TE OGH 1963/11/22 1Ob159/63

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Veröffentlicht am 22.11.1963
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Norm

Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm §1
Wasserrechtsgesetz 1959 §85 (1)

Kopf

SZ 36/150

Spruch

Für Verwaltungsangelegenheiten einer Wassergenossenschaft betreffende Streitigkeiten zwischen Funktionären dieser Genossenschaft ist der Rechtsweg unzulässig.

Entscheidung vom 22. November 1963, 1 Ob 159/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Oberpullendorf; II. Instanz:

Landesgericht Eisenstadt.

Text

Der Kläger, ein Landwirt in D., belangte den Beklagten, der gleichfalls Landwirt in diesem Orte ist, auf Herausgabe des Hauptbuches der Wassergenossenschaft D., wobei er das ursprüngliche Begehren, der Beklagte sei schuldig zu erkennen, das Buch ihm herauszugeben, bei der Tagsatzung vom 14. Dezember 1962 dahin modifizierte, er sei schuldig zu erkennen, das Buch der Wassergenossenschaft D. herauszugeben. Beide Parteien sind Genossenschafter und gehören überdies dem auch als "Vorstand" bezeichneten Ausschuß der im Jahre 1955 gegrundeten Genossenschaft an, der Kläger als Obmann, der Beklagte als Schriftführer. Der Kläger brachte zur Begründung seines Begehrens vor, er habe im Auftrag der Genossenschaft als deren Obmann sämtliche Bücher und Unterlagen derselben aufzubewahren und habe diese Papiere auch stets in einem Koffer verschlossen gehalten; dazu gehöre insbesondere das Hauptbuch, in dem die Zahlungen und Arbeitsleistungen sowie die Verbindlichkeiten der Genossenschafter verzeichnet würden; dieses Buch habe ihm der Beklagte am 3. September 1962 entrissen und damit die Flucht ergriffen; er habe gegen ihn nach rechtsfreundlicher Mahnung auch eine Strafanzeige erstattet, das Verfahren sei aber gemäß § 90 StPO. eingestellt worden.

Der Beklagte machte bei der Tagsatzung vom 14. Dezember 1962 u. a. geltend, es sei nicht richtig, daß der Kläger auf Grund eines Genossenschaftsbeschlusses zur alleinigen Verwahrung des Hauptbuches berechtigt sei; das Buch habe sich schon vor Klagseinbringung beim Obmannstellvertreter, dem Bürgermeister, befunden und stehe jedermann in der Gemeindekanzlei zur Einsichtnahme offen, es handle sich um einen Streit zwischen Genossenschaftern bzw. zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern, für den gemäß § 85 WRG. 1959 die Wasserrechtsbehörde zuständig, der Rechtsweg aber unzulässig sei.

Der Erstrichter wies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und gab zugleich dem Klagebegehren statt. Zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges vertrat er den Standpunkt, daß zwischen der Genossenschaft und dem Kläger ein Verwahrungsvertrag bestanden habe, sondern ein bürgerlich-rechtliches Verhältnis; der Anspruch auf petitorischen Rechtsschutz, den der Kläger mit Billigung der übrigen Vorstandsmitglieder verfolge, gehöre gemäß § 1 JN. vor die ordentlichen Gerichte, weil die Vorschrift des § 85 (1) WRG. 1959, die Entscheidung über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitigkeiten stehe der Wasserrechtsbehörde zu, nach dem Zusammenhang dahin zu verstehen sei, daß Streitigkeiten gemeint seien, die aus den im Wasserrechtsgesetz entstehenden Ansprüchen und Gegenansprüchen abgeleitet würden.

