wobei dem Kläger auch zwei Wechsel ausgehändigt wurden. Die Beklagte ist der Schuld ihres damaligen Ehemannes L. R. beigetreten.

Das Erstgericht gab der am 14. April 1960 überreichten Klage auf Zahlung von 24.000 S s. A. statt. Es verneinte das Vorliegen der von der Beklagten eingewendeten Verjährung.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und führte in rechtlicher Beziehung aus, daß der Kläger als Rechtsnachfolger der liquidierten B. zur Klage legitimiert sei. Bei der eingeklagten Forderung handle es sich nicht um eine Forderung aus einer Warenlieferung, sondern um ein Darlehen, welches zur Anschaffung von Rohmaterial zwecks späterer Lieferung von Waren von der B. gewährt worden sei. Die Beklagte hafte gemäß § 1347 ABGB. als Mitschuldnerin für die Schuld des Leopold R. Die Verjährungseinwendung versage, weil es sich bei der am 7. April 1954 verglichenen Schuld um eine Darlehensschuld handle, für die gemäß § 1478 ABGB. die 30jährige Verjährungszeit gelte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte vertritt zu dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt die Rechtsmeinung, daß Rechtsgrund der eingeklagten Forderung ein Vergleich über einen nur mangelhaft erfüllten Kaufvertrag sei und daher die Einwendung der Verjährung (3 Jahre) beachtlich gewesen wäre. Sie beruft sich zur Unterstützung ihrer Rechtsansicht auf die Entscheidung GlU. 3791. Diese Entscheidung hatte jedoch, wie der Revisionsgegner mit Recht ausführt, einen wesentlich andersgelagerten Sachverhalt zum Gegenstand. Es handelte sich dort um einen individualisierten rechtsverbindlich zustande gekommenen Kaufvertrag, bei dem der Käufer den Kaufpreis mit einer bestimmten Geldsumme für Lieferungen, zu denen sich der Verkäufer verpflichtet hatte, bevorschußte. Dies ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht stellte den Inhalt der zwischen R. und der B. getroffenen Vereinbarung dahin fest, daß die letztere dem R. einen Vorschuß von 27.050 S (auf den sich . die eingeklagte Summe von 24.000 S bezieht) zur Finanzierung der Plykalith-Gesichtsmaskenerzeugung gewährte und dieser Vorschuß mit den - für die Zukunft erwarteten - Warenlieferungen des Leopold R. verrechnet und auf diese Weise getilgt werden sollte. Eine Verpflichtung des R. zur Lieferung bestimmter Warenmengen nach Zeit und Umfang wurde nicht festgestellt. Die Vereinbarung erweist sich sowohl nach der Zweckbestimmung der Geldhingabe als auch im Hinblick auf eine ausdrücklich vorgesehene Verrechnung (Kompensation), ferner aber wegen des Fehlens einer bestimmten Lieferverpflichtung des R. als ein Darlehensvertrag (§ 983 ABGB.). Mit der ausbezahlten Geldsumme sollte nicht ein Vorschuß auf den Kaufpreis aus einem individualisierten, verbindlich abgeschlossenen Kaufvertrag gewährt werden, sondern der Vorschuß diente der Finanzierung der Gesichtsmaskenerzeugung des Geldempfängers. Er sollte nach Absicht der Parteien mit für die Zukunft erwarteten Kaufpreisforderungen des R. gegen die B. verrechnet (kompensiert) werden. Mangels Erbringung von Leistungen, durch die Kaufpreisforderungen entstanden wären, trat der Darlehensanspruch auf Rückzahlung des "Vorschusses" ein, der der Höhe nach von R. und der Beklagten am 7. April 1954 ausdrücklich anerkannt wurde. Daß unter derartigen Verhältnissen auch unter der Bezeichnung "Vorschuß" ein Darlehen zu verstehen ist, führte schon Schey (Obligationsverhältnisse, I. Band, S. 47f.) überzeugend aus. Ehrenzweig (System[2] II/1, § 361, VII, Anm. 33) und Stanzl (in Klang[2] IV, S. 702, Anm. 105) haben sich auf die Ausführungen von Schey bezogen (vgl. hiezu auch die Entscheidung GlUNF. 6713).

Der Oberste Gerichtshof hat daher keine Bedenken gegen die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß die Klage eine Forderung aus dem Beitritt zu einer Darlehensschuld zum Gegenstand hat. Eine solche Forderung verjährt in 30 Jahren (§ 1478 ABGB.). Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinwendung ist sohin, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nicht gerechtfertigt. Es erübrigt sich ein Eingehen auf die Ausführungen des Revisionsgegners, daß auch im Falle der Anwendung der 3jährigen Verjährungszeit die Forderung nicht verjährt wäre.

Anmerkung

Z35099

Schlagworte

Darlehen zur Finanzierung einer Erzeugung gegen Verrechnung mit, Lieferungen dieser Erzeugnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1962:0070OB00271.62.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19620926_OGH0002_0070OB00271_6200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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