Das Berufungsgericht erachtete die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges als berechtigt und gab der wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung dahin Folge, daß es unter Aufhebung von Urteil und vorangegangenem Verfahren die Klage zurückwies. Die Begründung seines Beschlusses läßt sich wie folgt zusammenfassen: Auszugehen sei von den Angaben des Klägers, wobei es nur darauf ankomme, welchen Rechtsgrund er für sein Begehren in Anspruch genommen habe; der Kläger habe sich gar nicht auf ein Privatrechtsverhältnis, insbesondere nicht auf einen zwischen ihm und der Genossenschaft geschlossenen Verwahrungsvertrag gestützt, sondern nur geltend gemacht, daß er das Buch als Obmann der Wassergenossenschaft in deren Auftrag aufzubewahren gehabt habe; eine Wassergenossenschaft sei nach §§ 73 ff. WRG. 1959 eine Körperschaft öffentlichen Rechtes; Bestellung und Aufgaben ihrer Organe würden teils durch das Gesetz selbst, teils durch die der Genehmigung der Wasserrechtsbehörde bedürftigen Satzungen bestimmt; daher sei das Verhältnis zwischen der Genossenschaft und den Organen und jenes zwischen letzteren öffentlich-rechtlicher Natur; gemäß § 85 (1) WRG. 1959 obliege die Aufsicht über die Wassergenossenschaft der Verwaltungsbehörde und diese Aufsicht erstrecke sich über ihre gesamte Tätigkeit; darum habe diese Behörde über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis entspringenden Streitfälle, die nicht innerhalb der Genossenschaft geschlichtet werden könnten, zu entscheiden; ob der Obmann einer Wassergenossenschaft oder deren Schriftführer das Hauptbuch aufzubewahren habe oder es aufbewahren dürfe, ob der Schriftführer das Buch dem Obmann abnehmen dürfe oder wieder zurückstellen müsse, sei typisch ein Streitfall aus dem Genossenschaftsverhältnis; die Sache gehöre darum sowohl mangels der Voraussetzungen des § 1 JN. als auch zufolge der ausdrücklichen Regelung des § 85 (1) WRG. vor die Verwaltungsbehörde.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Der Kläger hat nicht den ausdrücklichen oder konkludenten Abschluß eines Verwahrungsvertrages oder das Zustandekommen eines sonstigen Zivilrechtsverhältnisses mit Elementen eines Verwahrungsvertrages behauptet, sondern ein genossenschaftsrechtliches Verwahrungsverhältnis, für das seine Funktion als Obmann maßgebend war. Grundlage solcher Rechtsbeziehungen ist die Selbstverwaltung der Wassergenossenschaft. Der Eingriff des Beklagten, gegen den er sich als Obmann zur Wehr setzen bzw. dessen Rückgängigmachung er anstreben will, beruht auf einem Konflikt zwischen Genossenschaftsfunktionären, die mit der Selbstverwaltung der Genossenschaft betraut sind. Nun steht der Wasserrechtsbehörde aber die Aufsicht über die gesamte Tätigkeit der Genossenschaft, also auch über deren Selbstverwaltung, zu. Dies war schon vor der WRNov. 1959 anerkannte Meinung und ist jetzt im § 85 (1) WRG. 1959 ausdrücklich normiert (vgl. dazu Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, S. 332 ff.). Gewiß hat die Wasserrechtsbehörde bei ihrer Aufsicht auf das Prinzip der genossenschaftlichen Selbstverwaltung Bedacht zu nehmen, wie sich aus den EB. zur WRNov. 1959 (vgl. Krzizek a. a. O.; Hoyer, Wasserrechtsgesetz[2], S. 101) ergibt; wenn sich aber aus einem internen Selbstverwaltungsstreit eine Situation ergibt, welche dazu führt, daß die Genossenschaft ihre Aufgaben nicht mehr sachgemäß erfüllen kann, wird ein Einschreiten der politischen Behörde sehr wohl in Betracht kommen (vgl. dazu auch die Bestimmungen des § 85 Abs. 2 - 4 WRG. 1959). Zum Hinweis der II. Instanz, die Wassergenossenschaft sei eine Körperschaft öffentlichen Rechtes, sei mit Rücksicht darauf, daß die Wassergenossenschaft D. schon vor der WRNov. 1959 gebildet wurde, der Vollständigkeit halber festgehalten, daß diese Regelung zwar nunmehr durch § 74 (2) WRG. 1959 getroffen erscheint, daß den Wassergenossenschaften durch § 63 WRG. 1934 aber nur "Rechtspersönlichkeit" schlechthin verliehen war, weshalb die Rechtslage seinerzeit nicht eindeutig war (vgl. Krzizek a. a. O., S. 301). Das ist aber schon deshalb belanglos, weil die Wassergenossenschaft D., wie sich aus § 17 (5) der vom Obersten Gerichtshof eingeholten Statuten ergibt, schon selbst folgende Norm aufgestellt hatte: "Die Wasserrechtsbehörde und das Amt der burgenländischen Landesregierung ist berechtigt, von der Genossenschaft Aufklärung über ihre Geschäftsführung zu verlangen, in die Aufzeichnungen der Genossenschaft Einsicht zu nehmen, in die Ausschußsitzungen und Genossenschaftsversammlungen Vertreter zu entsenden und die Kassengebarung und den Kassenstand der Genossenschaft jederzeit zu überprüfen." Das Aufsichtsrecht der politischen Behörden über die Selbstverwaltung dieser Genossenschaft kam darin schon klar zum Ausdruck.

Daß es sich bei den im vorliegenden Fall in Betracht kommenden meritorischen Fragen typisch um einen Streit aus dem Genossenschaftsverhältnis handle, wie die II. Instanz aussprach, mag am Kern der Sache vielleicht vorbeigehen. Es handelt sich um einen Konflikt zwischen Genossenschaftsfunktionären im Rahmen und über die Gestaltung der genossenschaftlichen Selbstverwaltung, über welche der politischen Behörde die Aufsicht zusteht.

Der Beklagte hat bei seiner Parteienvernehmung bekundet, er habe bei der Landesregierung erklärt, seine Funktion zurückzulegen, und von dieser Erklärung habe er auch den übrigen Vorstandsmitgliedern Mitteilung gemacht; der Genossenschaftsvollversammlung gegenüber habe er freilich seinen Rücktritt nicht erklärt. Der Erstrichter hat in seinem Urteil dazu den Standpunkt eingenommen, unter diesen Umständen könne bei Schluß der Verhandlung von einem rechtswirksamen Rücktritt des Beklagten als Ausschußmitglied nicht gesprochen werden. Für die hier allein zu beurteilende Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges ist dies aber ohne Belang, weil selbst dann, wenn der Beklagte nur mehr einfacher Genossenschafter wäre, der Streitfall immer noch in dem durch § 85 (1) WRG. 1959 umrissenen Bereich auszutragen wäre.

Anmerkung

Z36150

Schlagworte

Unzulässigkeit des Rechtsweges Verwaltung einer Wassergenossenschaft, Wassergenossenschaft, Rechtsweg

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0010OB00159.63.1122.000

Dokumentnummer

JJT_19631122_OGH0002_0010OB00159_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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